Kai (21.02.2005)
Inwieweit klären Gutachter, wer Mieter des zu bewerteten Objektes ist? Wird nur der Eigentümer nach Mietern gefragt oder wird selbst durch das Abschreiben von Namen auf Klingelschildern oder Einwohnermeldeamtsanfragen recherchiert?
Wenn der Eigentümer nicht zum Besichtigungstermin kommt, wird ein Gutachten nach äußerem Anschein gemacht? Oder: Wird neben dem Eigentümer auch der Mieter zwecks Besichtigung und Mietvertragskopie angeschrieben?
loop63 (22.02.2005)
Hallo Kai,
grundsätzlich recherchiere ich höchstpersönlich jeden Mieter, der Rechtspfleger bekommt von mir eine Liste (nicht im Gutachten) mit Namen, Anschrift, Tel-Nr.. Zudem versuche ich vorab zuklären, ob der Mieter zur Erhaltung der Mietsache (z.B. Mieterdarlehen) beigetragen hat.
Ein gewissenhafter Gutachter kommt eigentlich auch garnicht daran vorbei, sofern er Mietverträge, Nachträge etc. erhält und prüft.
Klar, wenn wir als Gutachter keinen Zutritt erhalten, wirds eng.
Sofern ich keinen Zutritt erhalte bzw. vergeblich keinen OT abstimmen konnte, erhält das ZV-Gericht eine zeitnahe Nachricht. Daraufhin erhält der Eigentümer ein schreiben, wonach er den OT ermöglichen sollte, da andernfalls das Gutachten, nach dem äußeren Anschein begutachtet wird.
I.d.R. lassen mich die Mieter aber immer rein und geben bereitwillig Auskunft!! Klar, wenn der ET auch das unterbindet, muss er die Folgen eines ggf. zu geringen Verkehrswerts selbst verantworten.
Siehe auch nachfolgende Urteile:
Verweigert der Vollstreckungsschuldner dem gerichtlich bestellten Gutachter den Zutritt zum Versteigerungsobjekt, hat das Gericht die Festsetzung des Verkehrswertes nach dem äußeren Anschein und den amtlichen Unterlagen vorzunehmen. Die Festsetzung kann nicht mit der Begründung der Unrichtigkeit des Wertes angefochten werden.
(Leitsatz, nicht amtlich)
LG Dortmund, Beschluss vom 20.04.2000 - 9 T 400/00; Rpfleger 2000, Heft 10, S. 466; Saurus
bzw.
Landgericht Kiel vom 2.11.2001 - 13 T 211/01 - 82 K 43/99 AG Neumünster
herzliche Grüße
Jens Rohde
Kai (23.02.2005)
Hallo Herr Rohde,
so ähnlich wie von Ihnen dargestellt sehe ich es auch. Grund meiner Frage war, dass mich ein Gutachter mehr oder weniger ungläubig
angeguckt hat. Ich hatte beiläufig erzählt, dass manche Gutachter auch die Mieter zwecks Besichtigung kontaktieren. Er meinte, er
habe dazu keine juristische Handhabe. Wenn der Eigentümer ihm keine Besichtigung verschaffe, würde er nichts weiter unternehmen.
Daneben habe ich von einem anderen Gutachter das Argument gehört, die Kontaktierung der Mieter wie zB durch Anbringung eines Aushangs im Treppenhaus sei datenschutzrechtlich bedenklich; denn so würden die Mieter von der Versteigerung lange vor Terminierung erfahren.
In einem Fall habe ich jetzt Ärger wegen der fehlenden Kontaktaufnahme mit dem Mieter und der nicht vorgenommenen Besichtigung an der Backe. Klar ist, dass der Mieter den Gutachter nicht reinlassen muss. Aber versuchen sollte er es im zumutbaren Rahmen.
Mich würde interessieren, ob es dazu weitere Rechtsprechung oder Literatur gibt.
Kai (24.02.2005)
So, ich habe zwar keine repräsentative Umfrage gemacht, aber jeden Gutachter angehauen, der mir die letzten Tage über den Weg gelaufen ist. Die ganz überwiegende Mehrheit hat sich vehement für die Pflicht des Gutachters ausgesprochen, eine Kontaktaufnahme mit dem Mieter zwecks Besichtigung und Kopie Mietvertrag wenigstens zu versuchen.
Ich muss mir -obwohl ich noch wenig an Literatur dazu gefunden habe- ernsthaft überlegen, Gutachter mit anderweitiger Auffassung nicht mehr zu bestellen. Letztlich ist mir die Gefahr, dass ich im Verfahren oder noch schlimmer im Termin dumm dastehe, weil das Gutachten ohne versuchte Besichtigung und ohne genaue Kenntnis der Miethöhe und der Mietvertragsverpflichtungen leichter angreifbar ist, zu hoch. Dann hätte ich noch mehr Gutachten nach äußerem Anschein.