§ 29 III GBO - Siegel oder Stempel?

  • Wenn man das konsequent handhabt, dann muss man allerdings viel bemängeln, nicht nur Ersuchen. Betreuerausweise, Ausfertigungen gerichtlicher Entscheidungen, vollstreckbare Ausfertigungen etc.


    Die Entscheidung hat auch hier eingeschlagen. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat es bislang gegen die (kaum zu widerlegende) Ansicht des OLG keinen Widerstand gegeben. Bislang ist die Entscheidung aber wohl auch weder an die anderen Abteilungen noch an das Nachbargericht (Stichworte: ZVG und InsO) weitergegeben worden. Die erste Zwischenverfügung an das Versteigerung geht wohl dieser Tage raus, immerhin geht es nur um die Löschung eines Versteigerungsvermerks.

    Und als Familiengericht kann ich nun über meine Bestallungsurkunden räsonnieren, wo ich das Siegel entweder neben das oder anstelle des ursprünglich vorgesehenen (aber immerhin gut lesbaren) Siegels setze. Mal sehen, ob letzteres programmtechnisch überhaupt geht.

    Ich überlege gerade, ob ich mal die IT-Stelle mit dem Beschluss erschrecke.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Wir (im OLG-Bezirk Nürnberg) überlegen gerade im Kollegenkreis, ob wir nicht zukünftig auch wieder ein echtes Siegel verlangen.

    Nun, zum Glück ist der Wortlaut der münchner Entscheidung so drastisch eindeutig, dass es da nicht viel zu überlegen gibt.

    Ich (ebenfalls OLG Nürnberg) habe Ende letzter Woche bereits die erste Zwischenverfügung deswegen (an Notar) und in einer anderen Sache (Berichtigungsantrag durch das Nachlassgericht) ein höfliches Schreiben mit Kopie der Entscheidung hinausgegeben. Eine Wahl habe ich nicht.

    Aber: es betrifft nur Dokumente fremder Gerichte, nicht die Dokumente der eigenen, vgl. OLG München, Beschluss v. 30.05.2016 – 34 Wx 17/16 (dort in den Gründen ab RN 19, Stichwort "gerichtskundig")

  • Bei uns macht jeder was er will. Man kann ja den sachlich unabhängigen Kollegen schlecht was vorschreiben. Zu 99% bedeutet dies, dass sich keiner was um die Ausführung der Siegel schert (ich bin das belächelte 1%). Ob die OLG - Entscheidung da viel ändert, wage ich zu bezweifeln.

  • Dass sich demnach 99 % der Kollegen - obwohl sie es besser wissen - nicht an das Gesetz halten, ist natürlich ein Armutszeugnis für den gesamten Berufsstand.

    Aber es ist schon so wie Du sagst: Wer es richtig macht, wird belächelt und soll vor der Masse der Gesetzesverstöße anderer kapitulieren.

  • Wenn man das konsequent handhabt, dann muss man allerdings viel bemängeln, nicht nur Ersuchen. Betreuerausweise, Ausfertigungen gerichtlicher Entscheidungen, vollstreckbare Ausfertigungen etc.

    Es ging aber eigentlich nur um § 29 Abs. 3 GBO. Soll man das jetzt auf alle Eintragungsunterlagen ausweiten? Und wie sieht es mit den maschinellen Siegeln auf den Coburger Vollstreckungsbescheiden aus? Oder den Fortführungsnachweisen der Vermessungsämter?

  • Dass sich demnach 99 % der Kollegen - obwohl sie es besser wissen - nicht an das Gesetz halten, ist natürlich ein Armutszeugnis für den gesamten Berufsstand.

    Aber es ist schon so wie Du sagst: Wer es richtig macht, wird belächelt und soll vor der Masse der Gesetzesverstöße anderer kapitulieren.

    Aus einem Schreiben eines beschwerdeführenden Notars: "Unverständlich ist mir, dass das Amtsgericht als einziges mir bekanntes Grundbuchamt in der BRD die von Ihnen angemahnten Erfordernisse für den Vollzug....verlangt. Es erscheint mir nicht sachdienlich, Vollzüge mit absolut unüblichen Vollzugserfordernissen zu beschweren und dadurch nicht nur sich selbst, sonder auch den Beteiligten und dem Beschwerdegericht Nachteile, sei es auch nur durch unnötigen Arbeitsaufwand, zu besorgen."

  • Dass sich demnach 99 % der Kollegen - obwohl sie es besser wissen - nicht an das Gesetz halten, ist natürlich ein Armutszeugnis für den gesamten Berufsstand.

    Aber es ist schon so wie Du sagst: Wer es richtig macht, wird belächelt und soll vor der Masse der Gesetzesverstöße anderer kapitulieren.

    Aus einem Schreiben eines beschwerdeführenden Notars: "Unverständlich ist mir, dass das Amtsgericht als einziges mir bekanntes Grundbuchamt in der BRD die von Ihnen angemahnten Erfordernisse für den Vollzug....verlangt. Es erscheint mir nicht sachdienlich, Vollzüge mit absolut unüblichen Vollzugserfordernissen zu beschweren und dadurch nicht nur sich selbst, sonder auch den Beteiligten und dem Beschwerdegericht Nachteile, sei es auch nur durch unnötigen Arbeitsaufwand, zu besorgen."


    So ähnlich schrieb mir mal ein Gericht, von dem ich eine ordnungsgemäße Verbindung mehrerer Seiten eines Beschlusses (anstatt nur mit Heftklammer) verlangte. "Umgeknickt und übergesiegelt" hätte mir ja gelangt, aber selbst das wurde mit Ächtzen und Stöhnen ob der unsinnigen und von niemandem sonst verlangten Mehrbelastung quittiert. Das geht also in beide Richtungen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Dass sich demnach 99 % der Kollegen - obwohl sie es besser wissen - nicht an das Gesetz halten, ist natürlich ein Armutszeugnis für den gesamten Berufsstand. Aber es ist schon so wie Du sagst: Wer es richtig macht, wird belächelt und soll vor der Masse der Gesetzesverstöße anderer kapitulieren.

    Aus einem Schreiben eines beschwerdeführenden Notars: "Unverständlich ist mir, dass das Amtsgericht als einziges mir bekanntes Grundbuchamt in der BRD die von Ihnen angemahnten Erfordernisse für den Vollzug....verlangt. Es erscheint mir nicht sachdienlich, Vollzüge mit absolut unüblichen Vollzugserfordernissen zu beschweren und dadurch nicht nur sich selbst, sonder auch den Beteiligten und dem Beschwerdegericht Nachteile, sei es auch nur durch unnötigen Arbeitsaufwand, zu besorgen."

    Für jedes Mal nen Euro kriegen, wenn ein Notar behauptet ich sei der einzige der ... oder die anderen akzeptieren das aber auch so ..., ich hätte ausgesorgt.

  • Zitat von Tyrael

    Aber: es betrifft nur Dokumente fremder Gerichte, nicht die Dokumente der eigenen, vgl. OLG München, Beschluss v. 30.05.2016 – 34 Wx 17/16 (dort in den Gründen ab RN 19, Stichwort "gerichtskundig")

    Ich zweifle. Üblicherweise geht nach h. M. auch bei Dokumenten des eigenen Gerichts ohne ordentlichen Verweis auf die entsprechende Akte nichts.

    Rechtsprechungsänderungen oder -Neuerungen haben immer mit dem berühmten 1 % begonnen. Das ist nichts ungewöhnliches. Und ja, auch die Justiz selbst bekleckert sich da nicht immer mit Ruhm. Es sind auch sicher keine 90% aller Rechtspflegerkollegen hier im Forum.

    Die FN's der Vermessungsämter dürften nicht betroffen sein, weil es sich bei diesen Änderungen nach h. M. nur um eine Richtigstellung, nicht aber um eine Berichtigung handelt. Es liegt auch kein Ersuchen i.S.d. § 38 GBO vor. Aber sonst sehe ich schwarz:
    - Vollstreckungsbescheide
    - Bestallungsurkunden
    - Ersuchen
    - Vollstreckbare Ausfertigungen
    - Rechtskraftbescheinigungen
    - familien- und betreuungsgerichtliche Genehmigungen

    Die Erbscheine habe ich gerade nicht im Blick, ich hatte schon länger keinen mehr. Aber immerhin die Europäischen Nachlasszeugnisse - letzte Woche ist unser zweites bei uns eingegangen - haben sicherlich ein nichtmaschinelles Siegel.

    Wir haben es übrigens gestern ausprobiert: In ForumStar lässt sich, wenn man das Dokument nach der letzten Interpretation zum Drucken noch einmal bearbeitet, auch das maschinelle Siegel beseitigen, so dass man zumindest in diesem Bereich nicht notwendig ein echtes neben ein maschinelles Siegel setzen muss.

    Ich überlege gerade, ob ich nicht in ein paar Monaten mit Verweis auf die Münchner Entscheidung einen ordnungsgemäßen Steuerbescheid verlangen soll ... :teufel:

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Andreas: Wenn Du den Steuerbescheid als Grundlage einer Grundbucheintragung benötigst, mußt Du es tun. Ansonsten ist im Steuerrecht der Anwendungsbereich des § 29 III GBO doch wohl eher nicht eröffnet.

    Ich denke, es muß immer noch zwischen der Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes und dem formgerechten Nachweis im Grundbuchverfahren unterschieden werden.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • - Vollstreckungsbescheide

    Vollstreckungsbescheide fallen aber doch nicht unter § 29 III GBO!?

    Für die maschinelle Siegelung gibt es eine gesetzliche Regelung: § 703b ZPO.

    "....mit dem Gerichtssiegel versehen...." steht da. Und dass ein Kartoffelstempel kein ordnungsgemäßes Gerichtssiegel ist hat das OLG ja gesagt.
    Es geht generell um die Frage, welche Form beim Grundbuchamt einzureichende Unterlagen haben müssen. Die konkrete Entscheidung wurde zu § 29 Abs. 3 GBO getroffen.
    Aber wenn das OLG sagt, dass das kein Siegel ist, dann ist es auch auf anderen Unterlagen, die in der Form des § 29 GBO vorzulegen sind, kein Siegel.

  • "....mit dem Gerichtssiegel versehen...." steht da.

    Der Satz beginnt allerdings mit "Bei maschineller Bearbeitung...". Die Vorschrift ist sicher nicht so zu verstehen, dass ein maschineller Vollstreckungsbescheid ein manuell angebrachtes Siegel erfordert.

    Siehe auch Zöller/Vollkommer, Rn. 1 zu § 703b ZPO.

  • Wenn man das konsequent handhabt, dann muss man allerdings viel bemängeln, nicht nur Ersuchen. Betreuerausweise, Ausfertigungen gerichtlicher Entscheidungen, vollstreckbare Ausfertigungen etc.

    Es ging aber eigentlich nur um § 29 Abs. 3 GBO. Soll man das jetzt auf alle Eintragungsunterlagen ausweiten? Und wie sieht es mit den maschinellen Siegeln auf den Coburger Vollstreckungsbescheiden aus? Oder den Fortführungsnachweisen der Vermessungsämter?

    Für die Fortführungsnachweise ist das nicht relevant, da insoweit weder Siegel noch Stempel erforderlich sind: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. November 1987 – 3 Wx 389/87 –,

  • Ja, es ist zwar immer ein "Siegel" drauf und das Vermessungsamt schreibt auch immer "mit dem Ersuchen um Übernahme ins Grundbuch", aber das bedeutet ja nicht, dass es tatsächlich ein Ersuchen i.S.v. § 38 GBO ist und dass der FN eine Urkunde ist, die gesiegelt werden müsste.

  • "....mit dem Gerichtssiegel versehen...." steht da.

    Der Satz beginnt allerdings mit "Bei maschineller Bearbeitung...". Die Vorschrift ist sicher nicht so zu verstehen, dass ein maschineller Vollstreckungsbescheid ein manuell angebrachtes Siegel erfordert.

    Siehe auch Zöller/Vollkommer, Rn. 1 zu § 703b ZPO.


    Und warum sollen all die anderen Erzeugnisse aus ForumStar oder SolumStar keine Produkte maschineller Bearbeitung sein?

    Abgesehen davon ist es dem OLG München ziemlich egal, warum irgendwo maschinelles Siegel drauf ist. Es handelt sich dabei jedenfalls nicht um ein Siegel im Rechtssinne, denn Sinn und Zweck werden nach dem OLG München bei jedem maschinellen Siegelausdruck (zwangsläufig) missachtet.

    Meine Meinung: Alles oder nichts.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

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