Vertrag zugunsten Dritter wirksam?

  • Ich habe folgenden Sachverhalt:
    Tschechischer Erblasser hat bzgl. eines Sparbuchs bei einer deutsch Bank einen Vertrag zugunsten Dritter (Drittbegünstigung bei Todesfall) zugunsten seiner Tochter abgeschlossen.
    Jetzt stellt sich die einheimische Bank auf den Standpunkt, dass ein Erbschein erfoderlich sei, da der Vertrag zugunsten Dritter unwirksam sei, weil der Vertragspartner Tscheche ist.
    Würde der Vertrag zugunsten Dritter tatsächlich nicht wirksam sein, würden die insgesamt vier Kinder des Erblassers erben.
    Irgendwie gemein, oder? :gruebel:

  • Ich gehe davon aus, daß der Erblasser zuletzt in deinem AG-Bezirk wohnhaft war und du darum zuständig bist.

    Normalerweise dürfte dir die Einstellung der Bank egal sein, da dich das als Nachlassgericht nicht belastet. Ich meine: Gibt es einen Erbscheinsantrag der vier Kinder? Diese sind ja mit oder ohne Vertrag zug. Dritter Erben geworden (wenn die Ehefrau des Erbl. vorverst. ist). Alles andere müßte "die Tochter" im Wege einer Zivilklage klären lassen.

    Zur Haltung der Bank (völlig aus dem Bauch heraus): Nur weil jemand Tscheche ist, kann die Bank m.E. nicht sagen, daß für einen Ausländer kein Recht besteht, einen Vertrag zug. Dritter zu schließen. Ich denke, es ist wie in vielen Fällen so, daß evtl. eine ganz andere Sache die Bank an der Anerkennung des Vertrages hindert. Vielleicht ist er nicht richtig abgeschlossen oder es liegt ein sonstiger Mangel vor. "Die Tochter", die dir sicher den SV schilderte, hat evtl. auch die Ausführungen der Bank mißverstanden. Ich würde Sie zum Anwalt schicken. Es gibt aber auch tolle Internet-Online-Beratungsseiten mit kompetenten RAs, wo man sich für 100 € gute Auskünfte besorgen kann:wechlach: (kleiner Scherz für Insider):grin:

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Zur Klarstellung:
    Der Erblasser hatte seinen letzten Wohnsitz in Tschechien und ich bin für das Nachlassverfahren zuständig, weil sich das bewegliche Vermögen in Form des Sparbuchs im Inland befindet.
    Hätte der Vertrag zugunsten Dritter Wirksamkeit, würde ich mir ein Nachlassverfahren diesbezüglich "sparen", weil es sich bei dem Sparbuch um den einzigen Vermögensgegenstand im Inland handelt.

  • O.K.

    Dennoch kannst du als NLG nicht über die Wirksamkeit eines solchen Vertrages sondern nur über einen Erbscheinsantrag entscheiden. Ob der Antrag auf Erteilung eines ES notwendig ist oder nicht, müssen die Erben bzw. die Tochter im Zivilweg klären. Es bleibt also trotzdem bei meiner bisherigen Aussage. Die Leute sollen zum Anwalt. Du als NLG mußt dich aus dem Streit zwischen der Tochter und der Bank raushalten.

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  • Nachträglich:

    Klar, daß du auch die Wirksamkeit des Vertrages prüfen kannst/mußt, weil anderenfalls deine Zuständigkeit für die Erteilung des ES wegfällt.
    Bist du der Meinung, daß der Vertrag wirksam geschlossen ist?

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  • @ TL:

    Also meines Erachtens ist der Vertrag wirksam.
    Die Argumentation der Bank, der Vertragspartner sei Tscheche, auf den das BGB keine Anwednung findet und der Vertrag sei somit nicht wirksam, finde ich so nicht nachvollziehbar.
    Zumal die Ehefrau des Erblassers gesagt hat, dass die Bank bei Vertragsabschluss nicht ein Wort darüber verloren hat, dass der Vertrag evtl. aufgrund seiner Staatsangehörigkeit nicht wirksam sein könnte.
    Ich denke dass dann zumindest über Treu und Glauben, § 242 BGB oder sonstigen Vertrauensschaden eine Erstattungspflicht der Bank eintritt.

    Ich habe die im Vertrag bedachte Tochter jetzt an einen RA verwiesen, der sich mal mit der Bank auseinandersetzen soll.
    Käme der RA zu dem Ergebnis, die Bank hat Recht und der Vertrag wäre tatsächlich unwirksam, kann immer noch ein Erbscheinsverfahren durchgeführt werden. Aber ich werde zunächst abwarten, was der RA von dem Vertrag hält.

  • Egal wie, aber nur weil jemand nicht Deutscher ist, kann es nicht sein, daß die Vorschriften der §§ 328 ff BGB nicht für ihn gelten sollen; wenngleich die Bank aber auf seinen Namen ein Konto führt.

    Die Zeiten, in denen man -um wirksam Verträge abschließen zu können- Deutscher sein mußte, sind m.E. vorbei....

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  • Man muss unterscheiden zwischen dem (1) Deckungsverhältnis (Vertrag zwischen der Bank als Versprechende und dem Erblasser als Versprechensempfänger), dem (2) Valutaverhältnis (Vertrag zwischen dem versprechensempfangenden Erblasser und der begünstigten Tochter als Dritter) und (3) dem späteren nichtvertraglichen Vollzugsverhältnis zwischen der Bank als Versprechende und der Tochter als Dritter. Nur das Valutaverhältnis (hier: eine Schenkung) entscheidet letztlich darüber, ob die Tochter die nach dem Ableben des Erblassers erbrachte Leistung letztlich behalten darf (BayObLG NJW-RR 2003,4; Palandt/ Grüneberg § 330 RdNr.5), während sich das Forderungsrecht der Tochter alleine aus dem Deckungs-verhältnis zwischen Bank und Erblasser ableitet. Ob die Tochter im Vollzugsverhältnis gegen die Bank einen Anspruch auf Leistung hat, richtet sich aufgrund der Qualifikation des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall als Rechtsgeschäft unter Lebenden demzfolge nicht nach dem Erbstatut, sondern nach dem Vertragsstatut der Art.27 ff. EGBGB, welches die Zulässigkeit von Verträgen zugunsten Dritter und die Zugehörigkeit des betreffenden Vermögenswertes zum Nachlass bestimmt (Staudinger/Dörner Art.25 EGBGB RdNrn.404, 405 m.w.N.).

    Danach ergibt sich nach meinem Dafürhalten für das im Hinblick auf den Leistungsanspruch der Tochter maßgebliche Deckungsverhältnis zwischen Bank und Erblasser die Anwendung deutschen Rechts, und zwar aufgrund einer stillschweigenden (oder sogar bankformularmäßig ausdrücklichen) Rechtswahl i.S. des Art.27 Abs.1 EGBGB, weil der Vertrag bei (unterstellter!) Unzulässigkeit solcher Verträge nach tschechischem Recht überhaupt nur in Anwendung deutschen Rechts gültig sein kann und weil in den betreffenden Bankformularen für die Regelung des Vertragsverhältnisses auf deutsche Rechtsvorschriften verwiesen wird (Palandt/Heldrich Art.27 EGBGB RdNr.6 m.w.N.). Damit erscheint klar, dass die Rechtsauffassung der Bank im vorliegenden Fall unzutreffend ist, weil sie für die Wirksamkeit des Deckungsverhältnisses rechtsirrig von der Maßgeblichkeit des Erbstatuts ausgeht.

    Das Valuta(schenkungs)verhältnis zwischen Erblasser und Tochter wird dagegen kollisionsrechtlich gesondert angeknüpft. Insoweit kommt es darauf an, ob die Schenkung beim Tod des Erblassers bereits vollzogen war oder nicht, wobei die Frage, ob die Schenkung vollzogen war, aufgrund des aus den vorgenannten Gründen nach deutschem Recht zu beurteilenden Deckungsverhältnisses zu beurteilen ist (vgl. Staudinger/Dörner Art.25 EGBGB RdNrn. 406, 354 ff. und Palandt/Heldrich Art.25 RdNr.15 -jeweils m.w.N. zu divergierenden Auffassungen-). Danach ist die Schenkung in jedem Fall vollzogen, wenn der begünstigte Dritte -wie oft üblich- bereits am Vertrag zugunsten Dritter mitgewirkt und ihn ebenfalls unterzeichnet hat (was sich dem Bankformular entnehmen lässt), weil im Hinblick auf die nicht eingehaltene Form des § 516 BGB mit dem Ableben des Erblassers Heilung i.S. des § 518 Abs.2 BGB eintritt (Palandt/Grüneberg § 331 RdNr.5 -auch zu weiteren denkbaren Fallgestaltungen im Hinblick auf das Ob und Wie des Vollzugs der Schenkung-).

    Ist die Schenkung demnach vollzogen, beurteilt sich ihre Wirksamkeit nicht nach dem Erbstatut, sondern nach dem Schenkungsstatut, also wiederum nach den Art.27 ff. EGBGB und damit ebenfalls nach deutschem Recht. War sie dagegen noch nicht vollzogen, ist ihre Wirksamkeit nach dem Erbstatut zu beurteilen (vgl. Staudinger/Dörner und Palandt/Heldrich je a.a.O. m.w.N.).

    Das bedeutet im Ergebnis:

    Die Bank ist aufgrund des nach deutschem Recht zu beurteilenden wirksamen Deckungsverhältnisses gehalten, die Leistung an die begünstigte Tochter vorzunehmen und kann ihre Weigerung nicht damit begründen, dass die Tochter die Zuwendung im Verhältnis zu den Erben wegen des evtl. nach dem Erbstatut zu beurteilenden Valutaverhältnisses unter Umständen nicht behalten darf.

    Damit kann zur Auszahlung der Gelder kein Erbschein erforderlich sein.

    Eine andere Frage ist, ob zwischen der Tochter und ihren drei Geschwistern Streit besteht und dass deswegen von letzteren ein Erbschein zu dem Zweck beantragt wird, im Inland gegen die begünstigte Tochter im Sinne der Geltendmachung der Unwirksamkeit des Valutaverhältnisses vorzugehen. In diesem Fall wird man die Erteilung eines Erbscheins wohl nicht verweigern können, da der betreffende Anspruch der Erben bei inländischem Wohnsitz der begünstigten Tochter i.S. des § 2369 BGB im Inland belegen ist, weil er vor einem deutschen Gericht geltend gemacht werden könnte (Palandt/Edenhofer § 2369 RdNr.7).

  • Vielen, vielen Dank juris für Deine super Antwort.:daumenrau :2danke

    Einfach immer wieder Weltklasse, wie Du den zugrundeliegenden Sachverhalt aufarbeitest und verständlich beurteilst!

    Spitze. :huldigen:

    Vielen Dank nochmal !!!

  • ... man traut sich kaum, seine im Lichte von juris2112 schlichten Posts zu schreiben:oops:

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