Verzicht auf gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht

  • Hallo!
    Ich habe folgendes Problem: Eheleute errichten ein gemeinschaftliches Testament in welchem sie sich gegenseitig zu Alleinerben sowie A, B und C als Schlusserben einsetzen.
    Nachdem der Ehemann verstorben ist, schließt die Ehefrau mit A einen Vertrag, in dem A auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet. Heißt das, dass A auch auf sein Erbrecht gemäß der letztwilligen Vfg. verzichtet hat oder hätte dann ein Verzicht gem. § 2352 BGB erfolgen müssen? Die Erblasserin und A wollten bei Abschluss des Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages, dass A nichts mehr erbt und auch keinen Pflichtteilsanspruch hat.

    Hoffe auf eure Antworten!

  • Der erfolgte Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht hat keinen Einfluss auf die erfolgte Erbeinsetzung, weil der erbrechtliche Erwerb des A ja gerade nicht kraft Gesetzes, sondern kraft letztwilliger Verfügung erfolgt. Der erklärte Verzicht beschränkt sich daher sachlich immer auf den jeweiligen Berufungsgrund. Im Einzelfall kann die Auslegung aber ergeben, dass ein Verzicht i.S. des § 2346 BGB auch einen solchen nach § 2352 BGB enthält (BGH DNotZ 1972, 500; Staudinger/Schotten § 2352 RdNr.4; MünchKomm/Strobel § 2352 RdNr.16; Palandt/Edenhofer § 2346 RdNr.5). Das eigentliche Problem des Falles scheint mir daher in der letztgenannten Fragestellung zu liegen.

  • Vielen Dank juris!
    Ich konnte leider nur die Fundstelle im Palandt nachlesen - die übrigen Fundstellen muss ich mir erst besorgen.
    Könnte die Auslegung im vorliegenden Fall nicht ergeben, dass auch auf die Einsetzung als testamentarischer Erbe verzichtet werden wollte, da die Existenz und Unwiderruflichkeit des gemeinschaftlichen Testaments bekannt war?

  • Aus den anderen Fundstellen ergibt sich nichts wesentlich anderes als aus dem Palandt, nur dass die Problematik in den Großkommentaren naturgemäß etwas ausführlicher dargestellt wird.

    Im vorliegenden Fall würde ich die genannte Auslegung befürworten, falls die überlebende Ehefrau und A den Erbverzicht in Kenntnis des bindenden gemeinschaftlichen Testaments vereinbart haben (was schon aufgrund der Testamentseröffnung nach dem ersten Sterbefall der Fall gewesen sein muss, falls A ein Abkömmling des Erblassers ist) und wenn durch den Verzicht ein vollständiger erbrechtlicher Wegfall von A im Verhältnis zur überlebenden Ehefrau beabsichtigt war.

    Aber Vorsicht:

    Im Ausgangssachverhalt ist diese letztgenannte Intention bereits unterstellt. Das sollte man jedenfalls dann vermeiden, wenn die betreffende "Mitteilung" nur von einer interessierten Partei stammt.

  • Nochmals herzlichen Dank für die Hinweise!

    Der Sachverhalt wurde mir von dem Notar, der den Erbverzichtsvertrag beurkundet hat, mitgeteilt. Mir ist jedoch unklar, warum er nicht gleich einen Verzicht nach § 2352 BGB beurkundet hat.

    Wenn der Erbscheinsantrag kommt, höre ich ja auch nochmal alle Beteiligten an. Sollten keine Einwände erhoben werden, werde ich den Erbschein, wie beantragt, erteilen.

  • Nochmals Vorsicht:

    Da ein (hier: sich im Wege der Auslegung ergebender) Zuwendungsverzicht nicht für die Abkömmlinge des Verzichtenden wirkt (§ 2349 BGB ist in § 2352 S.3 BGB nicht für anwendbar erklärt), ist das Ganze nur unproblematisch, wenn A keine Abkömmlinge hat. Hat er Abkömmlinge, treten sie nach § 2069 BGB in der Regel an seine Stelle, sodass B und C wiederum nicht alleine zu Erben berufen sind. Zu einem solchen Ergebnis könnte man vielmehr nur dann gelangen, wenn gegen volle Abfindung verzichtet wurde und die ergänzende Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments ergibt, dass die Abkömmlinge des A für diesen Fall nicht zu Ersatzerben berufen sein sollen. Eine solche Auslegung wäre sogar möglich, falls die Abkömmlinge des A ausdrücklich zu seinen Ersatzerben berufen wären (zum Ganzen vgl. Palandt/Edenhofer § 2352 RdNr.4 m.w.N.).

  • Ich hab`mir den Sachverhalt nochmal genau vom Notar schildern lassen.
    Es ist doch etwas anders, als ich zunächst angenommen hatte - wird aber dennnoch nicht einfacher:

    A hat bei Erklärung des Erb- und Pflichtteilsverzichts noch nichts von dem gemeinschaftlichen Testament gewusst. Der Erbverzichtsvertrag wurde 2002 mit der Erblasserin (Mutter von A geschlossen); das gemeinschaftl. Testament wurde 2004 erstmalig nach dem Stiefvater von A eröffnet. A verzichtete für sich und seine Abkömmlinge ohne Erhalt einer Abfindung.

    Können B und C dennoch Erben zu je 1/2 Anteil werden, wenn A im Zuge des Erbscheinsantrag erklärt, dass der Erb- und Pflichtteilsverzicht auch für etwaige letztwillige Verfügungen gelten sollte und dies auch von der Erblasserin (seiner Mutter) so gewollt war.

  • Ich halte das für zweifelhaft, weil dem A von der ihn begünstigenden letztwilligen Verfügung im Zeitpunkt des Verzichts überhaupt nichts bekannt war und ihm daher insoweit das erforderliche Erklärungsbewusstsein fehlte. Hier erscheinen mir die Grenzen der zulässigen Auslegung überschritten.

    Wenn das gemeinschaftliche Testament erst nach dem Verzicht errichtet wurde, scheidet eine erweiternde Auslegung ohnehin aus, weil nach § 2352 BGB nur auf bereits erfolgte letztwillige Zuwendungen (nicht auch auf künftige) verzichtet werden kann.

  • Trotzdem wegen #8 Absatz 1 zweifelhaft.

    Selbst wenn man den Verzicht als Zuwendungsverzicht auslegen wollte, geriete man sofort in die bereits in #6 angesprochene Folgeproblematik, ob die Abkömmlinge von A an dessen Stelle treten, weil A nach der erfolgten Sachverhaltsergänzung ohne Abfindung verzichtet hat.

    Im Ergebnis gehe ich daher davon aus, dass B und C jedenfalls beim Vorhandensein von Abkömmlingen des A nicht zu (alleinigen) hälftigen Erben berufen sein können und dass dies selbst dann unwahrscheinlich ist, wenn A keine Abkömmlinge hat.

  • Falls das NachlG zu der Entscheidung kommt, das A Miterbe ist, kann A immer noch ausschlagen (die Frist ist aufgrund des Irrtums über die Reichweite des Erbverzichts und der damit einhergehenden fehlenden Kenntnis vom Berufungsgrund wohl nicht abgelaufen). Falls A keine Abkömmlinge hat, werden B und C hälftige Erben, was ja der Zweck der Übung ist. Hat A dagegen Abkömmlinge, sollte er die 1/3-Erbschaft lieber annehmen und seinen Erbanteil anschließend auf seine beiden Geschwister übertragen, was zum gleichen Ergebnis führt. In diesem Fall müssen die Beteiligten aber auch die schenkungsteuerlichen Konsequenzen einer solchen Verfahrensweise bedenken.

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