Rechtliches Gehör bei Minderjährigen

  • Wenn jemand bei mir etwas bewilligt und ich weiß hundertprozentig, dass ich mit Vollzug dieser Bewilligung das Grundbuch unrichtigt mache, dann können die Beteiligten bewilligen, bis sie schwarz werden oder das Landgericht mich aufhebt.

    Wenn es Dich ein wenig beruhigt: Unter 100% tue ich es da nicht. Mögliche Grundbuchunrichtigkeit reicht selbstverständlich nicht aus. Und ob das Landgericht beim Thema "Löschung eines Nacherbenvermerks oder materiellrechtlich relevante Änderung" mich nicht einfach ohne große Begründung unter Bezugnahme auf die herrschende Meinung aufhebt, steht ja noch in den - in der Dienstzeit unsichtbaren - Sternen.

    Beim Testamentsvollstreckervermerk würde doch mit Deiner Argumentation auch lediglich der TV auf sein Verfügungsrecht verzichten, wenn er die Löschung bewilligte. Warum muss ich dann da - nach absolut herrschender Meinung - stets die materielle Rechtslage im Auge behalten?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Blue

    PS: Bitte nicht die Ersatznacherben vergessen. Die musst Du nämlich in jedem Falle berücksichtigen (h. M.). Aber ich nehme an, dass Du die im Eifer des Gefechts nur gerade nicht extra aufgeschrieben hast.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Zitat von Andreas

    Wenn jemand bei mir etwas bewilligt und ich weiß hundertprozentig, dass ich mit Vollzug dieser Bewilligung das Grundbuch unrichtigt mache, dann können die Beteiligten bewilligen, bis sie schwarz werden oder das Landgericht mich aufhebt.


    Ich kann dir im Moment nicht folgen. Ich bezog mein statement auf den Fall von entgeltlichem Kaufvertrag mit Antrag auf Umschreibung und Löschung des Nacherbenvermerks aufgrund einer Löschungsbewilligung des Nacherben. Welchen Fall meinst du?

    Zitat von Andreas

    Beim Testamentsvollstreckervermerk würde doch mit Deiner Argumentation auch lediglich der TV auf sein Verfügungsrecht verzichten, wenn er die Löschung bewilligte. Warum muss ich dann da - nach absolut herrschender Meinung - stets die materielle Rechtslage im Auge behalten?


    Ich sagte doch bereits: der TV handelt nicht im eigenen Namen und nicht im eigenen Interesse. Er hat in der Regel "ordnungsgemäß" zu verwalten und Anweisungen des Erblassers durchzuführen. Also vertritt er zum einen die Rechte des Erben und/oder zum anderen die eines Vermächtnisnehmers. Dabei ist nicht er der Schutzwürdige (=betroffener Rechtsinhaber). Das ist doch ein gewaltiger Unterschied. Der TV ist also eher vergleichbar mit der Verfügungsmacht des befreiten Vorerben, als mit der Rechtsinhaberschaft des Nacherben.

  • Ich bezog mich auf Deine Aussagen

    Zitat von blue


    Die Nacherbfolge mag ja materiell als Verfügungsbeschränkung juristisch weiter vor sich hin schweben. Aber sie wurde doch nicht zum Selbstzweck ins Leben gerufen. Sie dient dem Schutz einer Person, nämlich der des Nacherben. Für diesen soll der Nachlass erhalten bleiben. (Und wenn, wie hier, zuerst ein Vorerbe berufen wurde, der in seinen Befugnissen weitgehend befreit wurde, dann besteht das Recht des Nacherben eben nur noch im Schutz vor einer "entgeltlosen" Weggabe des Nachlasses). Wenn der Nacherbe auf diesen Schutz verzichtet, dann muss er es doch verfahrensrelevant tun können. Das entspricht doch auch einem normalen Erfahrungswert. Dem Wollenden geschieht kein Unrecht. Wir können doch nicht um der reinen Theorie willen alles nur abstrakt betrachten.

    Also auf eines könnt ihr wetten: wenn ich einen Nacherbenvermerk im GB habe und der einzige Nacherbe bewilligt mir die Löschung, dann lösche ich. Weil die GBO das so vorsieht. Das ist Verfahrensrecht. Formelles Konsensprinzip. Ich bin nicht das Prozessgericht, ich bin das GBamt. Die materielle Rechtslage interessiert mich da so wenig, wie wenn ich eine Grundschuld auf Bewilligung des Eigentümers eintrage



    was sich für mich so anhörte, als löschtest Du in jedem Falle, in dem die Löschung bewilligt wird.

    Die Löschung im Rahmen einer Veräußerung meine ich gar nicht. Wenn der Nacherbe da bewilligt, stimmt er m. E. im Regelfall der Veräußerung zu, womit der veräußerte Gegenstand materiellrechtlich aus der Nachlassmasse ausscheidet. Da wird dann auch das Grundbuch nicht unrichtig.

    Die h. M. meint auch nicht diesen Fall der Veräußerung, wenn sie die Bewilligung zulässt. Sie meint den Fall, dass einfach nur eine Löschung kommt. Sonst gar nichts. Und in dem Fall sehe ich Probleme.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • blue:

    Und was machst zu mit Deiner "ordnungsgemäß bewilligten" Grundschuld, wenn Du zufällig weißt, dass der Grundstückseigentümer absolut geschäftsunfähig ist. Eintragen, weil das "formelle Konsensprinzip" gilt?

    In beiden Fällen liegt doch auf der Hand, dass das GB durch die betreffende Eintragung unrichtig wird!

  • Zitat von juris2112

    blue:

    Und was machst zu mit Deiner "ordnungsgemäß bewilligten" Grundschuld, wenn Du zufällig weißt, dass der Grundstückseigentümer absolut geschäftsunfähig ist.



    Dann schick ich den Notar zu dir und lass ein Gutachten fertigen. :D

  • Hallo,

    ich hab jetzt die Beiträge nur partiell gelesen; aber m.E. gilt doch:

    Die Löschung des Nacherbenvermerks aufgrund Bewilligung des Nacherben im Grundbuch hat doch absolut nichts zu tun mit der materiellen Rechtslage.

    Bewilligt der Nacherbe, muß gelöscht werden; seine Rechte werden doch dadurch nicht tangiert! ( In materieller Hinsicht )

    Beispiel:

    Vor- und Nacherbe einigen sich dahingehend, daß der Vorerbe dem Nacherben eine Ausgleichszahlung leistet, wenn der Nacherbe bereit ist, im Grundbuch den Nacherbenvermerk zur Löschung zu bewilligen.

    Was um Himmels willen geht es den Rechtspfleger an, was die Beiden vereinbart haben?


    Gruß HansD

  • HansD.:

    ich fürchte, Dein Beispiel geht an der Sache vorbei.

    Das Problem entsteht ja nur, wenn der Nacherbe lediglich auf den Schutz des Nacherbenvermerks verzichten möchte und die Nacherbfolge trotz beabsichtiger Löschung des NE-Vermerks in materiellrechtlicher Hinsicht fortbesteht. Wenn der nicht pflichtteilsberechtige Nacherbe für die Löschung des NE-Vermerks unbedingt eine Gegenleistung erhalten will, so mag er die Nacherbschaft bereits nach dem Eintritt des Vorerbfalls ausschlagen. Ist der pflichtteilsberechtigt, so kann er nach Ausschlagung der Nacherbschaft nach § 2306 II, I S.2 BGB seinen Pflichtteil geltend machen, sodass sich die Frage nach einer „freiwilligen“ Gegenleistung des Vorerben von vorneherein nicht stellt. Aber auch im Falle der Ausschlagung der Nacherbschaft (z.B. bei angeordneter Ersatznacherbfolge) ist keinesfalls sicher, dass die Nacherbfolge als solche erlischt und der Vorerbe durch die Ausschlagung zum Vollerben wird. Denn in diesem Fall könnte der NE-Vermerk ja wieder bereits aufgrund Unrichtigkeitsnachweises -nämlich aufgrund des neu zu erteilenden Erbscheins- gelöscht werden.

    Die von Dir vorgetragenen Einwände lassen unberücksichtigt, dass der Nacherbe nach erfolgter Löschung des NE-Vermerks bei materiell fortbestehender Nacherbfolge Gefahr läuft, sein Nacherbenrecht im Hinblick auf die betreffende Immobilie selbst bei unentgeltlicher Verfügung des Vorerben aufgrund gutgläubigen Dritterwerbs zu verlieren. Es geht also überhaupt nicht darum, ob es die ureigene Sache des Nacherben ist, ob er sich des mit dem NE-Vermerk verbundenen Schutzes freiwillig begeben will, sondern darum, ob die Rechtsordnung einen solche Verzicht überhaupt zulässt. Diese Frage kann aber nur nach den einschlägigen grundbuchverfahrensrechtlichen Prinzipien beantwortet werden. Und zu diesen Prinzipien gehört nun einmal, dass das GBA das Grundbuch durch eine Eintragung (hier: durch eine Löschung) nicht wissentlich unrichtig machen darf.

    Aus den genannten Gründen macht es überhaupt keine Sinn, die vorliegende Debatte auf evtl. (für das GBA in der Tat unbeachtliche) schuldrechtliche Vereinbarungen im Verhältnis zwischen Vorerbe und Nacherbe verlagern zu wollen. Entscheidend ist vielmehr alleine, wie sich die materielle Rechtslage für das GBA im Einzelfall darstellt. Wenn dem GBA aber eine „nackte“ Löschungsbewilligung im Hinblick auf einen NE-Vermerk vorgelegt wird, so muss es zwingend davon ausgehen, dass das Grundbuch durch diese Löschung unrichtig würde.

    Leider unterliegen viele Grundbuchkollegen dem Irrtum, dass sie das materielle Recht nicht zu interessieren habe. Dann könnt Ihr aber auch ohne weiteres dingliche Mietrechte und zweitrangige Erbbaurechte im Grundbuch eintragen. Hauptsache es ist bewilligt, was eingetragen werden soll?
    Der springende Punkt ist doch, dass eine Eintragungsbewilligung mit dem Ziel der Herbeiführung eines materiellrechtlichen unzulässigen Ergebnisses bereits als solche nicht als Eintragungsgrundlage (hier: als Löschungsgrundlage) geeignet sein kann. Der materiellrechtliche Mangel führt nämlich automatisch und gleichzeitig zu einem Verfahrensmangel, über den das GBA nicht sehenden Auges hinweggehen darf.

    Wenn ihr eine Wohnungsrechtsbewilligung beanstandet, weil die vom Wohnungsrecht umfassten Räumlichkeiten nicht ausreichend bestimmt sind, liegt doch im Hinblick auf den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz auch ein materiellrechtlicher Mangel vor, der sich gleichzeitig auf die verfahrensrechtliche (Nicht)Verwendbarkeit der betreffenden Eintragungsbewilligung auswirkt. Und wenn ihr die Eintragung einer bewilligten Vormerkung ablehnt, weil ihr den durch sie gesicherten Anspruch nicht für vormerkungsfähig haltet, prüft ihr dann nicht in gleicher Weise materielles Recht?
    Und was prüft ihr, wenn ihr bei bewilligter Grundschuldeintragung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Hinblick auf die Person des Eigentümers Kenntnis erlangt? Ihr prüft im Hinblick auf die Wirksamkeit der Eintragungsbewilligung die Norm § 878 BGB und damit materielles Recht!

    Wo also liegt bitte der Unterschied zu der hier problematisierten Fallgestaltung?

  • Ich habe hier im Prinzip den Fall, den Juris 2112 in Post #4 Ziffer 3 a) darstellt hat.

    Der Vater ist Schlusserbe zu 50% Anteil und zwei erwachsene Kinder sind befreite Vorerben zu je 25% Anteil. Die namentlich im Erbschein genannten noch minderjährigen Enkelkinder eines jeweiligen Stammes sind Nacherben. Der Nacherbfall tritt bei Tod des Vorerben ein. Es gibt laut Erbschein keine unbekannten Nacherben und auch keine Ersatznacherben!

    Die Vorerben teilen den umfangreichen zum Nachlass gehörenden Grundbesitz unter sich auf. Im Auseinandersetzungsvertrag werden Grundstückswerte angegeben und noch offene Valutierungen hinsichtlich der Grundpfandrechte in Abzug gebracht. Es liegt mir eine Wertermittlung eines Steuerberaters nach der Ertragswertmethode vor, wonach die Wertangaben im Vertrag zutreffend sind. Die Werte sind nicht hundertprozentig gleichwertig verteilt, sondern der Vater bekommt ca. 31% (also deutlich weniger als seine Erbquote), Kind 1 bekommt 36% und Kind 2 bekommt 33%. Demnach kann man von einer entgeltlichen Auseinandersetzung ausgehen, bei der zumindest kein Kind als Vorerbe zu wenig bekommt.

    Die Nacherbenvermerke sollen allerdings auf dem jeweils veräußerten Grundbesitz nicht eingetragen werden, weshalb eine Anhörung der minderjährigen Nacherben erforderlich ist. Eingetragen wird lediglich der Nacherbenvermerk für die Enkelkinder des Stammes des jeweiligen Eigentümers im Wege der Surrogation.
    Juris hat meines Erachtens zutreffend die Option der Bestellung eines Verfahrenspflegers nach dem FGG in Erwägung gezogen (vgl. Post 4 Ziff. 3a). Mit Einführung des FamFG passt dieses allerdings gar nicht mehr, da das FamFG die Bestellung eines Verfahrensbeistands nur bei Verfahren kennt, bei denen es um die Personensorge geht. Es fehlt daher eine rechtliche Grundlage zur Bestellung eines Verfahrensbeistands.

    Das OLG Frankfurt a.M. hält mit Beschluss vom 13.9.2018 (20 W 197/18) die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 BGB für richtig, wobei es nicht näher darauf eingeht, dass die Eltern des Nacherben ja eigentlich von der Vertretung ihrer Kinder gar nicht ausgeschlossen sind. Die Kinder sind an dem Rechtsgeschäft ja nicht beteiligt und es muss auch dem Grundbuchamt gegenüber keine Erklärung abgeben. Sie werden ja nur angehört.

    Die Kinder sind in meinem Fall sind zwischen drei und elf Jahre alt. Eine persönliche Anhörung der Kinder scheidet also aus. Zwei Kinder leben in Mexiko, was die Bestellung eines Ergänzungspflegers auch nicht gerade vereinfacht.
    Ich überlege nun, lediglich die bislang nicht an dem Auseinandersetzungsvertrag beteiligten Elternteile, also die Ehegatten der Vorerben, anzuhören.
    Die Alternativen wären, einen Ergänzungspfleger (vgl. OLG Frankfurt) bestellen zu lassen oder ganz auf die Anhörung zu verzichten. Letzteres haben die übrigen Grundbuchämter, die an dem Vorgang beteiligt sind, getan.

    Fällt jemandem noch eine andere handhabbare Alternative ein?

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