Insolvenz und Lohnabtretung

  • Hallo zusammen,

    folgender Fall:

    Schu hat Gehalt vor Ins abgetreten, diese wurde offengelegt etc pp. Arbeitgeber zahlt nun pfändbaren Teil trotz Abtretung an den Verwalter. Frage: was passiert mit dem Geld?

    Ad hoc habe ich hier nichts gefunden, könnte mir aber mehrere Möglichkeiten vorstellen:


    - durch die Abtretung besteht ein Absonderungsrecht, der Gläubiger kann daher Überweisung verlangen, ggf. abzgl 9% Pauschalen. Diesen Fall favorisiere ich !

    - Der pfändbare Teil ist wegen der abtretung nie Massebestandteil geworden, allein die Zahlung auf das Konto ändert daran nichts. Da nie Massebestandteil würde auch kein Absonderungsrecht bestehen. Vielmehr würde ungerechtfertigte Bereicherung vorliegen. Die Folge: Auszahlungsanspruch des Gläubigers gegen die Masse ABER dank der Inso erst nach Zahlung der Kosten. Mit der Folge, dass möglicherweise nicht der volle Betrag erlangt werden kann...

    Frage dazu dann auch:
    Kann der Arbeitgeber überhaupt schuldbefreiend an den Verwalter zahlen? Wie ist es beim Treuhänder? Oder bleibt möglicherweise der Anspruch gegen den AG (=Drittschuldner) bestehen? Hätte dieser dann einen Anspruch gegen die Masse aus ungerechtfertigter Bereicherung?

  • Ich meine, dass hier kein Absonderungsrecht vorliegt. Die abgetretenen Bezügen sind (für die Dauer von zwei Jahren) kein Massebestandteil. Der AG muss direkt an den Abtretungsempfänger zahlen. M.E. ist eine Zahlung an den Treuhänder insoweit nicht schuldbefreiend. Der Arbeitgeber kann die Zahlungen an den Treuhänder dann natürlich (bereicherungsrechtlich)zurückfordern.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Ich meine, dass hier kein Absonderungsrecht vorliegt. Die abgetretenen Bezügen sind (für die Dauer von zwei Jahren) kein Massebestandteil. Der AG muss direkt an den Abtretungsempfänger zahlen. M.E. ist eine Zahlung an den Treuhänder insoweit nicht schuldbefreiend. Der Arbeitgeber kann die Zahlungen an den Treuhänder dann natürlich (bereicherungsrechtlich)zurückfordern.



    Wobei der Treuhänder dann "ääätsch" rufen dürfte, da die Rückzahlung aus der Masse ja erst erfolgt, wenn die Kosten nach § 54 InsO getilgt sind.

    Oder greift hier § 60 InsO und er haftet persönlich ? Doch nur dann ,wenn er wissentlich die Gelder einfordert.

  • Eine Grundlage für eine Haftung nach § 60 sehe ich nicht.

    Es bleibt m.E. wohl bei deiner Einschätzung: Erklärt der Treuhänder die Masselosigkeit (also "Ätsch" :aetsch: ) ist erstmal Essig für den Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers. Hätte er mal hinterlegt o.ä., anstatt selbst die Rechtslage einzuschätzen... :gruebel:

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Auch wenn der TH zunächst aufforderte, die pfändbaren Beträge zunächst an ihn zu zahlen, bis er die Rechtslage "geklärt" hat?

    Die Kanone kann ja insofern echt gegen den Schuldner losgehen, wenn der AG ein 2. Mal in Anspruch genommen wird. Sein Job wäre sicherlich nicht mehr der sicherste !

  • Eine Pflichtverletzung für den Treuhänder sehe ich auch dann nicht, wenn er den AG zur Zahlung auffordert.

    Für den Schuldner kann das natürlich zum Problem werden. Kann passieren, dass der AG kündigt und die Abfindung einfach mit der an den Treuhänder versemmelten Kohle verrechnet (Lohnabtretungen greifen ja oft eine evtl. Abfindung nicht). So ist er wenigstens einen unliebsamen AN losgeworden.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • IN-Verfahren: § 166 II und §§ 170, 171
    IK-Verfahren: § 313 III

    oder mit anderen Worten:

    Die Abtretung des pfändbaren Lohnes ist in aller Regel eine Sicherungsabtretung, welche (wie jede andere Sicherungsabtretung) ein Absonderungsrecht i.S.v. § 51 Nr. 1 begründet - aufgrund der Regelung in § 114 I allerdings zeitlich beschränkt.

    Sicherungsabgetretene Forderungen darf im IN-Verfahren der Insolvenzverwalter, im IK-Verfahren der Absonderungsberechtigte einziehen. Zieht der IV nach § 166 II ein, darf er natürlich die Pauschalen nach §§ 170, 171 abrechnen.

    Praktisch fragt sich lediglich, ab welchem pfändbaren Betrag es für den IV wirtschaftlich Sinn macht, den Einziehungs-, Überwachungs- und Abrechnungsaufwand zu betreiben, wenn ihm nur 9 % bleiben. Die Alternative ist nämlich, den Absonderungsberechtigten selbst einziehen zu lassen und die 4 % Feststellungspauschale zu verlangen.:strecker Denn nach BGH-Rechtsprechung kriegt der IV die, wenn der Absonderungsberechtigte sein Absonderungsrecht selbst verwertet. Das wurde zwar nicht für die Lohnabtretung entschieden, es gibt jedoch keinen Grund, diese anders zu behandeln.

  • Zum TH, der vom ArbG Zahlung des pfändbaren, jedoch abgetretenen Lohns verlangt:

    Der ArbG sollte m.E., wenn TH und Zessionar sich um den pfändbaren Lohn streiten, hinterlegen, dann ist er auf der sicheren Seite. Alternative: Vom Zahlungsempfänger freistellen lassen.

    In Betracht kommt ein Einziehungsrecht des TH, wenn die Lohnabtretung anfechtbar ist. § 313 II steht dem nicht entgegen, denn im Wege der Einrede kann der TH, der den pfändbaren Lohn erhalten hat, dem Zessionar die Anfechtung entgegenhalten. Problematisch ist die Situation in dieser Konstellation allerdings für den ArbG, wenn der Zessionar den an den TH bereits gezahlten pfändbaren Lohn von ihm (nochmal) verlangt, denn der ArbG kann natürlich die Anfechtung nicht einredeweise entgegenhalten. Über eine Lösung müsste ich nochmal intensiver nachdenken.

    Fordert der TH den pfändbaren Lohn vom ArbG an, obwohl er weiss, dass eine insolvenzfeste Lohnabtretung besteht (weil der Schuldner es bei Insolvenzantragstellung oder der Gläubiger gem. § 28 II mitgeteilt hat), dann könnte ich mir eine Haftung nach § 60 tatsächlich vorstellen, wenn der Bereicherungsanspruch gegen die Masse nicht erfüllt werden kann. Ob der ArbG auch ein Stück vom Schwarzen Peter erhält, dürfte einzelfallbezogen zu ermitteln sein, insbesondere unter Berücksichtigung der §§ 407 ff. BGB.



  • :zustimm:

    zur Einziehungsbefugnis trotz Offenlegung: IX ZR 262/01
    zum Anspruch auf die Feststellungspauschale von 4 %: IX ZR 259/02

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Da sind wir wieder bei unserem Thema chick :D

    § 114 I Inso ist meiner Meinung nach eindeutig und wie der BGH in dem Beschluss vom 12.10.2006 auch klargestellt hat eine Ausnahme und deswegen halte ich auch weiterin an der von mir immer vertretenen Auffassung fest. Der AG darf nur (!) an den Zessionar zahlen und alles andere wäre nicht zulässig (außer Hinterlegung).

    Der Th, der den AG auffordert trotz Abtretung an ihn zu zahlen (kommt bei mir auch immer wieder vor) handelt meiner Meinung nach rechtwidrig.

  • Der Th, der den AG auffordert trotz Abtretung an ihn zu zahlen (kommt bei mir auch immer wieder vor) handelt meiner Meinung nach rechtwidrig.



    Was den TH anbelangt widerspreche ich ja gar nicht (s.o.)

    Exkurs:
    Lass uns diesen kurzen Moment der Einigkeit genießen.:)
    Exkurs Ende

    Demgegenüber hat der IV (im Gegensatz zum TH) natürlich das Einziehungsrecht auch für den pfändbaren Lohn.

    Unser Lieblingsstreit bezog sich meiner Erinnerung nach eher auf die Frage, ob der IV (bei Unanfechtbarkeit der Lohnabtretung selbst) die im Zeitraum des § 131 InsO an den Zessionar abgeführten Beträge diesem gegenüber anfechten kann - was natürlich genauso zu bejahen ist wie die entsprechende Anfechtbarkeit der Globalzession. Letzteren Problems nimmt sich aber meines Wissens derzeit ohnehin der BGH an. (Wir können nur hoffen, dass der IX. Senat langsam wieder zu alter Form und Überzeugungskraft zurückfindet.)

  • Nee, nicht ganz, ursprünglich ging es schon um die Verwertungsberechtigung des TH einer Lohnabtretung wenn auch nur in einem Regelinsolvenzverfahren. Aber das ist ja schon einige Zeit her.

    Das hatte ich auch damals schon gesagt, dass mich als AG nicht mehr interessiert was der TH/IV macht, wenn ich an den Zessionar gezahlt habe. An den TH/IV zahle ich bei Vorlage der Abtretung in den ersten zwei Jahren nie.

    Ich muss mich halt mehr mit der Aufforderung der TH auseinandersetzen wenn er Zahlung an sich trotz Abtretung fordert.

    Das Problem für die AG ist die Wirksamkeit der Abtretung und da erinnere ich mich an die Situation die wir nach den Urteilen des BGH vom 22.06.1989 und 07.07.2002 hatten und im Grunde genommen alle Abtretungen für die § 9 AGBG galt als unwirksam angesehen werden konnten.

    Aber eins verstehe ich nicht, wieso den ...kurzen Moment der Einigkeit genießen...???? Wenn ich mit meinen TH so oft einig wäre wie mit Dir, dann würde ich bei jeden neuen Insolvenzfall in Jubel ausbrechen.



  • :daumenrau
    Sofern nun eine LA festgestellt wird und in der Zeit des § 114 Beträge dem A-Gläubiger zustehen, so sind im IN Verfahren die Pauschalen nach § 171 zu entrichten.

    Es dürfte wohl folgende Möglichkeiten geben:

    1.Verwalter zieht monatlich den pfändbaren Betrag ein, nach Abzug der 9 % Pauschale für Verwertung und Feststellung kehrt er den Rest an den Gläubiger aus.

    2. Verwalter überlässt die Einziehung dem A-Gl („modifizierte Freigabe“ ) und kassiert lediglich die Feststellungspauschale >> der oben beschriebene "gängige" Weg

    Für die Entscheidung ob 1. oder 2. dürfte wohl die Höhe der einzuziehenden Beträge ausschlaggebend sein. Des Weiteren wird der Drittschuldner nicht voller Eifer allmonatlich sowohl an den Sicherungsgläubiger (auf die zedierte Forderung) als auch an den IV (die jeweils anfallenden und stets neu zu berechnenden Pauschalen) zahlen. Das geht doch sicher einfacher, z.B bei halbjährlicher Abführung ?

  • Hänge ich hier mal dran:

    • IV-Gläubiger hat eine Lohnabtretung vorliegen, meldet diese auch zum Verfahren an.
    • IV teilt hierzu mit, daß der Arbeitgeber keine Lohnabtretungen anerkennt und der Gläubiger daher auf die abgesonderte Befriedigung verzichten soll.
    • Der Schuldner muß ja aber dennoch seinen pfändbaren Anteil am Arbeitseinkommen an den IV abführen. Setzt sich daran nicht das Pfandrecht fort?
  • Du hast kein Pfandrecht, Du hast eine Lohnabtretung. Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Deshalb hat der Insolvenzverwalter meines Erachtens auch Recht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wieso erkennt der Arbeitgeber keine Lohnabtretung an? :gruebel:

    Gegs:
    § 114 InsO sagt doch aus, dass der Abtretungsgläubiger bis zu zwei Jahren nach EÖ sein Geld bekommt. Ich sehe das auch so, wie Sylliska. Oder steh ich jetzt total auf der Leitung? Gerade, weil keine Pfändung, sondern eine Abtretung vorliegt, besteht m.E. der Anspruch bis 2 Jahre nach EÖ.

  • Die Arbeitgeber schließen Lohnabtretungen manchmal aus, weil diese durchaus auch Arbeit machen.

    Und jetzt mal der Reihe nach: Wenn Lohnabtretung ausgeschlossen, dann kein § 114 InsO. Wieso auch, die Abtretung ist unwirksam. Es gibt kein Absonderungsrecht. Ein Pfandrecht besteht nicht, weil die Lohnansprüche weder gepfändet, noch verpfändet wurden.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ach, ich Depp hat das dann wohl falsch interpretiert. Dachte, ein IV-Gläubiger hätte die Lohnabtretung vorgelegt und der Arbeitgeber sagt "Nö, interessiert mich nicht". Hätte ja in der Schweiz sitzen können oder so. Danke für die Klarstellung.

    Ist dann wohl so gemeint, dass im Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde, dass der Lohn abgetreten werden darf. Ist sowas nicht aber auch angreifbar im Rahmen der ZV bzw. der InsO? Dann könnte sich ja jeder (künftige) Schuldner davor schützen. :eek:

  • äh, worin sollte der Schutz des Schuldners bestehen ? klar, darin, dass der Gläubiger seine Forderung nicht mehr im Wege der Abtretung geltend machen kann, sondern eines Vollstreckungstitels bedarf.
    Die Blickrichtung ist folgende: Parteien des Arbeitsvertrages sind AG und AN. Etwaige Drittbelange sind in diesem Vertragsverhältnis zurecht nicht von Belang.
    Interessanter ist die Frage der nachträglichen Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses - vor allem bei bereits offen gelegter Abtretung (m.E. sogar möglich, bin da aber nicht mehr so drin in dem Thema).

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • äh, worin sollte der Schutz des Schuldners bestehen ? klar, darin, dass der Gläubiger seine Forderung nicht mehr im Wege der Abtretung geltend machen kann, sondern eines Vollstreckungstitels bedarf.
    Die Blickrichtung ist folgende: Parteien des Arbeitsvertrages sind AG und AN. Etwaige Drittbelange sind in diesem Vertragsverhältnis zurecht nicht von Belang.
    Interessanter ist die Frage der nachträglichen Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses - vor allem bei bereits offen gelegter Abtretung (m.E. sogar möglich, bin da aber nicht mehr so drin in dem Thema).



    Das sieht Dr. Hohn in seinem Aufsatz in "Der Betriebsberater" (v. 10.01.1962, S. 54) jedenfalls so, auch wenn aufgrund der Abtretung bereits Zahlungen geleistet wurden.

    Eine ähnliche Problematik entsteht häufig in Insolvenzverfahren bei Schuldnern, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Für diese gilt nämlich die Besonderheit des § 411 BGB, wonach die öffentliche Kasse von einer Abtretung mit öffentlich oder amtlich beglaubigter Unterschrift des Zedenten benachrichtigt werden muss. Ist das nicht der Fall, hat die Kasse ein Leistungsverweigerungsrecht.

    Auch bei Ausschluss der Abtretung im Arbeitsvertrag ist diese nicht unwirksam. Der Ausschluss gibt auch hier dem Arbeitgeber ein Leistungsverweigerungsrecht. Weil die Abtretung grundsätzlich aber auch für andere (folgende) Arbeitgeber gilt, kann man nicht von einer Unwirksamkeit ausgehen, sondern nur von einem Leistungsverweigerungsrecht.

    In der Praxis erlebe ich es sehr oft, dass die TH anfragen, ob in den Arbeitsvertrag ein Abtretungsverbot enthalten ist. Wenn ich das verneine, aber auf die Vorschrift des § 411 BGB hinweise, interessiert die das nicht. Das ist mir völlig unverständlich, weil beide Varianten zum gleichen Ergebnis kommen: Aufgrund der Abtretung bekommt der Gläubiger nichts!

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