Sparbuch – Hinterlegung – 30 Jahre vorbei

  • Die Hinterlegungsstelle hat mir auf Grund § 29 Abs. 5 der niedersächsischen AVHO, der sich mit dem Erlöschen des Anspruchs auf Herausgabe befasst und wie folgt lautet:
    ...
    Sind Sparbücher für unbekannte Erben hinterlegt, übersendet die Hinterlegungsstelle dem zuständigen Nachlassgericht Ablichtungen der Sparbücher. Dabei sind die in den Hinterlegungsakten enthaltenen Angaben über die Person der Erblasserin oder des Erblassers mitzuteilen.
    ...
    Ablichtung eines Sparbuchs (Guthaben ca. 10.000 EUR) zugeleitet, das 1976 von einem Nachlasspfleger hinterlegt wurde, da Erben nicht zu ermitteln waren.

    Ich frage mich nun, was ich als Nachlassrechtspfleger veranlassen soll.
    Eventuell wäre ein Verfahren auf Feststellung des Fiskalerbrechts denkbar. Ist aber die Forderung nicht eh schon gemäß § 23 HinterlO auf das Land übergegangen und fällt damit gar nicht mehr in den Nachlass ?

  • M.E. gibt es für das Nachlassgericht nichts zu tun, außer eine Mitteilung an die Hinterlegungsstelle zu fertigen, dass keine Erben bekannt sind. Eine Feststellung des Erbrechts des Fiskus ist wegen des Übergangs gemäß der HinterlO nicht erforderlich. Erklärte der Kollege der Hinterlegungsstelle bereits, wie er weiter verfährt oder was er erwartet?

  • Der Kollege von der Hinterlegungsstelle wusste auch nicht so recht ... meinte, das müsse ich entscheiden ...

    Zwei erfahrene Kollegen von benachbarten Nachlassgerichten meinten ebenfalls, es sei nichts zu tun, waren aber nicht so richtig sicher und hatten keine ganz überzeugende Begründung.

    Ich tendiere auch dazu, es so zu machen, wie Du meinst.

  • Zitat von raicro

    Der Kollege von der Hinterlegungsstelle wusste auch nicht so recht ...

    :wechlach: Das musste jetzt sein. Solche Fälle sind in der Hinterlegungsstelle selten und jeder Rechtspfleger kommt bei den ersten Fällen ins Schwimmen und sucht einen Strohhalm. Ich würde mich mit dem Kollegen abstimmen und versuchen, ihn von der auch praktisch sinnvollen Handhabung zu überzeugen. Schließlich kann nichts schief gehen.

  • Bei einem Sparbuch sind zwei verschiedene Rechte zu untescheiden:

    1. An der Urkunde selbst.
    2. Der Anspruch auf Auszahlung und das Eigentum an der Urkunde.

    Hinterlegt wurde des Sparbuch, somit das Recht zu 1. Nach § 23 HinterlO verfällt die Hinterlegungmasse dem Land. Das Land kann nun über das Papier frei verfügen.

    Das Recht zu 2. wurde nicht hinterlegt, verfällt nicht und steht weiter den nicht ermittelten Erben zu.

  • Habe ich doch gleich befürchtet, dass es da noch irgendwelche Spitzfindigkeiten gibt, die einer praktischen Lösung entgegenstehen könnten.

    Da muss ich mich wohl mal genauer über die Rechtsnatur des Sparbuchs informieren.

    Grundsätzlich halte ich aber die Unterscheidung zwischen dem reinen Papier der Urkunde, dem Eigentum an der Urkunde und dem Auszahlungsanspruch im Falle des Ablaufs der 30-jährigen Hinterlegungsfrist für eher wenig sachgerecht.

  • Ich habe mal aus Thüringen ein Sparbuch übersandt erhalten, mit der Bitte Fiskuserbrecht festzustellen. Da gibt es zumindest in Thüringen irgendeine Verordnung, wonach nach Ablauf der 30 Jahre der Anspruch nicht sogleich dem Land zufällt, sondern zunächst Fiskuserbrecht festzustellen ist. Vielleicht ist es in Niedersachsen ähnlich.

  • Ich weiß von vielen NLG (z.B. auch Berliner AGs), daß die nach Ablauf der Hinterl-frist nochmals prüfen, ob eine erneute NL-Pflegerbestellung möglich bzw. erforderlich ist (bei größeren Werten). Immerhin hat ein NL-Pfleger heute weit bessere Möglichkeiten zur Erbenermittlung als vor 30 Jahren (Stichwort: Ermittlungen in DDR-Gebiet etc.).

    Falls es nur ein kleiner Betrag ist, wird nochmals eine öffentl. Aufforderung im Bundesanzeiger gemacht und dann Fiskuserbrecht festgestellt.

    Wie ist das denn haushaltsmäßig? Steht das hinterlegte und verfallene Vermögen dem Justizsektor oder allgemein dem Landesfiskus (wie bei Fiskuserbrecht) zu?

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Bei uns wurden früher auch oft Sparbücher in die Verwahrung genommen und ich weiß leider nur, dass die Abwicklung für die Hinterlegungsstelle schwieriger war/ist, als hätte man gleich das Guthaben hinterlegt. (Ich denke, dass liegt wie o.g. daran, dass das Sparbuch und nicht der Guthabenbetrag hinterlegt ist :( :gruebel: ).
    Wir (Nachlassabteilung) versuchen jetzt daher immer, nur einen Geldbetrag zu hinterlegen und weder Sparbücher noch Schmuck. Dann geht das Guthaben nach 30 Jahren an den Staat und meistens spart man sich auch die Feststellung des Fiskuserbrechts.

  • Der springende Punkt dürfte sein, dass beim Sparbuch das Recht an der Urkunde dem Recht aus der Urkunde folgt (§ 952 BGB). Daran ändert sich auch durch die Hinterlegung nichts.

  • Habe ich doch gleich befürchtet, dass es da noch irgendwelche Spitzfindigkeiten gibt, die einer praktischen Lösung entgegenstehen könnten.

    Das ist m.E. nicht der Fall. Vor einigen Jahren hatte ich zwei Sparbuchhinterlegungen mit abgelaufener Frist, davon eine für unbekannte Erben und eine nach plötzlichem Verschwinden des Kontoinhabers. Nach der Feststellung des Erlöschens des Herausgabeanspruchs, wickelte die seinerzeit zuständige Bezirksregierung die Fälle ohne Probleme und ohne Feststellung des Erbrechts des Fiskus oder Bestellung eines Pflegers ab. Wenn das falsch war, hätte ich jetzt ein ganz schlechtes Gewissen. ;) Mein Vorschlag wäre, dass die Hinterlegungsstelle so verfährt. Sollte es auf Verlangen der Bank notwendig werden, das Erbrecht des Fiskus festzustellen, kann diese Maßnahme immer noch ergriffen werden.

  • Zunächst einmal herzlichen Dank All für die Antworten.

    Ich habe im Palandt und MüKo bei §§ 808, 952 BGB zur Rechtsnatur des Sparvertrages/Sparbuches nachgelesen.

    Der Spareinlage liegt ein Darlehens- bzw. unregelmäßiger Verwahrungsvertrag (§ 700 BGB) zu Grunde, d. h. der Kunde gibt der Bank durch seine Spareinlage ein Darlehen bzw. gibt sein Geld dort in Verwahrung.

    Das Sparbuch selbst ist lediglich ein Papier, auf dem die Zahlungen festgehalten werden. Es stellt selbst keinen Vermögenswert dar, ist aber qualifiziertes Legitimationspapier bzw. hinkendes Inhaberpapier i. S. des § 808 BGB, d. h. die (nicht bösgläubige) Bank wird durch Leistung an den Inhaber des Sparbuches frei, auch wenn dieser gar nicht Inhaber der Forderung aus dem Darlehens- bzw. Verwahrungsvertrag ist.

    Der BGH führt in seinem Urteil vom 25. 9. 1972 - VIII ZR 81/71NJW 1972, 2268 folgendes aus:
    Der Besitz des Sparbuchs ist nicht Voraussetzung für die Gläubigerschaft an der Sparguthabenforderung. Da beim Sparbuch das Recht aus dem Papier folgt, ist der Besitzer eines Sparbuchs nicht ohne weiteres Gläubiger der Sparguthabenforderung. Auch ein Dritter kann ein Recht auf den Besitz eines Sparbuches haben. Der Besitzer eines Sparbuches kann sich nicht einmal auf die Vermutung des § 1006 BGB berufen. Denn § 1006 BGB beruht auf dem vermuteten Zusammenfallen von Besitzerwerb und Eigentumserwerb. Diese Vermutung ist bei Sparbüchern nicht begründet, weil sie nicht nach § 929 BGB übereignet werden, sondern nach § 952 BGB das Eigentum am Sparbuch der Sparguthabenforderung folgt, die nach § 398 BGB übertragen wird.

    Für meinen konkreten Fall hieße dies, dass die Forderung immer noch dem Nachlass zusteht. Hinterlegt (und damit dem Löschen des Herausgabeanspruchs unterlegen) ist nur das Sparbuch, das selbst keinen Vermögenswert darstellt.

    Also müsste ich wohl doch ein Verfahren zur Feststellung des Fiskalerbrechts einleiten. Innerlich widerstrebt mir dies, da der Nachlassfall "eigentlich" ja schon seit 1976 abgeschlossen ist.

    Ich werde bei der Wert-Hinterlegungsstelle des Landgerichts nachfragen, wie derartige Fälle in der Vergangenheit gehandhabt wurden, und versuchen, mit dem Kollegen aus der Hinterlegungsabteilung eine Lösung zu finden.

    Spannend wäre auch die Frage, ob ein im Verfahren zur Feststellung des Fiskalerbrechts evtl. doch noch ermittelter Erbe das Sparbuch von der Hinterlegungsstelle herausverlangen kann. Der Herausgabeanspruch ist gem. § 23 HinterlO erloschen. Andererseits ist der Erbe Eigentümer des Sparbuches (§ 952 BGB, siehe BGH aaO).

  • Der Eigentümer des Sparbuches hat keine Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, da das Land berechtigter Besitzer geworden ist, §§ 986 BGB, 23 HinterlO. § 812 BGB prüfe ich jetzt mit Absicht nicht.

    Was spricht dagegen im Rahmen der Sicherungsbefugnis anzuordnen, dass eine vom Gericht bestimmte Person das Sparbuch auflöst und das Geld hinterlegt?

  • Der Eigentümer des Sparbuches hat keine Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, da das Land berechtigter Besitzer geworden ist, §§ 986 BGB, 23 HinterlO. § 812 BGB prüfe ich jetzt mit Absicht nicht.

    Was spricht dagegen im Rahmen der Sicherungsbefugnis anzuordnen, dass eine vom Gericht bestimmte Person das Sparbuch auflöst und das Geld hinterlegt?



    Wie jetzt? Nach 30 Jahren Sparbuchhinterlegung das Geld bei der Bank abheben und dann als Bargeld nochmals 30 Jahre hinterlegen????:confused:

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Was ist daran so abwägig? Das ist die einzige Möglichkeit, um ein Verfahren zur Feststellung des fiskalischen Erbrechts zu vermeiden und holt das nach, was vor 30 Jahren schon passieren sollte: Das Geld selbst, was den Wert eines Sparbuches darstellt, hinterlegen.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!