Rücknahme aus der Verwahrung

  • Ein Erbvertrag soll aus der Verwahrung genommen werden. Die Eheleute, die kinderlos sind, haben sich gegenseitig und dann Patenkinder eingesetzt.Bei Vertragsabschluss mit anwesend waren außerdem die Eltern der Ehefrau und die Mutter des Ehemannes. Diese erklären Pflichtteilsverzichte. Kann ich im Hinblick auf die enthaltenen Pflichteilsverzichte der Eltern den Erbvertrag an die beiden testierenden Eheleute zurückgeben?

  • Dann kann der Erbvertrag in unserem Fall nicht aus der besonderen amtlichen Verwahrung zurückgenommen werden, weil er nicht nur Verfügungen von Todes wegen, sondern auch Rechtsgeschäfte unter Lebenden, nämlich die besagten Pflichtteilsverzichte, enthält (Palandt/Edenhofer § 2300 RdNr.3). Solche Erbverträge können nur aus der besonderen amtlichen Verwahrung in die Urkundenverwahrung des Notars zurückgeleitet werden. Hierdurch tritt allerdings keine Widerrufswirkung i.S. des § 2300 Abs.2 S.3 BGB i.V.m. § 2256 Abs.1 BGB ein. Da die Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung in unserem Fall nicht in Betracht kommt, können die im Erbvertrag getroffenen Verfügungen von Todes wegen somit grundsätzlich nur durch notarielle Aufhebung oder Änderung beseitigt bzw. abgeändert werden. Sofern nur die Eheleute Vertrags-partner waren, kann der Erbvertrag allerdings auch durch ein (auch privatschriftliches) gemeinschaftliches Testament aufgehoben oder abgeändert werden (§ 2292 BGB).

  • § 2300 II BGB: Ein Erbvertrag, der nur Verfügungen von Todes wegen enthält, kann zurückgegeben werden.



    Stimmt genau. Bei uns wurden früher allerdings häufig Umschläge abgeliefert, die laut Aufdruck nur einen Erbvertrag enthalten sollten. Das war damals sicher unerheblich, weil ein Erbvertrag ja nicht an die Vertragsschließenden zurückgegeben werden durfte. Heute stelle ich dann bei im Termin bei der Öffnung zur Rückgabe öfter fest, dass auch andere Verträge (Ehe- oder PT-Verzichtsverträge) enthalten sind. Man muss leider sehr aufpassen und dann auch noch den Erschienenen erklären, dass sie die Urkunde leider doch nicht zurück erhalten.

  • Wenn ein mit anderen Rechtsgeschäften verbundener Erbvertrag versehentlich an die Beteiligten zurückgegeben wird, bleibt er wirksam, weil die Widerrufswirkung des § 2256 Abs.1 BGB trotz des betreffenden auf den Erbvertrag gesetzten Vermerks nicht eintritt (Keim ZEV 2003, 55).

    Da kann man nur sagen:

    Vorsicht Haftung!

  • Wie ist das denn, wenn Vater und Sohn einen Erbvertrag schließen, Sohn auf seinen Erb- und Pflichtteil verzichtet, der Erbvertrag in die amtliche Verwahrung genommen wird und dann von beiden gemeinsam aus der Verwahrung zurückgenommen wird. Dann brauche ich doch keinen Aufhebungsvertrag; der Erbvertrag ist doch dann aufgehoben nach § 2256 Abs. 1, oder?

  • Nein.

    Ein Erbvertrag kann nur dann mit Widerrufswirkung i.S. des § 2256 Abs.1 BGB aus der besonderen amtlichen Verwahrung zurückgenommen werden, wenn er ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthält (§$ 2300 Abs.2 S.1, 3 BGB). Wie im Ausgangsfall (hierzu vgl. bereits #5) enthält die Urkunde bei dem in #8 geschilderten Sachverhalt aber auch Rechtsgeschäfte unter Lebenden, nämlich den besagten Erb- und Pflichtteilsverzicht. In diesem Fall kommt somit keine Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung mit Widerrufswirkung, sondern nur die nicht mit Widerrufswirkung verbundene Zurückleitung in die Urkundenverwahrung des Notars in Betracht.

    Es bleibt also nur die Aufhebung des Erbvertrags. Gleichzeitig wäre natürlich von den Beteiligten darüber zu befinden, ob der Erb- und Pflichtteilsverzicht des Sohnes trotz erfolgter Erbvertragsaufhebung -was kaum anzunehmen sein dürfte- bei Bestand bleiben soll.

  • Eine kleine Frage hätte ich noch zu dieser Sache.
    Wenn der Erblasser im Erbvertrag Erben einsetzt und diese Erbeinsetzung vertragsmäßig anordnet, gilt dann hier das gleiche wie beim Erb- und Pflichtteilsverzicht (nämlich trotz Rücknahme kein Widerruf). Ich bin hier etwas durcheinander, denn einerseits ist das ja eine Verfügung von Todes wegen, andererseits eine vertragsmäßige Erklärung. Oder verwechsel ich hier jetzt alles mit dem rechten Winkel?

  • Zur Klarstellung:

    Erb- und Pflichtteilsverzichte sind rechtsgeschäftliche Verträge. Sie können daher ohnehin nur einvernehmlich und vertraglich wieder aufgehoben werden. § 2256 Abs.1 BGB kann insoweit von vorneherein nicht gelten, weil es sich nicht um Verfügungen von Todes wegen handelt, deren Widerruf in Frage stünde.

    Was die erbvertragliche Erbeinsetzung als solche angeht, kann sie nur i.S. des § 2256 Abs.1 BGB durch Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung widerrufen werden, wenn der Erbvertrag ausschließlich Verfügungen von Todes enthält (§ 2300 Abs.2 S.1, 3 BGB). Sind mit dem Erbvertrag noch zusätzlich Rechtsgeschäfte unter Lebenden verbunden (z.B. Ehevertrag, Erb- und Pflichtteilsverzicht), scheidet eine Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung somit aus. Wenn eine solche Rücknahme aber aus Rechtsgründen nicht möglich ist, kann mit einer diese Rechtslage außer acht lassenden versehentlichen (und haftungsträchtigen) Rückgabe des Erbverrags an die Beteiligten auch keine Widerrufswirkung i.S. des § 2256 Abs.1 BGB verbunden sein (Keim ZEV 2003, 55). Der Erbvertrag kann in diesen Fällen somit nur durch Aufhebung beseitigt werden.

    Mit anderen Worten:

    Enthält der Erbvertrag nur Verfügungen von Todes wegen, werden diese Verfügungen von Todes wegen durch die Rücknahme des Erbvertrags aus der besonderen amtlichen Verwahrung unwirksam, und zwar sowohl die vertragsmäßigen als auch die einseitigen letztwilligen Verfügungen (Palandt/Edenhofer § 2300 RdNr.3).

  • @ juris
    Ging es bei #11 nicht um reine Erbverträge mit vertragsmäßiger Erbeinsetzung? So habe ich die Frage zumindest verstanden.

  • pitty:

    Zutreffend.

    Den letzten Absatz hatte ich noch angefügt. In Satz 1 des zweiten Absatzes war allerdings bereits die gleiche Aussage enthalten, die ich im letzten Absatz lediglich noch auf einseitige letztwillige Verfügungen erweitert habe.

  • Dieses Thema macht mich noch wahnsinnig. Ich streite mich gerade mit einer Kollegin.
    Also obiger Fall nochmal.
    Es gibt also einen Erbvertrag mit einseitigen Verfügungen von Todes wegen, dann mit einseitig bindenden Verfügungen von Todes wegen und mit Erb- und Pflichtteilsverzicht. Erbvertrag wird versehentlich an die Vertragsschließenden zurückgegeben (was eigentlich ja nicht sein darf, eben wegen des Erb- und Pflichtteilsverzichts).
    Meiner Meinung nach sind durch die Rückgabe die einseitigen und die bindenden Verfügungen von Todes wegen damit aufgehoben, der Erb- und Pflichtteilsverzicht hingegen nicht.
    Meine Kollegin ist nun der Ansicht, in diesem Fall ist gar nichts aufgehoben. Der Erbvertrag gilt unverändert weiter, und zwar auch die einseitigen Verfügungen von Todes wegen, seien sie nun bindend oder nicht.
    Bin ich wirklich so betriebsblind? Die von juris genannte Fundstelle "Keim ZEV 2005, 255" kann ich leider nirgendwo auftreiben. Dort würden all meine Fragen womöglich beantwortet.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!