Verzicht auf die dt. Staatsbürgerschaft

  • Hallo,

    hab ein großes Genehmigungsproblem und bei mir im Gericht leider niemanden gefunden, der sowas schon mal hatte.

    Die Eltern des Mündels beantragen bei mir die Genehmigung zur Aufgabe der dt. Staatsbürgerschaft. Das Mündel hat die dt. und die österreichische
    Staatsbürgerschaft. Nun will er aber bei uns nicht zum Bund und deswegen
    auf die deutsche verzichten.
    Ich finde, dass das kein ausreichender Grund ist.
    Hat jemand schon mal so einen Antrag gehabt?

  • Habe ich noch nicht gehört. Welcher Genehmigungstatbestand ist das denn? :gruebel: Aber wenn das Kind nicht hier zum Bund will, dann ist doch bestimmt schon so 16/17 Jahre alt, oder? Dann kann man doch prima anhören.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Das ganze geht nach § 19 STAG.
    Das " Kind" war auch schon bei mir - will natürlich nicht zum Bund.
    Wobei ich finde, dass man sich halt nicht nur die Rosinen rauspicken kann.
    Grds. ist aber nach § 1697 a BGB zu entscheiden.

  • Das Genehmigungserfordernis ergibt sich aus den §§ 19 Abs.1, 26 Abs.4 StAG). Im vorliegenden Fall geht es wohl um den Verzicht auf die deutsche Staatsbürgerschaft, weil das Kind mehrere Staatsangehörigkeiten (u.a. die deutsche) besitzt (§ 26 Abs.1 StAG).

  • Vor grauen Urzeiten hatte ich schon mal einen Fall. Weiß aber nicht mehr, wie der ausgegangen ist.
    Welche Staatsangehörigkeit haben denn die Eltern?

  • Wie lange hat er denn noch bis zur Voljährigkeit? Warum muss das jetzt schon in der Minderjährigkeit entschieden werden, so zeitig gehen die doch nicht zum Bund. Außerdem kann er ja auch Zivildienst schieben, wenn er nicht zum Bund will...

  • Der Antrag ist zulässig.

    Man kann den Jugendlichen nicht unter Hinweis auf die Schönheit der dt. Staatsangehörigkeit abwimmeln.

    Zu § 1697a BGB: Mir persönlich fällt es schwer, sowohl bei der Versagung der Genehmigung als bei deren Erteilung das Kindeswohl zu ermitteln.

    Soweit aus Funk und Presse bekannt, will das deutsche Recht die doppelte Staatsangehörigkeit tunlichst vermeiden; ist es ein Verlust, dem nachzukommen und es bei der Austria-Staatsbürgerschaft zu belassen?
    Liegt erst dann eine vernünftige Wahl vor, wenn für die alleinige dt. Staatsbürgerschaft optiert wird?
    Die Gründe (Vemeidung des Grundwehrdienstes) dienen zwar nicht gerade der Wehrkraft, entsprechen aber der Gepflogenheit bis einschließlich 1990, einen Umzug nach Berlin vorzunehmen, um dem Bund zu entgehen. Ein jeder kann doch nach seiner Nase vorgehen.

  • Sieh an, wieder was dazu gelernt.Ich spreche jetzt mal aus dem hohlen Bauch, weil ich keine Ahnung habe, unter welchen Voraussetzungen man das genehmigen kann: Ich halte es für "praktisch" zwei Staatsangehörigkeiten, noch dazu aus zwei benachbarten europäischen Ländern zu haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich das im Laufe eines - hoffentlich - langen Lebens mehrere Male als Vorteil erweisen kann. Spontan fällt mir da z. B. das Studium ein, das ja zeitlich relativ nahe am Vorstellungshorizont des "Kindes" liegt. Deshalb würde ich es nur dann für sinnvoll halten, auf eine der beiden Staatsangehörigkeiten zu verzichten, wenn jetzt konkret ein wichtiger Grund vorliegt. Denn selbst nach Musterung geht ja noch lange nicht jeder auch tatsächlich zum Bund. Und wenn es dann eine "Härte" darstellt, gibt es Möglichkieten, sich zurückstellen zu lassen.
    Wenn also jetzt ausschließlich die "Befürchtung" im Raum steht, mit 18 gezogen zu werden, hätte ich Bedenken, dem Verzicht zuzustimmen. Dann mag er doch selbst verzichten, wenn es wirklich so weit ist und er dann immer noch meint, absolut nicht zu wollen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Das habe ich dem Vater heute am Telefon auch erklärt. Aber er sagt, dass
    Verweigerung nicht in Frage kommt - sonst würde der Sohn noch mehr Zeit verlieren. Ausserdem erwartet er von mir, dass ich ihm Gründe nennen
    soll, die einen positiven Bescheid hevorrufen. Das ist wohl nicht meine Aufgabe. Jeder "nur Deutsche" hat schliesslich auch die Wehrpflicht zu erfüllen.

    An UHU:
    Mutter: deutsch
    Vater: österr.

  • Ob auch jeder "Nur Deutsche" seinen Wehrdienst zu leisten hat, darauf kommt es meines Erachtens nicht an. Den Wunsch seinen Wehrdienst nicht ableisten zu wollen und sich die Zeit "zu sparen" kann ich nachvollziehen und finde ich auch als solches nicht verwerflich. Es hat halt nicht jeder die Möglichkeit dazu. Die Frage ist eben, ob dieser Vorteil eventuelle Nachteile aufwiegt, die durch die Aufgabe der Staatsangehörigkeit entstehen könnten.
    Wo ist denn der geplante Lebensmittelpunkt? Ist er hier, wäre er bei einem Verzicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit also "Ausländer im eigenen Land". Ob das auf Dauer so erstrebenswert ist?
    Wie konkret ist denn jetzt diese ganze Bund-Geschichte? Wo im "Einziehungsverfahren" steht denn der Knabe? Und warum soll die ganze Chose über die Bühne solange er noch minderjährig ist?
    Mir fehlt ein bißchen Sachverhalt. Oder hast Du auch nicht mehr?

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Zur Zeit lebt der Knabe hier und möchte auch in Deutschland noch eine Lehre machen. Danach ist evtl. eine Übersiedlung möglich.
    Warum die Chose jetzt notwendig ist, ist mir auch nicht ganz klar. Ich gehe davon aus, dass die Eltern auf Nummer Sicher gehen wollen. Als Wehrpflichtiger ist die Aufgabe nicht mehr möglich (vielleicht gilt das schon ab dem Einberufungsbescheid - muss mich noch schlau machen). Ausserdem würde bei einer baldigen Übersiedlung dann der östterr. Staat das Mündel einziehen.
    Die Folgen einer Aufgabe der dt. Staatsbürgerschaft sind m. E. jetzt noch gar nicht absehbar.
    Ich tendiere dazu entweder abzulehnen oder die Volljährigkeit abzuwarten
    (Anhörungen JA usw.)

  • Hallo zusammen!
    Ich hatte vor ca. einem Jahr auch einen vergleichbaren Fall.
    Habe - wenn ich mich richtig erinnere - die Genehmigung NICHT erteilt.
    Schaue morgen bei der Arbeit mal nach und melde mich dann. Müsste eigentlich noch den Zurückweisungsbeschluss haben....

  • Zwei Erwachsene mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten - also bestens bewandert mit dem Abwägen des Für und Wider der Einbürgerung - machen sich mit ihrem Kind Gedanken über ihr Kind. Die VG einzuholen, macht ja noch Sinn, denn die Eltern könnten ja aus eigennützigen Motiven handeln, die im Gegensatz zum vermeintlichen Kindesinteresse stehen. Darauf sollte sich die Prüfung beschränken. Diese drei Beteiligten scheinen hervorragende Sachkunde zu haben und aus (vom Kind gesehen) redlichen Motiven die ENtscheidung getroffen zu haben.

    Habe übrigens schon zahlreiche Einbürgerungen eingestielt, bei türkischen Jungs mit dem ARgument, den türkischen Wehrdienst umgehen zu wollen. Da ist noch kein REchtspfleger auf das ARgument gekommen, die AUfgabe der türkischen Staatsangehörigkeit nicht zu genehmigen, weil der Junge sich vor dem Wehrdienst drücken wolle.

    Wer trotzdem nicht nur Vormundschaftsgericht sein will und das Große Ganze im AUge behalten will: Unser Staat und unser Volk (siehe der Wahlkampf von Koch in Hessen) will konsequent Doppelstaatler vermeiden (es sei denn, sie werden Papst). Der Junge ist nur Doppelstaatler, weil das EU-Recht das so will.

    Moosi

  • Hallo hood,

    hier wie versprochen mein Zurückweisungsbeschluss.
    Der Sachverhalt war bei mir - wie Du sehen wirst - zwar etwas anders, aber vielleicht hilft es trotzdem.

    wichtig: Die Entscheidung ist auch der Staatsanwaltschaft zuzustellen, § 19 StAG.

    In pp. (bitte einr. volles Rubrum)

    wird der Antrag auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung vom 24.06.2006 auf Entlassung aus der deutschen Staatsbürgerschaft zurückgewiesen.

    G r ü n d e :

    Mit Antrag vom 24.06.2005 beantragen beide Eltern die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung auf Entlassung aus der deutschen Staatsbürgerschaft für ihren

    minderjährigen Sohn .

    Nach § 19 StAG hat darüber das deutsche Vormundschaftsgericht zu entscheiden.

    Der Minderjährige hat die britische und die deutsche Staatsangehörigkeit.

    Die Kindesmutter ist Britin, der Vater Deutscher. Nach Angaben der Eltern möchte die Familie in ein paar Jahren nach England auswandern. Ein konkreter Termin steht bislang noch nicht fest.

    Bei der Anhörung der Kindeseltern und des Kindes ergab sich vielmehr, dass die Familie noch so lange in Deutschland bleiben wird, bis die Schule und eine Ausbildung abgeschlossen hat. Die Auswanderung wird also voraussichtlich erst nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes (in zwei Jahren) erfolgen.

    Der Antrag war wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses und aus Sicht des Kindeswohls zurückzuweisen.

    Der Minderjährige ist 16 Jahre alt. Mit Eintritt der Volljährigkeit in zwei Jahren kann er selbst einen Antrag auf Entlassung aus der deutschen Staatsbürgerschaft stellen.

    Bis zur Volljährigkeit wird voraussichtlich auch noch in Deutschland bleiben, so dass das Gericht keine Veranlassung sieht, schon jetzt tätig zu werden.

    Maßgeblich für die Prüfung der Frage der Genehmigungsfähigkeit ist das Kindeswohl, § 1697a BGB.

    Hiernach ist diejenige Entscheidung zu treffen, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

    Staatliche Interessen, wie sie speziell in § 22 StAG angesprochen werden, sind dagegen nicht tangiert.

    Die Genehmigung ist vorliegend abzulehnen, da ein Verzicht auf die doppelte Staatsbürgerschaft derzeit eher Nachteile als Vorteile für den Minderjährigen mit sich bringt.

    Als einziger Grund für das Begehren auf Entlassung aus der Staatsangehörigkeit wird angegeben, dass „ sich schon immer als Engländer fühle“ und dass er zum Zeitpunkt der Auswanderung nach England nur die britische Staatsangehörigkeit haben solle. Weitere Gründe wurden nicht vorgetragen.

    Nach hiesiger Auffassung sollte dem Minderjährigen die Entscheidung des Verzichts auf die Staatsbürgerschaft selbst überlassen werden.

    Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die persönliche Lebenssituation des Minderjährigen innerhalb der nächsten Jahre dergestalt ändert, dass er an einer Auswanderung nach England nicht mehr festhalten möchte sondern stattdessen den Wunsch verspürt, in Deutschland zu verbleiben. Für diesen Fall wird es durchaus als vorteilhaft angesehen, wenn Dean auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

    Nach der Überzeugung des Gerichts ist es dem Minderjährigen zuzumuten, noch zwei Jahre die doppelte Staatsbürgerschaft zu behalten - auch wenn er sich zunehmend als Engländer fühlt.

    Gegen dieses Beschluss findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt, § 621 e I ZPO. Diese ist innerhalb eines Monats ab Zustellung dieser Entscheidung schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm als Beschwerdegericht einzulegen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären.“

  • Ich schließe mich Moosi's Auffassung an.

    Bei der Aufgabe einer der beiden Staatsangehörigkeiten von einer Gefährdung des Kindeswohls auszugehen, finde ich reichlich überzogen. Der Wille der Sorgeberechtigten hat nach meiner Auffassung hier klar Vorrang.

    Doppelstaatsbürgerschaft hat im Übrigen auch Nachteile.

    Falls der Jugendliche in Deutschland Probleme mit der Justiz bekommen sollte, kann ihm der österreichische Staat nicht helfen, da er hier als deutscher Staatsangehöriger gilt.
    Dieser Umstand verliert zwar innerhalb der EU zunehmend an Bedeutung, aber man muss es schon dem Betroffenen überlassen, von welchem Staat er sich vertreten lassen möchte.

  • Ich tendiere dazu die Entscheidung hier davon abhängig zu machen, welcher Eindruck sich bei der Anhörung ergeben hat: Wenn es da nur darum ging jetzt auf Biegen und Brechen dem Wehrdienst zu "entkommen" und erkennbar war, dass man sich über die weiteren Vor- und Nachteile der doppelten Staatsangehörigkeit keine größeren Gedanken gemacht hat, würde ich eher ablehnen.
    Wenn da aber ein gut informierter Jugendlicher vor Dir gesessen hat, der sich erkennbar seine Gedanken auch zur Zukunft gemacht hat und auch über die Problematik "Wehrdienst" hinausgedacht hat, würde ich wohl zustimmen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Ich tendiere dazu die Entscheidung hier davon abhängig zu machen, welcher Eindruck sich bei der Anhörung ergeben hat: Wenn es da nur darum ging jetzt auf Biegen und Brechen dem Wehrdienst zu "entkommen" und erkennbar war, dass man sich über die weiteren Vor- und Nachteile der doppelten Staatsangehörigkeit keine größeren Gedanken gemacht hat, würde ich eher ablehnen.
    Wenn da aber ein gut informierter Jugendlicher vor Dir gesessen hat, der sich erkennbar seine Gedanken auch zur Zukunft gemacht hat und auch über die Problematik "Wehrdienst" hinausgedacht hat, würde ich wohl zustimmen.


    :zustimm:

  • Der Knabe hat kein Wort gesagt. Lediglich Papi hat auf mich eingeredet.
    Durch den Wehrdienst würde er ja so viel Zeit verlieren usw.
    Ausserdem sehe ich daher kein Rechtschutzbedürfnis (mit Hilfe des Gericht den Wehrdienst umgehen?)

  • Der Knabe hat kein Wort gesagt. Lediglich Papi hat auf mich eingeredet.
    Durch den Wehrdienst würde er ja so viel Zeit verlieren usw.
    Ausserdem sehe ich daher kein Rechtschutzbedürfnis (mit Hilfe des Gericht den Wehrdienst umgehen?)



    Ich würde mich wirklich nicht so fürchterlich am Wehrdienst aufhängen. Ob Du es als gerecht empfindest, dass der Knabe die Möglichkeit hat dem Bund zu entgehen oder nicht, spielt hier keine Rolle.
    Womit ich eher ein Problem hätte wäre die Art, wie die Anhörung gelaufen ist. Wenn nur Papa geredet hat und Du mit dem Jugendlichen kein Wort gesprochen hst, sollte man darüber nachdenken, die Anhörung nochmal "vernünftig" durchzuziehen und dann die Eltern außen vor zu lassen. Oder aber Du schließt aus der Anhörung, dass hier nur die Eltern das Verfahren "betreiben" und weist aus diesem Grund züruck. Das kannst aber letztlich nur Du am besten beurteilen, Du warst ja als einziger von uns dabei ;)

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Der Knabe hat kein Wort gesagt. Lediglich Papi hat auf mich eingeredet.



    Daher bietet es sich an, die Beteiligten getrennt voneinander zu befragen...

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

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