Hinterlegung zur Abwendung eines dinglichen Arrestes

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    ich habe einen Fall, wo mich Eure Meinungen hins. 2 Probleme interessieren würden.
    In einer Strafsache wird zur Abwendung eines dinglichen Arrestes eine Lösungssumme (Sicherheitsleistung) über 300.000 EUR hinterlegt. Als Empfangsberechtigte werden angeführt:
    a) Hinterlegerin = Beschuldigte/Angeklagte des Strafverfahrens
    b) Land NRW, vertr. d.d.LOStA

    Nach Aufhebung des dinglichen Arrestes gem. § 111 i StPO nach Ablauf der 3-Monatsfrist passiert folgendes:
    a) Die Rechtsanwälte der Beschuldigten beantragen unter Vorlage einer Ausfertigung des Aufhebungsbeschlusses des Landgerichts die Freigabe
    b) Der Staatsanwalt beantragt die Freigabe von 200.000 EUR Teilbetrag an die Hinterlegerin, aber auf ein Anderkonto der Anwaltskanzlei der Beschuldigten. Er führt dabei an, der Arrest sei aufgehoben worden vom Landgericht.
    c) Die Beschuldigte meldet sich selber und beantragt zuerst 300.000 EUR Freigabe auf das Konto der Anwaltskanzlei, nach einer Zwischenverfügung sodann nur noch 200.000 EUR, diesmal aber auf ihr eigenes Bankkonto, da ihr die Zwangsversteigerung ihres Hauses droht.
    d) Ein RA eines geschädigten Versichers meldet sich und führt Amtshaftungsansprüche an, wenn Beträge freigegeben werden, da
    1. eine Beschwerde gegen den Aufhebungsbeschluss des Landgerichts laufe
    2. Auch sofortige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 111 g Absatz 2, 111 h Absatz 2 StPO eingelegt sei.
    Auf meine Zwischenverfügung, dass 100.000 EUR in der HL verbleiben, die lt. Staatsanwalt die Schäden abdecken sollen, wird entgegnet, die Schadenssumme belaufe sich jetzt schon auf 105.000 EUR zzgl. Tageszinsen, so dass ein Regress drohen würde.

    Die Fragen, die sich mir stellen:
    1. Könnte überhaupt aufgrund einer Ausfertigung des Aufhebungsbeschlusses des dingl. Arrestes ausgezahlt werden ? Oder ist zwingend die Freigabe des Landes NRW erforderlich (ich meine ja).
    2. Grundsätzlich genügt die Freigabe der Berechtigten gem. § 13 HO, wenn sie übereinstimmende Erklärungen abgeben:
    a) Muss sich das Konto decken, wenn beide Berechtigte (Beschuldigte und StA) die Freigabe von 200.000 EUR an die Hinterlegerin erklären?
    3. Muss/Sollte nicht die Freigabeerklärung des Leitenden Oberstaatsanwaltes (als Verwaltung) verlangt werden ? Kann ich "sehenden" Auges hier die Herausgabe erteilen ? Nicht, dass der StA nicht selber für seine Freigabe verantwortlich ist und dies ja nur selber prüfen kann........In anderen Fällen begnügen sich die hiesigen Hinterlegungsrechtspfleger mit der Freigabe des Staats- oder Amtsanwaltes, auch wenn für das Land NRW, vertr.d.d. Leitenden Oberstaatsanwalt hinterlegt wurde.

    Die Beschuldigte beantragt unter EILT die sofortige Freigabe auf ihr Bankkonto und droht ihrerseites mit Amtshaftungsansprüchen.

    Vielen Dank für Eure Mühe

  • Mit Vorbehalt, denn von Strafsachen habe ich keine Ahnung:
    1. Auszahlung nur nach Freigabe der im Antrag als empfangberechtigt Bezeichneten. Aufhebungsbeschluss könnte allenfalls nach Rechtskraft genügen, da ja damit der Hinterlegungsgrund weggefallen ist. Würde ich aber nachprüfen.
    2. eben
    3. An den RA der Beschuldigten könnte doch nur mit Geldempfangsvollmacht ausgezahlt werden. Liegt die nicht vor, müsste an die Beschuldigte selbst ausgezahlt werden, es sei denn, dass der RA schon im HL-Antrag als Vertreter benannt wurde weil er als solcher eingezahlt hat. Würde ich also vorher versuchen abzuklären.
    4. Nach meiner Meinung muss nicht der Leitende STA als Verwaltung, sondern der unter dem Aktenzeichen als zuständiger Staatsanwalt handelnde die Freigabe erklären (wie sollte die Verwaltung denn die Voraussetzungen beurteilen können?). Aber auch einen STA würde ich nicht in den evtl. Regress laufen lassen, sondern anfragen, ob es trotz der angebl. Beschwerde bei der Freigabe bleibt.
    Dem EILT der Betrofffenen kann man Rechnung tragen, indem die Rückfragen per Fax oder Telefon erfolgen. Nur nicht nervös machen lassen, wenn es um so viel Geld geht.

  • In aller Kürze (nach Urlaubsrückkehr türmen sich die Aktenberge):
    Das Hinterlegungsverfahren weicht etwas von den üblichen Vermögensabschöpfungen ab. Daher ist mir eine genaue Aussage nicht möglich. Was ich nicht zuordnen kann, sind die Anträge auf Freigabe. Freigaben kann man erklären, aber nicht beantragen. Wenn damit Herausgabeanträge gemeint sind (Buchst. a, c und d) so ist keiner dieser Herausgabeanträge begründet, da der Nachweis der Empfangsberechtigung fehlt. Der Antrag der Rechtsanwälte ist braucht nicht zu beachtet werden, da ein Antrag der Empfangsberechtigten selbst vorliegt. Die Anwälte sollten kurz auf die Rechtslage hingewiesen werden, ggf. Zurückweisung des Antrags.
    Bei zivilrechtlichen Arresten ergehen Entscheidungen über den Anspruch, bzw. über den Arrestbefehl. Hier wurde der Arrest nur aufgehoben (formaliter, weil der Arrest durch Zeitablauf seine Wirksamkeit verliert). Der Beschluss mit der Aufhebung ist daher kein Nachweis der Empfangsberechtigung. Für alle Antragsteller gilt, dass nur eine Freigabeerklärung der der StA die Herausgabe ermöglicht.
    Die vorliegende Freigabeerklärung ( oder Herausgabeersuchen?) ist untauglich, das Freigabeerklärungen nur zugunsten von Beteiligten abgegeben werden können, einen Modus der Auszahlung damit zu verbinden, ist unzulässig.
    Da eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung vorliegt, liegt denn keine Pfändung der Versicherung vor? Wenn nicht, verhält sich der Anwalt etwas ungeschickt, denn die Pfändung bestimmt den Rang, nicht die Zulassung. Es stellt sich die Frage, nachdem der Arrest entfallen ist, wozu die Zulassung noch benötigt wird.
    Ich bin der Auffassung, dass nichts ausbezahlt werden kann, weil kein einziger begründeter Herausgabeantrag vorliegt. Jeder Antragsteller sollte aufgefordert werden, sein Empfangsberechtigung (Freigabeerklärung)nachzuweisen. Die Staatsanwaltschaft (als hierzu bevollmächtigte Vertreterin des Landes) sollte darauf hingewiesen werden, eine ordnungsgemäße Freigabeerklärung vorzulegen, da die vorliegende Erklärung als unwirksam erachtet würde.

  • Vielen Dank rusu.
    Ja, der Staatsanwalt hat etwas "ungünstig" formuliert: Ich beantrage 200.000 EUR an die Hinterlegerin auf das Anderkonto der Kanzlei a Nr. ..... bei der b-Bank BLZ....freizugeben.Du hast natürlich Recht, dass man Freigaben eigentlich nicht beantragen kann. Aber ich denke, man muss einen Antrag eines Berechtigten, den hinterlegten Betrag oder einen Teilbetrag an ihn selber herauszugeben, als Freigabeerklärung an sich selber auslegen. Wenn der 2. Eventualberechtigte dann auch die Freigabe erklärt, liegen doch die Voraussetzungen des § 13 HO vor.
    Dass der Beschluss über die Aufhebung des Arrestes nicht ausreicht, sehe ich genauso. Der Staatsanwalt muss die Herausgabe erklären.
    Warum er dann eine Bankverbindung angeführt hat ? Wahrscheinlich weil er von der HO wenig Ahnung hat, behaupte ich einmal, ohne mich zuweit aus dem Fenster lehnen zu wollen.
    Warum allerdings eine Pfändung der Kanzlei nicht vorliegt, weiß ich auch nicht. Muss die ZV nicht vorher zugelassen werden von der Staatsanwaltschaft (§§ 111 g Absatz 2, 111 h Absatz 2 StPO) ? Könnte ohne Zulassung der ZV in den Herausgabeanspruch (nach der ZPO) vollstreckt werden ? Ich hab leider zu wenig Ahnung von Strafprozessual- und vollstreckungsrecht. Aber warum eigentlich nicht. Solange ein Titel vorliegt. Für den Erlass wäre doch dann das Vollstreckungsgericht zuständig. Und es wird ja nicht gegen das Land, vertr. d. die StA, vollstreckt.

    Nach einer Zwischenverfügung, worin ich auf die Bedenken hingewiesen habe, wird nun der StA eine Herausgabebewilligung des LOSta vorlegen in Höhe von nur noch 190.000 EUR (also 10.000 weniger als vorher). Der StA hatte das Sonderheft nicht vorlegen und hat die Summe nur geschätzt (warum er allerdings das Risiko eingeht, in laufenden Beschwerdeverfahren schon Teilbeträge freizugeben ??). Es wird auch keine Bankverbindung mehr angegeben.
    Die Freigabe von 190.000 EUR erfolgt an die Hinterlegerin auf deren Bankkonto.
    Da auch keine Geldempfangsvollmacht an die eigenen Anwälte vorliegt, haben diese auch mittlerweile per Fax ihren parallelen Herausgabeantrag zurückgezogen.
    Vielen Dank für Eure Mühe.

  • Bei Vermögensabschöpfungsverfahren ist der Pfändungszugriff ohne Zulassung die Regel, weil der Rang durch die Pfändung und nicht durch die Zulassung der Zwangsvollstreckung bestimmt wird. Dies führt dazu, dass es Pfändungen mit und ohne Zulassung gibt, sei es dass es der Geschädigte versäumt hat oder weil der Antrag zu spät gestellt wurde, denn nach dem Erlöschen des Pfandrechts der Staatsanwaltschaft kann die Zulassung nicht mehr erteilt werden.
    Um die Zahl dieser Verfahren gering zu halten, weise ich in der Drittschuldnererklärung vorsorglich auf das Erfordernis der Zulassung der Zwangsvollstreckung hin. [FONT='Arial (W1)'](„[FONT='Arial (W1)']Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass neben der Pfändung und Überweisung die Zulassung der Zwangsvollstreckung [/FONT][FONT='Arial (W1)']gem. § 111 g Abs2 Satz 1 StPO [/FONT][FONT='Arial (W1)']erforderlich ist, und dass nach Pfändung und Überweisung ggf. die Stellung eines Herausgabeantrags erforderlich ist“)[/FONT]. Es ist allerdings kein Allheilmittel. Es wird immer wieder Verfahren geben, in denen die Zulassung fehlt. [/FONT]
    Ein bisschen wird die Sache noch durch die letzte Änderung der StPO erschwert, da nach alten Recht nur bei Beschlagnahmen, nicht aber bei Arresten die Zulassung benötigt wird und die Staatsanwaltschaften ihrerseits nicht selten nach Gutdünken das Vermögen der Straftäter arrestiert oder beschlagnahmt haben. Nach neuem Recht ist die Zulassung sowohl bei Arrest als auch Beschlagnahme erforderlich.

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