Geltendmachung von Ansprüchen gegen entlassenen Testamentsvollstrecker

  • Hallo zusammen,

    habe folgenden (leidigen) Fall
    (Nachlassverfahren/ Ergänzungspflegschaft):

    Erblasser hat sein minderjähriges nichteheliches Kind zum Alleinerben eingesetzt. Die Kindsmutter sollte lt. Testament mit einer vom Gericht zu bestimmenden Person, welche überwachende Funktion ausüben soll, das Vermögen verwalten. Es wurde festgestellt, dass Testamentsvollstreckung durch zwei Testamentsvollstrecker angeordnet ist, befristet bis zur Volljährigkeit der minderjährigen Alleinerbin. Als Testamentsvollstrecker waren die Kindsmutter sowie eine vom Gericht benannte Person im Amt. Nachdem somit die Kindsmutter als TV einerseits und als gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Alleinerbin andererseits tätig wurde, wurde Ergänzungspflegschaft angeordnet mit dem Wirkungskreis "Vertretung bei den Auskunfts- und Rechnungslegungsrechten des Erben gegenüber den Testamentsvollstreckern (§§ 2218 i.V.m. 2215 BGB)". Der bestellte Ergänzungspfleger (Rechtsanwalt) versuchte nun, diese Rechte gegenüber den TV geltend zu machen. Die Kindsmutter verweigerte jedoch jede Auskunft. Es wurde seitens des Erg.Pflegers Klage auf Überlassung eines Nachlassverzeichnisses sowie auf Legung der (fälligen) Rechnungslegungen gegen beide TV eingereicht. Schließlich konnte ein entsprechendes Urteil erwirkt werden. Die Kindsmutter erteilte aber nachwievor keinerlei Auskunft. Der weitere TV kündigte nun sein Amt, da eine Zusammenarbeit mit der Kindsmutter nicht möglich war. Es fand sich lange kein neuer weiterer TV. Aus dem erwirkten Urteil wurde Zwangsgeld gegen die Kindsmutter festgesetzt, eine Vollstreckung blieb wegen Pfandlosigkeit jedoch erfolglos. Schließlich wurde die Kindsmutter als TV entlassen. Nach sämtlichen Instanzen bestätigte auch das OLG die Entlassung. Nachdem als Erblasserwille ermittelt wurde, dass die TV weiterhin bestehen bleiben soll, wurde als neuer TV sodann ein (weiterer) Rechtsanwalt ernannt. Dieser teilte nun dem Erg.Pfleger mit, dass die Kindsmutter während Ihres Amtes als TV (und auch danach, bis zur Ernennung des neuen TV)erhebliche Summen von den Nachlasskonten entnommen hat Der Erg.Pfleger teilte den Sachverhalt nun dem Vormundschaftgsgericht mit und regte nun an, die Kindsmutter aufzufordern, Auskunft darüber zu geben, wofür diese exorbitanten Beträge in einem relativ kurzem Zeitraum verbraucht wurden.


    Soweit der Sachverhalt (sehr verkürzt dargestellt, der Sterbefall war im Jahre 1999, seitdem wandert die Akte durch alle Instanzen...).


    Ich habe nun folgende Fragen:


    1. Nachdem die Personenidentität a) gesetzlicher Vertreter - b) TV (jeweils die Kindsmutter) nicht mehr besteht -> kann ich die Ergänzungspflegschaft aufheben, da die Kindsmutter als gesetzliche Vertreterin die Auskunfts- und Rechnungslegungsrechte des Erben gegenüber dem neu ernannten TV (§§ 2218 i.V.m. 2215 BGB) nun selbst wahrnehmen kann?


    2. Was ist aber mit dem Zeitraum bis zur Entlassung der Kindsmutter als TV? Für diese Zeit fehlen offenbar noch Rechnungslegungen. Hat der neue TV nun die noch fehlenden Rechnungslegungen bei der Kindsmutter anzufordern, zu überprüfen und evtl. Ansprüche gegen sie geltend zu machen und die Erg.Pflegschaft kann daher komplett aufgehoben werden? Oder bedarf es hierfür einer Ergänzungspflegschaft? -> kann ich die bereits bestehende entsprechend abändern "Vertretung bei den Auskunfts- und Rechnungslegungsrechten des Erben gegenüber der entlassenen TV bis zum Tag der Bekanntmachung der Entlassung an diese"?


    3. Umfasst der Wirkungskreis "Vertretung bei den Auskunfts- und Rechnungslegungsrechten" auch die Überprüfung der jährlichen Rechnungslegungen und Aufklärung festgestellter Unstimmigkeiten sowie Geltendmachung evtl. Ansprüche gegen die entlassene TV? Oder ist dies Aufgabe des Vormundschaftsgerichts?


    4. Wer macht für die Zeit nach Bekanntmachung der Entlassung der Kindsmutter als TV bis zur Amtsannahme durch den neuen TV die Auskunfts- und Rechnungslegungsrechte geltend?


    Kann mir jemand helfen?


    Lieben Dank

  • Meines Erachtens gehen die vorliegenden Fragestellungen an der eigentlichen Sache vorbei.

    Denn:

    Der Mutter ist seitens des FamG unverzüglich die gesamte Vermögenssorge zu entziehen und insoweit ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Hierzu gibt es nach dem mitgeteilten Sachverhalt überhaupt keine Alternative. Damit lösen sich alle gestellten Fragen von selbst.

    Offen bleibt, wer für einen entstandenen Vermögensschaden des Kindes haftet. Insoweit gilt folgendes:

    Mehrere Testamentsvollstrecker können nur gemeinschaftlich über Nachlassgegenstände verfügen (also auch Geld abheben), es sei denn, der eine TV wäre vom anderen TV zur alleinigen Verfügung bevollmächtigt worden (§ 2224 Abs.1 S.1 BGB). Soweit keine solche Vollmacht des Mitvollstreckers vorlag und das Amt des zweiten Mitvollstreckers noch andauerte, hat die Bank somit an die Mutter in deren Eigenschaft als Mitvollstreckerin demzufolge nicht befreiend geleistet. Das Kind kann sich also insoweit bei den betreffenden Banken schadlos halten.

    Das gleiche (keine befreiende Leistung seitens der Banken) gilt für den Zeitraum zwischen der Kündigung des Amtes durch den Mitvollstrecker und der Entlassung der Mutter als Mitvollstreckerin. Zwar führt der verbleibende TV nach dem Wegfall des zweiten TV das Amt grundsätzlich alleine weiter (§ 2224 Abs.1 S.2 BGB). Dies gilt aber nicht, wenn der Erblasser abweichende Anordnungen getroffen hat (§ 2224 Abs.1 S.3 BGB). Von letzterem ist hier zweifelsfrei auszugehen, weil die Anordnung, dass die Mutter nur gemeinsam mit einer weiteren Person TV sein soll, gleichzeitig das stillschweigende Ersuchen an das NachlG beinhaltet, für den Fall des Wegfalls des zweiten TV für diesen einen Nachfolger zu ernennen (§ 2200 BGB), um nach dem klar formulierten Erblasserwillen zu verhindern, dass die Mutter die alleinige Verfügungsbefugnis über den Nachlass erlangt. Hieraus folgt, dass die Mutter mit der Beendigung des Amtes des zweiten Mit-TV nicht die alleinige Verfügungsbefugnis über den Nachlass erlangte, sondern dass der Nachlass bis zur Behebung der genannten Vakanz überhaupt nicht rechtswirksam durch die Mutter als verbleibende TV vertreten werden konnte (Staudinger/Reimann § 2224 RdNr.39). Damit ist auch für den besagten Zeitraum von einer nicht befreienden Leistung durch die beteiligten Banken auszugehen.

    Die Entlassung der Mutter als TV wurde mit der an sie erfolgten Bekanntmachung des Entlassungsbeschlusses wirksam (§ 16 Abs.2 S.1, Abs.3 FGG), und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die Entlassung mit dem Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist (§ 81 Abs.2 FGG), weil das Gesetz nicht anordnet, dass die Entlassung erst mit Rechtskraft des Entlassungsbeschlusses wirksam wird (Staudinger/Reimann § 2227 RdNr.30; Keidel/Kuntze/Winkler/Winkler § 81 RdNr.6). Damit war das TV-Amt der Mutter mit der an sie erfolgten Zustellung (§§ 16 Abs.2, 81 Abs.2 FGG) des Entlassungsbeschlusses materiell beendet. Damit waren auch die von ihr nach diesem Zeitpunkt vorgenommenen Rechtshandlungen infolge eingetretener Amtsbeendigung unwirksam, was aber natürlich nichts daran ändert, dass sie aus den genannten Gründen auch vorher nicht alleine über den Nachlass verfügungsbefugt war.

    Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass zu Lasten des Kindes im Ergebnis voraussichtlich kein Vermögensschaden eintreten wird, weil die Bank im Falle der Nichterteilung einer Vollmacht durch den zweiten Mit-TV an die Mutter in deren Eigenschaft als Mit-TV nicht befreiend geleistet hat und natürlich auch nach der Beendigung des Mit-TV-Amtes der Mutter an diese nicht befreiend leisten konnte.

    Die Verfahrensweise des Ergänzungspflegers, des zweiten Mit-TV und des Nachlassgerichts ist für mich nach bisheriger Kenntnis der Sachlage nicht nachvollziehbar.

    In Kürze:

    Wie kommt der Ergänzungspfleger dazu, gegen die Mutter zu prozessieren, wenn er ohne weiteres schon viel früher deren Entlassung hätte erreichen können, weil der Verstoß der Mutter gegen ihre TV-Pflichten für jedermann ersichtlich offen zu Tage lag?

    Weshalb regt der Ergänzungspfleger beim FamG nicht den Entzug der Vermögenssorge der Mutter an?

    Wie kommt der Mit-TV dazu, sein Amt offensichtlich zur Unzeit zu kündigen?

    Weshalb unterlässt es das NachlG, nach erfolgter Kündigung des TV-Amtes durch den zweiten Mit-TV unverzüglich einen Nachfolger im Mit-TV-Amt zu ernennen und weshalb nimmt das NachlG mit diesem Unterlassen in Kauf, dass sich die Mutter im Rechtsverkehr faktisch als alleine verfügungsbefugte TV gerieren kann?

    Wie kommt das NachlG dazu, mit der Bestellung eines neuen TV bis zur Rechtskraft der Entlassungs-entscheidung zuzuwarten und auf diese Weise den Nachlass über lange Zeit völlig verwaltungslos zu lassen?

    Fragen über Fragen, die sämtlich auf eine Haftung des Ergänzungspflegers, auf eine Haftung des Mit-TV und -natürlich- auch auf eine Amtshaftung hinauslaufen. Diese Fragen müssen aber derzeit nicht vertieft werden, da ich derzeit vollumfänglich von nicht befreienden Leistungen der beteiligten Banken ausgehe und das Kind sich daher insoweit schadlos halten kann.

  • Das riecht nach weiterem, jahrelangem Rechtstreit...:daumenrun

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Nicht unbedingt, weil die Rechtslage nach meinem Dafürhalten ziemlich eindeutig ist. Gleichwohl ist natürlich nicht auszuschließen, dass sich die Bank der Einsicht in diese Rechtslage verschließt.

    Ein evtl. notwendiger Prozess gegen die Bank (der vom neuen TV und nicht vom Ergänzungspfleger zu führen wäre, weil die Rückleistung der Gelder zu dem der TV unterliegenden Nachlass in Frage steht) muss außerdem nicht unbedingt teuer sein, weil es nicht notwendig ist, alle entnommenen Gelder auf einmal einzuklagen. Es dürfte vielmehr ohne weiteres ausreichen, den Prozess auf diverse von der Mutter "vereinnahmte" Geldbeträge beschränken, deren Entnahme (a) während des Amtierens von zwei Mit-TV, (b) nach der Kündigung des Amtes durch den Mit-TV, aber vor der Entlassung der Mutter aus dem TV-Amt und (c) nach der Entlassung der Mutter aus dem TV-Amt erfolgt ist.

  • Ich poste den Thread noch einmal hoch, weil mich andere Meinungen zu dem doch sehr außergewöhlichen Sachverhalt interessieren und mich des weiteren interessiert, ob sich die Fragestellerin noch für die erbetenen Antworten interessiert.

  • Herzlichen Dank für deine sehr hilfreichen Ausführung, juris2112.

    Wenn das Familiengericht nun der Mutter die Vermögenssorge entzieht und insoweit Ergänzungspflegschaft anordnet, übernimmt dann dieser Erg.Pfleger wohl auch die Geltendmachung der Auskunfts- und Rechnungslegungsrechte gegenüber dem neuen Testamentsvollstrecker (§§ 2218 i.V.m. 2215 BGB). Der neue TV müsste dann die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung gegenüber der entlassenen Kindsmutter für die Zeit ab ihrer Amtsannahme bis zum Wirksamwerden Ihrer Entlassung geltend machen und auch Rückleistung evt. Gelder geltend machen.
    Die jetzt bestehende Ergänzungspflegschaft wäre aufzuheben.

    Entzieht das Familiengericht der Mutter nicht die Vermögenssorge, hätte die Kindsmutter dann selbst die Auskunfts- und Rechnungslegungsrechte gegenüber dem neuen TV geltend zumachen; die Geltendmachung der Ansprüche wie oben gegen die Kindsmutter für deren Zeit als TV obliegt auch in diesem Fall dem neuen TV. Auch bei dieser Fallgestaltung wäre die jetzige Ergänzungspflegschaft wohl aufzuheben.

    Liege ich damit nun richtig?

    Ich beabsichtige, die Akte an das Familiengericht zu geben mit der Anregung auf Entziehung der Vermögenssorge; die Entscheidung über Aufhebung oder Bestehenbleiben der bereits bestehenden Erg.Pflegschaft würde ich bis zur Entscheidung des Familiengerichts zurückstellen.

  • Die bisherige Ergänzungspflegschaft ist meines Erachtens noch nicht nach § 1919 BGB aufzuheben, obwohl der Grund für ihre Anordnung durch die Beendigung der TV-Amtes der Mutter eigentlich weggefallen ist. Denn es bleibt dabei, dass die Mutter noch auf ihr vormaliges TV-Amt zurückgehende Verpflichtungen gegenüber ihrem Kind zu erfüllen hat (Rechnungslegung usw.) und insoweit ist sie -nach wie vor- von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen. Man sollte mit dieser Aufhebung somit noch zuwarten, muss aber bedenken, dass das FamG bei einem Entzug der Vermögenssorge der Mutter nur insoweit Ergänzungspflegschaft anordnen kann, soweit sie nicht bereits besteht. Es ist daher enge Kontaktnahme mit dem FamG geboten, damit gleichzeitig angeordnet und aufgehoben wird. Dass das FamG für die gesamte Vermögenssorge einen anderen Pfleger als den bisherigen bestellen wird, erscheint mir nach dem bisherigen Ablauf der Ereignisse evident zu sein.

    Über den evtl. Nichtentzug der Vermögenssorge würde ich mir keine Gedanken machen, weil es zum vollständigen Entzug der Vermögenssorge nach Sachlage überhaupt keine Alternative gibt. Meines Erachtens müsste der Entzug der Vermögenssorge sogar mittels einstweiliger Anordnung erfolgen.

    Die Weiterleitung der Akte ("Eilt sehr!") an das FamG ist jedenfalls der richtige Weg. Außerdem würde umgehend den zuständigen Kollegen kontaktieren und ihm die Sache schon vorab verdeutschen, damit nicht wertvolle Zeit verstreicht.

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