Überlassung und Nacherbfall

  • Hallo Zusammen!

    Hab mal wieder ein Problem mit einer Nacherbfolge und trotz Suche im Forum keine Lösung gefunden.

    Eingetragen ist E als Eigentümerin zweier Wohnungen. In Abteilung II ist ein Nacherbenvermerk eingetragen, Nacherben sind die zwei Söhne N1 und N2. Nacherbfall tritt ein mit Tod der Vorerbin.
    2001 hat E eine Wohnung an N1 und eine Wohnung an N2 übergeben. Sie handelt für sich selbst und N1 vorbehaltlich Vollmachtsbestätigung. N2 war anwesend. In der Urkunde stimmen N1 und N2 der Übergabe zu und beantragen den Nacherbenvermerk zu löschen. Hilfsweise bewilligen sie auch die Löschung. Die Übergabe wurde aber damals nicht zur Eintragung beantragt.
    Jetzt legt mir der Notar den Vorgang zur Eintragung von N1 und N2 als Eigentümer vor.
    Hab mir die alte Nachlassakte geholt, um zu sehen, was hinsichtlich der Nacherbfolge vereinbart war. Und was seh ich? E ist seit 2006 bereits verstorben, der Nacherbfall ist also bereits eingetreten. N1 und N2 haben im Nachlasstermin bereits einen Erbschein hinsichtlich der Nacherbfolge (der alte ist noch nicht eingezogen) und Grundbuchberichtigung beantragt. Auf Nachfrage beim Notariat ergibt sich, dass die vom Tod der E nichts wussten.
    Und jetzt??? :confused:

    Kann oder muss ich die Übergabe noch vollziehen? E ist ja nicht mehr Eigentümerin sondern die Nacherben N1 und N2. Oder müssen die die Urkunde gegen sich gelten lassen (was sie ja wohl bezwecken, um Kosten zu sparen)? Aber warum beantragen sie beim Nachlassgericht dann noch Grundbuchberichtigung?

  • Der Nacherbfall ist eingetreten und bis zu seinem Eintreten hatten nicht alle (also beide) Nacherben der Verfügung der Vorerbin zugestimmt. Es fragt sich also, ob die mit dem Eintritt des Nacherbfalls unwirksam gewordene Verfügung auch noch nach dem Eintritt des Nacherbfalls ex tunc oder ex nunc wirksam werden kann. Letztgenannte Konvaleszenz wäre eingetreten, wenn die Vorerbin von N1 als Alleinerbe beerbt worden wäre (§ 185 Abs.2 S.1 Alt.3 BGB), nicht aber (wegen § 2063 Abs.2 BGB), wenn N1 und N2 die Vorerbin beerbt hätten und schon gar nicht, wenn neben N1 und N2 (wie im vorliegenden Fall) noch ein Dritter als Miterbe der Vorerbin zum Zuge kommt. Damit scheidet eine ex-nunc-Wirksamkeit der vorliegenden Verfügungen des Vorerben aus.

    Damit ist alleine entscheidungserheblich, ob die noch nicht vollendeten Verfügungen der Vorerbin (also ihre abgegebenen Verfügungserklärungen) auch nach dem Eintritt des Nacherbfalls noch durch die Genehmigung des zweiten Nacherben N1 ex tunc wirksam werden können (§ 185 Abs.2 S.1 Alt.1 BGB). Dies ist zu bejahen. Denn wenn die Nacherben einer Verfügung der Vorerbin während der Dauer der Vorerbschaft zustimmen können, um dieser auch für die Zeit nach dem Eintritt des Nacherbfalls zur Wirksamkeit verhelfen (analoge Anwendung von § 185 Abs.2 S.1 Alt.1 BGB), obwohl die Vorerbin für die Zeit bis zum Eintritt des Nacherbfalls ohnehin als Berechtigte wirksam verfügen kann, dann muss eine solche Zustimmung (hier: nachträgliche Genehmigung) in unmittelbarer Anwendung des § 185 Abs.2 S.1 Alt.1 BGB erst recht nach dem Eintritt des Nacherbfalls möglich sein, weil die Vorerbin aus heutiger Sicht endgültig als Nichtberechtigte verfügt hat (Staudinger/Behrends/Avenarius § 2113 RdNrn.18, 25, 91).

    Was am vorliegenden Ausgangsfall zunächst irritiert, ist, dass die erforderliche Zustimmung des Nacherben zu einer Verfügung des Vorerben üblicherweise zeitgleich mit der Verfügung selbst erklärt wird, um den Rechts-erwerb vom Vorerben zugunsten des von der Verfügung begünstigten Erwerbers endgültig wirksam und bestandskräftig zu machen und dass in der Kommentarliteratur daher vorrangig und nahezu ausschließlich der Fall der während der Dauer der Vorerbschaft erklärten Nacherbenzustimmung erörtert wird. Das darf aber nicht den Blick darauf verstellen, dass § 185 BGB aber natürlich "erst recht" nach dem Eintritt des Nacherb-falls anwendbar ist und dass es insoweit -wie auch sonst- keinen Unterschied macht, ob eine Verfügung zugunsten eines Dritten oder zugunsten der Nacherben selbst in Frage steht (MünchKomm/Grunsky § 2113 RdNr.16; Heider ZEV 1995, 1).

    Aus den genannten Gründen halte ich die vorliegende Überlassungsurkunde für vollzugsfähig.

  • :wow

    Tausend Dank für die ausführliche Antwort (und das am Montag früh...). Muss mir das ganze jetzt nochmal in Ruhe durchlesen, um es vollständig zu verstehen.

  • Hab den ganzen Fall inzwischen nochmal durchdacht und werde die Überlassung heute vollziehen. Danke nochmal für die tollen Ausführungen.

    Die Löschung des Nacherbenvermerks sollte in diesem Fall ja kein Problem sein, oder? Die Nacherben haben der Verfügung zugestimmt und bewilligen hilfsweise auch noch die Löschung.

  • Und wie ist das bei den Kosten? Halbe oder ganze Gebühr für die Auflassung? Ursprünglich wäre der Erwerb von der Mutter ja begünstigt gewesen.
    Verlangt Ihr für die Löschung des Nacherbenvermerks was?

  • Im vorliegenden Fall wird eine Auflassung seitens der Vorerbin an deren beiden Kinder eingetragen. Es dürfte somit (nach wie vor) § 60 Abs.2 KostO greifen, weil die Erwerber Abkömmlinge der eingetragenen Eigentümerin sind.

    Die Löschung des Nacherbenvermerks kostet. Umstritten ist lediglich, ob die Eintragung des NE-Vermerks nach § 60 Abs.4 KostO bei der Eigentümereintragung des Vorerben gebührenbefreit ist.

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