Pflichtverteidigergebühren für Ermittlungsverfahren

  • Hallo !

    Ich hab mal wieder einen seltsamen Fall:

    RA P. (der immer wieder neue Wege im RVG versucht - nicht immer den richtigen :() vertritt hiesigen Intensivtäter. Es sind diverse Ermittlungsverfahren anhängig (12 insgesamt) und zu jedem Ermittlungsverfahren zeigte RA P. seine Verteidigung an. Die 12 Ermittlungsverfahren werden zusammengezogen zu einer Anklage 10 Ls xx/07. In diesem Verfahren wird RA P. zum Pflichtverteidiger bestellt. Er rechnet nun einmal seine Gebühren aus der Akte 10 Ls xx/07 sowie 11 weitere Ermittlungsverfahren (jeweils Grundgebühr, Verfahrensgebühr, Kopiekosten sowie Auslagenpauschale jeweils zzgl. Mehrwertsteuer) ab.

    Nach meinem Bauchgefühl geht das nicht. Das RVG gibt zwar die Gebühr für das Ermittlungsverfahren, aber doch wohl nur für ein gerichtlich anhängiges Verfahren und bevor das ganze anhängig geworden ist, fand doch eine Verbindung der Ermittlungsverfahren statt ?!? Außerdem kann ich z. B. die Kopiekosten anhand der mir vorliegenden Akten nicht annähernd nachvollziehen.
    Leider fehlt mir eine gesetzliche Grundlage bzw. ich weiß nicht genau, woran ich die Begründung aufhängen soll. Die Kommentare schweigen sich zum Ermittlungsverfahren entweder aus (RMOLK) oder teilen mit, dass das Ermittlungsverfahren mit den polizeilichen Ermittlungen beginnt (Römermann/Hartung) - letzteres hilft mir nicht wirklich weiter.

    Oder hat RA P. diesmal wirklich die Lücke im System entdeckt:

    Die Angelegenheit ist kostenmäßig nämlich nicht ganz unwichtig. Wenn ich allen Anträgen des RA P. stattgebe, erhält er nur für die Ermittlungsverfahren zusätzlich ca. 5878,00 € !! :eek:

    Bei unseren Bezirksrevisoren habe ich nachgefragt, aber noch keine Antwort und da der Bubi jetzt in Jugendhaft sitzt, würde ich die Akte gern möglichst schnell vom Tisch haben und zum zuständigen AG schicken. Naja, so eilig ist es auch nicht, er sitzt schon etwas länger :D.

  • Hier zunächst zu der Ansetzung der Pauschale für die Herstellung von Dokumenten nach VV RVG Nr. 7000:

    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.03.2007, 1 Ws 12/07:
    Die Ablehnung der Erstattung der Auslagen mit der Begründung, die Ablichtungen seien nicht notwendig gewesen, kommt nur dann in Betracht, wenn schon zum Zeitpunkt der Fertigung der Ablichtungen zweifelsfrei feststand, dass die abgelichteten Unterlagen für eine sachgerechte Verteidigung nicht benötigt werden.

    KG, Beschl. v. 20. 06. 2005, 3 Ws 20/05:
    Grundsätzlich sind alle Auslagen des beigeordneten Anwaltes, mithin auch die Kosten für das Anfertigen von Aktenauszügen, als für eine sachgerechte Wahrnehmung der Interessen eines Beschuldigten bzw. Angeklagten notwendig und erforderlich anzusehen und es obliegt der Staatskasse nachzuweisen, welche Auslagen im konkreten Einzelfall für die sachgerechte Interessenwahrnehmung nicht geboten waren. Dies gilt indes nicht, wenn gewichtige Anhaltspunkte ersichtlich sind, nach denen einzelne Auslagen unnötig verursacht wurden. In diesen Fällen obliegt es dem Rechtsanwalt, die Erforderlichkeit der Auslagen zu belegen, wobei ihm allerdings ein gewisser Ermessensspielraum einzuräumen ist.

    Hinsichtlich der Geltendmachung der Vergütung für die 12 getrennten Ermittlungsverfahren besteht aus meiner Sicht kein Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse.
    Ob in dem konkreten Verfahren evtl. § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG Anwendung finden würde und somit mangels ausdrücklicher Erstreckung kein Erstattungsanspruch bestehen würde, kann ich aufgrund der Schilderung des SV alleine nicht beurteilen.

  • Nach § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG hat der in der ersten Instanz bestellte Pflichtverteidiger - wie auch zuvor nach der inhaltsgleichen Regelung des § 97 Abs. 3 BRAGO - einen Gebührenanspruch gegenüber der Staatskasse auch für seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren vor Erhebung der öffentlichen Klage (OLG Oldenburg, Beschluss vom 10. Mai 2007, 1 Ws 220/07 - zitiert nach juris -). Das gilt für das führende Verfahren.


    Eine kostenrechtlich relevante Rückwirkung der Beiordnung auf die nachträglich hinzu verbundenen Verfahren nach § 48 Abs. 5 RVG scheidet hier aus, denn es fehlt an der nach dem Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich erforderlichen Entscheidung des erkennenden Gerichts, die Rückwirkung der Beiordnung auch auf die verbundenen Verfahren anzuordnen, § 45 Abs. 5 S. 3 RVG. Nur in diesem Falle aber käme eine Erstattung der vor der Verbindung entstandenen Grundgebühren aus der Staatskasse in Betracht. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass die Rückwirkung einer Beiordnung sich nicht automatisch auf verbundene Verfahren erstrecken, sondern dem Gericht (nur) die Möglichkeit zur Erstreckung eingeräumt werden soll (BT-Drs. 15/1971 S. 2001). 

  • Guten Morgen !

    Vielen Dank für die Antworten. Auf § 48 RVG bin ich gar nicht gekommen :oops:. Aber das müsste hier tatsächlich einschlägig sein, da die Verfahren ja quasi spätestens bei der Staatsanwaltschaft "verbunden" worden sind und die Beiordnung erst im Rahmen der Vorführung erfolgt ist.

    Zu den Kopiekosten muss ich vielleicht noch konkreter werden: der RA P. rechnet für das führende Verfahren (2 Bände, JETZIGER STAND ca. 230 Seiten) 1.427 Kopien ab. Dazu hat er für jedes Ermittlungsverfahren zusätzlich jeweils ca. 70 - 80 Kopien angesetzt. Ich prüf bei den Kopiekosten wirklich nicht kleinlich, aber wenn die gefertigten Kopien die Anzahl der Seiten der Akte so deutlich übersteigen, ist mir das suspekt. Zumal ja offenbar aus den mir nicht vorliegenden polizeilichen Akten auch noch kopiert worden ist. Andere Beiakten dürften nicht relevant sein. Es ist ein andereres Verfahren im Urteil einbezogen worden. In jenem Verfahren war Herr RA P. aber auch schon Pflichtverteidiger, d. h. die Kopien dürfte er noch haben :strecker. Und da ich ihm ja eh schreiben "muss", werde ich auch gleich mal anfragen, was alles kopiert worden ist.

  • Und da ich ihm ja eh schreiben "muss", werde ich auch gleich mal anfragen, was alles kopiert worden ist.



    Du "musst" gar nichts. Ich würde direkt absetzen. Sowohl was die verbundenen Verfahren angeht, als auch die Kopiekosten, die aus meiner Sicht nicht erstattungsfähig wäre. Mag er Rechtsmittel einlegen.

    Meine Erfahrung zeigt mir, dass es mit der Einsichtsfähigkeit mancher Kandidaten nicht allzu weit her ist. Ein Richter bittet die Leute auch nicht (mehrfach) unzulässige/ungegründete Anträge zurückzunehmen. Auch an dieser Stelle mache ich mich mal wieder für den Mut zur schnellen rechtsmittelfähigen Entscheidung stark.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."



  • Meine Erfahrung zeigt mir, dass es mit der Einsichtsfähigkeit mancher Kandidaten nicht allzu weit her ist. Ein Richter bittet die Leute auch nicht (mehrfach) unzulässige/ungegründete Anträge zurückzunehmen. Auch an dieser Stelle mache ich mich mal wieder für den Mut zur schnellen rechtsmittelfähigen Entscheidung stark.



    Das stimmt schon, aber einmal schreibe ich den Antragsteller in der Regel schon an. Die meisten ändern den Antrag dann ganz brav ab. Wir haben hier allerdings einen Kandidaten , da nützt gar nix mehr. Da gibts allerdings auch schon einen Baustein für die Absetzung :D !

  • Geht doch !! Habe heute die Antragsrücknahme für die Ermittlungsverfahren auf den Tisch bekommen. Allerdings bekommt er tatsächlich die ganzen Kopiekosten - es gab noch einen Riesenkarton auf der Geschäftsstelle (von dem ich bis eben nix wußte ...). Naja, immerhin reduziert sich die Rechnung von knapp 6.000,00 € auf knapp 2.000,00 €. Da müsste ich doch jetzt eigentlich mehr Weihnachtsgeld bekommen, oder :D ?

  • Cool!
    Hatte genau den selben Fall, hab jetzt die Gebühren für die Verbundverfahren abgesetzt warte schon auf die Erinnerung des RA!

  • Hab grad bei der Suche nach einem anderen Fall diesen alten Thread ausgegraben.

    Das ist hier falsch gelaufen. Natürlich hätte der RA hier für jedes Verfahren in dem er vor Verbindung tätig war gesonderte Gebühren bekommen (z.B. OLG Jena, Beschl. v. 12.06.2008 1 AR 13/08)

  • Hab grad bei der Suche nach einem anderen Fall diesen alten Thread ausgegraben.

    Das ist hier falsch gelaufen. Natürlich hätte der RA hier für jedes Verfahren in dem er vor Verbindung tätig war gesonderte Gebühren bekommen (z.B. OLG Jena, Beschl. v. 12.06.2008 1 AR 13/08)





    Das sehe ich auch so.

    Im Ausgangsfall gab es ja nicht ein gerichtliches Strafverfahren mit Pflichtverteidigerbestellung zu dem ein weiteres ohne Pflichtverteidigerbestellung hinzuverbunden worden wäre. Dann läge ein Problem des § 48 Abs. 5 S. 3 RVG vor, es wäre ein gesonderter Erstreckungsbeschluss durch das Gericht nötig.

    Den geschilderten Fall mit den Ermittlungsverfahren halte ich jedoch mit dem Fall vergleichbar, dass mehrere gerichtliche Verfahren verbunden werden und danach erst die Bestellung zum Pflichtverteidiger erfolgt. Die bislang erfolgten Tätigkeiten (vor Verbindung) können dann auch über die Pflichtverteidigervergütung abgerechnet werden.


    z. B. OLG Hamm, Beschluss vom 06.06.2005, 2 (s) Sbd VIII - 110/05, 2 (s) Sbd 8 - 110/05


    ausführlicher und deutlicher:

    KG Berlin, Beschluss vom 17.03.2009, 1 Ws 369/08

  • zum eigentlichen Ausgangsfall (mehrere Ermittlungsverfahren) gibt es zwischenzeitlich auch eine Entscheidung, nämlich:

    LG Hamburg, Beschluss vom 05.08.2008, 622 Qs 43/08


    Hier wurde das Entstehen der Gebühren des Verteidigers für jedes einzelne Ermittlungsverfahren gesondert bejaht.

  • Und noch eine weitere Entscheidung im Rpfleger 3/2009 S. 171 vom
    ThürOLG, Beschluss vom 12.06.2008, 1 AR (S) 13/08:

    "Ist ein Verteidiger in später verbundenen Verfahren jeweils als Wahlverteidiger tätig und erfolgt die Bestellung zum Pflichtverteidiger erst nach Verbindung der Verfahren, so besteht für die Tätigkeit in den einzelnen Verfahren bis zur Verbindung ein gesonderter Gebührenanspruch..."

  • a.A. m.W. z.B. LG Karlsruhe - ebenfalls bei Burhoff zu finden.

    Auf den Kommentar von Burhoff erlaube ich mir mal zu fragen: was ist richtig und was ist falsch ? Nur weil es ein OLG vertritt, macht es das nicht gleich zur einzig richtigen Ansicht.

  • Auf die Ansichten von Burhoff kann man nicht viel geben, da er sein Geld damit verdient, Anwälten Tipps zu geben, wie sie möglichst viel Geld herausholen.
    Im Forum von Burhoff hat man schon oft das Gefühl, dass bei vielen Anwälten eine gewissen "Gebührenschindermentalität" besteht, vor allem wenn es um Geld aus der Staatskasse geht.

    Wenn man 5 AG oder LG - Entscheidungen zitiert und das dann als h.M. verkauft ist es deshalb noch lang nicht die h.M.
    Es kann auch 20 unveröffentlichte Entscheidungen geben, die genau das Gegenteil sagen.
    Letztendlich reicht es, die Rspr. des eigenen LG zu kennen (bzw. eine solche zu provozieren, wenn s die noch nicht gibt).

    Findet mal allerdings nichts zu einem bestimmten Fall, dann schaut man gerne auch in beck - online oder bei Burhoff online. Wenn der dann irgendeine windige AG - Entscheidung zitiert, ist man versucht, das einfach zu übernehmen....

  • Hallo, @ della: Ihre Diktion ist schon interessant. ""nicht viel geben", "Geld damit verdienen", "Gebührenschindermentalität", "windige AG-Entscheidung", "der da...". Was ist denn bei Ihnen die h.M? Nur die Ihrige?

    Wenn ich diesen Strang lese, dann habe ich eher den Eindruck, dass die Aufgabe mancher Rechtspfleger darin besteht, möglichst wenig Gebühren an den RA zu zahlen, egal was ihm RVG steht und wie man damit umgeht. Zum Glück habe ich aber während meiner richterlichen Tätigkeit genügend andere Rechtspfleger(innen) kennen gelernt, die nicht so sehr danach suchen, wie man Gebühren verweigern kann.

    Und: Wenn Ihnen mein Forum nicht gefällt, brauchen Sie es doch auch nicht zu besuchen. Und schon gar nicht, um "windige AG-Entscheidungen" zu suchen/zu finden. Schließlich: Ich verdiene mein Geld auch nicht damit, den "Anwälten Tipps zu geben, wie sie möglichst viel Geld herausholen", abgesehen davon, dass ich nicht sehe, was daran eigentloich schlimm ist. Rechtspfleger gehen doch auch auf Schulungen. Nur leider nicht auf die richtigen.
    MfG, D.Burhoff

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