Vorausvermächtnisse (zugunsten der Erben) beim Wert gem. § 107 KostO abziehbar?

  • In einer Nachlaßsache wurden zwei Personen je zur Hälfte als Erben eingesetzt. Gleichzeitig wurde diesen Personen ein Vorausvermächtnis ausgesetzt. Nach einer "älteren" (alten!) Entscheidung (BayObLG v. 20.8.1954) sind Vorausvermächtnisse in voller Höhe von den Aktiven des Nachlasses abzuziehen. Dies soll auch dann gelten, wenn das Vorausvermächtnis für die Erben ausgesetzt ist.

    Wie würde es sich z.B. dann verhalten, wenn ein ganz erheblicher Aktivnachlass vorhanden ist, dieser jedoch dem Erben als Vorausvermächtnis zugewandt wird. Gebühr gem. § 107 KostO für Erbschein = 10 € Mindestgebühr? Kann das richtig sein?:tipptipp

  • Vorausvermächtsnisse sollen dann abziehbar sein, wenn alle Erben damit belastet sind. Dabei hatte man aber wohl den Fall im Auge, dass einzelne Erben vom Vorausvermächtnis profitieren und für die übrigen eine Verringerung des Nachlasswerts eintritt und die dann aber trotzdem anteilig die Kosten des Erbscheins nach dem vollständigen Nachlasswert tragen sollten.

    Das lässt sich meiner Meinung nach nicht unbedingt mit dem geschilderten Fall vergleichen. Grundsatz ist ja, dass der Schuldner nur insoweit mit Kosten belastet werden soll, als ihm auch Nachlasswerte zufließen. Deshalb müsste man hier eventuell betrachten, ob beide Erben einschließlich der Vorausvermächtnisse etwa die Hälfte des Nachlasses erhalten. Dann wäre eine Kostenberechnung nach dem Nachlasswert einschließlich der Vermächtnisse sachgerecht. Unterscheidet sich das Erhaltene aber von den Erbquoten wäre nach der im ersten Absatz geschilderten Auffassung ein Abzug in Höhe der Differenz zwischen den Vorausvermächtnissen konsequent.

  • Ein Vorausvermächtnis kann nur vorliegen, wenn mehrere Miterben vorhanden sind und das betreffende Vermächtnis einem Miterben zusteht. Der vom Fragesteller geschilderte Fall (Alleinerbe + Vorausvermächtnisnehmer) kann daher im Rechtssinne nicht eintreten.

    Beispiel 1: Nachlasswert 1 Mio. €, Erben sind A und B zu gleichen Anteilen. A soll vorab 50.000 € erhalten (Vorausvermächtnis) und der übrige Nachlass den beiden Erben hälftig verbleiben.

    Kosten: Wert für Testamentseröffnung 1 Mio. € und Wert für Erbschein und eV 950.000 €.

    Vorausvermächtnisse können im Anwendungsbereich des § 107 KostO aber nur als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, wenn das Vorausvermächtnis alle Miterben beschwert. Das ist im Grunde selbstverständlich, denn ansonsten handelt es sich ja im Rechtssinne überhaupt nicht um ein Vorausvermächtnis (vgl. § 2150 BGB), das sich von einer Teilungsanordnung dadurch unterscheidet, dass der Vorempfang gegenüber den anderen Miterben nicht auszugleichen ist.

    Beispiel 2: wie Beispiel 1, nur soll B als (zweites) Vorausvermächtnis eine ETW im Wert von 200.000 € erhalten.

    Kosten: Wert für Testamentseröffnung wieder 1 Mio. € und für den Erbschein diesmal 750.000 € (1 Mio. ./. 50.000 ./. 200.000).

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!