Gläubigerungewissheit

  • Bin hier an einem AG mit ca. 15-20 Hinterlegungen.
    Bei einer Hinterlegung wegen Gläubigerungewissheit taucht bei mir nun immer das Problem auf, inwieweit ich als Hinterlegungsstelle materielles Recht prüfen darf um Gläubigerungewissheit zu bejahen oder zu verneinen.
    Kann mir diesbezüglich jemand ein paar Tipps geben?


    Im konkreten Fall pfändet der Gläubiger Mietansprüche des Schuldners, der Vermieter ist. Nun kommt die Ehefrau des Schuldners und erklärt gegenüber dem Drittschuldner, dass die Mietansprüche bereits vor Pfändung abgetreten wurden. Der Drittschuldner will nun wegen Gläubigerungewissheit hinterlegen, da er ja nicht weiß, ob die Abtretung wirksam ist. Sie vermuten nämlich, dass die Abtretung womöglich vordatiert wurde. Was meint ihr dazu?

    Danke schon mal!

  • Ich würde nicht sagen, dass Du in dem o.g. Fall überhaupt materielles Recht zu prüfen hast, denn Du prüfst nicht die Wirksamkeit der Abtretung.
    Formell sollten beide (Schulder und Abtretungsgläubiger) als Eventualberechtigte angeführt werden. Die Rangfolge (Pfändung vor der Abtretung oder danach) tangiert Dich nicht. Dies hätte der Drittschuldner zu prüfen, und der ist sich nicht sicher, was die Wirksamkeit und damit die Reihenfolge anbelangt, und will ja aus diesem Grund auch hinterlegen.
    Schuldner und Abtretungsgläubiger müssen übereinstimmende formelle Erklärungen abgeben, § 13 HO.

    Zu Deiner allgemeinen Frage:
    Wenn nach der Annahmeanordnung in einem HL-Verfahren ein Gläubiger eine Abtretung des Anspruchs gegen die Hinterlegungsstelle letzterer anzeigt, musst Du sie beachten und den Abtretungsgläubiger als weiteren Eventualberechtigten notieren. Du prüfst zwar in gewissen Umfang auch materiell-rechtlich die Abtretung, aber - so meine ich - dies nur im Hinblick darauf, dass keine offensichtlichen Mängel vorliegen. Wenn die anderen Berechtigten, die ja von dem neu hinzukommenden Abtretungsgläubiger Kenntnis durch Dich erlangen, Einwendungen gegen die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Abtretung vorbringen, würde dies an der formellen Rechtslage nichts ändern. Letztlich müssen sich (in einer formellen Herausgabeerklärung) alle einigen, § 13 HO. Materiell-Rechliche Überlegen betr. die Wirksamkeit einer Abtretung sind m.E. dann für Dich obsolet.

  • Im geschilderten Fall würde ich einen Hinterlegungsgrund annehmen.
    Als Hinterlegungsstelle hat man materielles Recht nur sehr eingeschränkt, eben im Hinblick auf die Hinzunahme weiterer Hinterlegungsbeteiligter zum Verfahren, zu prüfen. Sonst nicht.
    Materielles Recht zu prüfen ist eigentlich immer Sache des Prozessgerichts, das Beweis erheben, Zeugen hören etc. kann. Das alles kann und darf die HL-Stelle nicht.
    Hinterlegung ist ja auch bezüglich der Pebb§y-Bewertung der Verwaltung zugewiesen und z.B. nicht der Zivilabteilung.

  • Der Hinterlegungsantrag kann sicherlich nicht mit der Abtretung und der Pfändung allein begründet werden. Abtretung und Pfändung können für sich genommen keine Ungewissheit verursachen, es sei denn, dass es Probleme bei der Rangfolge gibt. Etwa anderes gilt, wenn die Wirksamkeit der Abtretung bezweifelt wird.
    Was die rechtliche Prüfung an geht, nach § 6 HintO solle die Annahme angeordnet werden, wenn Tatsachen angegeben werden, die die Hinterlegung rechtfertigen, Wie soll dieses Rechtfertigen ohne das materielle Recht überprüfen werden? Ein Beispiel hierzu: eine Versicherung glaubt hinterlegen zu müssen, nachdem der Bruder einer Frau, die, wegen der Ermordung ihres Ehemannes in U-Haft, Selbstmord begangen hatte, einen Erbschein vorgelegt hatte und die Lebensversicherung seines Schwagers für sich in Anspruch nimmt. Empfangsberechtigte sollten die unbekannten Erben des Ehemannes und der Schwager sein. Wie soll ich das ohne BGB und VVG prüfen?
    Es empfiehlt sich den Sachverhalt ggf. genau anzuschauen, denn wenn die Annahmeanordnung der rechtlichen Überprüfung nicht standhält, kann einiges Ungemach drohen, Regress schon wegen der Annahme. Beim Drittschuldner hat dann die Hinterlegung keine befreiende Wirkung mit der Folge, das dieser unter Umständen zunächst doppelt leisten muss. Es können Folgeschäden bei Drittschuldner und beim berechtigten Gläubiger entstehen.

  • Hierzu ganz interessant (und zum vertiefen :)):

    BGH, Urteil vom 28.01.1997 - XI ZR 211/95 NJW 1997 Heft 22, 1501 ff.:
    (...) Das ist dann der Fall, wenn eine mit verkehrsüblicher Sorgfalt vorgenommene Prüfung zu begründeten Zweifeln über die Person des Gläubigers führt, deren Behebung auf eigene Gefahr dem Schuldner nicht zugemutet werden kann (BGHZ 7, 302 (307) = NJW 1953, 19 = LM § 372 BGB Nr. 3; BGH, WM 1960, 112; 1965, 1210 (1211)). Dabei ist zu berücksichtigen, daß von einem Schuldner, dem die Erkenntnismöglichkeiten eines Gerichts nicht zu Gebote stehen, billigerweise nur begrenzte Anstrengungen zur Ermittlung des Sachverhalts und zu seiner Subsumtion unter das auf vielen Gebieten immer unübersichtlicher werdende geschriebene und ungeschriebene Recht verlangt werden können. Das gilt insbesondere dann, wenn die Ungewißheit über die Person des Gläubigers, wie im vorliegenden Fall, überwiegend auf unklare Abtretungsvorgänge zurückzuführen ist, die außerhalb des Einflußbereichs des Schuldners liegen und allein von den daran Bet. zu verantworten sind. (...)

    und darin zitiert:
    "Dieser Umstand genügt zwar für sich allein nicht den Voraussetzungen des § 372 S. 2 BGB, weil das Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten den Schuldner grundsätzlich nicht von seiner Prüfungspflicht befreit (BGHZ 7, 302 (307) = NJW 1953, 19 = LM § 372 BGB Nr. 3; BGH, WM 1960, 112; 1965, 1210 (1211))."

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