Geltendmachung von Unterhalt

  • Kennt jemand die Entscheidung des BGH vom 20.12.2005 - VII ZB 94/05, abgedruckt FamRZ 2006, Heft 7, S. 481?

    Leitsatz:
    "Beantragt ein minderjähriger Unterhaltsgläubiger für die Zwangsvollstreckung die Beiordnung eines Rechtsanwalts, kann diese nicht mit der Begründung versagt werden, es bestehe die Möglichkeit, die Beistandschaft des JA zu beantragen."

    Aus den Gründen u.a.:
    "Die Ansicht des LG, die gesetzliche Vertreterin der Gläubigerin müsse die Beistandschaft des JA beantragen, bevor sie die Beiordnung eines RA in Anspruch nehme, widerspricht dem gesetzgeberischen Willen der Freiwilligkeit der Beistandschaft. Demgegenüber müssen auch fiskalische Erwägungen zurücktreten."

    Tja, ich teile die Ansicht zwar nicht, aber was soll man dazu noch sagen? Jedenfalls rief mich gestern eine RAin mit dem Hinweis auf diese Entscheidung an und meinte, dass dann doch wohl in der Regel BerH für die Geltendmachung von Kindesunterhalt zu gewähren sei, ohne auf die andere Hilfemöglichkeit durch das JA zu verweisen. Schließlich sei die Rechtslage vergleichbar mit dieser Entscheidung.
    Mir fällt kein guter Grund ein, das anders zu sehen, auch wenn ich diese Entscheidung des BGH "falsch" finde.

    Was meint ihr dazu?

  • Der Fall ist bei Beratungshilfe meiner Meinung nach anders zu sehen, da § 1 Nr. 2 BerhG nunmal ausdrücklich bestimmt, dass andere zumutbare Hilfen in Anspruch zu nehmen sind.

  • Entsprechende Entscheidungen gab es schon. Der Anwalt übersieht, dass Beratungshilfe anderen Voraussetzungen unterliegt und das BerHG andere Hilfsformen ausdrücklich zulässt und ihnen sogar den Vorzug gibt. Das ist bei streitigen Verfahren bzw. PKH nicht der Fall.

    Einiges dazu gibt es auch im Forum Beratungshilfe der Justiz NRW: http://www.fhr.nrw.de/forum/ Ich zitiere einmal auszugsweise aus einem Beschluss eines Kollegen zu dem Thema:

    In Unterhaltsangelegenheiten Minderjähriger und junger Volljähriger bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres sind die Jugendämter zur Beratung und Unterstützung gesetzlich verpflichtet (§ 18 SGB VIII). Somit ist eine andere Stelle vorhanden. Weil ein Anspruch auf Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt besteht, entfällt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG ein Anspruch auf Beratungshilfe durch Rechtsanwälte oder das Amtsgericht (s.a. MueKoBGB, 4. Aufl. 2002 zu § 18 SGB VIII: Inhalt der Beratungs- und Unterstützungspflicht a) Allgemeines).

    Es gilt nicht der Grundsatz der Waffengleichheit wie in streitigen Verfahren; ganz abgesehen davon werden die Jugendämter selbst dort als kompetent und gleichwertig angesehen (s.a. OLG Zweibrücken in NJOZ 2003,3052; Musielak: ZPO, 3. Aufl., Rn 13 zu § 121 ). Vielmehr verlangt das Beratungshilfegesetz die Prüfung, ob andere Hilfsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Wenn das der Fall ist, müssen die Gerichte sogar darauf hin- bzw. verweisen (s.a. Kalthoener: Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. Rn 949). Das auf dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gleichheitssatz beruhende Prinzip der Waffengleichheit ist als verfassungsrechtlich gewährleistete Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter zu verstehen (BVerfG am 19.12.1988, 1 BvR 1492/88).

    Negative Voraussetzung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG, dass nicht andere zumutbare Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen. Diese Einschränkung ist als Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzinteresses für die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe anzusehen. Recht Suchende können - wie z.B. im Zivilprozess - darauf verwiesen werden, den einfacheren und billigeren Weg einzuschlagen, wenn dieser eine gleichwertige Hilfe verspricht (Kalthoener: aaO, Rn 941). Das Gesetz will die Nutzung der insoweit spezialisierten Beratung fördern, so dass jedenfalls zunächst dieser Weg beschritten werden muss (Kalthoener: aaO, Rn 949).

    Die pauschale Behauptung, dass Jugendämter nicht adäquat handeln würden, genügt nicht, um nach der durchgeführten Einzelfallprüfung eine andere Sachlage anzunehmen. Es hätte der Angabe ganz konkreter Umstände bedurft, weshalb die Inanspruchnahme des Jugendamtes in diesem Fall ausnahmsweise nicht zumutbar gewesen wäre. Insoweit ist noch nicht einmal vorgetragen, dass zuvor zumindest der Versuch unternommen wurde, eine Beratung durch das Jugendamt zu
    erhalten.


    Die Inanspruchnahme von beratungshilfe wäre zudem als mutwillig anzusehen. Wie seitens der Antragstellerin selbst zutreffend vorgetragen wird, ist auf die Verhaltensweise eines verständigen Bürgers, der den Anwalt selbst bezahlen müsste, abzustellen. Es ist davon auszugehen, dass ein Selbstzahler beim Vorhandensein einer kostenlosen Stelle zunächst diese aufsucht und sich nicht gleich anwaltlichen Beistands bedient.

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