Pflicht des Verwalters zum Bestreiten der Forderung, wenn Schuldner dies fordert

  • Nach Ablehnung des außergerichtlichen Einigungsversuches verklagt der Gläubiger (eine große Bank) den Schuldner auf Zahlung. Der Schuldner wiederum wehrt sich gegen die Zahlungsklage, sein Prozessanwalt wird iRd. PKH beigeordnet. Gleichzeitig reicht er (Schuldner) Insolvenzantrag ein. Das Verfahren ist masselos, die Kosten sind gestundet.

    Die Erfolgsaussichten sind nicht schlecht, da ein offensichtlicher Beratungsfehler der Bank vorliegt und durchaus Chancen bestehen, den Vertrag anzufechten, was der Schuldner und dessen anwaltlicher Vertreter zu Recht erkennen. Der Treuhänder jedoch rät dem Schuldner, unbedingt die Forderung „anzuerkennen“, um „einen unnötigen Rechtsstreit zu vermeiden“. Die Forderung bestehe „so oder so“ – er sei „egal, er habe ohnehin sechs Jahre „zu darben“.

    Ich bekomme da ehrlich gesagt Bauschschmerzen. Muss denn nicht der IV/TH die Forderung bestreiten, wenn offensichtlich ist, dass sie nicht besteht bzw. anfechtbar ist? Legt nur der Schuldner Widerspruch ein, so hindert dies an der Feststellung nichts und nur die Vollstreckbarkeit im Falle einer nicht gewährten Restschuldbefreiung wäre nicht möglich. Bestreitet allerdings der Verwalter, so müsste der Gläubiger im weitergeführten Prozess seinen Anspruch erst mal durchsetzen. Der Knackpunkt ist, dass im Falle des gläubigerseitigen Unterliegens keine Forderung gegen den Schuldner bestünde und die RSB nach der h.M sofort erteilt werden könnte.

    Meine Fragen wären:

    1. Muss der TH in einem solchen Fall nicht bestreiten? Ist er nicht verpflichtet, u.U auf PKH Basis, den Feststellungsrechtsstreit fortzusetzen bzw. nach den §§ 240 ZPO 85 InsO aufzunehmen? Wohlgemerkt, es ist keine Masse vorhanden zur Finanzierung eines Massseprozesses.

    2. Gibt es eine Möglichkeit für den Schuldner, den Prozess auch ohne das Zutun des Verwalters fortzuführen und im Ergebnis das Nichtbestehen der Forderung zu erreichen? Wie gesagt, allein der Widerspruch des Schuldners ändert nichts an der Feststellung zur Tabelle und der anschließenden Wohlverhaltensperiode.

    3. Eine weitere Möglichkeit bestünde wohl in einer außergerichtlichen Einigung zwischen Schuldner und Gläubiger dergestalt, dass durch Zahlung eines Einmalbetrages die Rücknahme der Tabellenanmeldung erklärt wird (genauer Verzicht). Wäre dann eine vorzeitige Erteilung der RSB nach Einstellung möglich, sofern keine weiteren Gläubiger angemeldet haben und die Verfahrenskosten (durch Drittzahlung) vollständig gedeckt sind?

  • das liegt im Gusto des TH, wenn er der Meinung ist, die FA festzustellen, dann wird er feststellen. Sollte hier jedoch wirklich nichts dran sein, hätte er, mindestens im Falle der Verfahrenskostendeckung durch Dritte ein Problem wegen § 60 InsO, da der Schuldner ja sofort die RSB bekommen könnte. Weshalb das Verfahren überhaupt zur Eröffnung gekommen ist, will ich dann garnicht beleuchten, wo ist denn hier der Insolvenzgrund, wenn der Schuldner den Anspruch bestreitet ?

    zu 1. nein, keine Aufnahme da nicht unter § 86 InsO

    zu 2. nein

    zu 3. ja, entweder so oder über § 212, 213 InsO, deren Anwendbarkeit nicht ausgeschlossen sein dürfte.

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  • Grundsätzlich wie Cano, nur ergänzend:

    2. Der Schuldner kann nach Widerspruch den unterbrochenen Feststellungsstreit zwar nach wohl ganz h.M. nicht aufnehmen, vgl. Wortlaut § 184 I 2 (MüKo-Schumacher, 2. Aufl. § 184 Rz. 8). Er kann aber evtl. den Gläubiger so lange reizen, bis dieser aufnimmt, und dann kann der Schuldner den Prozess weiterführen.



  • 2. Der Schuldner kann nach Widerspruch den unterbrochenen Feststellungsstreit zwar nach wohl ganz h.M. nicht aufnehmen, vgl. Wortlaut § 184 I 2 (MüKo-Schumacher, 2. Aufl. § 184 Rz. 8). Er kann aber evtl. den Gläubiger so lange reizen, bis dieser aufnimmt, und dann kann der Schuldner den Prozess weiterführen.

    Chick, vielleicht kannst du das für einen Neuling etws genauer beschreiben. Die unter 3. genannte Methode dürfte ohnedies die "billigste" sein.

    Wie ist eigentlich die PKH-Vergütung des Prozessvertreters zu sehen ?

    Die PKH vor IE bewilligt, die Ansprüche (Geschäftgebühr, u.U. Termins- und Verfahrensgebühr) waren vor IE „begründet“. Das Mandat des Prozessvertreters endet nach § 115 InsO mit IE. Darf die Staatskasse nach IE an den Anwalt leisten. Ich denke ja, weil der Anspruch des RA ja gegenüber der Staatskasse besteht und nicht gegenüber dem Schuldner, sofern PKH bewilligt wurde.

    Wie wäre es im Falle der Rechtsschutzversicherung, welche nach IE an den RA zahlt. Wäre das kein dem Insolvenzbeschlag unterfallender Anspruch? Denn die Rechtsschutzversicherung leistet ja für den Mandanten direkt an den Anwalt. Schaut der Kollege in diesem Fall dann in die Röhre?

  • Chick, vielleicht kannst du das für einen Neuling etws genauer beschreiben.



    Was genau? Dass (nur) der Gläubiger die vorinsolvenzliche Leistungsklage nach Unterbrechung durch die IE als Feststellungsklage gegen den Schuldner gem. § 184 I 2 aufnehmen kann?

    Zitat

    Die unter 3. genannte Methode dürfte ohnedies die "billigste" sein.



    Setzt halt nur eine Einigung mit dem Gläubiger voraus, und je nachdem, was die kostet, wird es billig oder nicht. Am billigsten ist es für den Schuldner, wenn die Feststellungsklage des Gläubigers abgewiesen wird.

    Zitat

    Wie ist eigentlich die PKH-Vergütung des Prozessvertreters zu sehen ?



    Mit tränengefüllten Augen, weil er davon nicht reich wird. But seriously: Ein PKH-Fuchs bin ich nicht, denke aber, dass das folgende zutrifft (soweit die entsprechenden Gebühren tatsächlich vor IE schon verdient waren):

    Zitat

    Die PKH vor IE bewilligt, die Ansprüche (Geschäftgebühr, u.U. Termins- und Verfahrensgebühr) waren vor IE „begründet“. Das Mandat des Prozessvertreters endet nach § 115 InsO mit IE. Darf die Staatskasse nach IE an den Anwalt leisten. Ich denke ja, weil der Anspruch des RA ja gegenüber der Staatskasse besteht und nicht gegenüber dem Schuldner, sofern PKH bewilligt wurde.


    Zitat von Fragenkönig

    Wie wäre es im Falle der Rechtsschutzversicherung, welche nach IE an den RA zahlt. Wäre das kein dem Insolvenzbeschlag unterfallender Anspruch? Denn die Rechtsschutzversicherung leistet ja für den Mandanten direkt an den Anwalt. Schaut der Kollege in diesem Fall dann in die Röhre?



    Ja, m.E. darf der Kollege hier richtig weinen. Es gibt eine neuere Entscheidung von irgendeinem Gericht oder so (bitte zumindest nicht mich nach der Fundstelle fragen), dass die nachinsolvenzlichen Kostenerstattung der PKV für Arztrechnungen, die der Schuldner verauslagt hat, dem IV gehören. Für die RSV dürfte nichts anderes gelten.

  • Zitat von Dr. Allwissend

    Ja, m.E. darf der Kollege hier richtig weinen. Es gibt eine neuere Entscheidung von irgendeinem Gericht oder so (bitte zumindest nicht mich nach der Fundstelle fragen), dass die nachinsolvenzlichen Kostenerstattung der PKV für Arztrechnungen, die der Schuldner verauslagt hat, dem IV gehören. Für die RSV dürfte nichts anderes gelten.


    Jetzt werden unsere Nicknames schon nach dem Schwerpunkt der Beiträge modifiziert.

    Wie sagte schon meine Großmutter: "Durch Fragen wird man klug..."

    :D

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    Ja, m.E. darf der Kollege hier richtig weinen. Es gibt eine neuere Entscheidung von irgendeinem Gericht oder so (bitte zumindest nicht mich nach der Fundstelle fragen), dass die nachinsolvenzlichen Kostenerstattung der PKV für Arztrechnungen, die der Schuldner verauslagt hat, dem IV gehören. Für die RSV dürfte nichts anderes gelten.




    Die kenne ich auch. In meinem Fall aber hat der Schuldner nichts verauslagt. sondern der Prozessvertreter soll nach den Versicherungsbedingungen die Leistung auf direktem Wege erhalten, d.h es wird direkt gegenüber der Versicherung abgerechnet.

    Dies dürfte jedoch egal sei, da das Vertragsverhältnis zwischen Schuldner und RA und gegenüber der Versicherung lediglich ein Freistellungsanspruch besteht.

    Jetzt aber möchte ich den Fall noch etwas - zum Denkanstoss - und kurz vor dem Wochendende -- etwas erweitern: Wie ist das Ganze zu sehen, wenn ein vor IE rechtshänigig gemachter Prozess nicht unterbrochen wird (weil ein nicht insolvenzbefangener Anspruch Streitgegenstand ist - unpfändbares Einkommen oder Herausgabeklage auf unpfändbare Gegenstände)? Der Prozess wird dann nicht unterbrochen, nimmt ihn der Schuldner auf, wird er durch diesen fortgeführt. Das Auftragsverhältnis zwischen Anwalt und Schuldner erlischt aber dennoch, (§ 115 InsO).
    Das heißt, der Kollege, der nicht Vorkasse nimmt, geht leer aus für seine Gebührentatbestände, die er vor IE "geleistet" hat. Nach IE muss der Schuldner qausi einen neuen Auftrag erteilen und hoffen, dass der liebe Herr Rechtsanwalt den Prozess zum Nulltarif wieder aufnimmt (oder der liebe allbekannte Opa die rückständige Vergütung des Herren Kollegen übernimmt) - -- der dann den Rechtsstreit für den Schuldner weiterführt.
    :confused:


    Eine gehörige Portion Insolvenzrecht gehört eingentlich zur Grundausbildung eines jeden Advokaten. Ich möchte nicht wissen, wie viele "Greenhorns" in dieser Materie den Verwaltern zum Opfer fallen

    :D

  • Wie ist das Ganze zu sehen, wenn ein vor IE rechtshänigig gemachter Prozess nicht unterbrochen wird (weil ein nicht insolvenzbefangener Anspruch Streitgegenstand ist - unpfändbares Einkommen oder Herausgabeklage auf unpfändbare Gegenstände)? Der Prozess wird dann nicht unterbrochen, nimmt ihn der Schuldner auf, wird er durch diesen fortgeführt.



    Ein nicht unterbrochener Prozess bedarf m.E. keiner Aufnahme, weil er nicht unterbrochen ist. (Entwickle ich mich hier zum Sepp Herberger des Insolvenzrechts?)

    Zitat

    Das Auftragsverhältnis zwischen Anwalt und Schuldner erlischt aber dennoch, (§ 115 InsO).



    § 115 Abs. 1 InsO: "Ein vom Schuldner erteilter Auftrag, der sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, erlischt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

    Zitat

    Eine gehörige Portion Insolvenzrecht gehört eingentlich zur Grundausbildung eines jeden Advokaten. Ich möchte nicht wissen, wie viele "Greenhorns" in dieser Materie den Verwaltern zum Opfer fallen

    :D



    Keine Ahnung zu haben ist kein Problem. Problematisch wird es nur, wenn fehlendes Bewusstsein bezüglich dieses Umstands weder von der Annahme entsprechender Mandate noch vom selbstbewussten Plantschen in Fettnäpfen abhält. Die entsprechenden Green- und Longhorns sehe ich in diesem Zusammenhang im übrigen eher in der Täter- als in der Opferrolle. Die wahren Opfer anwaltlicher Ignoranz und Selbstüberschätzung sind die Mandanten, die Gerichte und die Rechtskultur.

  • Ich möchte nochmalig zum Ausgangsfrage Stellung nehmen und die verwalterliche Pflicht zum Bestreiten der Fgd. anschneiden.

    Ist es für den Verwalter klar, dass die gegen den Schuldner gerichtete Forderung nicht besteht, so muss er bestreiten. Nicht umsonst sollte ein gewissenhafter IV die Insolvenztabelle dem Schuldner vorlegen und ihn nach der Begründetheit aller angemeldeten Forderungen fragen.

    Der IV wird sicherlich das Risiko abschätzen, welches er im Falle einer Feststellungsklage zu tragen hat. Meldet ein Gläubiger Forderungen aus Telekommunikationsdienstleistungen an unter Beifügung aller Unterlagen und meint der Schuldner, seine Oma habe telefoniert, er war es nicht, so wäre hier festzustellen. Wird aber plausibel dargelegt, dass der Schuldner den vermeintlichen Vertrag gar nicht unterschrieben hat und schon der Verwalter erkennt, dass die Unterschrift des Schuldners eine ganz andere ist, so wäre er m.E. zum Bestreiten verpflichtet. Wäre dem nicht so, in welchen Fällen überhaupt sollte/muss der IV dann bestreiten?

  • Keine Ahnung zu haben ist kein Problem. Problematisch wird es nur, wenn fehlendes Bewusstsein bezüglich dieses Umstands weder von der Annahme entsprechender Mandate noch vom selbstbewussten Plantschen in Fettnäpfen abhält. Die entsprechenden Green- und Longhorns sehe ich in diesem Zusammenhang im übrigen eher in der Täter- als in der Opferrolle. Die wahren Opfer anwaltlicher Ignoranz und Selbstüberschätzung sind die Mandanten, die Gerichte und die Rechtskultur.



    Wir ersetzen Wissen durch stramme Haltung, einen 1a Sitz im Sattel und sagen "Na, geht doch".

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  • (Entwickle ich mich hier zum Sepp Herberger des Insolvenzrechts?)



    Genau. Nach der Insolvenz ist vor der Insolvenz. Oder war der Spruch von jemand anderem? Auch wenn's ein Alt-Thread ist... :D



  • Ein nicht unterbrochener Prozess bedarf m.E. keiner Aufnahme, weil er nicht unterbrochen ist.

    Im Grunde richtig, es gibt aber auch die Ansicht, die vertritt,, dass auch bei nur teilweise insolvenzbefangenen Ansprüchen grds. jeder Prozess eine Unterbrechung en bloc erfährt (Uhlenbruck § 85 Rn. 9)

    :D

  • Möchte dieses Thema nochmals hochholen.

    Es dürfte außer Zwifel stehen, dass der gute Richter hier geschlafen hat oder der Schuldner wenig Munition gab und nicht auf die zweifelhafte Forderung im Antrag hingewiesen hat. Vielleicht hätte man auch in einem solchen Verfahren einen Gutachter beauftragen sollen?

    Dann, warum wurde keine Beschwerde gegen den EB eingelegt?

    Nun, wo es zu spät ist, frage ich mich doch allen ernstes, ob der Schuldner dem IV so "ausgeliefert" sein muss. Kann denn nicht auch für diese FK, sofern der IV bestreitet, PKH beantragt werden? Die Forderung ist nicht tituliert, also wäre der GL mit Klagen am Zuge. Sechs Jahre Wohlverhaltensperiode für nichts und wieder nichts, irgendwie stellen sich mir die Haare zu Berge. :nixweiss:

    Was haltet Ihr von dem Vorschlag, den Verwalter zum Bestreiten zu bringen, wenn sich ein Dritter verpflichtet, die Masse von den Kosten freizustellen?

  • Ich verstehe hier nicht wieso man mit dem Schuldner Mitleid haben sollte. Wenn ich den Sachverhalt richtig interpretiere, gibt es nur einen Gläubiger, dessen Forderung angeblich nicht besteht. Warum stellt der Schuldner dann einen Insolvenzantrag? Anscheinend ist die Forderung doch nicht so unbegründet. Oder der Schuldner wollte besonders schlau sein und schon mal für den Fall des Unterliegens die WVP in Gang setzen bzw. den Treuhänder für sich prozessieren lassen. Vielleicht dachte der Schuldner auch nur, wenn er schon auf Staatskosten prozessiert, kann er auch noch schnell auf Staatskosten ein Insolvenzverfahren anhängen. Kost ja nix und verspricht allerlei Spaß und Kurzweil.
    Für mich klingt das alles etwas eigenartig; ich kann jedenfalls kein Problem erkennen bzw. der eigene Insolvenzantrag schreit ja danach, dass die Forderung besteht und es ist nicht Aufgabe des Treuhänders zum Gaudium des Schuldners zu prozessieren.

  • Alles nachvollziehbar, da erfolgte leider Gottes wohl eine falsche Rechtsberatung, der rechtliche Vertreter meinte "zur Vorsorge die Insolvenz" und was macht man als armer Schuldner? Man glaubt dem Onkel Rechtsanwalt. Die Frage nach dem "Weshalb" hilft jetzt nicht mehr weiter, leider. Die Kuh muss nun vom Eis! :heul:

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