Gerichte von Finanzprodukten Überfordert?

  • Nach einem Bericht des Handesblattes sind die Gerichte insbesondere im Betreuungs- und Vormundschaftsbereich von den modernen Finanzprodukten überfordert.

    Wie sind da Eure Erfahrungen?

    Ich hatte damit erstaunlich wenig Erfahrungen auch wenn ich in Hamburg-Blankenese mit reicheren Klienten als anderswo zu tun hatte. Mich hat vor allem geärgert, dass ich elterliche Steuersparmoddle abzusegnen hatte.

  • Zitat von Kai

    Mich hat vor allem geärgert, dass ich elterliche Steuersparmoddle abzusegnen hatte.



    und warum? ist doch im interesse der vermögenserhaltung und -mehrung.


    was die finanzprodukte betrifft: als rpfl. wird man bis ins kleinste an der FH drauf gedrillt, genehmigungstatbestände aufzufinden. nur für die eigentliche entscheidung in der sache selbst bekommt man gar kein rüstzeug mit.

  • Auch wenn die Eltern meist faktisch die Zügel in der Hnad behalten, bin ich mir oft nicht so sicher, ob das Haftungsrisiko für die Kinder die Übertragung aus Steuerspargründen wirklich rechtfertigt.

    Zudem haben die Banken die aus ihrer Sicht verständliche Angewohnheit im Zweifel eine Genehmigung zu fordern. Wenn man in einer Sache aus Faulheit einen Genehmigungstatbestand genau zu prüfen, eine Genehmigung gibt, kommen die bei gleichartigen Geschäften immer wieder an.

    Die Subsumtion eines Vorganges unter einen Genehmigungstabestand ist nicht immer einfach, das größere Problem dürfte dann aber die Genehmigungsfähigkeit sein.

  • Ich hatte schon einige Male Anträge auf Genehmigung von ominösen Beteiligungen an Gesellschaften als Investition.

    Da ich von der Sache absolut keine Ahnung hatte, musste ich jedes Mal ein teures Gutachten in Auftrag geben. Heraus kam jedesmal:

    Zu unsicher. Kann für Kindesvermögen nicht empfohlen werden. Da konnte ich natürlich nicht genehmigen!

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Ich denke nicht, dass sich Geld von Minderjährigen und Betreuten als Spielgeld für Eltern, Betreuer und vermeintlich fachkundige Bankleute eignet. Der Artikel verkennt die eigentliche Aufgabe des Rechtspflegers in diesem Bereich: Schutz des Vermögens. Das heißt nicht zwangsläufig Sparbuch aber auch nicht Spekulation. Aktienfonds sehe ich nur als Beimischung und Beteiligungen an Gesellschaften im Allgemeinen sehr kritisch. Offensichtlich wird immer gern überlesen, dass Entwicklungen in der Vergangenheit keine Gewähr für die Zukunft bieten. Man kann fremdes Geld auch relativ sicher und trotzdem mit einer angemessenen Rendite anlegen. Beispiele sind einige Immobilienfonds, Rentenfonds und sogar einzelne Aktienfonds mit entsprechendem Rating.
    Besonders schön las sich  

    Zitat

    Zwar sei die juristische Ausbildung der Rechtspfleger gut, doch Investmentbanker seien sie eben nicht – es fehle ihnen an Sachwissen.

    Kommentar: Das hatten die Bankleute natürlich alle, die da privat teilweise selbst pleite gegangen sind oder zumindest böse Federn gelassen haben. Entsprechendes gilt auch für die Topmanager der Aktienfonds, die ihre Fonds nicht von massiven Einbrüchen bewahrt haben und die es sehr oft nicht einmal schaffen, den DAX zu schlagen.

  • Ich muss oL rechtgeben, dass man als Rechtspfleger im Studium nur sehr unzureichend auf den umfangreichen und sehr komplexen Bereich der Genehmigungsfähigkeit von Vermögensanlagen vorbereitet wird. Da wäre wirklich Handlungsbedarf seitens der FHs.

    Ansonsten gibts im aktuellen Rechtspflegerstudienheft 3/05 (S.77ff) einen interessanten Aufsatz von Prof. Hanns Flik zu der Thematik mit dem Titel "Vermögensanlage und Mündelsicherheit heute - Sparbuch schlägt Aktie".
    Wie der Titel schon vermuten läßt, hält der Verfasser Geldanlage in Aktien, Aktienfonds, Gesellschaftsanteilen u.ä. nur in den seltensten Fällen für genehmigungsfähig, da immer ein (unterschiedliche großes) Risiko von Kursschwankungen besteht und die Werthaltigkeit der Rendite grds. vorgehe.
    Weiterhin äußert sich Prof. Flik auch zum Thema Amtshaftung, die er unter bestimmten Voraussetzungen durchaus für gegeben ansieht und zwar dann wenn der zuständige Rechtspfleger eine Geldanlage genehmigt, bei der die Untauglichkeit der Papiere bereits beim Erwerb anhand ihrer bisherigen Karriere erkennbar war.

    Meiner Meinung nach ist dieser Aufsatz echt lesenswert und eine Veröffentlichung im Rechtspfleger statt im Studienheft wäre wünschenswert gewesen. Inhaltlich stimme ich Prof. Flik weitesgehend zu, erachte die genannten Vermögensanlagen aber z.B. dann für nach § 1811 BGB genehmigungsfähig, wenn der Betreute früher selbst spekulativ angelegt hat und solche Anlagenformen ausdrücklich wünscht.

  • Zitat von Comanda



    Weiterhin äußert sich Prof. Flik auch zum Thema Amtshaftung, die er unter bestimmten Voraussetzungen durchaus für gegeben ansieht und zwar dann wenn der zuständige Rechtspfleger eine Geldanlage genehmigt, bei der die Untauglichkeit der Papiere bereits beim Erwerb anhand ihrer bisherigen Karriere erkennbar war.



    Und woher soll der zuständige Rpfl. das im Einzelfall wissen? Ich muss ja grundsätzlich davon ausgehen, dass mit Aktien Unsicherheit verbunden ist. Man stelle sich mal vor, ich hätte vor 5 Jahren Anlage in Telekom-Aktien genehmigt, weil die ja soo stabil aussahen. Es kann doch keiner verlangen, dass ich die Börsengeschichte kenne und jede Finanzzeitschrift lese. Die "bisherige Karriere" jedes evtl. vorgeschlagenen Wertpapiers zu kennen grenzt ans Unmögliche. Im Zweifel tendiere ich generell dazu, die Anlage in der Form nicht zu genehmigen, ganz einfach, weil sich die Entwicklung gar nicht absehen lässt ( s. z.B. Börseneinbruch nach dem 11.09.2001 ).

    Die Kunst des Lebens besteht mehr im Ringen als im Tanzen. ( Marc Aurel )

  • Zitat von markus

    Und woher soll der zuständige Rpfl. das im Einzelfall wissen? Ich muss ja grundsätzlich davon ausgehen, dass mit Aktien Unsicherheit verbunden ist.


    Diese Auffassung teitl der Verfasser des von mir genannten Aufsatz ja. Er ist wie erwähnt der Meinung, dass man Aktiengeschäfte u.ä. i.d.R. nicht genehmigen sollte, weil eben die Werhaltigkeit nicht garantiert werden kann.

    Die Frage der Amtshaftung(worauf sich sein Karrierezitat bezieht) ist wieder ein anderes. Zu dieser Thematik vertritt er die Ansicht, dass diese nur dann gegeben sein kann, wenn der zust. Rpflg das Risiko anhand der bisherigen Karriere hätte erkennen können, jedoch nicht in den Fällen in denen dies für den Rpfl. anhand der bisherigen Karriere (=bisheriger Kursverlauf über die letzten Jahre) nicht erkennbar war (obwohl der Verfasser auch hier die Genehmigungsfähigkeit ablehnt)

  • Zitat von Ulf

    Ich hatte schon einige Male Anträge auf Genehmigung von ominösen Beteiligungen an Gesellschaften als Investition.

    Da ich von der Sache absolut keine Ahnung hatte, musste ich jedes Mal ein teures Gutachten in Auftrag geben.





    Hallo Ulf


    wie kommst Du denn an geeignete Gutachter heran? Gibt es da vielleicht eine Liste von "unabhängigen" Gutachtern für Vermögensanlagen, Firmenbeteiligungen, Steuersparmodellen etc.
    Bei meinem kleinen Wald- und Wiesengericht liegt sowas leider nicht vor.

    Viele Grüße

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