§ 88 InsO + Grundbuch

  • Mahlzeit zusammen!
    Ich (als GrundbuchRPfl) hab hier ein fieses Probelm:
    Und zwar wurde von mir am 29.08.2005 die Pfändung einer Eigentümergrundschuld eingetragen. Und zwar für das Finanzamt auf Grund Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 22.07.2005.
    Über das Vermögen der eingetragenen Schuldner-Eigentümerin ist am 01.10.2005 das Inso-Verfahren eröffnet worden.
    In der Grundbuchsache schreibt mit jetzt der Inso-Verwalter, dass der Eröffnungsantrag am 15.07.2005 gestellt worden und die Pfändung daher nach § 88 InsO unwirksam sei. Er beantragt daher die eingetragene Pfändung zu löschen.
    Ich hab dann beim InsoGericht angefragt, wann der Antrag gestellt wurde. Mitteilung: - Antrag vom 24.08.2005, Eingang am 25.08.2005.
    Also hat der InsoVerwalter erstmal falsche Angaben gemacht.
    Aber was mach ich jetzt hier weiter?? Ich bin leider überaus planlos und würde mich über schlaue Antworten riesig freuen!
    Sonnige Grüße

  • Fraglich ist, wann der Pfändungsgläubiger seine Sicherung i.S. des § 88 InsO erlangt hat.

    Handelt es sich bei der Eigentümergrundschuld um ein Buchrecht, so kann die Pfändung erst mit der Grundbucheintragung vom 29.8.2005 wirksam geworden sein (§ 857 Abs.6, § 830 Abs.1 S.3 ZPO). Damit ist das Pfandrecht nach § 88 InsO unwirksam geworden, weil es erst nach Stellung des Insolvenzantrags vom 25.8.2005 erlangt wurde.

    Handelt es sich dagegen (wahrscheinlich) um ein Briefrecht, so stellt die Eintragung der Pfändung lediglich eine Grundbuchberichtigung dar (hierzu war nach § 41 GBO die Vorlegung des Briefs erforderlich). In diesem Fall gelangt das Pfandrecht materiell erst zur Entstehung, wenn der Eigentümer den Brief freiwillig an den Gläubiger übergibt oder wenn ihn der Gerichtsvollzieher dem Eigentümer wegnimmt (§ 830 Abs.1 S.1, 2 ZPO). Ob die Unwirksamkeitsfolge des § 88 InsO eingetreten ist, hängt somit vom Nachweis des Zeitpunkts der Briefübergabe bzw. der Briefwegnahme ab. Die Frist des § 88 InsO beginnt im vorliegenden Fall am 25.7.2005, 0.00 Uhr, weil es nach § 139 Abs.1 S.1 InsO auf den Eingang des Antrags bei Gericht (25.8.2005) und nicht auf dessen Datierung ankommt.

    Zunächst ist zu prüfen, ob sich der Zeitpunkt der Briefübergabe bzw. Briefwegnahme bereits aus den Pfändungs-Eintragungsunterlagen ergibt. Nur wenn er nach dem 25.7.2005 (0.00 Uhr) liegt, wird das Pfandrecht von der Rückschlagsperre des § 88 InsO erfasst, ansonsten bleibt das Pfandrecht wirksam. Ergibt sich der maßgebliche Zeitpunkt nicht aus den Pfändungs-Eintragungsunterlagen, so ist es Sache des Insolvenzverwalters als Antragsteller, den Zeitpunkt der Briefübergabe bzw. Briefwegnahme nachzuweisen (sofern die Löschung überhaupt erfolgen kann; hierzu vgl. nachstehende Ausführungen).

    Für den Fall, dass die Rückschlagsperre (egal ob Buch- oder Briefrecht) greift:

    Nach der neuen umstrittenen Rechtsprechung des BGH (Rpfleger 2006, 253) sollen von der Rückschlagsperre des § 88 InsO betroffene Sicherheiten nicht endgültig, sondern nur schwebend unwirksam sein. Dies bedeutet, dass das Pfandrecht mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens oder mit der Freigabe des Grundstücks bzw. der Eigentümergrundschuld durch den Insolvenzverwalter wieder materiell aufleben kann. Hieraus folgt, dass die im Grundbuch eingetragene Pfändung ihres materiellen Gehalts auch durch eine Löschung nicht vollständig verlustig gehen kann. Damit wäre einer Löschung zum jetzigen Zeitpunkt aber die Grundlage entzogen, weil eine "vorläufige" Löschung dem Grundbuchrecht fremd ist (man denke etwa an den klassischen Fall, dass ein von einer Nacherbfolge betroffenes Erblasser-Grundpfandrecht auf Bewilligung des Vorerben ohne Zustimmung des Nacherben gelöscht werden soll). In Konsequenz dieser Rechtslage kommt eine Löschung des Pfandrechts nach meiner Auffassung nur im Zuge der Verwertung des Grundstücks (bzw. der Eigentümergrundschuld), und zwar Zug um Zug mit Eintragung der Auflassung auf den neuen Erwerber, in Betracht. Dies entspricht im wesentlichen der Rechtslage zum alten § 7 Abs.3 S.1 GesO.

    Die zutreffende grundbuchrechtliche Lösung sollte somit darin bestehen, dass beim Eigentümerrecht in der Veränderungsspalte die Unwirksamkeitsfolge des § 88 InsO im Wege der Grundbuchberichtigung vermerkt wird: "Das Pfändungspfandrecht gemäß Eintragung vom ... ist nach § 88 InsO unwirksam geworden. Eingetragen am ..." Diese Verfahrensweise würde es auch ermöglichen, an gleicher Stelle später das evtl. Wiederaufleben des Pfandrechts (wiederum im Wege der Grundbuchberichtigung) zu vermerken.

    Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass der Zeitpunkt der Briefübergabe bzw. Briefwegnahme bekannt ist oder vom Verwalter nachgewiesen wird und sich hieraus die Unwirksamkeitsfolge des § 88 InsO ableiten lässt. Der Verwalter müsste seinen bisherigen Löschungsantrag in diesem Fall im Hinblick auf die Eintragung der Unwirksamkeitsfolge inhaltlich modifizieren.

    Beim Briefrecht ist es im vorliegenden Fall unwahrscheinlich, dass der Pfandgläubiger sein Pfandrecht noch rechtzeitig erlangt hat, weil die Pfändungsverfügung erst vom 22.7.2005 datiert und die Briefübergabe/-wegnahme daher bereits bis 24.7.2005 erfolgt gewesen sein müsste (Fristbeginn bereits am 25.7.2005, 0.00 Uhr). Dies wird wohl kaum anzunehmen sein.

  • Guten Morgen und 1.000 Dank @ juris2112 für die ausführliche Antwort!!!
    Also es handelt sich in meinem Fall tatsächlich um ein Buchrecht. Dann ist wohl das Pfandrecht des Gl. unwirksam geworden.
    Ich glaube, ich werde erstmal den InsoVerwalter und den Gläubiger anschreiben und mitteilen, dass ich beabsichtigte, den Vermerk "Das Pfändungspfandrecht gemäß Eintragung vom ... ist nach § 88 InsO unwirksam geworden. Eingetragen am ..." in das Grundbuch einzutragen, also das Recht nicht zu röten. Kurze Frist notieren und wenn dann nichts gegenteiliges mitgeteilt wird, eintragen. Puh, dann kann ich den Fall ja endlich freigeben...
    Nochmals danke schön und einen sonnigen Tag! :o)

  • Gerne geschehen.

    Es ist allerdings im Hinblick auf die Verkehrsfähigkeit des Grundpfandrechts ungewöhnlich, dass eine ursprüngliche Eigentümergrundschuld als Buchrecht bestellt wird. Handelt es sich im vorliegenden Fall vielleicht um die Pfändung einer aus einer Hypothek hervorgegangenen Eigentümergrundschuld (§§ 1163, 1177 BGB)?

    Ich möchte vorsorglich darauf hinweisen, dass die Rechtsfolgen der erwähnten BGH-Entscheidung durchaus noch ungeklärt erscheinen. Es könnte somit gut sein, dass der Verwalter auf der Löschung des Pfandrechts besteht und auf die Möglichkeit einer evtl. späteren Wiedereintragung verweist (dass ich dies aus grundbuchverfahrensrechtlichen Erwägungen für unzulässig halte, wurde bereits dargelegt). In diesem Falle würde ich erwidern, dass das Pfandrecht nach der Rechtsprechung des BGH infolge der Löschung seinen Rang verlöre und Alff/Hintzen daher in einer demnächst in der ZInsO erscheinenden Entscheidungsanmerkung aus Haftungsgründen dringend von einer verfrühten Löschung der nach § 88 InsO schwebend unwirksam gewordenen Sicherungsrechte abraten. Aufgrund dieser Unwägbarkeiten sollte es auch im Interesse der Verwalters liegen, das Pfandrecht erst im Zuge der Verwertung des Grundbesitzes (bzw. der Eigentümergrundschuld) zur Löschung zu bringen.

    Ich finde es gut, dass der Pfandrechtsgläubiger am vorliegenden Verfahren beteiligt wird, weil er sich auf diese Weise zu den nach § 88 InsO eingetretenen Rechtsfolgen äußern und sich auch ggf. der Löschung seines Rechts widersetzen kann. Sollte der Pfandrechtsgläubiger im Lauf des Verfahrens die Löschung des Pfandrechts bewilligen, so steht dieser Löschung natürlich nichts im Wege. Für das Finanzamt als siegelführende Behörde wäre die Erteilung der Löschungsbewilligung ja kein Problem.

    Wenn der Verwalter mit der vorgeschlagenen Verfahrensweise nicht einverstanden ist und auf der Löschung des Pfandrechts besteht, würde ich dessen Stellungnahme zur weiteren Diskussion hier im Forum einstellen.

  • Ganz kurz nur (muss heute hier allein die Not verwalten):
    Ja! Ursprünglich handelte es sich um eine Zwangssicherungshypothek für das Finanzamt. Ich hatte auch schon mal gedacht, dort einfach anzurufen und zu fragen, was die von der Sache halten. Aber ich glaube, ich werde es einfach mal schriftlich machen. Dann können sich die werten Kollegen beim FA auch mal schlaue Gedanken machen.
    Falls der Verwalter etwas gegen meine beabsichtigte Vorgehensweise hat, werde ich seine Stellungnahme selbstverständlich hier einstellen! :o)

  • Kleiner Nachtrag. Ein schlauer Kollege hat sich zu meinem Problem noch wie folgt geäußert:

    "Das Schreiben des Inso-Verwalters ist wohl als Vollstreckungserinnerung gegen die Vollstreckungsmaßnahme gem. § 766 ZPO auszulegen (vgl. Zöller/Stöber, 25. Auflage, § 766 Rn. 10, 17). Die Maßnahme war ja die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamtes; du warst als Grundbuchrechtspflegerin doch nur ausführendes Organ für die Eintragung. M.E. müsste also das Finanzamt (als Erlassbehörde) in eigener Zuständigkeit über die Erinnerung entscheiden (bzw. der Inso-Verwalter müsste darauf hingewiesen werden, dass die Erinnerung an das Finanzamt zu richten ist).
    Falls der Erinnerung dort abgeholfen würde, könntest du aufgrund dieser Entscheidung die Eintragung löschen.
    Oder sehe ich das falsch?"

    Das wäre natürlich eine Lösung, die (für mich) mit eher weniger Aufwand verbunden wäre. Was ist davon zu halten?
    Danke für schlaue Ideen!

  • Ohne dass ich jetzt im einzelnen nachgelesen habe, halte ich den vorgeschlagenen (und unterstellt möglichen) Weg nicht für gangbar. Weshalb sollte der Verwalter den Weg über die Erinnerung gehen, wenn die Vollstreckungsmaßnahme ohnehin nach § 88 InsO unwirksam geworden ist? Im übrigen erscheint der Antrag des Insolvenzverwalters auch nicht auslegungsfähig. Er ist an das Grundbuchamt gerichtet und bezieht sich auf die Löschung des Pfändungspfandrechts. Was soll es da auszulegen geben? Ein erfahrener Verwalter weiss, was er tut und wo er welche Anträge stellt.

  • Wegen der vom BGH postulierten Möglichkeit der Rekonvaleszenz wird das Finanzamt ohehin davon absehen, die Verfügung aufzuheben (vor der Entscheidung des BGH vom 19.1.2006 war das Finanzamt gehalten, die Verfügung aufzuheben, vgl. §§ 309, 325 ff. Abgabenordnung).

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