Insolvenz und Ordnungswidrigkeitenverfahren

  • Hallo allerseits!

    Wie einige von Euch wissen, bin ich seit meiner Prüfung nicht mehr in der Justiz tätig. Inso hab ich nie so richtig verstanden. Das als Vorrede zu meinem Problem:
    Ich (und auch manche meiner Kollegen, die von der InsO noch weniger Ahnung haben als ich) habe mehrere Verfahren, in denen Betroffene in Bußgeldverfahren (wegen LKW-Maut) mit dem Argument kommen, daß sie in der Verbraucherinsolvenz seien und daher nicht zahlen müßten.

    Meine Meinung ist die, daß es im Inso-Verfahren um privatrechtliche Ansprüche (also zivilrechtliche) Ansprüche geht und nicht um strafrechtl. oder ordnungswidrigkeitenrechtl.! Oder irre ich mich da???

    Sonst wäre es ja so, daß der Betroffene für jeden Bescheid wegen Falschparken oder Zu-schnell-fahren auch nicht zahlen müßte...:gruebel:
    Oder muß unser Amt die Forderung aus unserem Bußgeldbescheid zur Tabelle anmelden? Gibt´s die überhaupt in der Privatinsolvenz oder sollten wie den Betroffenen nach dem Namen seines Treuhänders/Sachwalters :gruebel: :confused: :gruebel: (wie hieß der doch gleich?) fragen, um uns mit diesem in Verbindung zu setzen???

    Ich hoffe, ihr könnt mir helfen und bitte um rege Diskussion!

    PS: Es eilt, weil unsere Vorgesetzten noch weniger Ahnung als wir haben und dazu neigen, (uns anzuweisen- obwohl sie das nicht dürfen) Verfahren lieber vorschnell einzustellen. Damit ist der Vorgang zwar vom Tisch, aber mir paßt das net. Dann könnte sich ja jeder damit rausreden! Man muß dazu sagen, daß unsere Vorgesetzten bestenfalls ne Fortbildung zum Verwaltungswirt haben (während die Koll. Verw.fachangest. sind) und von rechtl. Dingen nur den Hauch einer Ahnung haben.

  • Forderungen wegen Geldbußen sind nachrangige Insolvenzforderungen (§ 39 I Nr. 3 InsO). Anzumelden ist daher nur bei entsprechender Aufforderung durch das Insolvenzgericht (§ 174 III InsO). Diese Forderungen sind von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen (§ 302 Nr. 2 InsO).

    Ob auf diese Forderungen während des Inso-Verfahrens und der Wohlverhaltensphase vom Schuldner aus dem unpfändbaren Einkommen oder ggf. durch einen Dritten gezahlt werden darf (unter Umständen auch mit negativen Konsequenzen für die Erteilung der Restschuldbefreiung), ist meines Wissens streitig, weil einerseits ein Gläubiger begünstigt wird, andererseits aber die Forderung dieses Gläubigers sowieso nicht von der Restschuldbefreiung berührt wird. Insofern halte ich es im Ergebnis schon für richtig, wenn die betroffenen LKW-Fahrer sagen, daß sie nicht zahlen brauchen/müssen (genauer vielleicht sogar: dürfen).

    Man könnte sich noch an der Frage aufhalten, ob sich im Rahmen der außergerichtlichen Schuldenbereinigung eine Schuldnerberatungsstelle oder ein RA gemeldet hat (da ich das Posting so verstehe, daß erst im Rahmen der Vollstreckung des Bußgeldbescheides auf die Insolvenz hingewiesen wird). Das würde ich aber nicht für weiterführend halten (im Hinblick auf die Frage, ob ggf. Obliegenheitsverletzungen begangen wurden), da es hier ja um eine Forderung geht, die sowieso kraft Gesetzes nicht von der Restschuldbefreiung berührt ist.

    Da, wie gesagt, Zahlungen auf eine Geldbuße in der Insolvenz ein heikles Thema sind, kann ich eigentlich nur empfehlen, die Frage behördenintern an das Justitiariat zwecks näherer Untersuchung und Klärung weiterzureichen. Möglicherweise hängen da dann ja auch Folgeprobleme dran, z.B. ein Antrag auf Erzwingungshaft.

  • Es gibt hier auch noch den Thread "Geldstrafe im Insolvenzverfahren", schau doch mal nach (noch auf der 2. Seite bei Insolvenz, irgendwann muss ich mal lernen, die Dinger zu verlinken ;-))

    Grundsätzlich ist den Ausführungen von Advocatus Diaboli zuzustimmen, aber wie im genannten Thread gezeigt gehen die Ansichten auseinander, und zwar sehr weit.

  • Auf Bitten von evangeline, die mit technischen Problemen zu kämpfen hat, stelle ich nachfolgenden den von ihr geschriebenen Beitrag ein:

    Danke für Eure Hilfe!!!


    Den Thread bzgl. der Geldstrafe im Insoverfahren hab ich mir grad durchgelesen und neige dazu, den "Vollstreckern" zuzustimmen. Nicht nur aus praktischen Erwägungen. Es wäre ja sonst tatsächlich so, daß wir mit der Vollstreckung warten müßten bis das Insoverfahren rum ist... Das kann nicht im Sinne des "Erfinders" sein, ich meine auch, daß hier eine Regelungslücke vorliegt, die entweder über den Gesetzgeber oder eine obergerichtl. Entscheidung korrigiert/ausgefüllt werden müßte.

    Es beruhigt mich ja schon, daß die Geldbußen von der RSB ausgenommen sind, aber das wir "nachrangig" sind, behagt mir weniger.


    Ein paar Fragen noch an advocatus diaboli:


    Wir haben sowohl den Fall, daß wir:

    - als Reaktion auf unsere Anhörung die Mitteilung kriegen " bin in Verbraucherinsolvenz" ohne weitere Angaben zur Tat. Da wir nix Entlastendes haben, können wir dann nur von Vorsatz ausgehen, was die Bußgeldsumme verdoppelt.

    Wird dann Einspruch eingelegt (und Entlastendes vorgetragen), nehmen wir den BB zurück und erlassen einen neuen, der auf Fahrlässigkeit basiert.

    - als auch den Fall das innerhalb der Einspruchsfrist ein Schr. des Wortlauts eingeht "bin insolvent" oder

    - manchmal auch erst nach Ablauf der Einspruchsfrist.

    Letzteres ist klar. Der BB ist rechtskräftig und dann ärgert sich die Zahlstelle (anderes Referat) damit rum. Ob die dann vollstrecken oder die Forderung niederschlagen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kann allerhöchstens noch Ratenzahlung bewilligen, wenn mir der Betroffene seine wirtschaftl. Verhältnisse darlegt.

    Mein Problem sind die ersten zwei Fallkonstellationen.

    Die Tatsache, daß der Betroffene insolvent ist, hindert mich als Behörde ja nicht daran, wegen einer begangenen Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße gegen ihn zu verhängen. Sonst wäre die Privatinsolvenz ja wirklich eine Art "Freifahrschein" auf straf- und ordnungswidrigkeitenrechtl. Sektor.

    Auch hindert die Insolvenz nicht die Rechtskraft des BB (die Meinung wird im Haus teilweise vertreten), mit der Folge, daß der BB zurückgenommen und das Verfahren eingestellt wird- sofern die Mitteilung der Insolvenz innerhalb der Einspruchsfrist eingeht.

    Das ist jedenfalls meine Ansicht. Nur wenn der Betroffene vor Erlaß des BB (also im "Anhörungsstadium") seine Insolvenz vorträgt und belegt, weiche ich im Einzelfall vom Regelsatz ab und reduziere die Geldbuße (max. um 25 %), sonst nicht. Es zwingt sie ja keiner die Maut zu prellen. Pech haben nur die, die als selbstfahrende Unternehmer (1-Mann-Betrieb) unterwegs sind, weil bei Inhabern die Regelsätze höher sind.


    Was ich mich noch frage, advocatus diaboli, ist, wie das Insolvenzgericht von unserem BB erfahren soll??? Da können ja (theoretisch) ständig neue bundesweit dazukommen...


    Ach ja, falls die Geldbuße nicht beigetrieben werden kann, haben wir auch die Mglk. der Erzwingunshaft- steht glaube ich auch schon bei den BB´s mit drauf auf Seite 1.


    Was das "Justiziariat" anbelangt: die haben keine Ahnung, sind zwar nur Volljuristen dort, aber eben keine Rpfl oder Fachanwäte für InsoR.

    Daher hat mich mein (direkter) Vorgesetzter heute schon gefragt, wie ich das sehe, weil ich ja InsO hatte (wenn auch nur mit 3 Punkten)...

  • Also wenn im laufenden Insolvenzverfahren was neues dazu kommt, dann sind das Neuverbindlichkeiten, Schnitt ist die Insolvenzeröffnung. Und die Neuverbindlichkeiten nehmen nicht am Insolvenzverfahren teil.

    Wie zutreffend und richtig erkannt, das Problem liegt in der Vollstreckung und dort sollte der Gesetzgeber tätig werden. Die pure Aussage: bin insolvent ist hinsichtlich einer Ordnungswidrigkeit vollkommen unzulänglich. Die Forderung bleibt ja so oder so von der RSB unberührt. Daher m.A. ein vollkommen unbeachtlicher Einwand.

    Und als Insolvenzgericht interessieren mich die laufenden Ordnungswidrigkeitsverfahren des Schuldners eigentlich weniger. Solange ich keinen Antrag wegen diesem oder jenem auf dem Tisch bekomme (freigabe, vollstreckungsschutz o.ä.). Sollte aber ein Betroffener vortragen insolvent zu sein, dann vielleicht mal einen Blick auf http://www.insolvenzbekanntmachungen.de werfen. Mit der Detail Suche, dem Schuldnernamen und dem Wohnsitzinsolvenzgericht sollte man eigentlich was finden.

  • @ evangeline:

    Wenn der Bußgeldbescheid nach Eröffnung des Inso-Verfahrens rechtskräftig wird, ist die BRD bezüglich der Geldbuße keine Insolvenzgläubigerin (vgl. § 38 InsO). Dann stellt sich die ganze Problematik bzgl. des Zahlen-Dürfens aus dem pfändungsfreien Teil des Einkommens usw. nicht, da die Obliegenheiten gem. §§ 294 - 296 InsO nur gegenüber Insolvenzgläubigern bestehen.

    Bei Bußgeldbescheiden vor Inso-Eröffnung müßte der LKW-Fahrer selbige an sich schon im Rahmen der außergerichtlichen Schuldenbereinigung auf den Tisch legen. Ich will jetzt nicht über LKW-Fahrer lästern, aber ich könnte mir schon vorstellen, daß in dieser Situation nicht wenige vergessen, wo sie die Bußgeldbescheide abgeheftet haben, wenn sie die Unterlagen für die Schuldenbereinigung zusammenstellen... Wenn die Information über den Bescheid nicht durch die Schuldenbereinigung in die Akte des Inso-Verfahrens kommt - wann dann???

    Im Grunde genommen spielen diejenigen LKW-Fahrer, die versuchen, einen vor Eröffnung rechtskräftig gewordenen Bußgeldbescheid am Insolvenzverfahren vorbeizumogeln, mit dem Feuer, da bei einer Ratenzahlungsvereinbarung mit der Behörde ein Verstoß gegen die Obliegenheiten vorliegt.

    Insolvenzverfahren kann man auch über

    http://www.insolnet.de

    abfragen. Der Datenbestand ist umfangreicher, da er weiter zurückreicht als insolvenzbekanntmachungen.de.

  • @ Harry und advocatus diaboli:

    Wenn ich Euch recht verstanden habe, stehen wir mit unserem Bußgeldverfahren also "außerhalb" des Inso-Verfahrens, d.h. wir müssen nicht anmelden und werden von einer evtl. RSB nicht erfaßt, da unsere Forderung bestehen bleibt.

    Wenn ich erst im Anhörungsstadium mitkriege, daß der Betroffene insolvent ist, würde ich mir das erst mal durch geeignete Unterlagen (Eröffnungsbeschluß) nachweisen lassen. Dann kann ich ja notfalls via AZ beim betreffenden AG nachfragen, wer IV ist (falls ein anderer bestellt wurde). Behaupten kann man ja viel...

    An den Fall, daß jmd. erst dann insolvent wird, wenn schon ein rk. BB von uns vorliegt, hatte ich gar nicht gedacht...:oops: Vielleicht auch deshalb, weil das eher in die Zuständigkeit der Zahlstelle fällt...

    Auf jeden Fall: Vielen lieben Dank für die 2 Internet-Adressen! Ich werd sie mir mal ansehen und dann per Mail an die Koll. weiterempfehlen.

    @ advocatus diaboli:
    Das Lästern über LKW-Fahrer (egal ob inländische oder "gebietsfremde"- so heißen die bei uns) lassen wir lieber...
    Wenn man schon seit 15 Monaten in unterschiedl. Verfahren und Rechtsgebieten mit denen zu tun hat und dieselbe Ausrede immer wieder hört, beginnt man, so gewisse Vorurteile zu bilden....

  • So ganz ausserhalb des Verfahrens leider nicht, meistens und regelmässig aber schon.
    Einzige Ausnahme: Das Insolvenzgericht fordert zur Anmeldung nachrangiger Forderungen auf. Dann sollten auch diese wie aus Bußgeldbescheiden angemeldet werden, denn es gibt im Insolvenzverfahren dann Geld auf diese zu verteilen.
    Ist aber sehr selten.

    Insolvenzgläubiger ist, wer eine zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung gegen den Schuldner begründete Forderung hat. Ob es jetzt bei den Forderungen aus Bußgeldbescheiden auf den Zeitpuntk der Handlung, den Bescheid oder dessen Rechtskraft ankommt bin ich überfragt.

  • Zitat von Harry


    Insolvenzgläubiger ist, wer eine zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung gegen den Schuldner begründete Forderung hat. Ob es jetzt bei den Forderungen aus Bußgeldbescheiden auf den Zeitpuntk der Handlung, den Bescheid oder dessen Rechtskraft ankommt bin ich überfragt.



    Ich leider auch...

    Ist aber ne interessante Frage, weil zw. Tat und rk. Bescheid durchaus mehrere Monate (bis 2 Jahre nach der Tat, dann ist erst Verjährung eingetreten) vergehen können. Bin ja mal gespannt, ob es dazu irgendwann mal eine gerichtl. Entscheidung gibt. Wenn wir dem Einspruch (mit welchen Gründen auch immer) gegen den BB nicht abhelfen, wandert der über die StA an das AG. Das entscheidet dann.
    Ob wir irgendwann mal mit dem InsoG zu tun haben werden, steht noch aus...

  • Guten Abend,
    wir in unserer Kanzlei mit 2 eingesetzten Treuhändern, haben nunmehr "Erfahrung" in diesen Sachen. Nach Rücksprache mit dem zustandigen Insolvenzgericht, fallen Bußgelder (egal ob vor oder nach Eröffnung) grundsätzlich unter dem Sanktionsquarakter, weshelb diese bei uns grundsätzlich als § 39er Forderung eingestuft werden. In 2 Fällen ist uns bekannt, daß die Schuldner gegen die BB nichts getan haben und dann die Erzwingungshaft angeordnet wurde. Daraufhin haben die Schuldner dann Rechtsmittel eingelegt. Die beschwerdekammer des LG Neuruppin sowie das AG Viechtach haben inhaltlich übersetzt einheitlich entschieden, daß Bußgelder als staatliche Sanktionen jederzeit aus dem unpfändbaren Einkommen gezahlt werden können. Insofern geht ein Verwais auf § 89 InsO ins leere. Sonst würde der Sanktionsquarakter bei insolventen Personen verloren gehen und somit ein Freischein innerhalb des Insoverfahrens ausgestellt werden.

  • Danke vielmals für die Infos!!! :daumenrau

    Du hast nicht zufällig die AZ der Entscheidungen zur Hand???

    :habenw :habenw :habenw

    Ist ja schön, daß meine Meinung bestätigt wurde... *freu*
    Alles andere wäre ja auch lebensfremd.

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