Welcher Güterstand ist maßgebend gemäß Art 15, 220 EGBGB

  • Da wir hier leider weder den Ferid/Firsching, noch den Bergman/Ferid/Henrich haben wäre ich für ein wenig Nachhilfe hinsichtlich des Ukrainischen Erbrechts/Güterrechts dankbar.

    Die Erblasserin ist ukrainische Staatsangehörige und seit 2005 mit der Familie in der BRD. Der Mann und ihre zwei Kinder sind deutsche Staatsangehörige. Die Ehe wurde 1961 in Kasachstan geschlossen.
    Über meine Online-Recherche bin ich soweit gekommen, dass hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens noch der deutsch-sowjetische Konsularvertrag anwendbar ist und ansonsten Wohnsitzrecht gilt. Da kein unbewegliches Vermögen vorhanden ist, komme ich folglich zur Anwendung des deutschen Erbrechts. Was ist aber mit dem Güterrecht? Die Erblasserin war ja ukrainische Staatsangehörige, hat die Ehe dann aber in Kasachstan geschlossen. Welche Staatsangehörigkeit der Ehemann zu dem damaligen Zeitpunkt hatte, konnte ich noch nicht ermitteln. Ist dann nach Art 15 Abs. 1 EGBGB das kasachische Güterrecht anzuwenden oder, wenn beide Ehegatten vormals die ukrainische Staatsbürgerschaft hatten, das Eherecht der Ukraine?

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  • Nach Art.25 Abs.1 EGBGB entscheidet für das Erbstatut grundsätzlich die Staatsangehörigkeit des Erblassers. Nach Art.570 Abs.1 des ukrainischen ZGB ist dagegen beim Nichtvorhandensein von unbeweglichem Vermögen das Recht des letzten Erblasserwohnsitzes maßgeblich, sodass es zu einer nach Art.4 Abs.1 EGBGB anzunehmenden Rückverweisung auf das deutsche Erbrecht kommt (vgl. Staudinger/Dörner Art.25 EGBGB RdNrn.706-708).

    Der Güterstand ist nach Art.220 EGBGB zu beurteilen. Da die Ehe im Jahr 1961 geschlossen wurde, gilt insoweit die Anknüpfungsleiter des Art.220 Abs.3 S.1 EGGBG, sodass es für die Zeit bis zum 8.4.1983 in erster Linie darauf ankommt, ob die Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung eine gemeinsame Staatsangehörigkeit hatten (Nr.1) oder ob bei fehlender Anknüpfung nach Nr.2 evtl. das Heimatrecht des Ehemannes zum Zuge kam (Nr.3).

    Für die Zeit nach dem 8.4.1983 (also auch für den Güterstand im Zeitpunkt des vorliegenden Erbfalls) verweist Art.220 Abs.3 S.2 EGBGB auf Art.15 EGBGB, der seinerseits wieder auf Art.14 EGBGB verweist, allerdings mit der Maßgabe, dass der Zeitpunkt für die Bestimmung des Güterstandes unterschiedlich angeknüpft wird. Bei einer Anknüpfung nach Art.220 Abs.3 S.1 Nrn.1 und 2 EGBGB ist hierfür nämlich der Zeitpunkt der Eheschließung maßgeblich, während bei einer Anknüpfung nach Art.220 Abs.3 S.1 Nr.3 EGBGB an das Heimatrecht des Ehemannes auf den 9.3.1983 abzustellen wäre (Art.220 Abs.3 S.3 EGBGB). Zu den aufgrunddessen denkbaren güterrechtlichen Anknüpfungen vgl. Palandt/Heldrich Art.15 EGBGB RdNrn.7 ff.

    Aus ergebnisbezogener Sicht erscheint bedeutsam, dass sowohl in der Ukraine als auch in Kasachstan der gesetzliche Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft gelten dürfte (Süß Rpfleger 2003, 53, 60). Dies dürfte es bereits ausschließen, dass die erbrechtliche Norm des § 1931 Abs.4 BGB zur Anwendung kommt, sodass eigentlich nur die Alternativen einer 1/4-Ehegattenerbquote (§ 1931 Abs.1 S.1 BGB) oder einer 1/2-Ehegattenerbquote (§ 1931 Abs.1 S.1, Abs.3 BGB, § 1371 Abs.1 BGB) verbleiben. Betrachtet man die Sache pragmatisch, kommt es somit nur darauf an, den Güterstand der Zugewinngemeinschaft auszuschließen, um mit der Folge zur Anwendung des § 1931 Abs.1 S.1 BGB zu gelangen, dass die Erblasserin von ihrem Ehemann zu 1/4 sowie den beiden Kindern zu je 3/8 beerbt wurde. Wenn der vom Güterstand der Zugewinngemein-schaft erbrechtlich "bevorzugte" Ehemann mit dieser Lösung einverstanden wäre, könnte man sich im Ergebnis weitere umfangreiche Ermittlungen über die Güterstandsfrage ersparen. Ansonsten wage ich nach derzeitigen Erkenntnissen über den "richtigen" Güterstand keine Prognose.

  • Vielen Dank juris für die ausführliche Antwort.
    Ich hatte heute nur die Kinder der Erblasserin bei mir, die allerdings kaum Deutsch verstanden und sprachen. Ich habe nur mit Mühe die bisherigen Informationen bekommen können und gebeten mit dem Vater, allen vorliegenden Urkunden und einer Person die als Dolmetscher auftreten kann, nochmals zu kommen um den Sachverhalt zu klären. Ich hoffe dann bekomme ich auch etwas mehr an Informationen.

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  • ...Es gilt türkisches Güterrechtsstatut, weil beide Ehegatten bei der Eheschließung türkische Staatsangehörige waren, weil für die Bestimmung des Güterstands auf den Zeitpunkt der Eheschließung abzustellen ist (Art.15 Abs.1 EGBGB i.V.m. Art.14 Abs.1 Nr.1 EGBGB; vgl. Palandt/Heldrich Art.14 EGBGB RdNr.6). Im vorliegenden Fall kommt § 1931 Abs.4 BGB zur Anwendung, weil der türkische Güterstand der Gütertrennung mit dem gleichnamigen Güterstand des deutschen Rechts funktionell vergleichbar ist (Dörner ZEV 1996, 90, 95 m.w.N.).



    Habe das gerade erst gelesen und mich erinnert, dass ich letztens dazu was gelesen hatte (im Süß/Haas, Erbrecht in Europa). Danach hat der türkische Gesetzgeber seit 01.01.2002 die bisherigerige Gütertrennung als gesetzlichen Güterstand aufgegeben und die Errungenschaftsbeteiligung als gesetzlichen Güterstand übernommen, die in der Schweiz seit 01.01.1988 in Kraft ist. Durch eine Übergangsregelung gilt dieser neue Güterstand auch für "Altfälle", wenn sich die Ehegatten nicht bis zum 01.01.2003 für einen anderen Güterstand entschieden haben.

  • Lt. Sachverhaltsangabe in #11 galt in der Ehe des türkischen Erblassers der Güterstand der Gütertrennung, was ja auch nach neuem türkischen Güterrecht durchaus möglich ist. War dagegen eine Überleitung in den neuen gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft erfolgt, überlebt der überlebende Ehegatte nach § 1931 Abs.1 S.1 BGB nur 1/4, sodass für die beiden Kinder jeweils ein Erbteil von 3/8 verbleibt.

  • Am 14.08.1966 haben marokkanische Staatsangehörige in Casablanca geheiratet. Jahre später sind sie nach Deutschland verzogen und haben inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit. Ehemann ist nun verstorben. Es gilt das deutsche Erbstatut, aber der marokkanische Güterstand = Gütertrennung.
    Meine Frage:
    Gilt § 1931 IV BGB nur für die deutsche Gütertrennung oder auch im Falle der Gütertrennung nach ausländischem Recht oder nur dann, wenn der ausländische Güterstand der Gütertrennung der Gütertrennung des BGB inhaltlich entspricht???
    Hinzuzufügen ist, das gesetzliche Erbfolge eintritt und Ehefrau und 1 Kind vorhanden sind.

  • Es ist Voraussetzung, dass die ausländische Gütertrennung derjenigen des BGB entspricht (Palandt/Heldrich Art.25 EGBGB RdNrn.28, 29 unter Hinweis auf Jayme FS Ferid, 1978, S.221).

  • Ja, das ist alles richtig. Nur, kann mir jemand sagen, ob der gesetzliche marokkanische Güterstand auch derjenigen des BGB entspricht???
    (Die Fundstellen Palandt/Heldrich und Jayme FS Ferid stehen mir nicht zur Verfügung; ich denke mir aber, dass dort nichts über den marokkanischen Güterstand geschrieben steht, oder???)

  • Literatur zum Internationalen Eherecht steht mir leider nicht im ausreichenden Umfang zur Verfügung. Ich empfehle insoweit den mehrbändigen Loseblatt-"Bergmann", der in der Regel bei den Richtern des FamG zu finden ist.

    Apropos:

    Keinen Palandt?

  • Na ja, die 60. Ausgabe hab ich schon, eine aktuellere ist im Haus sicher auch zu finden, aber Palandt/Heldrich sagte mir nichts!
    Ich werde mich mal auf Suche nach dem "Bergmann" begeben, danke für den Tipp!!!

  • Heldrich, Bassenge, Edenhofer (usw.) sind lediglich die jeweiligen Palandt-Kommentatoren (steht auf jeder linken Seite oben rechts).

  • Auf mich wird demnächst (Abgabe an Schöneberg, aber diese Akten kehren ja leider immer wieder zurück :mad: ) folgendes Problem zukommen:

    Erblasserin ist deutsche Staatsangehörige (und immer gewesen) und in Kanada verstorben. Ehemann ist kanadischer Staatsangehöriger (und immer gewesen). Die beiden haben 1970 in Deutschland geheiratet, 1971 ist in Deutschland das einzige Kind geboren und kurz danach ist die Familie nach Kanada verzogen. Eine Rechtswahl wurde natürlich nicht getroffen.

    Beantragt wird Erbschein 1/2 + 1/2, m.E. unzutreffenderweise.

    Für Eure Meinungen wäre ich dankbar.

  • Kanada verweist bzgl. beweglicher Sachen auf das Recht des letzten Domizils des Erblassers und bzgl. unbeweglicher Sachen auf das Belegenheitsrecht.
    In welcher kanadischen Provinz war die Erblasserin wohnhaft und aus was besteht der Nachlass in der BRD?

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  • Kommt darauf an.

    Es können sowohl Art.220 Abs.3 S.1 Nr.2 EGBGB als auch Nr.3 der genannten Norm anwendbar sein.

    Sind die Ehegatten ohne einen entsprechenden rechtsgeschäftlichen Willensakt bei der Eheschließung von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen (Nr.2), so galt in ihrer Ehe der Güterstand der Zugewinngemeinschaft, und zwar sowohl nach Art.220 Abs.3 S.2 EGBGB, Art.15 Abs.1 EGBGB und Art.14 Abs.1 Nr.2 EGBGB -gemeinsamer Aufenthalt im Zeitpunkt der Eheschließung- als auch -vorrangig- nach Art.15 Abs.2 Nr.1 EGBGB, weil die fingierte Rechtswahl i.S. des § 220 Abs.3 S.1 Nr.2 EGBGB auch für die Zeit nach dem 8.4.1983 wirksam bleibt und nicht der Form des Art. 15 Abs.3 EGBGB i.V.m. Art.14 Abs.34 EGBGB bedarf (Palandt/Heldrich Art.15 EGBGB RdNr.11 m.w.N.), allerdings nur dann, wenn sich die Vorstellungen der Ehegatten vom anzuwendenden Recht bis zum 9.4.1983 (etwa infolge des Umzugs nach Kanada) nicht geändert haben (Palandt/Heldrich Art.15 EGBGB RdNr.9 a.E. m.w.N.). Sind die Ehegatten daher bei der Eheschließung von der Anwendung kanadischen Rechts ausgegangen, oder sind sie infolge ihres vor dem 9.4.1983 erfolgten Umzugs nach Kanada noch vor dem 9.4.1983 davon ausgegangen, dass für ihre ehelichen Verhältnisse nunmehr kanadisches Recht anwendbar ist, so kommt es nach Art.220 Abs.3 S.2 EGBGB i.V.m. Art.15 Abs.2 N.1 EGBGB zur Anwendung kanadischen Güterrechts.

    Lässt sich eine konkludente bzw. fingierte Rechtswahl i.S. des Art.220 Abs.3 S.1 Nr.2 EGBGB trotz diesbezüglicher Ermittlungen nicht positiv feststellen, war für das Güterrecht bis zum 8.4.1983 nach Art.220 Abs.3 S.1 Nr.3 EGBGB das kanadische Recht anwendbar. Dabei blieb es auch für die Zeit nach dem 8.4.1983, weil für die Bestimmung des Güterrechts nach Art.220 Abs.3 S.3 EGBGB nicht mehr auf den Zeitpunkt der Eheschließung, sondern auf den 9.4.1983 abzustellen ist. In diesem Zeitpunkt hatten die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt aber bereits in Kanada (Art.220 Abs.3 S.1 Nr.3, S.2, 3 EGBGB i.V.m. Art.15 Abs.1 EGBGB und Art.14 Abs.1 Nr.2 EGBGB).

    Ob der Erbscheinsantrag richtig oder falsch ist, hängt somit im Ergebnis von den Ermittlungen des NachlG im Hinblick auf eine evtl. konkludente bzw. fingierte Rechtswahl der Ehegatten i.S. des Art.220 Abs.3 S.1 Nr.2 EGBGB ab.

  • TL:

    Was das kanadische Recht zum Erbstatut sagt, ist aus Sicht des deutschen IPR uninteressant, weil die Erblasserin Deutsche war. Es erfolgt somit keine Verweisung auf kanadisches Recht, es sei denn, es wäre in Kanada Grundbesitz vorhanden (Art.3 Abs.3 EGBGB).

  • @ TL:Nein, sorry, Erblasserin war deutsche Staatsangehörige.

    @ juris: Ja, ich hatte auch schon befürchtet, dass noch zu ermitteln ist. :) Erbschein wurde auch nicht vom Ehemann beantragt und der Konsularbeamte hat keinerlei Ausführungen zum Güterstand für nötig gehalten.

    Danke Euch!! :daumenrau

  • TL:

    Was das kanadische Recht zum Erbstatut sagt, ist aus Sicht des deutschen IPR uninteressant, weil die Erblasserin Deutsche war. Es erfolgt somit keine Verweisung auf kanadisches Recht, es sei denn, es wäre in Kanada Grundbesitz vorhanden (Art.3 Abs.3 EGBGB).





    :oops::oops::oops:

    Ich hab´s überlesen und bin von kanadischer Staatsbürgerschaft ausgegangen:(

    :oops::oops::oops:

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