Ist bei einem Heimwechsel eine Genehmigung nach § 1907 BGB erforderlich?

  • Hallo allerseits,

    ich bräuchte mal wieder das geschätzte Fachwissen dieses Forums:

    Meine Betreuerin möchte den Betroffenen in einem andere Heim unterbringen und will wissen, ob dafür eine Genehmigung erforderlich ist. Meine Kollegen sagen nein, das wäre zu weit her geholt. Im Münchner Kommentar zu § 1907 Rn 8 heißt es jedoch, dass es gleichgültig ist, welcher Art der Wohnraum und das Mietverhältnis ist. Solange der Betreute einen Anspruch auf ein bestimmtes Zimmer hat, fällt darunter auch das Zimmer im Pflegeheim. Ein Aufsatz im Rechtspfleger 2002, 59-61, behauptet das ebenfalls.

    Mich würde eure Meinung dazu interessieren und wie das bei anderen Gerichten gehandhabt wird.

    Schon mal vielen Dank im voraus.

  • Wenn du wirklich so weit gehen möchtest lässt du dir am besten den Heimvetrag vorlegen. Dann kannst du genau erkennen, ob der Betroffenen tatsächlich ein bestimmtes Zimmer (Zimmer 32 auf Etage 5) oder nur irgendein Zimmer im Heim überlassen wurde. Nach meiner Erfahrung wird immer nur irgendein Zimmer überlassen, von daher keine Genehmigung.

  • Ohne mit irgendeiner "klugen" Entscheidung dienen zu können, würde ich spontan und aus dem Bauch sagen: der Betreute hatte einen Vertrag geschlossen, der es ihm ermöglichte in Heim A seinen Wohnort zu nehmen, seine Sachen unterzubringen und dort zu leben. Jetzt kündigt der Betreuer den Vertrag und schickt den Betreuten von dem von ihm gewählten Wohnraum weg und woanders hin. Klingt mir sehr nach 1907...
    ist aber wie gesagt Bauchgefühl, nicht Kommentar oder so...

  • Wenn tatsächlich ein konkretes Zimmer im Heim vermietet war, liegt eine Genehmigungsbedürftigkeit nach § 1907 BGB vor (siehe Rechtsprechung im Anfangsbeitrag).

    Bei uns ist es meist so (bei größeren Heimen), dass irgendein Zimmer in einer gewissen Station vermietet wird. Da hätte ich so meine Zweifel ob es hier tatsächlich einer Genehmigung bedarf.

  • Bei uns ist es meist so (bei größeren Heimen), dass irgendein Zimmer in einer gewissen Station vermietet wird. Da hätte ich so meine Zweifel ob es hier tatsächlich einer Genehmigung bedarf.

    Das würde mich wundern. Alle Heimverträge, die ich kenne, weisen einen konkreten Platz in einem konkreten Zimmer aus. Gerade bei größeren Trägern.

  • Das mit ddem konkreten Platz in einem konkreten Zimmer kann ich bei mir vertrauten Heimverträgen so nicht bestätigen.
    Aber wie die Vorredner : Bei tatsächlich zugewiesenem Zimmer Genehmigung erforderlich ; ansonsten nicht.

    Ab und zu kommt es auch vor , dass jemand vom betreuten Wohnen in den pflegeintensiveren Heimbereich überwechseln muss.
    In diesem Fall wäre ebenfalls nach § 1907 BGB zu genehmigen.
    Einen Heimwechsel gab es bei mir bisher weniger, zumal bei Sozialhilfebedürftigkeit der Heimkostenträger beim Heimwechsel auch noch ein Wörtchen mitzusprechen hat.

  • Soweit mir das bekannt ist, werden hier im Bezirk per Heimvertrag auch eher keine speziellen Zimmer "zugewiesen", daher erteile ich hier keine Genehmigungen.

    M.E. muss auch ein bißchen der Zweck der Vorschrift im Auge behalten werden. Ursprünglich war der Zweck doch folgender: Der Betreute wohnt in einer Privatwohnung zur Miete und nunmehr wird ein Heimaufenthalt erforderlich. Bevor die eischneidende Entscheidung getroffen wird, ob der Betreute (dauerhaft) die Möglichkeit verliert eine Privatwohnung zur Miete zu bewohnen, soll die Genehmigung vorgeschaltet werden.

    Ich will nicht abstreiten, dass es auch Gründe geben kann, auch bei eimem Heimwechsel Gründe für eine Genehmigung zu finden (soziale Kontakte werden abgebrochen; ob der Betreute mit den neuen Heim(personal) genauso zufrieden sein wird, wie mit dem neuen ist ungewiss usw.), aber die Tatsache, dass er bereits dauerhaft auf (irgendeine) Heimunterbringung angewiesen ist, und nicht mehr allein eine privat Wohnung bewohnen kann, dürfte in den meisten Fällen klar sein. Außerdem sollte ein verantwortungsvoller Betreuer den bisherigen Heimvertrag erst dann kündigen, wenn der neue bereits geschlossen ist, und damit feststeht, dass ein neuer Heimplat definitiv zur Verfügung steht.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    2 Mal editiert, zuletzt von Ernst P. (10. April 2010 um 18:58)

  • Wenn du wirklich so weit gehen möchtest lässt du dir am besten den Heimvetrag vorlegen. Dann kannst du genau erkennen, ob der Betroffenen tatsächlich ein bestimmtes Zimmer (Zimmer 32 auf Etage 5) oder nur irgendein Zimmer im Heim überlassen wurde. Nach meiner Erfahrung wird immer nur irgendein Zimmer überlassen, von daher keine Genehmigung.



    Dem stimme ich zu. Ist dem Betreuten ein "bestimmter" Raum vertraglich zugesprochen, so ist eine Genehmigung nach § 1907 Abs 1 erforderlich.

    Ist dem betreuten ein "geeigneter" Raum vertraglich zugesichert und steht die Versorgung des Heimbewohners im Vordergrund, so ist keine Genehmigung nach § 1907 erforderlich. Es fehlt hier an der Aufgabe des Lebensmittelpunktes (BtPrax 2001, 81)
    Allerdings müßte ein nichtbefreiter Betreuer § 1812 Abss 1 S.1 Abs 3 beachten - Verfügung über eine Betreutenforderung.

  • Ich kann nur die Verträge beurteilen, die ich in der Praxis vorgelegt bekomme, oder die (Muster-)Verträge, die unsere Kanzlei erstellt. Wir weisen in jedem Vertrag (auch bei Kurzzeit- und Tages-/Nachtpflege) ein konkretes Zimmer aus. In einem Doppelzimmer wird das Zimmer zur Mitbenutzung, ein Einzelzimmer komplett überlassen.

    Für die analoge Anwendung des § 1907 auf Heimplätze spricht meines Erachtens, dass der Heimbewohner gleichermassen schutzwürdig wie ein Mieter ist, da er auch im Heim seinen Lebensmittelpunkt hat und die Privatsphäre geschützt werden soll. Auch gegenüber dem Pflegepersonal hat der Bewohner betreffend sein Zimmer ein eigenständiges Hausrecht. Wichtig ist, den Heimbewohner nicht als reines Objekt der Fürsorge des Heims oder des Betreuers, sondern als Person mit sämtlichen Rechten und Pflichten zu achten, auch wenn er unter Betreuung steht.



  • Meine Betreuerin möchte den Betroffenen in einem andere Heim unterbringen und will wissen, ob dafür eine Genehmigung erforderlich ist. Meine Kollegen sagen nein, das wäre zu weit her geholt.



    Wenn die Unterbringung in einem offenem Heim gegen den Willen des Betroffenen geschieht, ist sie eine Freiheitsentziehung, die der richterlichen Genehmigung nach § 1906 BGB bedarf (BVerfGE 22, 180). Auch die Verlegung in ein neues Heim bedarf der richterlichen Genehmigung, wenn sie gegen den Willen des Betroffenen geschieht. Schließlich wird ja durch eine zwangsweise Verlegung des Lebensmittelpunkts (ggf. erneut) erheblich in die Freiheitsrechte des Betroffenen eingriffen. Der Betroffene ist also in jedem Fall erst einmal anzuhören.

    Aus BVerfGE 22, 180:

    „Die Anweisung an den Gefährdeten, sich in einer geeigneten Anstalt aufzuhalten, ist ein Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Dabei ist es unerheblich, wo die Unterbringung erfolgt. Auch die zwangsweise Unterbringung in einem offenen Heim oder in einer Familie ist ein Eingriff in die Freiheit der Person.“

  • Hm, ich hatte den Startbeitrag nicht so verstanden, das die Unterbringung zwangsweise verlaufen soll, sondern eher so, dass ganz normal ein neuer Heimplatz "bezogen" werden sollte.

    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.

    (Mark Twain)

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  • Hm, ich hatte den Startbeitrag nicht so verstanden, das die Unterbringung zwangsweise verlaufen soll, sondern eher so, dass ganz normal ein neuer Heimplatz "bezogen" werden sollte.

    :dito:

  • Hm, ich hatte den Startbeitrag nicht so verstanden, das die Unterbringung zwangsweise verlaufen soll, sondern eher so, dass ganz normal ein neuer Heimplatz "bezogen" werden sollte.


    Aus dem Startbeitrag geht nicht hervor, ob die Unterbringung in dem neuen Heim mit, gegen oder ohne Willen des Betroffenen geschehen soll. Der Betroffene ist also in jedem Fall erst einmal anzuhören. Zur Verdeutlichung habe ich den einschränkenden Halbsatz für den Genehmigungsbedarf nach § 1906 BGB mal nach vorne gestellt.

  • Das Argument von RAtlos, dass die betreute Person ihre vier Wände im Heim kennt und dort vertraut ist, habe ich unter dem Gesichtspunkt des § 1907 BGB bisher noch nicht überdacht. Das hat was für sich.
    Die Angabe einer Zimmernummer im Vertrag halte ich im Rahmen des § 1907 BGB für in der Regel nicht für allzu gewichtig. Das Zimmer wird in aller Regel durch eine organisatorische Bestimmung der Heimleitung zugewiesen. Die Angabe der Zimmernummer klingt allemal schöner als der Allgemeinplatz "ein Zimmer", was ja nur eine Selbstverständlichkeit darstellt.

  • Die Angabe einer Zimmernummer im Vertrag halte ich im Rahmen des § 1907 BGB für in der Regel nicht für allzu gewichtig. Das Zimmer wird in aller Regel durch eine organisatorische Bestimmung der Heimleitung zugewiesen.

    Die Änderung des Heimgesetzes zur jetzigen Fassung hatte gerade die Intention, vom "Anstaltsgedanken" im Heimrecht zu gleichberechtigten Vertragspartnern überzugehen. Daher halte ich es nicht mehr für vertretbar, dass der Heimträger dem Bewohner ein Zimmer "zuweist". Denn die Zuweisung impliziert, dass der Heimträger dem Bewohner ein anderes Zimmer "zuweisen" kann, ohne dass der Bewohner zustimmen muss.

    Der Heimbewohner ist in allen Belangen einem Wohnraummieter gleichzustellen, die Bewohnerschutzregeln des Heimgesetzes sind sogar noch stärker ausgeprägt als die des sozialen Wohnraummietrechts. So kann der Heimbewohner gemäß § 5 Abs. 11 HeimG das Entgelt sogar für 6 Monate rückwirkend mindern, was die §§ 536 ff. BGB nicht vorsehen. Auch die Kündigungsvorschriften des § 8 HeimG sind weit strenger als die entsprechenden Vorschriften der §§ 569, 573 BGB. Der Heimträger kann anders als der Vermieter von Wohnraum den Heimvertrag nur außerordentlich kündigen, außer bei Verschulden des Mieters (Zahlungsverzug, erhebliche Pflichtverletzungen) muss der Heimträger nach einer Kündigung dem Bewohner einen zumutbaren neuen Heimplatz (auch in einer Einrichtung eines anderen Trägers) nachweisen. Die Regelungen zur Entgelterhöhung in § 7 HeimG sind ebenfalls weit strenger als die vergleichbaren Regelungen in §§ 557 ff. BGB.

  • Alles nachdenkenswert, ist aber so in der Rechtsprechung nicht aufgetaucht, zumindest kenne ich keine entsprechenden Entscheidungen (das will aber nichts heißen, was meine Person betrifft).

  • Der Heimbewohner ist in allen Belangen einem Wohnraummieter gleichzustellen, die Bewohnerschutzregeln des Heimgesetzes sind sogar noch stärker ausgeprägt als die des sozialen Wohnraummietrechts. So kann der Heimbewohner gemäß § 5 Abs. 11 HeimG das Entgelt sogar für 6 Monate rückwirkend mindern, was die §§ 536 ff. BGB nicht vorsehen. Auch die Kündigungsvorschriften des § 8 HeimG sind weit strenger als die entsprechenden Vorschriften der §§ 569, 573 BGB. Der Heimträger kann anders als der Vermieter von Wohnraum den Heimvertrag nur außerordentlich kündigen, außer bei Verschulden des Mieters (Zahlungsverzug, erhebliche Pflichtverletzungen) muss der Heimträger nach einer Kündigung dem Bewohner einen zumutbaren neuen Heimplatz (auch in einer Einrichtung eines anderen Trägers) nachweisen. Die Regelungen zur Entgelterhöhung in § 7 HeimG sind ebenfalls weit strenger als die vergleichbaren Regelungen in §§ 557 ff. BGB.



    Genauso sehen wir das hier auch und damit ist hier jede Kündigung oder Aufhebung eines Heimvertrages genehmigungspflichtig.

  • "Zugewiesen" (s. #7) meinte ich im Sinne von dass ein Zimmer im Heimvertrag oder im Rahmen einer mdl. Nebenabrede "eindeutig bestimmt ist". Dass der Heimträger kein Recht der Zuweisung hat, sondern es sich um gleichberechtigte Vertragsparteien handelt ist klar.

    Die rechtlicher Würdugung von RAtlos hat einiges für sich und regt mich auch dazu an, die bisherige Praxis zu überdenken.
    Es wäre wirklich interessant zu wissen, was die Rechtsprechung zu den von RAtlos angeführten Punkten denkt. Insoweit sind mir allerdings keine Entscheidungen bekannt.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (10. April 2010 um 18:59)

  • Vielen Dank für die vielen Antworten.

    Die Genehmigung nach § 1812 BGB hätte ich vor lauter § 1907 fast übersehen.
    Ich werd mir jetzt erstmal den Heimvertrag vorlegen lassen, um zu prüfen, was da bezügl. dem "bestimmten" Zimmer drin steht. Auch wenn's meinen Kollegen nicht gefallen wird, denke ich, dass der Heimwechsel genehmigungsbedürftig ist, weil er vom Schutzgedanken des § 1907 erfasst wird.

    Der Vollständigkeit halber:
    Die Betreuerin will das Heim wechseln, weil d. Betreute einen gebrochenen Arm und blaue Flecken hatte und sich vom Heim keiner erklären kann, wie das möglich ist. Der Betroffene kommt ohne fremde Hilfe nicht aus dem Bett und kann sich wegen seiner Demenz an nichts erinnern.

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