Genehmigung nicht erforderlich?

  • Hallo,
    ich bin heute erstmalig über das "AG-KJHG" (Kinder-und- Jugendhilfe-Ausführungsgesetz, gültig bis 31.12.06) des Landes Hessen im Rahmen eines Ausschlagungsverfahrens gestolpert.
    Darin heißt es in § 15:
    "Die Vorschriften des § 1802 Abs. 1, der §§ 1819 bis 1821, des § 1822 Nr. 1 bis 5, 8 bis 11 und 13 sowie der §§ 1823, 1824 und des § 1854 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Aufsicht des Vormundschaftsgerichts bleiben gegenüber dem Jugendamt außer Anwendung. 2Dasselbe gilt bezüglich des § 1822 Nr. 12 des Bürgerlichen Gesetzbuches, soweit es sich um die Aufsicht in vermögensrechtlicher Hinsicht handelt. "

    Ist es in Hessen tatsächlich so, dass in diesen Fällen keine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung notwendig ist?:gruebel:
    Sind evtl. Kollegen aus Hessen da, die mir das erläutern können?

    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.

    (Mark Twain)

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  • Hamburg hat eine ähnliche Regelung:


    § 20 des Hamburgischen Gesetzes zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (AG SGB VIII)

    Aufsicht des Vormundschaftsgerichts

    Über § 56 Absatz 2 Satz 1 SGB VIII hinaus werden die Vorschriften der §§ 1802 , 1821 bis 1824 , § 1854 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, soweit sie die Aufsicht des Vormundschaftsgerichts in vermögensrechtlicher Hinsicht sowie beim Abschluss von Arbeits- und Berufsausbildungsverträgen betreffen, gegenüber den Bezirksämtern als Vormund, Pfleger, Beistand oder Gegenvormund nicht angewendet.

  • Nach § 56 Abs.2 S.1 SGB VIII ist bei einer Tätigkeit des Jugendamts als Amtsvormund oder Amtspfleger keine vormG nach den §§ 1803 II, 1811 und 1822 Nrn.6,7 BGB erforderlich. Nach § 56 Abs.2 S.2 SGB VIII kann das jeweilige Landesrecht auch weitergehende Ausnahmen vom Erfordernis einer vormG vorsehen, soweit es vermögensrechtliche Angelegenheiten oder den Abschluss von Lehr- und Arbeitsverträgen betrifft.

    Von dieser landesrechtlichen Ermächtigung wurde nach den vorstehenden Postings in Hessen und Hamburg Gebrauch gemacht, sodass für die betreffenden Rechtsgeschäfte in der Tat keine vormG erforderlich ist.

    Aber Vorsicht: Dies gilt alles nur, soweit das Jugendamt i.S. des § 55 Abs.1 SGB VIII in den im BGB vorgesehenen Fällen kraft Gesetzes Amtsvormund oder Amtspfleger wird. Bei bestellter Vormundschaft oder Pflegschaft bleibt es somit insgesamt bei allen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungserfordernissen, und zwar auch für die in § 56 Abs.2 S.1 SGB VIII genannten Fälle.

  • Mir ist bekannt, dass die Jugendämter dies nahezu durchweg so sehen. Aber aus dem Wortlaut des § 55 Abs.1 SGB VIII ist m.E. zu entnehmen, dass im Hinblick auf die Befreiuungen nur kraft Gesetzes eintretende Amtsvormundschaften und -pflegschaften gemeint sein können:

    "Das Jugendamt wird Pfleger oder Vormund in den durch das BGB vorgesehenen Fällen."

    § 1791 b BGB regelt keine Fallgestaltung, bei welchen das Jugendamt Amtspfleger oder Vormund "wird", sondern betrifft lediglich die Auswahl der Person des Pflegers, wenn keine geeignete Einzelperson vorhanden ist. Es ist daher nichts dafür ersichtlich, weshalb des Jugendamt als bestellter Vormund oder Pfleger anders als die betreffende Einzelperson behandelt werden sollte.

    Aber sicher lässt sich über diese Frage streiten.

    Giacomo:

    Sind Gerichtsentscheidungen zu diesem Problem bekannt? In den BGB-Kommentaren wird die Unterscheidung zwischen kraft Gesetzes eintretender und bestellter Amtsvormundschaft im Hinblick auf die besagten Befreiuungen nich problematisiert.

  • @ Juris2112:
    Eine Gerichtsentscheidung zu dem Problem ist mir nicht bekannt.

    Alle (mir bekannten) Kommentare zum SGB VIII gehen aber davon aus, dass sich §§ 55 Abs. 1 und 56 Abs. 2 SGB VIII gleichermaßen auf gesetzliche wie auch auf bestellte Vormundschaften beziehen.

    Würde sich § 55 Abs. 1 und 2 nicht auch auf bestellte Vormundschaften beziehen, wäre die Grundlage der Übertragung der Aufgaben der Vormundschaft auf den einzelnen Beamten oder Angestellten im Jugendamt für die überwiegende Zahl der Vormundschaften nicht gegeben. Das kann der Gesetzgeber so nicht gewollt haben.

    Die Formulierung "... wird Beistand, Pfleger, Vormund ..." in § 55 Abs. 1 SGB VIII ist aber in der Tat mißverständlich, wenn darunter auch die bestellten Vormundschaften fallen sollen.

  • Ich möchte diesen alten Thread gerne aus aktuellem Anlass aufgreifen.

    Vorliegend habe ich die Konstellation, dass das Jugendamt Hamburg Vormund ist. Aufsichtsführend ist ein Gericht aus Niedersachsen, wo das Kind auch seinen Aufenthalt hat.

    Der Vormund wollte eigentlich eine Ausschlagungserklärung abgeben, kurzfristig sind neue Erkenntnisse bekannt geworden, die eine Ausschlagung nicht mehr so eindeutig erforderlich machen. Da in Hamburg nach den obigen Ausführungen eine Genehmigungspflicht durch das FamG nicht besteht, kann die Ausschlagungsfrist auch nicht gehemmt werden, wie es bei einem Geschwisterkind mit ehrenamtlichen Vormund paradoxerweise der Fall ist.

    Das FamG hat ja nun seinen Sitz in Niedersachsen. Ist die (landesrechtliche) Befreiung des hamburgischen Amtsvormunds für mich überhaupt von Bedeutung? Die Hamburger können das ja untereinander halten wie sich möchten, aber ist das für mich relevant?

    Bisher bin ich nur auf diesen Aufsatz aufmerksam geworden, der das Problem allerdings aus Sicht des Nachlassgerichts angeht:

    Joos: Erbausschlagung durch den Amtsvormund: Landesrechtliche Befreiung von familiengerichtlicher Genehmigung; zur Geltung in einem anderen Bundesland(JAmt 2014, 554)

    „Denn im konkreten Fall steht der Amtsvormund unter der Aufsicht i. S. v. § 1837 Abs. 1 BGB [neu: Abs. 2] eines baden-württembergischen und nicht eines [hier] brandenburgischen VormG [neu: FamG]. Wenn der baden-württembergische Landesgesetzgeber offenbar im Vertrauen auf die Kompetenz und Zuverlässigkeit derjenigen Amtsvormunde und -pfleger unter seiner Regelungskompetenz es für vertretbar gehalten hat, die vormundschaftsgerichtliche [neu: familiengerichtliche] Kontrolle insoweit einzuschränken, muss dies auch von Nachlassgerichten in einem anderen Bundesland hingenommen werden, selbst wenn dort keine Befreiung für die eigenen JÄ in entsprechendem Umfang gilt.“
    (JAmt 2014, 554, beck-online)

    EDIT: Aufenthalt des Kindes noch ergänzend hinzugefügt :).

    Einmal editiert, zuletzt von Uvilo (27. Februar 2019 um 13:24)

  • Wir haben uns jetzt auf eine Genehmigungspflicht verständigt.

    In der Kommentierung findet sich nicht viel zu diesem Thema. Zwei Fundstellen gehen in diese Richtung:

    Die Befreiung gilt für das JA im befreienden Land, also nicht für dasJA, das in einem anderen Land tätig wird, weil das Land für das fremde JA nichteinstehen kann.
    (LPK-SGB VIII/Peter-ChristianKunkel/Astrid Leonhardt, 7. Aufl. 2018, SGB VIII § 56 Rn. 2-5)

    Im Umkehrschluss:

    Landesrecht kann weitereBefreiungen für das JA als Amtspfleger oder als Amtsvormund von den fürgesetzliche Vertretungen geltenden Regelungen in den §§ 1773–1895 BGB vorsehen,die die Aufsicht des FamG in Angelegenheiten der Vermögenssorge sowie beimAbschluss von Lehr- und Arbeitsverträgen betreffen (Abs. 2 Satz 3). Von dieserErmächtigung haben die Länder in unterschiedlichem Umfang Gebrauch gemacht:Baden-Württemberg (§ 24 LKJHG), Bayern (Art. 59 AGSG), Brandenburg (§ 21AGKJHG), Bremen (§ 12 AGKJHG), Hamburg (§ 20 AGSGB VIII), Hessen (§ 14 HKJGB),Nordrhein-Westfalen (§ 26 AGKJHG), Saarland (§ 32 AGKJHG), Sachsen (§ 34 LJHG),Sachsen-Anhalt (§ 30 KJHG-LSA) und Schleswig-Holstein (§ 46 JuFöG SH). EineBefreiung findet sich besonders häufig von der Erforderlichkeit der Genehmigungeiner Ausschlagung einer Erbschaft, eines Vermächtnisses bzw. zum Verzicht aufeinen Pflichtteil (§ 1822 Nr. 2 BGB). Sofern der Amtsvormund oder -pfleger unter der Aufsichteines FamG steht, in dessen Bereich eine entsprechende Befreiung besteht, giltdie Befreiung auch für Tätigkeiten der Fachkraft in einem Land, das eine solcheBefreiung nicht kennt.
    (Münder/Meysen/Trenczek,Frankfurter Kommentar SGB VIII, SGB VIII § 56 Rn. 2-7, beck-online)

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