Pfändung und Insolvenz

  • Grüß Euch! Ich habe im April für den Gläubiger die Pfändung einer Forderung erwirkt. Im Juni ist das Insolvenzverfahren gegen den Schuldner eröffnet worden. Da die Rückschlagsperre des § 88 InsO nicht mehr greift, werde ich dem Insolvenzverwalter schreiben, dass ich abgesonderte Befriedigung nach § 50 InsO verlange. Ist dieses Vorgehen richtig? Direkte Auszahlung vom Drittschuldner kann ich wohl nicht verlangen? Im voraus vielen Dank und noch eine Bitte: Kann mir jemand ein gutes Buch zur InsO empfehlen; die muss ich mir jetzt doch mal reinziehen. Viele Grüße Eden.

  • Bei den geschilderten Daten dürfte - zumindest im IN-Verfahren - zwar § 88 InsO ausscheiden, aber Anfechtbarkeit nach § 131 InsO in Betracht kommen (Sicherung/Befriedigung ab 3 Monate vor Insolvenzantragstellung ist nach ständiger BGH-Rechtsprechung eine inkongruente Deckung). Im Verbraucherinsolvenzverfahren tut sich der Treuhänder zwar etwas schwerer, ändert aber nichts an der Anfechtbarkeit.

    Literatur zur InsO gibts viel zu viel und um es mit dem alten Henckel zu sagen: "Wer meint, sich nach zwei Jahren Beschäftigung mit dem Insolvenzrecht auszukennen, unterliegt einem Irrtum." Aber nur nicht desillusionieren lassen! Wenn man sich mal ein bisschen auskennt, ist es das Schönste was es gibt.

    Zum Einstieg gibt der Beitrag im Beck'schen Rechtsanwaltshandbuch (8. Aufl.) einen ganz guten Überblick, ansonsten ist auch das Kurzlehrbuch von Bork nicht schlecht. Wer sich lehrbuchtechnisch noch weiter vertiefen will, greift zum Häsemeyer oder noch dickeren Schwarten.

    Für die praktische Arbeit dürfte jedoch ein Kommentar besser sein. Von den Kurzkommentaren ist vor allem der Heidelberger empfehlenswert, nicht nur weil die 4. Auflage so ziemlich das neueste ist, sondern weil darin auch ziemlich kompetente Leute schreiben. Etwa Palandt-Dicke aber einer der Standards ist Uhlenbruck (12. Aufl.).

    Insgesamt jedoch Vorsicht: Es stehen einige evtl. sogar tiefergreifende Gesetzesänderungen an, die eine Neuanschaffung vielleicht kurzfristig veralten lassen würden. Vielleicht also noch etwas abwarten.

  • Hallo Jürgen und hallo chick! Eure Beiträge zeigen, wie wunderbar dieses Forum ist. Jeder zeigt eine Vorschrift auf, über die man gestolpert wäre. Nach der Lektüre Eurer Beiträge ist man dann vernichtend geschlagen, weil ich als Gläubigeranwältin einsehen muss, dass alles umsonst war.
    Wie stellt man eigentlich fest, ob es sich um eine Verbraucherinsolvenz handelt? Im Beschluss steht "über den eigenen Antrag" und dass der Schuldner den Geschäftszweig "Montagen" hatte. Dies deutet zwar auf Verbraucherinsolvenz ("klein") hin, aber woher weiß ich das? Grüße und besten Dank Eden.

  • Zitat von Eden


    Wie stellt man eigentlich fest, ob es sich um eine Verbraucherinsolvenz handelt?


    Bei den Textvorlagen für unsere InsO-Abteilung steht bei den Verbraucherinsos dieses ausdrücklich in den Beschlüssen:
    "In dem Verbraucherinsolvenzverfahren...".

    Wenn dort also nur "In dem Insolvenzverfahren..." steht, dann würde ich meinen, dass es eine Regelinsolvenzsache ist.

    Anmerkung:
    Bin kein Inso-Rpfl. sondern nur Textverwalter für die Inso-Texte. Daher muss das nicht unbedingt so richtig sein, was ich oben schrieb.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Zitat: Wie stellt man eigentlich fest, ob es sich um eine Verbraucherinsolvenz handelt?

    Rein rechtlich betrachtet werden Verbraucher- und Regelinsolvenzen nach den Kriterien in § 304 InsO unterschieden. Wenn das Verfahren allerdings schon eröffnet ist, erkennt man den Unterschied viel leichter am Az.:
    "IN" = Regelinsolvenz
    "IK" = Verbraucherinsolvenz
    ;)

  • Hallo.

    Es wurde für einen Unterhaltsgläubiger (mdj. Kind des Sch.) ein Pfüb in das Konto erwirkt (Erlassdatum 30.05.06).

    Der DS (Bank) hat unmittelbar nach Ablauf der Frist des § 835 III 2 ZPO per 21.06.06 einen nicht unerheblichen Betrag gezahlt, so dass sich der Unterhaltsrückstand quasi von 7.000,- € auf 3.500,- € halbiert hat.

    Nunmehr könnte der (kleingewerbetreibende) Schuldner auf die Idee verfallen, das Insolvenzverfahren zu betreiben.

    Unterliegt die bereits erfolgte Zahlung des teilweisen Unterhaltsrückstandes aus den Jahren 2001-2005

    a) der Rückschlagsperre (Befriedigung ist erfolgt) ?

    b) der Anfechtung nach § 131 InsO ?
    Inwieweit "hatte" der Unterhaltsgläubiger die Befriedigung ihrer Forderungen "nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit" zu beanspruchen ?

    c) Der Sch. betreibt einen minimalistischen Gewerbebetrieb mit Umsatz von ca. 20.000,- € / Jahr. Wäre dies ein ÃK oder ein IN - Fall ?

    d) Eine Anfechtung kommt doch (der Logik nach) nur bei tatsächlicher Eröffnung in Frage ?! Gilt das Anfechtungsrecht auch im Falle des Verbraucherinsolvenzverfahrens ?

    e) Was ist, wenn das Geld schon "gutgläubig" ausgegeben wurde ?

    Insolvenzrecht erscheint echt schwierig ...

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • [quote=the bishop]

    @ bishop

    Insolvenzrecht ist zwar zugegebenermassen nicht ganz einfach, dafür aber wunderschön [ja, ich bin etwas seltsam!] Zu Deinen Fragen:

    a) Rückschlagsperre § 88 InsO macht nur eine Sicherung kaputt und ist nicht mehr anwendbar, wenn die Befriedigung schon erfolgt ist (dann hilft nur noch Anfechtung, §§ 129 ff. InsO)

    b) Nach letztem Stand der BGH-Rechtsprechung ist eine Befriedigung durch Zwangsvollstreckung inkongruent (d.h. § 131 InsO anwendbar), wenn sie innerhalb des von §§ 130, 131 InsO erfassten Zeitraums erfolgt (also ab 3 Monate vor Insolvenzantragstellung bis Insolvenzeröffnung). Darunter fällt auch, wenn der Schuldner zwar "freiwillig" zahlt, aber angesichts unmittelbaren Vollstreckungsdrucks gar keine andere Wahl hat, als Geld hergeben oder wegnehmen lassen. Ausserhalb des Dreimonatszeitraums ist Befriedigung durch Zwangsvollstreckung hingegen nicht ohne weiteres inkongruent (was im Rahmen des § 133 InsO als Beweisanzeichen für die Benachteiligungsabsicht und Kenntnis davon eine Rolle spielt).

    Bei einem Unterhaltsfall könnte noch eine Rolle spielen, ob eine privilegierte Vollstreckung vorliegt, d.h. ob der Unterhaltsgläubiger in den Teil des Vermögens vollstreckt hat, der für andere Gläubiger nicht zugänglich ist. Insoweit ist die Sicherung/Befriedigung dann nämlich mangels Gläubigerbenachteiligung unanfechtbar, weil dieses Vermögen ja nicht zur Insolvenzmasse gehört (hätte), vgl. §§ 35, 36 I InsO.

    c) Die Unterscheidung IN - IK wird möglichst schlicht formell vorgenommen: Ist der Schuldner in irgendeiner Weise auch nur teilselbständig, ist er immer IN. Ist und war er noch nie selbständig, ist er immer IK. War er früher selbständig, ist es bei Antragstellung nicht mehr, kommt es auf § 304 I 2, II InsO an.

    d) Anfechtung nach InsO gibt's nur bei Insolvenzeröffnung. Dann zwar auch im IK-Verfahren, nur müssen sich da grundsätzlich die Gläubiger selbst drum kümmern, § 313 II InsO (was dazu führt, dass sie regelmäßig leer läuft). Außerhalb des Insolvenzverfahrens gibt's allerdings auch eine Anfechtung nach Anfechtungsgesetz. Die Tatbestände sind denen der InsO recht ähnlich. Durchführen kann die Anfechtung aber nur ein Titelgläubiger, und weil die in der Regel noch nicht mal das Anfechtungsgesetz kennen, läuft's ähnlich wie im IK-Verfahren.

    e) "Gutgläubiges" Geldausgeben (schöner Begriff :D ) hilft allenfalls dem Empfänger einer anfechtbaren unentgeltlichen Leistung was, § 143 II 1 InsO. Ansonsten haftet der Anfechtungsgegner wie ein ungerechtfertigt Bereicherter der den Mangel des Rechtsgrundes der Leistung schon bei Empfang kennt, § 143 I InsO.

  • Zitat von chick

    "Gutgläubiges" Geldausgeben (schöner Begriff :D ) hilft allenfalls dem Empfänger einer anfechtbaren unentgeltlichen Leistung was, § 143 II 1 InsO. Ansonsten haftet der Anfechtungsgegner wie ein ungerechtfertigt Bereicherter der den Mangel des Rechtsgrundes der Leistung schon bei Empfang kennt, § 143 I InsO.



    Zunächst vielen Dank.

    Ok ok - gutgläubiges Geldausgeben war evt. nicht ganz treffend :oops: ich wollte auf das Thema Entreicherung hinaus :

    Wenn der Unterhaltsgläubiger also "wie ein ungerechtfertigt Bereicherter" haftet, besteht bei surrogatfreier Verwendung des Geldes die Möglichkeit der Einrede der Entreicherung ?!

    (Zur Zeit ist das Thema "Insolvenz" ja noch nicht konkret, aber das Geld ist auf dem Konto der ges. Vertr. des Unterhaltsgläubigers.)

    Vielleicht sollte der Unterhaltsgläubiger also eine schöne Türkeireise buchen und antreten ?!

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Zitat von the bishop

    Wenn der Unterhaltsgläubiger also "wie ein ungerechtfertigt Bereicherter" haftet, besteht bei surrogatfreier Verwendung des Geldes die Möglichkeit der Einrede der Entreicherung ?!



    Vorweg: Ich bin leider ein DAU :oops: - kann mir mal jemand erklären, wie das mit dem schönen Zitierfenster funktioniert?

    edit : ergänzt
    the bishop
    Mod.

    In der Sache bitte die Türkeireise noch nicht buchen! Entreicherung kann nach § 143 Abs. 2 InsO nur der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung (i.S.v. § 134 InsO) einwenden. Der Unterhaltsgläubiger kriegt seinen Unterhalt aber nicht geschenkt, sondern aufgrund eines gesetzlichen Anspruchs. Da gilt aber die verschärfte Haftung nach §§ 819 I, 818 IV (usw.) BGB, d.h. kein Entreicherungseinwand (- allenfalls der "Lieber Insolvenzverwalter, du hast zwar einen Anspruch, bei mir ist aber nichts zu holen"-Einwand).

    Sollte beim Unterhaltsgläubiger selbst schon die Insolvenz an der Gartentür stehen, hält er sich ausserdem mit nicht notwendigen Ausgaben lieber etwas zurück, weil sonst ein Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung (§ 290 I Nr. 4 InsO) winkt.

  • Zitat von chick


    Vorweg: Ich bin leider ein DAU :oops: - kann mir mal jemand erklären, wie das mit dem schönen Zitierfenster funktioniert?



    einfache 1. Variante: auf den Zitieren-Button unter einem Beitrag klicken

    2. Variante: den zu zitierenden Text in den eigenen Beitrag kopieren und [quote ] voranstellen und [ /quote] anhängen (Leerzeichen innerhalb der Klammern dabei weglassen).

  • Zitat von Juergen
    Zitat von chick


    Vorweg: Ich bin leider ein DAU :oops: - kann mir mal jemand erklären, wie das mit dem schönen Zitierfenster funktioniert?



    einfache 1. Variante: auf den Zitieren-Button unter einem Beitrag klicken

    2. Variante: den zu zitierenden Text in den eigenen Beitrag kopieren und [quote ] voranstellen und [ /quote] anhängen (Leerzeichen innerhalb der Klammern dabei weglassen).



    Danke:blumen:

  • Wow, da ist man mal eine Woche nicht auf dem Damm und kommt vor Staunen über die hochqualifizierten Beiträge nicht mehr raus.
    Super.

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