OLG Karlsruhe: Vom Gerichtsvollzieher veranlasste Ratenzahlung ist keine von Insolvenzverwalter anfechtbare Rechtshandlung
Grundsätzlich kann ein Insolvenzverwalter eine Rechtshandlung des Schuldners - zum Beispiel eine Zahlung an einen Gläubiger nach § 133 InsO anfechten, wenn der Schuldner diese in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz vorgenommen hat, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen, und wenn der begünstigte Teil den Vorsatz des Schuldners kannte. Eine solche Rechtshandlung liegt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe nicht vor, wenn der Schuldner im Rahmen einer Zwangsvollstreckung auf Veranlassung des Gerichtsvollziehers gemäß § 806b ZPO Teilzahlungen an einen Gläubiger vornimmt. Der Senat hat die Revision zugelassen (Urteil vom 24.06.2008, Az.: 8 U 186/07).
Sachverhalt
Geklagt hatte der Insolvenzverwalter eines Bauunternehmens. Er verlangte von der beklagten Berufsgenossenschaft die Rückzahlung von zuletzt rund 5.000 Euro. In dieser Höhe hatte das Bauunternehmen der Berufsgenossenschaft Beiträge geschuldet. Noch vor dem Insolvenzantrag hatte die Berufsgenossenschaft Beitragsbescheide gegen das Unternehmen erlassen, die Grundlage einer Zwangsvollstreckung sein können. Da keine Zahlung erfolgte, erteilte die Berufsgenossenschaft dem Gerichtsvollzieher Vollstreckungsaufträge. Der erste Pfändungsversuch beim Unternehmen blieb erfolglos. Der Gerichtsvollzieher bestimmte daraufhin einen Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, den er aber immer wieder vertagte, wenn das Unternehmen die mit ihm gemäß § 806b ZPO vereinbarten Ratenzahlungen erbrachte. Auf diese Art wurde die Forderung der Berufsgenossenschaftbis zum Mai 2006 beglichen. Nachdem im Dezember 2006 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet worden war, forderte der Insolvenzverwalter diese Summe zurück.
LG: Verurteilung zur Rückzahlung
Das Landgericht Karlsruhe hat der Klage des Insolvenzverwalters stattgegeben und die Berufsgenossenschaft zur Rückzahlung verurteilt, da es sich um freiwillige Zahlungen gehandelt habe und die weiteren Voraussetzungen des § 133 InsO erfüllt seien. Das sah das Oberlandesgericht anders und wies auf die Berufung der Berufsgenossenschaft die Klage des Insolvenzverwalters ab.
OLG: Ratenzahlung zum Nachteil anderer Gläubiger bejaht
Zwar räumte das OLG hier ein, dass das Unternehmen zum Zeitpunkt der Ratenzahlung an den Gerichtsvollzieher bereits zahlungsunfähig und überschuldet gewesen sei. Auch sei es durch die Zahlungen zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung gekommen - hier der übrigen Gläubiger des Bauunternehmens. Der Achte Senat hat auch angenommen, dass die Firma den Vorsatz hatte, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen, und dass dies der Berufsgenossenschaft bekannt war.
Ratenzahlungen nicht als Rechtshandlungen gewertet
Die Voraussetzungen des § 133 InsO hat das OLG indes verneint, da den Teilzahlungen nach Ansicht der Richter keine Rechtshandlungen des Bauunternehmers zugrunde lagen. Die Zahlungen seien nicht freiwillig erfolgt, sondern innerhalb der hoheitlichen Zwangsvollstreckung. Die Ratenzahlungen beruhten nämlich nicht auf einer Ratenzahlungsvereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, sondern seien allein vom Gerichtsvollzieher gemäß § 806 b ZPO als Teil des Zwangsvollstreckungsverfahrens und damit als Teil seines hoheitlichen Handelns veranlasst worden. Das in dieser Form vom Gerichtsvollzieher beigetriebene Geld könne danach nicht anders behandelt werden als etwa Bargeld, das der Gerichtsvollzieher aus der Kasse eines Unternehmens gepfändet habe.
Ergebnis praxisorientiert
Dieses Ergebnis entspricht laut Gericht auch den Interessen der Praxis. Denn der Insolvenzverwalter müsse ansonsten jeweils gerichtliche Verfahren auf Rückzahlung anstrengen, in denen er für zahlreiche, betragsmäßig geringe Teilzahlungen an den Gerichtsvollzieher in jedem Einzelfall die Örtlichkeit der Vornahme der Handlung, den gerade aktuellen Stand der Zwangsvollstreckung, die Art der Zahlung und den jeweiligen Eintritt der Erfüllung detailliert vortragen müsste. Im Extremfall müsste für einen Zeitraum von knapp zehn Jahren auch über kaum noch aufklärbare Streitfragen des subjektiven Bereichs, nämlich den Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis der Gegenseite gestritten werden. Darüber hinaus würde diese Möglichkeit zu einer erheblichen Verunsicherung von Gläubigern mit berechtigten titulierten Forderungen führen, da für sie die Gefahr bestehen würde, noch nach vielen Jahren auf Rückzahlung von Geld in Anspruch genommen zu werden, das im Rahmen einer ordnungsgemäßen Zwangsvollstreckung an sie ausgezahlt worden ist. Dadurch würde auch das einzige einem privaten Gläubiger nach dem Gesetz zur Verfügung stehende Zwangsmittel der Zwangsvollstreckung in seiner Effizienz erheblich geschwächt.
Rechtlicher Hintergrund: § 133 InsO
Mit § 133 InsO soll es dem Insolvenzverwalter ermöglicht werden, beispielsweise freiwillige Zahlungen des Insolvenzschuldners an Gläubiger zurückzufordern, um für die Durchführung des Insolvenzverfahrens die Vermögensmasse für alle Insolvenzgläubiger zu vergrößern, wenn der Schuldner den Vorsatz hatte, die anderen Gläubiger zu benachteiligen und der bevorzugte Gläubiger das wusste. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in einem Zeitraum bis zu drei Monate vor dem Insolvenzantrag der Grundsatz des Vorrangs des schnelleren Gläubigers gilt, der in der Einzelzwangsvollstreckung seine Forderungen durchsetzt, während danach, in den letzten drei Monaten, der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger herrscht.
beck-aktuell-Redaktion, Verlag C. H. Beck, 26. Juni 2008.
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