Handlung des Erben zwischen Erbscheinserteilung und dessen Einziehung

  • Hallo, liebe Kollegen.

    Am 06.06.2008 erfolgte die Grundbuchberichtigung aufgrund testamentarischer Erbfolge, nachgewiesen durch Erbschein vom 07.04.2008.

    Am 18.06.2008 teilte der Sohn der Erblasserin dem GBA mit, dass er gegen die Erteilung des Erbscheins Beschwerde eingelegt hat.

    Aus den NL-Akten ergibt sich, dass das Erbscheinseinziehungsverfahren eingeleitet wurde.

    Am 02.07.2008 wurde ein Antrag auf Löschung einer Grundschuld gestellt.

    Da Zweifel darüber bestehen, wer Erbe und damit Eigentümer des Grundstücks ist, ist im Moment unklar, wer die Zustimmung nach § 27 GBO erteilen muss.

    Eigentlich gilt bis zu seiner Einziehung die Richtigkeitsvermutung des Erbscheins nach §§ 2365, 2366 BGB.

    Allerdings hat das Grundbuchamt nunmehr Kenntnis von einer evtl. Unrichtigkeit des Erbscheins.

    Kann dennoch der im Erbschein ausgewiesene Erbe die Zustimmung nach § 27 GBO erteilen?

    Vielen Dank für eure Hilfe.

  • Ist der Erbschein eingezogen oder nicht? Was heißt "Einziehungsverfahren eingeleitet"?

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Eigentlich hast Du Deine Frage schon selbst beantwortet:

    Es gilt für den Erbschein eine Richtigkeitsvermutung. Eine Vermutung kann (im Gegensatz zur Fiktion) widerlegt werden. In Deinem Falle ist sie dadurch widerlegt, dass Du weißt, dass da etwas "im Busch" ist, Du kannst also nicht mehr auf die Richtigkeit vertrauen. Hierzu Palandt/Edenhofer § 2366 Rn. 3: "Die Kenntnis des Rückgabeverlangens des Erbscheins durch das Nachlassgericht macht bösgläubig."

    Es bleibt also erstmal abzuwarten, wer tatsächlich Erbe ist.

    Auf die zeitliche Reihenfolge kommt es gar nicht an, weil es um eine Frage der Bewilligungsberechtigung geht.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Sehe ich wie Andreas. Die Richtigkeitsvermutung gilt nur solange das Grundbuchamt - sprich - der Rpfl. nicht anderes wissen kann. Leg die Sache bis zur Beendigung des Erbscheinsverfahrens auf Eis.

  • Ist der Erbschein eingezogen oder nicht? Was heißt "Einziehungsverfahren eingeleitet"?



    Der Erbschein ist noch nicht eingezogen. Eine Ausfertigung befindet sich noch in der Akte.

  • Solange nur das Verfahren eingeleitet ist, würde ich von der Richtigkeit ausgehen. Das Verfahren könnte ja auch mit der Bestätigung der bisherigen Erbfolge enden.
    Zitat:
    Hügel, GBO RN 7 zu § 27 GBO

    "Unter der Voraussetzung der Vermutung des § 891 BGB kann das Grundbuchamt davon ausgehen, das der eingetragene Eigentümer auch zustimmungsberechtigt ist.... Für die Zustimmungsberechtigung kommt es auf den Zeitpunkt der Löschung an."

    Mit anderen Worten auf Vermutungen würde ich nicht bauen.

    Einmal editiert, zuletzt von nemo (17. Juli 2008 um 15:17) aus folgendem Grund: Schreibfehler

  • Genauso wie die Vermutung des § 2366 kann die Vermutung des § 891 erschüttert werden oder erschüttert worden sein. Wenn Du weißt, dass der Eingetragene nicht wahrer Berechtigter ist, darfst Du Dich nicht auf den § 891 BGB zurückziehen und sagen: Das steht da aber so drin.

    Ein Erbscheinseinziehungsverfahren wird üblicherweise nicht aus Jux und Dollerei eingeleitet. Da muss schon mehr dahinterstecken. Und damit sehe ich die Richtigkeitsvermutung des Erbscheins als widerlegt an.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Genauso wie die Vermutung des § 2366 kann die Vermutung des § 891 erschüttert werden oder erschüttert worden sein. Wenn Du weißt, dass der Eingetragene nicht wahrer Berechtigter ist, darfst Du Dich nicht auf den § 891 BGB zurückziehen und sagen: Das steht da aber so drin.

    Ein Erbscheinseinziehungsverfahren wird üblicherweise nicht aus Jux und Dollerei eingeleitet. Da muss schon mehr dahinterstecken. Und damit sehe ich die Richtigkeitsvermutung des Erbscheins als widerlegt an.


    :daumenrau - und zwar bis das Erbscheinseinziehungsverfahren beendet ist.

  • Der Erbschein ist noch nicht eingezogen. Eine Ausfertigung befindet sich noch in der Akte.


    Genauso wie die Vermutung des § 2366 kann die Vermutung des § 891 erschüttert werden oder erschüttert worden sein. Wenn Du weißt, dass der Eingetragene nicht wahrer Berechtigter ist, darfst Du Dich nicht auf den § 891 BGB zurückziehen und sagen: Das steht da aber so drin.

    Ein Erbscheinseinziehungsverfahren wird üblicherweise nicht aus Jux und Dollerei eingeleitet. Da muss schon mehr dahinterstecken. Und damit sehe ich die Richtigkeitsvermutung des Erbscheins als widerlegt an.



    Also unser Nachlassgericht fordert auch vom Grundbuch unter Mitteilung der Einleitung des Verfahrens die Ausfertigung an, soweit sich eine in den Grundakten befindet. Bei Seestern scheint das anders zu sein, Verfahrenseinleitungskenntniss nur auf Hinweis des Sohnes des bisherigen Eigentümers durch Einsicht in die Nachlassakte, eine Ausfertigung liegt auch noch vor. Also unter den Prämissen von Andreas wäre ja jede Eintragung nur vermutlich.

  • Ein bisschen mehr dürfte beim Nachlassgericht wohl schon gewesen sein, aber sei es, wie's sei: Wenn die Kenntnis um das Rückforderungsverlangen bei normalen Parteien zur Bösgläubigkeit führt (s. o.), hat das Grundbuchamt später wohl sehr schlechte Karten, wenn es jetzt trotzdem auf der Grundlage des Erbscheins eine Eintragung vornimmt, der soeben eingezogen wird.

    Und ja: Letztlich steht zumindest gesetzessystematisch gesehen jede Grundbucheintragung unter dem Vorbehalt der Erschütterung der Vermutung der Richtigkeit, soweit sich ein gutgläubiger Erwerb anschließen kann.

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  • Wenn ich weiß, dass der Erbschein eingezogen werden könnte, weil ein Einziehungsverfahren läuft, würd ich nichts mehr in´s Grundbuch eintragen - auch keine Löschung eines Rechts.
    Egal wie die Sache mit dem Erbschein ausgeht; die Eintragung kann solange warten, bis Rechtssicherheit herrscht. Ich denke, da haben auch die Beteiligten Verständnis, wenn man denen die Angelegenheit in einem kurzen Anschreiben erklärt und die Sache bis zum Abschluss des (evt. Erbscheinseinziehungs-)verfahrens verfristet.

  • Wenn ich weiß, dass der Erbschein eingezogen werden könnte, weil ein Einziehungsverfahren läuft, würd ich nichts mehr in´s Grundbuch eintragen - auch keine Löschung eines Rechts.
    Egal wie die Sache mit dem Erbschein ausgeht; die Eintragung kann solange warten, bis Rechtssicherheit herrscht. Ich denke, da haben auch die Beteiligten Verständnis, wenn man denen die Angelegenheit in einem kurzen Anschreiben erklärt und die Sache bis zum Abschluss des (evt. Erbscheinseinziehungs-)verfahrens verfristet.



    Vom Grundsatz habt Ihr alle Recht, aber mich stört dabei nur die Tatsache das der "wahre" Berechtigte zustimmen muss. Wann ist dann der Zeitpunkt für mich zu entscheiden, wer dies ist? Mit Erteilung eines eventuell neuen Erbscheines? Was ist wenn gegen diesen Erbschein dann wieder ein anderer vorgeht und ich wieder davon Kenntnis habe? Irgendwann müsste ich doch mal den simplen Löschungsantrag vom Tisch kriegen. Ich könnte ja auch löschen auf Grund Unrichtigkeitsnachweis, wenn mir nachgewiesen wird, das keine Eigentümergrundschuld entstanden ist, der eventuelle neue Erbe wird ja wohl kaum die Forderung beglichen haben.

  • Der Fall, daß auf die Grundschuld gezahlt worden wäre, dürfte aus der Erfahrung wohl ausscheiden.
    Andreas zitiert aber, daß die Kenntnis vom Rückgabeverlangen bösgläubig macht. Ein solches Verlangen liegt jedoch gerade (noch) nicht vor. Sonst dürfte sich die Erbscheinsausfertigung nicht mehr beim GBA befinden. Die Richtigkeitsvermutung des Erbscheins ist also gerade (noch) nicht widerlegt. Daher auch meine noch offene Frage, was "Einziehungsverfahren eingeleitet" konkret bedeutet. Hat das einer angeregt und jetzt werden alle angehört? Dann ist noch nichts grundbuchrelevantes passiert.

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  • Andreas zitiert aber, daß die Kenntnis vom Rückgabeverlangen bösgläubig macht.



    Wer ist denn bösgläubig mit Kenntnis des Rückgabeverlangen, doch derjenige der vom Nichtberechtigten erwirbt. Kann ein Rechtspfleger bösgläubig sein? Für die Wirksamkeit der Löschung kommt es doch auf den Zeitpunkt der Löschung an. Wenn die formalen Voraussetzungen vorliegen, Zustimmung des im Grundbuch eingetragen Eigentümers, die Ausfertigung des Erbscheines sich auch noch bei der Grundakte befindet, würde ich löschen. Ob sich im nachhinein, zum Beispiel nach Löschung, außerhalb des Grundbuches herausstellt, das nicht der "wahre" Berechtigte zu gestimmt hat, wäre mir egal, da ich zum Zeitpunkt der Löschung das Grundbuch nicht unrichtig mache. Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn ein neuer Erbschein schon erteilt wurde und ich positiv davon Kenntnis habe.

  • Was ich ja auch mit den dem Zitat folgenden Sätzen andeuten wollte.

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  • Daher auch meine noch offene Frage, was "Einziehungsverfahren eingeleitet" konkret bedeutet. Hat das einer angeregt und jetzt werden alle angehört? Dann ist noch nichts grundbuchrelevantes passiert.



    Der Sohn der Erblasserin hat beim NL-Gericht Beschwerde gegen die Erteilung des Erbscheins eingelegt. Vorsorglich hat er diese Tatsache dem GBA mitgeteilt.

    Aus der NL-Akte ergibt sich, dass die Beschwerde dem Erben und dem Notar, der den Erbscheinsantrag beurkundet hat, zur Stellungnahme zugesandt wurde. Der Notar hält an seiner Auslegung des Testamentes fest, der Erbe selbst hat sich nicht gemeldet.

    Warum die Erbscheinsausfertigung bei Einlegung der Beschwerde nicht zurückgefordert wurde, weiß ich nicht.

    Eine Kollegin vom NL-Gericht sagte mir eben, dass normalerweise die Ausfertigung zurückverlangt wird, sobald eine Beschwerde gegen die Erteilung eingeht (meist vorsorglich bis zu einer Entscheidung über die Beschwerde). Warum das in diesem Falle nicht so ist, konnte sie mir nicht sagen.

    @nemo: Zunächst geht es nur um eine Löschung. Aber das Grundstück wurde bereits verkauft, der Antrag auf Eigentumswechsel wird demnächst gestellt werden. Dann stehe ich wieder vor demselben Problem.

  • Nach meiner Ansicht kann nicht eingetragen werden. Wenn der Erbschein zur Eintragung der Erben vorgelegt wird (§ 35 GBO), darf die Eintragung nicht erfolgen, wenn das Grundbuchamt weiß, dass der Erbschein unrichtig sein kann und dessen Einziehung zu erwarten ist (Demharter § 35 Rn.26). In einem anderen Eintragungsverfahren, in dem der Erbschein eine Rolle spielt, kann nichts anderes gelten. Im vorliegenden Fall geht es aber gar nicht um die Vermutung des § 2365 BGB, sondern um die des § 891 BGB. Die Erbfolge ist ja schon eingetragen. Das macht im Ergebnis aber keinen Unterschied, weil die Unrichtigkeit des Erbscheins gleichzeitig zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führt.

  • In der zitierten Rz. steht bei mir: "Der Erbschein muß das Erbrecht unzweideutig bezeugen.... Sonst ist er auf seine Richtigkeit nicht nachzuprüfen...Nur wenn das GBA neue, vom Nachlaßgericht offenbar nicht berücksichtigte Tatsachen kennt, die die ursprüngliche oder nachträgliche Unrichtigkeit des Erbscheins in irgendeinem Punkt erweisen und daher seine Einziehung durch das Nachlaßgericht erwarten lassen, darf der Erbschein der Eintragung nicht mehr zugrunde gelegt werden..."
    Ich vermag für den vorliegenden Fall daraus nicht den Schluß wie Eisprinzessin zu ziehen. Hier legt offenbar lediglich jemand das Testament anders als das Nachlaßgericht aus, an dessen Auslegung das GBA aber gebunden ist. Die Erfolgsaussichten für eine Änderung des Erbscheins beurteilt das NLG offenbar auch nicht besonders hoch, da es sich um die erteilten Ausfertigungen vor Einziehung auch nicht weiter kümmert. Die Vermutung des § 891 BGB ist damit für mich nicht erschüttert. Wo sind hier die Tatsachen, die die Unrichtigkeit des Erbscheins erweisen?

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

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