Handschr. Testament: Vor- und Nacherbfolge?

  • Zitat von Helmut Vieten

    Ich würde eher in Richtung krim auslegen: Hermine ist Vollerbin und Stefan Ersatzerbe.


    Hallo,

    das kann m.E. nicht sein, da die Erblasserin verfügt hat, daß nach ihrem Tod ihr Vermögen an Stefan fällt.

    Das ist eine eindeutig bestimmte Vor- und Nacherbschaft, keinesfalls eine Vollerbeneinsetzung.


    Gruß HansD

  • Zitat von susi

    Und wie soll ich dann den Erbschein erteilen? XY ist beerbt worden von Hermine. Vor- und Nacherbfolge ist insoweit angeordnet, wie die Vorerbin den Nachlass nicht an einen ihrer beiden Söhne Stefan und Michael übertragen hat. Der Nacherbfall tritt ein bei Tod der Vorerbin. Nacherbe ist Stefan.
    Geht das? Oder wie muss der Erbschein lauten?


    Hallo,

    wie ich die Erbfolge sehe, hab ich ja schon an anderer Stelle geschrieben.

    M.E. könnte der Erbschein wie folgt aussehen:

    Die XY ist alleine beerbt worden von Hermine.

    Hermine ist Vorerbin, Nacherbe ist Stefan, der Nacherbfall tritt ein mit dem Tod des Vorerben.

    Soweit Hermine den Nachlaß zu Lebzeiten an Stefan und/oder ??? überträgt, ist sie Vollerbin.


    Könnte das so gehen? Warum nicht.


    Gruß HansD

  • Leider kamen noch einige Telefonate mit Mandanten dazwischen.

    Nun denn:

    1. Nacherbenlösung

    Ich fürchte, dass sich die Intention des Erblassers mittels einer Nacherbfolge nicht verwirklichen lässt, weil es für die Zulässigkeit der anderweitigen lebzeitigen oder letztwilligen Verfügung nur zwei gesetzeskonforme Alternativen gibt:

    a) Die Zulässigkeit der lebzeitigen Verfügung des Vorerben wird durch § 2113 Abs.2 BGB begrenzt. Diese zwingende Norm lässt sich (entgegen HansD) nicht durch eine Bedingungskontruktion außer Kraft setzen. Dies gilt umso mehr, als die Alleinerbin rechtsgeschäftlich nur über einzelne Nachlassgegenstände, nicht aber über die Hälfte des Nachlasses in seiner (hälftigen) Gesamtheit verfügen kann. Die Beschränkung der Nacherbfolge zugunsten des Sohnes Stefan auf einen (fiktiven) Hälfteerbteil ist ebenfalls nicht möglich, weil Vorerbe und Nacherbe keine Erbengemeinschaft im Hinblick auf den mit der Nacherbfolge beschwerten Nachlass bilden können. Eben dieses Ergebnis würde aber beim Ableben der Vorerbin eintreten: Hermine zur Hälfte Vollerbin und Stefan zur Hälfte Nacherbe. Diese „Erbengemeinschaft“ zwischen Hermine und Stefan würde erst mit dem Ableben von Hermine entstehen können. Also Hermine als Mitglied einer Erbengemeinschaft, die erst mit ihrem Tod entsteht. Ein Ding der Unmöglichkeit.

    Ergebnis also: Im Fall der Nacherbfolge zugunsten des Sohnes Stefan hat die alleinige Vorerbin die Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs.2 BGB am Hals. Da der Erblasser hiervon nicht befreien kann (§ 2136 BGB) und ausschließlich unentgeltliche Verfügungen zugunsten des anderen Sohnes in Frage stehen, lässt sich der Erblasserwille mittels Anordnung einer Nacherbfolge nicht verwirklichen.

    b) Die anderweitige letztwillige Verfügung der alleinigen Vorerbin ließe sich grundsätzlich mit der Annahme erreichen, dass die angeordnete Nacherbfolge unter der auflösenden Bedingung steht, dass die Vorerbin nicht anderweitig testiert. Dies scheitert aber daran, dass der Vorerbin nur die Verfügung über die Hälfte des Nachlasses gestattet sein soll und -vor allem- daran, dass der Erblasser der Vorerbin aus Gründen der Testierfreiheit nicht gleichzeitig vorschreiben kann, wie die Vorerbin für den Fall dieser die Nacherbfolge außer Kraft setzenden letztwilligen Verfügung zu testieren habe (nämlich nur zugunsten des anderen Sohnes). Damit führt auch dieser Weg nicht zur Verwirklichung des Erblasserwillens.

    2. Erbteilslösung

    Die Verwirklichung des Erblasserwillens durch die Übertragung hälftiger Erbteile auf beide Kinder scheidet von vorneherein aus, weil Hermine Alleinerbin ist und in dieser Eigenschaft nach § 2033 BGB keine „fiktiven“ Erbteile übertragen kann.

    3. Vermächtnislösung

    a) Kein Vermächtnisanspruch des anderen Sohnes

    Der Bruder von Stefan hat keinerlei ihm letztwillig zugewendete erbrechtliche Ansprüche, weil ihm der Erblasser -wie er selbst im Testament hervorhebt- nichts zugewendet hat. Der Erblasser wollte es vielmehr ins Belieben der Alleinerbin stellen, ob sie die Hälfte des Nachlasses an ihren anderen Sohn weitergibt. Dies kann nicht Gegenstandes eines Vermächtnisses sein, weil der Erblasser die Entscheidung über das „Ob“ einer Zuwendung nicht dem Erben oder einem sonstigen Dritten überlassen kann.

    TL: § 2151 BGB kann nicht zutreffen, weil es nicht zwei Bedachte, sondern aus den genannten Gründen (bestenfalls) nur einen Bedachten (nämlich Stefan) gibt. Die letztwillige Verfügung schafft somit keine „unentschiedene“ Stellung von mehreren Bedachten, die durch einen Dritten mittels Bestimmungsrecht beeinflusst werden müsste.

    b) Betagter bzw. aufschiebend befristeter Vermächtnisanspruch des Sohnes Stefan

    Die getroffenen Verfügungen des Erblassers lassen sich dahingehend auslegen, dass Sohn Stefan vermächtnisweise alle Gegenstände erhalten soll, welche im Zeitpunkt des Erbfalls zum Nachlass des Erblassers gehören und beim Ableben der Alleinerbin Hermine noch in deren Vermögen vorhanden sind. Gegen die Wirksamkeit einer solchen Anordnung lassen sich aus § 2065 BGB keine rechtlichen Bedenken herleiten:

    Zunächst ist festzuhalten, dass sowohl der Berechtigte des Vermächtnisses (Stefan) als auch die Vermächtnisgegenstände (alle Nachlassgegenstände) vom Erblasser selbst bestimmt wurden und dass unter diesem Gesichtspunkt daher keine Wirksamkeitsbedenken gegen die vorliegende Vermächtnisanordnung erhoben werden können. Des weiteren stößt es auf keine rechtlichen Bedenken, dass der Erblasser den Vermächtnisanspruch in Form eines sog. betagten Vermächtnisses erst auf das Ableben des überlebenden Ehegatten fällig gestellt oder ein auf das Ableben des überlebenden Ehegatten aufschiebend befristetes Vermächtnis angeordnet hat. Fraglich kann somit allenfalls erscheinen, ob die Befugnis der Alleinerbin zur lebzeitigen anderweitigen Verfügung dazu führt, dass dieser anstelle des Erblassers unzulässigerweise die alleinige Dispositionsbefugnis über die letztlich von der Vermächtnisanordnung betroffenen Gegenstände eingeräumt wurde (§ 2065 Abs.2 Alt.2 BGB). Dies ist nach meinem Dafürhalten schon deshalb zu verneinen, weil das Gesetz die genannte rechtliche Konstruktion auch im Recht der Nacherbschaft ausdrücklich für zulässig erklärt, wenn der Nacherbe nach § 2137 BGB auf den beim Eintritt des Nacherbfalls vorhandenen Überrest eingesetzt ist und der Vorerbe aufgrund dieser Anordnung die Befugnis erlangt, den Nacherben durch eigene lebzeitige Verfügung auf die beim Eintritt des Nacherbfalls noch vorhandenen Nachlassgegenstände zu verweisen (§ 2138 Abs.1 BGB). Die hieraus folgende Tatsache, dass eine solche inhaltlich ausgestaltete Erblasseranordnung sogar im dinglichen Bereich der Erbfolge zulässig ist, kann nämlich nur den Schluss zulassen, dass gegen ihre Wirksamkeit im schuldrechtlichen Vermächtnisbereich „erst recht“ keine rechtlichen Bedenken bestehen können.

    Hinzu kommt aber noch ein weiteres: Ergibt die Auslegung der letztwilligen Verfügung, dass der bedachte Erbe bei den im Anwendungsbereich des § 2137 BGB in Frage kommenden Fallgestaltungen nicht Vorerbe, sondern Vollerbe des Erblassers sein soll, so ist der Letztbedachte im Hinblick auf das freie Verfügungsrecht des Erstbedachten nicht zum Nacherben des Erblassers, sondern „lediglich“ zum Vermächtnisnehmer auf das Ableben des Vollerben eingesetzt (OLG Bremen DNotZ 1956, 149; OLG Oldenburg DNotZ 1958, 95; Staudinger/Behrends/Avenarius § 2137 RdNrn. 4, 5; Palandt/ Edenhofer § 2137 RdNrn. 1, 2). Eine derartige Auslegung setzt die Zulässigkeit einer solchen Vermächtnisanordnung aber bereits begrifflich voraus.

    Ist die genannte betagte bzw. aufschiebend befristete Vermächtnisanordnung somit dem Grunde nach zulässig, so ist das Vermächtnis nach dem ausdrücklich erklärten Erblasserwillen des weiteren dahingehend inhaltlich ausgestaltet, dass dem Sohn Stefan im Hinblick auf das freie Verfügungsrecht der Alleinerbin mindestens die Hälfte des Nachlasswertes verbleiben muss und dass eine anderweitige lebzeitige Verfügung nur zugunsten des Bruders von Stefan erfolgen darf. Meines Erachtens wäre es -Zulässigkeit vorausgesetzt- sogar einen Gedanken wert, anzunehmen, dass der Alleinerbin auch gestattet ist, im Vermächtniswege letztwillig zugunsten des Bruders von Stefan bis zur Höhe des hälftigen Wertes des Nachlasses des Erblassers zu verfügen. Anderenfalls wäre die Alleinerbin zur lebzeitigen Verfügung zugunsten von Stefans Bruder gezwungen, obwohl sie das vielleicht gar nicht will. Und wieso sollte Stefan im Gegensatz zu seinem Bruder bis zum Ableben seiner Mutter mit dem Vermächtniserwerb zuwarten müssen, obwohl er eindeutig die „stärkere“ testamentarische Stellung im Verhältnis zu seinem Bruder hat - dieser hat ja überhaupt keinen Anspruch!

    Ergebnis somit: Mit der geschilderten Vermächtniskonstruktion ließe sich der Erblasserwille durchaus umsetzen. Allerdings kommt diese Lösung nur in Betracht, wenn das Testament dahingehend auszulegen ist, dass Sohn Stefan in jedem Fall (also nicht nur beim Vorversterben von Hermine) in den Genuss des Nachlasses kommen soll. Gerade hieran können aber durchaus begründete Zweifel bestehen (hierzu vgl. sogleich nachfolgend Ziffer 4).

    4. Die „einfache“ Lösung

    Der Erblasser hat verfügt:

    „Im Fall des Ablebens von Hermine wird mein Nachlass an Stefan übertragen.“

    Dies ist (entgegen HansD) auslegungsbedürftig und kann zweierlei bedeuten: Zum einen, dass Stefan bloßer Ersatzerbe ist, falls Hermine vor dem Erblasser verstirbt. Und zum anderen, dass Stefan nicht nur Ersatzerbe, sondern auch Nacherbe (bzw. betagter oder aufschiebend befristeter Vermächtnisnehmer) für den Fall ist, dass Hermine den Erbfall erlebt, die Erbschaft annimmt und dann später nachverstirbt. Wenn ich mir das Testament unbefangen betrachte und meine in Ziffer 3) zum Ausdruck gekommenden verknoteten Gehirnwindungen etwas beiseite schiebe, würde ich am ehesten dazu neigen, hier eine bloße Ersatzerbenregelung zu befürworten (so auch die Auslegungsregel des § 2102 Abs.2 BGB!). Meines Erachtens verhält es sich ganz einfach so, dass der Erblasser die bedachte Hermine zur alleinigen Vollerbin einsetzen wollte, deren Sohn Stefan für den Fall des Vorversterbens von Hermine zum Ersatzerben bestimmt und es Hermine für den Fall ihrer Alleinerbschaft im übrigen völlig freigestellt hat, wie sie künftig zu Lebzeiten oder von Todes wegen über die geerbten Nachlassgegenstände verfügen möchte. In diesem Kontext stellt sich die scheinbare testamentarische Bevorzugung von Stefan (mit Ausnahme der Ersatzerbenregelung als solcher) in Wahrheit als der bloße mitgeteilte Wunsch des Erblassers dar, dass ihm im Hinblick auf seinen Nachlass Stefan als späterer Erbe (von Hermine!) lieber als dessen Bruder wäre (aber mach was Du willst, es wird schon seine Richtigkeit haben!). Für den Fall, dass Hermine den Erbfall nicht erlebt, kann sie aus naheliegenden Gründen aber keine Entscheidung über die „Weitergabe“ des Nachlasses des Erblassers mehr treffen. Und für diesen Fall (und nur für diesen Fall) greift dann die Sympathie des Erblassers für Stefan in Form der getroffenen bloßen Ersatzerbenregelung.

    Ich denke, das macht Sinn.

    5. Ergebnis

    Hermine ist alleinige Vollerbin. Die Ersatzerbenregelung zugunsten von Stefan kommt nicht zum Zuge, weil Hermine den Erbfall erlebt hat. Alles andere ist erbrechtlich nicht relevant, sondern nur die Artikulierung rechtlich unverbindlicher Wünsche und Vorstellungen des Erblassers.

  • Ich stimme "HansD" zu. Nur die Nacherbfolge wird dem Erblasserwillen gerecht. Sie steht unter einer auflösenden Bedingung.

    Zitat

    Die anderweitige letztwillige Verfügung der alleinigen Vorerbin ließe sich grundsätzlich mit der Annahme erreichen, dass die angeordnete Nacherbfolge unter der auflösenden Bedingung steht, dass die Vorerbin nicht anderweitig testiert. Dies scheitert aber daran, dass der Vorerbin nur die Verfügung über die Hälfte des Nachlasses gestattet sein soll und -vor allem- daran, dass der Erblasser der Vorerbin aus Gründen der Testierfreiheit nicht gleichzeitig vorschreiben kann, wie die Vorerbin für den Fall dieser die Nacherbfolge außer Kraft setzenden letztwilligen Verfügung zu testieren habe (nämlich nur zugunsten des anderen Sohnes). Damit führt auch dieser Weg nicht zur Verwirklichung des Erblasserwillens.

    Das verstehe ich nicht. Von anderweitig testieren steht im Testament nichts. Dort ist Hermine die Übertragung (also zu Lebzeiten) gestattet. Die Bedingung wäre also die Übertragung. Die Annahme einer Vollerbschaft würde der Anordnung

    Zitat

    Im Falle des Ablebens von Hermine wird mein Nachlass an Stefan übertragen.

    überhaupt nicht Rechnung tragen. Eine Ersatzerbeneinsetzung für Stefan ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil der Erblasser offenbar davon ausging, dass Hermine den Erbfall erlebt:

    Zitat

    Im Falle des Ablebens von Hermine wird mein Nachlass an Stefan übertragen.


  • Hallo,

    ja, ich bleibe auch letztlich bei meiner Auffassung und freue mich, daß ich damit nicht ganz allein stehe.

    Gleichwohl will ich nochmals - ich glaube, ich hab das schon mal getan - meine ganz besondere Hochachtung für juris2112 ausdrücken. Ich finde sein Engagement ganz außergewöhnlich und beeindruckend.


    Gruß HansD

  • HansD: Danke für die Blumen!

    Zur Erläuterung meiner Stellungnahme in #23 noch folgendes:

    Zu den Einwänden von § 21 BGB:

    Die Erläuterungen in Ziffer 1 b) bezogen sich lediglich auf die Frage, ob sich der Wille des Erblassers durch eine entsprechende Auslegung des Testaments im Hinblick auf die Möglichkeit einer Außerkraftsetzung der Nacherbfolge durch anderweitige letztwillige Verfügung von Hermine verwirklichen lässt. Durch eine auf diese Weise auflösend bedingte Nacherbfolge ließe sich nämlich das gleiche Ergebnis herbeiführen wie durch eine (von mir nach Ziffer 1 a für unzulässig gehaltene) auflösende Bedingung für den Fall der von HansD und § 21 BGB für möglich gehaltenen "Veräußerung des Nachlasses". Ich habe somit nur darlegen wollen, dass sich eine Verwirklichung des Erblasserwillens auf diesem Wege wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Testierfreiheit der Erbin nicht erreichen lässt.

    Zu den abweichenden Auffassungen von HansD und § 21 BGB:

    Die befürwortete Auslegung im Hinblick auf eine auflösend bedingte Nacherbfolge für den Fall der "Veräußerung des Nachlasses" ist weder zulässig noch lässt sie sich rechtsgeschäftlich verwirklichen. Da Hermine nach dieser Auffassung alleinige Vorerbin wird, kann sie den Nachlass nicht dinglich durch Erbteilsübertragung an ihre Söhne übertragen. Vielmehr kommt lediglich die Übereignung der einzelnen Nachlassgegenstände in Betracht. Da diese Übereignungen unentgeltlich i.S. des § 2113 Abs.2 BGB erfolgen würden (der Erblasser kann hiervon nicht befreien), könnte die genannte auflösende Bedingung nur eintreten, wenn eine wirksame unentgeltliche Veräußerung vorläge. Diese Wirksamkeit kann aber nach der zwingenden Norm des § 2113 Abs.2 BGB überhaupt nicht eintreten. Die Möglichkeit der Nacherbenzustimmung durch Stefan muss insoweit außer Betracht bleiben, weil eine Verfügung der Vorerbin in diesem Fall ohnehin gegenüber dem Nacherben wirksam wäre und es der genannten auflösenden Bedingung für die gesamte Nacherbfolge nach dem Willen des Erblassers somit überhaupt nicht mehr bedürfte. Insbesondere lässt sich durch die genannte auflösende Bedingung nicht die Problematik lösen, die dadurch entstünde, dass sich die Alleinerbin lediglich eines Teils der Nachlassgegenstände entäußern möchte. Die Nacherbfolge ist Gesamtrechtsnachfolge. Sie kann auf dem Bedingungswege nur insgesamt erlöschen oder überhaupt nicht. Ein Erlöschen im Hinblick auf einzelne Nachlassgegenstände ist mittels Bedingung rechtlich nicht möglich. Und es ist erst recht nicht möglich, die zwingende Norm des § 2113 Abs.2 BGB durch eine wie auch immer inhaltlich ausgestaltete Bedingungskonstruktion zu umgehen.

    Die genannten Probleme stellen sich bei der in Ziffer 3) dargestellten Vermächtnislösung nicht, weil der betreffende schuldrechtliche Vermächtnisanspruch im Gegensatz zur dinglichen Nacherbfolge inhaltlich beliebig ausgestaltet werden kann.

    Ersatzerbfolge versus Ersatz- und Nacherbfolge

    HansD und § 21 BGB gehen offenbar als davon aus, dass die betreffende Erblasseranordnung völlig eindeutig und deshalb einer Auslegung nicht zugänglich ist. Dem vermag ich nicht zuzustimmen. Der Erblasser hat lediglich bestimmt, dass der Nachlass "im Falle des Ablebens von Hermine" an deren Sohn Stefan "übertragen wird" soll. Es ist zutreffend, dass insoweit eine Auslegung im Sinne der Anordnung einer Nacherbfolge möglich ist. Es ist aber genauso möglich, die Erblasseranordnung dahingehend zu interpretieren, dass Stefan lediglich Ersatzerbe für Hermine sein soll und der Nachlass für den Fall des Eintritts dieser Ersatzerbfolge (unmittelbar vom Erblasser erbrechtlich) auf den Sohn Stefan "übertragen wird". Die Formulierung "im Falle des Ablebens" kann sich nämlich sowohl auf ein Vor- und Nachversterben von Hermine (dann Ersatz- und Nacherbfolge) als auch -lediglich- auf das Vorversterben von Hermine (dann nur Ersatzerbfolge) beziehen. Lässt sich durch Ermittlungen nicht klären, was der Erblasser wirklich gewollt hat, gilt die Auslegungsregel des § 2102 Abs.2 BGB, wonach Stefan lediglich Ersatzerbe ist. Diese gesetzliche Auslegungsregel lässt sich nicht einfach vom Tisch wischen. Dies gilt umso mehr, als sich die Intentionen des Erblassers aus den genannten Gründen durch die Anordnung einer Nacherbfolge nach meiner Auffassung überhaupt nicht im Rechssinne verwirklichen lassen.

    Alles in allem ein sehr interessanter Fall. Mal sehen, was "susi" morgen dazu sagt. Ich denke, dass sich bei einer Anhörung der Beteiligten im Wege der Rechtshilfe doch manches im Hinblick auf die Intention des Erblassers aufklären lässt. Insoweit ist zu empfehlen, dass ein ausführlicher Aktenvermerk mit den in Betracht kommenden Alternativen gefertigt und das jeweilige Rechtshilfegericht gebeten wird, die Beteiligten hierzu konkret zu befragen.

  • Zitat

    HansD und § 21 BGB gehen offenbar als davon aus, dass die betreffende Erblasseranordnung völlig eindeutig und deshalb einer Auslegung nicht zugänglich ist.

    Nein. Eine Auslegung ist angesichts der nicht eindeutigen Formulierungen notwendig. Allerdings ist es Aufgabe der Auslegung eine dem Erblasserwillen möglichst ähnliche rechtliche Konstruktion zu finden und die sehe ich nach den vorhandenen Informationen keinesfalls in der Vollerbschaft. Der Erblasser wollte, dass Stefan und/oder Michael seinen Nachlass erhalten und das wäre bei der Vollerbschaft nicht gesichert, weil Hermine unter Lebenden und für ihren Erbfall frei verfügen könnte.

    Zitat

    Es ist aber genauso möglich, die Erblasseranordnung dahingehend zu interpretieren, dass Stefan lediglich Ersatzerbe für Hermine sein soll und der Nachlass für den Fall des Eintritts dieser Ersatzerbfolge (unmittelbar vom Erblasser erbrechtlich) auf den Sohn Stefan "übertragen wird".

    Isoliert betrachtet ist das denkbar, aber aus den genannten Gründen bzw. im Kontext mit der Alternativübertragungsmöglichkeit nur auf einen der oder beide Söhne lese ich das nicht so.

    Zitat

    könnte die genannte auflösende Bedingung nur eintreten, wenn eine wirksame unentgeltliche Veräußerung vorläge

    Das sehe ich eben anders. Die Übertragung erfüllt die auflösende Bedingung zeitgleich. Rechtstheoretiker mögen nach dem Motto "Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei?" darüber streiten, ob das möglich ist, aber meiner Meinung nach ist die Gleichzeitigkeit der Übertragung und des Bedingungswegfalls vertetbar.

    Zitat

    nicht die Problematik lösen, die dadurch entstünde, dass sich die Alleinerbin lediglich eines Teils der Nachlassgegenstände entäußern möchte

    Das hat der Erblasser nach dem Testament auch nicht vorgesehen. Entweder erfolgt die Übertragung insgesamt unter Eintritt der auflösenden Bedingung oder es bleibt bei der Nacherbfolge.

    Zitat

    das jeweilige Rechtshilfegericht gebeten wird, die Beteiligten hierzu konkret zu befragen.

    Im Norden machen wir so etwas im Normalfall nicht sondern arbeiten mit schriftlichen Anhörungen oder Vorbescheid. Solche Befragungsaufträge erhalten wir nur aus südlichen Gefilden.;)

  • Ich bin weit entfernt davon, zu behaupten, dass nicht alle drei Auslegungen (Nacherbfolge, Vermächtnis und bloße Ersatzerbfolge) möglich seien. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir hier derzeit über Auslegungsmöglichkeiten diskutieren (und spekulieren), noch bevor sich die Beteiligten zur Auslegung des Testaments geäußert haben. Ich halte aber daran fest, dass die bei der Nacherbenlösung favorisierte auflösende Bedingung nicht zulässig ist. Eine analoge Fallgestaltung wäre etwa diejenige, bei welcher der Erblasser anordnet, dass die Nacherbfolge für jeden einzelnen Nachlassgegenstand erlischt, sobald der Vorerbe den betreffenden Nachlassgegenstand veräußert. Es liegt für mich auf der Hand, dass dies eine unzulässige Umgehung des § 2113 Abs.2 BGB mittels einer vom Erblasser gewählten Bedingungskonstruktion darstellt. Im vorliegenden Fall kann es sich aber nicht anders verhalten, weil der Alleinerbin für die "Übertragung des Nachlasses" aus Rechtsgründen ebenfalls nur die Übertragung aller einzelnen Nachlassgegenstände zur Verfügung steht.

    Es hängt somit alles davon ab, ob die Ermittlungen des NachlG ergeben, dass es der unbedingte Wille des Erblassers war, seinen Nachlass letzlich in jedem Fall Stefan zugewendet wissen zu wollen (mit der rechtlich unverbindlichen Möglichkeit, dass auch dessen Bruder maximal die Hälfte des Nachlasses erhalten kann). Lässt sich dieser Wille feststellen, so plädiere ich aus den genannten Gründen für die ausführlich dargestellte Vermächtnislösung. Wenn sich ein solcher Erblasserwille dagegen nicht feststellen lässt, scheitert auch die Vermächtnislösung am fehlenden unbedingten Zuwendungswillen des Erblassers. In diesem Fall bleibt es bei der (nicht zum Zuge gekommenen) bloßen Ersatzerbenregelung zugunsten von Stefan. Dies entspricht auch der Auslegungsregel des § 2102 Abs.2 BGB, die ja gerade dann eingreift, wenn sich nicht mit Sicherheit feststellen lässt, ob Nacherbfolge oder bloße Ersatzerbfolge gewollt war.

  • Erst mal ein dickes :dankescho für eure zahlreichen Meinungen! Wenn ich euch nicht hätte...
    Habe übrigens (um die Akte erst mal vom Tisch zu kriegen, zur Zeit Urlaubsvertretung und daher ein riesiger Aktenberg in meinem Büro :mad: ) eine relativ allgemein gehaltene Zwischenverfügung an den Notar geschickt, er solle doch bitte seinen Erbscheinsantrag begründen und hierbei insbesondere auf den Erblasserwillen und § 2102 Abs. 2 BGB eingehen. Der Antrag des Notars (zur Erinnerung: Vor- und Nacherbfolge. Nacherbfall tritt ein bei Tod der Vorerbin) war ja vollkommen unbegründet. Sobald ich die Ausführungen des Notars in Händen halte, werde ich die anderen Beteiligten schriftlich (wie § 21 BGB schon sagt, hier im Norden lädt man sich die Leute nicht ein ;) ) zum Erblasserwillen anhören. Werde euch natürlich auf dem laufenden halten, sobald es Neuigkeiten gibt!

  • Zitat susi:

    ... hier im Norden lädt man sich die Leute nicht ein. ;)

    Ist ein Erbscheinsantrag gestellt, greift im Nachlassverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz des § 2358 Abs.1 BGB i.V.m. § 12 FGG. Es sollte daher nach dem Einzelfall entschieden werden, ob die Anhörung der Beteiligten auf dem Schriftwege oder durch persönliche Einvernahme erfolgt. Bei komplizierten Fällen wie dem vorliegenden und mehreren in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten sollte der persönlichen Anhörung (auch im Wege der Rechtshilfe) in jedem Falle der Vorzug gegeben werden, weil es nahezu unmöglich (in jedem Fall aber langwierig) erscheint, rechtliche Laien auf dem Schriftwege über derart komplexe Rechtsverhältnisse aufzuklären und dann auch noch eine fundierte rechtliche Stellungnahme der Beteiligten zu erwarten.

    In diesem Kontext war mir deshalb auch noch nie plausibel, weshalb "der Norden" abweichend "vom Süden" verfährt (oder umgekehrt). Die genannten Normen sind Bundesrecht und gelten daher in allen Bundesländern gleichermaßen. Und insoweit sollte schon der Grundsatz gelten, dass diejenige Ermittlungsmethode gewählt wird, welche den größten Ermittlungserfolg verspricht.

  • Zitat von juris2112

    In diesem Kontext war mir deshalb auch noch nie plausibel, weshalb "der Norden" abweichend "vom Süden" verfährt (oder umgekehrt). Die genannten Normen sind Bundesrecht und gelten daher in allen Bundesländern gleichermaßen. Und insoweit sollte schon der Grundsatz gelten, dass diejenige Ermittlungsmethode gewählt wird, welche den größten Ermittlungserfolg verspricht.



    Auch als Nordlicht muss ich juris2112 hier recht geben : In Einzelfällen erscheint es in der Tat effektiver, die Beteiligten "einzuvernehmen" (wie es die bayerischen Gerichts in Rechtshilfeersuchen auszudrücken pflegen) ;) .

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Biddeschön: Im Westen aber nichts Neues.
    Die Argumente sind recht umfassend und ausführlich ausgetauscht.
    Und ich bin der Meinung, der Meinung von juris ist nichts hinzuzufügen! :daumenrau

  • Ist sicher nicht immer so einfach dem Rechtshilfegericht zu verklickern was man denn nun die Erben zu fragen hat, damit dann auch verwertbare Aussagen herauskommen, oder?

    Stimmt es, daß man manchmal 2-3mal die Erben beim RH-Gericht vorladen muß um die gewünschte Auskunft zu bekommen? Hab´ich mal von einem Kollegen gehört....

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Ich mache in solchen Fällen einen ausführlichen Aktenvermerk über die in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten und bitte das Rechtshilfegericht, die Beteiligten hierzu dezidiert zu befragen. Ob es angebracht erscheint, bereits im Zuge dieser Anhörung einen Erbscheinsantrag zu stellen, ist dann vor Ort zu entscheiden.

  • Zitat von juris2112

    Ich mache in solchen Fällen einen ausführlichen Aktenvermerk über die in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten und bitte das Rechtshilfegericht, die Beteiligten hierzu dezidiert zu befragen



    Dann bist du aber die rühmliche Ausnahme. Ich rege mich regelmäßig auf (und habe in einigen Fällen auch die Akte schon zurück geschickt), wenn ich ein Rechtshilfeersuchen aus Bavaria bekomme m.d.B., den Beteiligten "einzuvernehmen oder erbrechtlich relevante Erklärungen entgegenzunehmen" und ich mir erst einmal die umfangreiche(n) Akte(n) durchlesen kann, um zu ermitteln, worum es nun eigentlich im einzelnen geht, mir ggf. selbst einen Stammbaum malen muss etc.

    So etwas würde ich mich nicht "trauen" - wenn ich etwas in Rechtshilfe versende, dann ist dem Ersuchen i.d.R. ein Entwurf des zu beurkundenenden Antrags beigefügt.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Ja, so ist es. Leider wollen manche Kollegen die Aufgaben des NachlG auf diese Weise auf das Rechtshilfegericht abwälzen. Das ist nicht nur unkollegial, sondern entspricht auch nicht der gesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen zuständigem Gericht und Rechtshilfegericht. Ein Rechtshilfeersuchen ist erst dann statthaft, wenn das NachlG seine eigenen "Hausaufgaben" gemacht hat. Ist dies nicht der Fall, sollte man die Akte zunächst ohne Erledigung zurücksenden und darum bitten, die Rechtshilfefähigkeit des Akteninhalts herbeizuführen.

  • Richtig, ich habe auch schon Akten wieder zurückgeschickt, bei denen nicht mal die Erben benachrichtigt waren. Denn das komplette Erbenermittlungsverfahren kann nicht Aufgabe des ersuchten Gerichts sein.

    Ich selbst mache ebenfalls zumindest eine kurze Feststellung wer Erbe ist und warum, damit dann im erwarteten ES-Antrag auch das steht was ich selbst aufnehmen würde.

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