Erbrecht Türkei - Rolle des Güterstandes und der Staatsangehörigkeit

  • Hallo zusammen,

    wie ist das Erbrecht in der Türkei zu verstehen?

    In Deutschland hat beim Versterben des Ehemanns die Ehefrau die Möglichkeit, dass Erbe auszuschlagen und durch den Güterstand 'Zugewinngemeinschaft' wohl 50 % zu erhalten und darüber hinaus noch den Pflichtanteil. So erhält Sie deutlich mehr als 50 % der Erbmasse. (nach deutschem Recht)

    Wie würde das ganze in der Türkei nach türkischem Recht für die Ehefrau sein, wenn sie
    1. türkische Staatsbürgerin ist oder sogar
    2. die doppelte Staatsbürgerschaft (also sowohl deutsch als auch türkische Staatsangehörigkeit) hat?

    Gilt in der Türkei die selbe Möglchkeit fü die Ehefrau wie in Deutschland oder spielt der Güterstand dort keine Rolle (Dann würde Sie nämlich wohl nur 1/4 der Erbmasse erhalten und der Rest wird auf die erbenden Kinder aufgeteilt).

    Vielen Dank schonmal jetzt für eure Antworten.

    Gruß!

  • Ich fürchte, der Fragestellung liegt ein grundlegendes Missverständnis über die Rechtsfolgen des § 1371 BGB zugrunde. Nimmt der Ehegatte die Erbschaft an, erhält er neben Kindern insgesamt eine Erbquote von 1/2 (1/4 nach § 1931 BGB und 1/4 nach § 1371 Abs.1 BGB). Schlägt er die Erbschaft aus und ist er auch sonst nicht bedacht, erhält er nach § 1371 Abs.2 BGB nur den sog. "kleinen" Pflichtteil (1/2 von 1/4 = 1/8) nebst Zugewinnausgleich, wobei sich hierdurch auch die Pflichtteilsquoten der anderen Pflichtteilsberechtigten verschieben. Außerdem geht die Berechnung der Ansprüche des ausschlagenden Ehegatten in der Weise vor sich, dass dessen Zugewinnausgleichsanspruch als normale Nachlassverbindlichkeit vom Aktivnachlass abgezogen wird und er nur aus dem hiernach verbleibenden Reinnachlass seinen Pflichtteil in Höhe von 1/8 erhält. Im Normalfall kann somit überhaupt keine Rede davon sein, dass der überlebende Ehegatte "deutlich mehr als 50 %" des Nachlasses des erstversterbenden Eheteils erhält.

  • Vielen danke für die Aufklärung!

    Die Annahme mit den mehr als 50 % beruhte bei mir auf der annahme, dass vor der Ehe kein Vermögen da war und erst in der ehe vermögen aufgebaut wurde.

    Dann bin ich ja schonmal über das deutsche Erbrecht aufgeklärt. Danke.

    Jetzt fehlt mir noch der Teil der Frage, wie die Erbschaft der Ehefrau in der Türkei von statten gehen würde.

  • Erbrechtlich ist die Sache aus Sicht des deutschen IPR relativ einfach. Ist die Erblasserin Doppelstaaterin (deutsch/türkisch), wird sie nach deutschem Recht beerbt (Art. 25 Abs.1 EGBGB i.V.m. Art. 5 Abs.1 S.3 EGBGB), hat sie nur die türkische Staatsangehörigkeit, wird sie dagegen nach türkischem Recht beerbt (Art. 25 Abs.1 EGBGB). Es ist aber zu beachten, dass das türkische IPR dies bei der Fallgestaltung der doppelten Staatsangehörigkeit ganz anders sehen kann.

    Im Hinblick auf das Güterrecht der Türkei bin ich überfragt. Ich würde insoweit in den einschlägigen Kommentaren nachsehen (z.B. im "Bergmann"), im Internet stöbern oder mich bei der türkischen Botschaft erkundigen.

  • Wenn die Erblasserin türkische Staatsangehörige war findet das türkische Zivilgesetzbuch (TKürkZGB) Anwendung. Aktuell gelten die Art. 439-448 und sind für Erbfälle ab dem 23.10.1990 anzuwenden.Danach gilt:

    Gesetzliches Erbrecht v. Ehegatten und kindern.

    Kinder gehören zur 1. Ordnung, die bevorzugt und zu gleichen Teilen erbt. Nichteheliche Kinder sind auch im Vehrältnis zum Vater gem. Art. 443 ZGB n.F. den ehelichen Kindern gleichgestellt, sofern die Vaterschaft anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist.

    Ehegatten (Art. 444 ZGB n.F.) erhalten
    - neben Nachkommen (1. Ordnung) 1/4
    - neben Eltern (2. Ordnung) 1/2
    - neben Großeltern (3. Ordnung) 3/4;
    sofern keine Erben aus den drei Ordnungen vorhanden sind 1/1.

    Woher HuBo das weiß?? Vor nicht mal 2 Wochen hatte ich vertretungsweise das Vergnügen einen Erbscheinsantrag aufzunehmen und durfte mich mit dem Richter (zuständig f. Erbscheinserteilung) gemeinsam schlau machen.

    Gruß

    HuBo

  • Vielen dank für deine Hilfe bzgl. des türkischen Erbrechtes.
    Heißt das eigentlich damit, daß der Güterstand in der Türkei bei der Erbschaft überhaupt keine Rolle spielt??

    Jetzt fehlt zudem noch der kniffeligste Teil der Fragestellung : was ist bei einer Doppelstaatsangehörigkeit (deutsch/türkisch) für bewegliches und nichtbewegliches Vermögen in der Türkei?

  • By the way : Es kommt nicht auf die Staatsangehörigkeit der Erben sondern ausschließlich auf die des Erblassers an ...

    Nach türkischem materiellen Erbrecht ist der Güterstand hins. der Erbquote m.W. irrelevant (Erbquoten insoweit s.o. #5).

    Das Letztere ist insofern ein bisschen schwierig zu beurteilen, als dass ein Doppelstaatsangehöriger Deutschtürke aus türkischer Sicht nur Türke und aus deutscher erbrechtlicher Sicht (Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB) nur Deutscher ist.

    Über einen deutschen Erbschein (mit Apostille für die Türkei) würde das türkische Grundbuchamt etc. also bei einem (auch) türkischen Staatsangehörigen vermutlich nur lächeln, so dass man wohl m.E.

    a) hinsichtlich des in der Türkei belegenen beweglichen wie unbeweglichen Nachlasses somit einen Erbschein nach türkischem

    b) hinsichtlich des übrigen Nachlasses einen Erbschein nach deutschem

    formalen wie materiellen Erbrecht beantragen müsste, was zu unterschiedlichen Erbquoten in beiden Erbscheinen führen kann.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Also, es gibt wohl ein bilaterales Nachlassabkommen (NA) vom 28.5.1929, wo die deutsch-türkischen Erbrechtsfälle mitunter wohl geregelt werden.
    Demnach werden nach § 17 NA Erbscheine und Testamentsvollstreckerzeugnisse, die von einer zuständigen Behörde eines Vertragsstaates ausgestellt wurde, von dem anderen Vertragsstaat anerkannt.

  • Zum deutsch-türkischen Nachlassabkommen und das anzuwendende Erbstatut für unbeweglichen und beweglichen Nachlass sowie die Problematik von Doppelstaatern empfehle ich den Aufsatz von Dörner in ZEV 1996, 90. Dort wird auch zur Güterrechtsproblematik Stellung genommen.

  • Danke für den Hinweis.

    Hast du rein zufällig auch einen Link, wo ich den Aufsatz von Dörner in ZEV 1996, 90 im Internet nachlesen kann.

    Hab eben mal gegoogled, aber nichts richtiges gefunden.

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