(Un)zulässigkeit des "Nachweisverzichts" im Hinblick auf § 1193 II S.2 BGB n.F.?

  • Aus hier aktuellem Anlass möchte ich mal in die Runde fragen, wie es denn jetzt bei euch gehandhabt wird.

    Standardfall: (einfache) Klausel am Tag nach der Beurkundung erteilt, Nachweisverzicht in Urkunde enthalten.

    Ordnet ihr an? Oder beanstandet ihr und lasst euch die ordnungsgemäße Kündigung nachweisen?

    Mir wurde jetzt auch eine Entscheidung des LG Berlin vom Oktober mitgeteilt, wonach die Zustellung der Urkunde mit Klausel an den Schuldner konkludent eine Kündigung darstellt. :gruebel:

    Was macht ihr mit Altfällen, die bereits angeordnet sind?

    Wir sind hier unsicher...

  • Na der BGH hat ja nun mehrfach, zuletzt mit BGH vom 01.02.2017, VII ZB 22/16, gesagt, dass es das Vollstreckungsorgan nicht zu interessieren hat, ob die Voraussetzungen für die Klauselerteilung vorgelegen haben. Also ist anzuordnen.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Guten Morgen,

    mein Anliegen könnte hierher passen.

    Wenn man von einer nichtigen Klausel ausgehen darf, weil sie bereits drei Tage nach Beurkundung erteilt wurde (vgl. z.B. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15.04.2019 - 25 T 229/19), bedarf sie der erneuten Zustellung, aber eine erneute Wartefrist (§ 798 ZPO) ist nicht erforderlich, oder?

  • Guten Morgen,

    mein Anliegen könnte hierher passen.

    Wenn man von einer nichtigen Klausel ausgehen darf, weil sie bereits drei Tage nach Beurkundung erteilt wurde (vgl. z.B. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15.04.2019 - 25 T 229/19), bedarf sie der erneuten Zustellung, aber eine erneute Wartefrist (§ 798 ZPO) ist nicht erforderlich, oder?

    Der MüKo sagt zu §798 ZPO:
    ...Zuzustellen ist in allen diesen Fällen auch die Vollstreckungsklausel, so dass deren Zustellung auch dann erforderlich ist, wenn sie auf Grund offenkundiger Tatsachen (→ § 726 Rn. 58 ff.) erteilt ist...

    Ich würde auch dazu tendieren, dass nach Zustellung der neu erteilten Klausel (nochmal) die Wartefrist eingehalten werden muss.

    Und ich würds auch beanstanden (und natürlich ebenso die offensichtlich unwirksame Klausel aus deiner Konstellation)

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Die Vollstreckungsunterlagen habe ich nach Antragsrücknahme inzwischen mit dem Hinweis zurückgegeben, dass vor einem neuen Antrag die neue Klausel noch zuzustellen und im Anschluss die Wartefrist abzuwarten ist.

    Aber wie handhabt ihr das denn? Es gibt ja drei Möglichkeiten ...

    1. Prüfung der Kündigung nur vom Vollstreckungsorgan

    -> Trier, Beschluss vom 26.01.2018, 5 T 5/18

    2. Prüfung der Kündigung nur vom Klauselorgan

    3. Prüfung der Kündigung nur vom Klauselorgan, mit Vorbehalt auch vom Vollstreckungsorgan

    -> Hamburg, Beschluss vom 28.12.2015, 328 T 67/15, LG Münster, Beschluss vom 10.12.2018, 5 T 557/18, LG Düsseldorf, Beschluss vom 15.04.2019, 25 T 229/19

  • Also ich handhabe das momentan so, dass ich nur dann davon ausgehe, dass die Klausel offensichtlich unzulässig erteilt wurde, dadurch an einem schwerwiegenden Mangel leidet und deshalb unwirksam ist, wenn sie vor Ablauf von 6 Monaten nach Entstehung (=Eintragung) der Grundschuld erteilt wurde.
    In dieser Konstellation kann und muss ich ohne weiteres erkennen, dass die Klausel zwingend unter Verletzung von §1193 BGB erteilt wurde.

    Wurde die Klausel später erteilt, besteht die Möglichkeit, dass die Kündigung ordnungsgemäß erfolgt ist und nachgewiesen wurde.
    Momentan denke ich, dass sie dann nicht offensichtlich an einem schwerwiegenden Mangel leidet und daher nicht unwirksam ist.

    Etwaige Mängel der Klausel (die eben nicht so offensichtlich und schwerwiegend sind, dass wir sie vAw berücksichtigen müssen) sind dann vom Schuldner durch die Klauselerinnerung anzugreifen.

    Das gilt insbesondere auch für die (häufige) Konstellation, dass keine qualifizierte Klausel gem. §726 ZPO, sondern eine gewöhnliche gem. §725 ZPO erteilt wurde.

    Mein Stand ist, dass: "eine erteilte und vorgelegte einfache Vollstreckungsklausel hat das Vollstreckungsgericht nicht dahingehend zu überprüfen, ob eine qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO erforderlich ist" (BGH, 25.10.2012, VII ZB 57/11)


    Die Entscheidung vom LG Trier kannte ich net, ist recht interessant.

    Letztlich wird auf die BGH Entscheidung v. 30.03.2017 (V ZB 84/16) abgestellt und herausgearbeitet, dass die auch für das Kapital gilt.

    (Übrigens Achtung: das LG Trier sagt nich, dass nur das Vollstreckungsorgan die Kündigung zu prüfen hat, sondern (natürlich) auch das Klauselerteilungsorgan.)

    Zu der BGH-Entscheidung wurde 2017 schon n bisschen was geschrieben:


    den aspekt finde ich auch sehr seltsam!


    in der begründung heißts:
    "das Vollstreckungsgericht hat den Antrag zurecht wegen §751 I ZPO
    zurückgewiesen"

    die kalendertagswartefrist??? welcher kalendertag?
    der der 6 Monate nach der Kündigung liegt?

    ich habe den eindruck dem bgh hat nicht gepasst, dass in solchen konstellationen getrickst wurde und wollte aber zugleich seine klauselprüfungsrechtsprechung nicht abändern, also tut man so als würde diese vorschrift passen...(was sie aber nicht tut...)

    Ich verstehe die Entscheidung des BGH v. 30.03.2017 ehrlich gesagt nach wie vor nicht so recht.
    Ich denke §751 ZPO kann hier nicht anwendbar sein. Hier kann ich mich dem BGH nicht anschließen.

    Ich hätte keinerlei Schmerzen, wenn der BGH seine Rechtsprechung aufgeben würde, dass das Vollstreckungsorgan es hinzunehmen hat, wenn eine §725 ZPO Klausel erteilt wurde, obwohl eine §726 ZPO Klausel nötig war.
    Das hat er aber nicht gemacht.


    Edit:
    Irgendwie spinnt grade bei mir die Zitatfunktion, ich kriege das nicht ordentlich gelayouted :/
    (Vielleicht wäre ein Mod so lieb, das in meinem Post zu fixen?)

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    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Danke!

    Finde in den Kommentaren kaum was zum Widerspruch der höchstrichterlichen Entscheidungen. Höchstens mit dem Hinweis der "a.A.". Am besten noch: BeckOK/Ulrici ZPO § 724 Rn 6. So richtig scheinen sich die Kollegen aber auch noch nicht festgelegt zu haben. Eindeutige Auskünfte bekomme ich auch auf Fortbildungen dazu nicht. Eben ruft mich eine Sparkasse in einem weiteren Fall an, und teilt mit, dass sie solche Beanstandungen nicht kenne. Wenn es wenigstens drei Landgerichtsentscheidungen dazu gibt, kann die Vorgehensweise andernorts aber zwischenzeitlich nicht unbekannt zu sein.

  • BGH, Beschluss vom 07.10.2020 - VII ZB 2/20:

    "Enthält die Grundschuldbestellungsurkunde (...) die Erklärung, dass dem Gläubiger ohne Nachweis der das Bestehen und die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung begründenden Tatsachen eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden kann, hat das Klauselerteilungsorgan (...) auf Antrag eine einfache Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO zu erteilen (vgl. Senatsbeschluss vom heutigen Tag in dem Verfahren VII ZB 56/18). Ob dieser Nachweisverzicht aus materiellrechtlichen Erwägungen unwirksam ist, ist im Klauselerteilungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen und kann deshalb vom Schuldner nicht mit Erfolg mit einer Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) geltend gemacht werden. Der Prüfungsumfang im Klauselerinnerungsverfahren entspricht insoweit demjenigen im Klauselerteilungsverfahren, auf dessen Überprüfung es ausgerichtet ist. Was vom Klauselerteilungsorgan aufgrund des eingeschränkten Prüfungsprogramms im Klauselerteilungsverfahren nicht zu prüfen ist, kann im Erinnerungsverfahren nicht zur Überprüfung gestellt werden."

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

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