(Un)zulässigkeit des "Nachweisverzichts" im Hinblick auf § 1193 II S.2 BGB n.F.?

  • Unangenehm wird es erst richtig, wenn der BGH den Zuschlag aufhebt, weil das Gericht zu Unrecht trotz offenkundig grob fehlerhafter Klausel die Zwangsversteigerung zugelassen hat. Die Rückabwicklung eines Zuschlags Monate oder Jahre nach seiner Erteilung ist so lästig, dass ich die Kuh sehr gern schon am Anfang des Verfahrens vom Eis hätte. Möge das LG mich doch aufheben.

    Ich schließe mal daraus, du würdest hier also auch zunächst eine neue Klausel mit Zustellung anfordern bzw. nur wegen den Zinsen anordnen und hinsichtl. des Kapitals (Teil-)zurückweisen?


    Ich hänge mich hier mal an Milkaaa und 15. Meridian dran, weil mich interessiert, wie es hier überwiegend gehandhabt wird:

    Gesetzt den Fall, ihr schließt euch Onkel Kurt an...

    Wenn lediglich eine einfache Klausel (sofort) erteilt wurde, macht ihr dann eine Teilzurückweisung bezüglich des Kapitals und ordnet wegen der bereits fälligen Zinsen an oder steht ihr auf dem Standpunkt, dass auch die einfache Klausel zur Vollstreckung (nur) der Zinsen nicht ausreicht, weil sie nicht insoweit eingeschränkt wurde und weist den Antrag insgesamt zurück?

    Ich tendiere zu einer Teilzurückweisung.

  • Zumindest im hiesigen Bereich kann wegen der Zinsen auf jeden Fall vollstreckt werden, daher würde ich eine Teilzurückweisung machen und im Übrigen anordnen.


    Neues bzw. Präzisierendes vom LG Hamburg (im verlinkten Beitrag mit Volltext):

    Die Kammer hält daran fest, dass hinsichtlich der Vollstreckung aus dem Grundschuldkapital eine vom Vollstreckungsgericht zu berücksichtigende offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt, wenn eine Kündigung bei Klauselerteilung noch nicht vorliegen kann. Eine Vollstreckung hinsichtlich der Zinsen ist hingegen möglich, weil die Fälligkeitsvoraussetzungen der Zinsansprüche nicht von § 1193 BGB erfasst sind und sich die Fälligkeit aus der Urkunde selbst ergibt. Sofern die Vollstreckung aus dem Kapital und den Zinsen betrieben wird, ist entsprechend zwischen dem Kapital und den Zinsen zu differenzieren.

    LG Hamburg, Hinweisbeschluss vom 09.12.2013 sowie Beschluss vom 20.01.2014, 328 T 94/13

  • Ich hab es vor wie Kai und 15. Meridian, sprich Teilzurückweisung hinsichtl. des Kapitals.

    Wobei ich aber noch nicht sicher bin, ob ich der Gläubigerin vorab mitteile, woran es mangelt, sodass ggf. eine neue Klausel erteilt werden könnte..

  • Danke für eure Antworten!

    @ Milkaaa:
    Ich weise die Gläubiger in einer Zwischenverfügung auf den Mangel hin. Wenn sie sich dann weigern, eine neue Klausel zu beantragen, kommt die Teilzurückweisung bzw. Teilanordnung.

    @ Kai:
    Danke, dass du nochmal auf die Klarstellung aus Hamburg hingewiesen hast! Die hatte ich in dem langen Thread glatt übersehen.


  • Wobei ich aber noch nicht sicher bin, ob ich der Gläubigerin vorab mitteile, woran es mangelt, sodass ggf. eine neue Klausel erteilt werden könnte..

    Da hinsichtlich der Zinsen kein Anordnungshindernis besteht und ich insoweit grundsätzlich sofort anordnen müsste (dies ist ja auch für die Beschlagnahme wichtig), mache ich üblicherweise keine sofortige schriftliche Zwischenverfügung. Ich kläre erst telefonisch, ob zunächst die Zins-Teilanordnung oder eine Gesamt-Anordnung nach Behebung des Klauselmangels erfolgen soll.


  • Wir dürfen also eine unwirksame Klausel nicht beanstanden, sind aber VERPFLICHTET, den Schuldner aufzuklären. Soll ich diese Belehrung meinem Beschluss beifügen???

    Was macht ihr denn jetzt eigentlich in solchen Fällen?

    Da ich die ganze Diskussion zwischenzeitlich nicht mehr verfolgt habe, habe ich nachdem die Zwangversteigerung nur wegen der Zinsen beantragt war und mir jetzt die vor 6 Monaten erfolgte Kündigung mit dem Antrag auf Beitritt wegen des Kapitals übersandt worden ist, nun den Beitritt zugelassen. Das ist ja laut BGH auch in Ordnung. Das jetzt doch viele Kollegen die Klausel beanstanden, hatte ich nicht erwartet.

  • Ich muss das (leidige) Thema leider nochmal aufgreifen:

    Auf mein kürzliches Schreiben hin, dass die Grundschuld (erstrangig) offensichtlich noch nicht fällig sein kann, da mit Tag der Beurkundung auch direkt die vollstreckbare Ausfertigung mit einfacher Klausel erteilt wurde, teilte mir die Bank mit, dass sie beabsichtigten, sofern ich den Nachweisverzicht nicht akzeptiere, das Verfahren dann nur wegen den dinglichen Zinsen zu betreiben.

    Wir waren uns im folgenden allerdings dann nicht ganz einig, was dies für das Verfahren und das Recht im Weiteren bedeutet. Würde aus dem erstrangigen Recht "normal" mit Kapital, NL und Zinsen betrieben, würde es nach Zuschlag normalerweise erlöschen.

    Gilt das aber auch, wenn nur aus den dinglichen Zinsen betrieben wird? I.S.d. § 12 Nr. 2 ZVG stehen die wiederkehrenden Leistungen im Rang vor dem Kapital, sodass ich sagen würde, das Recht erlischt ebenfalls. Oder bin ich auf dem Holzweg? :gruebel:

    Ich bin für Denkanstöße dankbar!

  • Denkanstoß: Wenn nur wegen eines Teilanspruchs betrieben wird, erlischt das Recht auch insgesamt.
    Anders nur, wenn das Grundpfandrecht selbst geteilt wurde, dann kann der vorrangige Teil als selbständiges Recht bestehen bleiben.

    Ob der Gläubiger gut daran tut, nur wegen der Zinsen zu betreiben, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. (Ich denke da an Ablösungsberechtigte, die dann ja nur die Zinsen ablösen müssten, um den Zuschlag zu verhindern.)

  • Denkanstoß: Wenn nur wegen eines Teilanspruchs betrieben wird, erlischt das Recht auch insgesamt.
    Anders nur, wenn das Grundpfandrecht selbst geteilt wurde, dann kann der vorrangige Teil als selbständiges Recht bestehen bleiben.

    Geteilt wurde und wird vermutlich nicht. Danke! :)

    Ob der Gläubiger gut daran tut, nur wegen der Zinsen zu betreiben, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. (Ich denke da an Ablösungsberechtigte, die dann ja nur die Zinsen ablösen müssten, um den Zuschlag zu verhindern.)

    Das ist allerdings wahr. Den Aspekt hab ich bisher noch garnicht bedacht. Könnte den Gläubiger ggf. noch dazu bewegen doch eine neue Klausel zu besorgen.


    Es ist insgesamt einfach ein sehr leidiges Thema das uns in Zukunft sicher noch ein wenig beschäftigen wird..

  • Durch die hiesige LG-Rechtsprechung zum Risikobegrenzungsgesetz habe ich ein wenig Erfahrung mit dem Betreiben nur aus den Zinsen. Üblicherweise sind die aufgelaufenen Zinsansprüche schon so hoch, dass eine Ablösung nicht in Betracht kommt. Es bleibt dem Gläubiger im Übrigen unbenommen, nach Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt wegen des Kapitals beizutreten.

    Zum (Nicht)Bestehenbleiben bei Vollstreckung nur wegen der Zinsen: Stöber, Rndr. 4.3 zu § 44.

  • aus den Rechtsprechungshinweisthread, vielen dank an Kai fürs einstellen!
    nur der Vollständigkeit und der Zugehörigkeit zur Thematik halber...


    Vollstreckung aus Grundschuld: Eine vor Fälligkeit (§ 1193 BGB) erteilte Klausel ist hinsichtlich des Grundschuldkapitals unwirksam.

    LG Heilbronn, 08.12.2015, 1 T 495/15

    Aus den Gründen:

    Zwar hat der Rechtspfleger grundsätzlich vor Beginn der Zwangsvollstreckung die zur Erteilung der Vollstreckungsklausel erforderliche Fälligkeit nicht nochmals zu prüfen, sie wird mit Erteilung der Vollstreckungsklausel bindend bescheinigt. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Vollstreckungsklausel den für die Erteilung nach § 726 Abs. 1 ZPO erforderlichen Urkundennachweis zur Fälligkeit enthält (Stöber ZVG, 20. Auflage § 15 Rn 15.3). Dieser Nachweis ist im vorliegenden Fall qerade nicht gegeben, da die in § 1193 BGB normierte Fälligkeit bei Erteilung der Vollstreckungsklausel noch nicht eingetreten war.

    Die Vollstreckungsklausel weist somit die Prüfung der Fälligkeit durch das Klauselorgan nicht aus und leidet damit an einem schwerwiegenden Mangel. Wenn die Kündigung als gesetzliches Erfordernis der Fälligkeit (wie bei der nach dem 19.08.2008 bestellten Grundschuld, die zur Sicherung einer Forderung dient) zwingend ist und die Vollstreckungsklausel den für ihre Erteilung nach § 726 Abs. 1 ZPO erforderlichen Urkundennachweis nicht bezeichnet, weist sie die Prüfung der Fälligkeit durch das Klauselorgan vor Vollstreckungsbeginn nicht aus. Die Klauselerteilung stellt dann vielmehr eine unzulässige, von § 1193 Abs. 2 S. 2 BGB abweichende Fälligkeitsbestimmung dar und ist damit nicht wirksam (Stöber ZVG, 20. Auflage § 15 Rn 15.3).

    Aufgrund einer unwirksamen vollstreckbaren Ausfertigung kann die Zwangsvollstreckung nicht begonnen werden.

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Kai:

    Zur Ergänzung des Sachverhalts von LG Heilbronn v. 8.12.2015:

    Die Klausel war einen Monat nach Beurkundung erteilt worden, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Kündigungsfrist noch gar nicht abgelaufen sein konnte.

    Die Kündigung war bei bei Antragstellung zwar nachgewiesen worden, wurde allerdings erst wirksam zu einem Zeitpunkt, der 11/2 Jahre nach Klauselerteilung lag.

    edit by Kai: Beitrag aus dem Rechtsprechungsthread hierher verschoben

  • LG Stade, 11.06.2015 - 7 T 73/15

    Zur Zulässigkeit der sofortigen Klauselerteilung trotz § 1193 BGB n.F.

    Das LG kommt zu dem Ergebnis, dass das Versteigerungsgericht an die erteilte Vollstreckungsklausel gebunden ist. Der Gesetzgeber habe zum prozessualen Schutz des Schuldners nicht das Klauselerteilungsverfahren, sondern das Klageverfahren vorgesehen. Es stehe weiterhin in der Disposition der Beteiligten, den Notar zu einer sofortigen Klausel zu ermächtigen. Ein erklärter Nachweisverzicht führe dazu, dass der Notar ermächtigt sein solle, eine Klausel auch schon zu einem Zeitpunkt zu erteilen, an dem die Fälligkeit nach § 1193 BGB noch nicht eingetreten sein kann (wie z.B. am Beurkundungstag).

    Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.

  • Wenn man danach geht, könnte man sich auch fragen, warum der Gesetzgeber überhaupt das Erfordernis der Kündigung geschaffen hat. Dann hätte man es auch einfach lassen können wie es war.

  • Ich gehe davon aus, dass der Notar bei einem "Nachweisverzicht" ausreichend belehrt, dass trotz der erteilten Klausel der Anspruch aus der Grundschuld erst nach Kündigung durchgesetzt werden darf und dass sich der Eigentümer gegen eine vorzeitige Zwangsvollstreckung wehren muss.

    Grundsätzlich sollte diese Belehrung dann der Urkunde zu entnehmen sein; habe ich aber noch nie erlebt

  • Wenn man danach geht, könnte man sich auch fragen, warum der Gesetzgeber überhaupt das Erfordernis der Kündigung geschaffen hat. Dann hätte man es auch einfach lassen können wie es war.

    Nun, in der Tat handelt es sich um eine fragwürdige Gesetzesänderung, deren Folgen die Gläubiger und mit ihnen die Notare durch eine weiterhin für möglich erachtete sofortige Klauselerteilung möglichst ignorieren wollen.
    Es könnte freilich ein böses Erwachen geben, wann immer ein Schuldner (möglichst kur vorm Versteigerungstermin) den vom LG Stade aufgezeigten Weg beschreitet:

    "Der Verzicht auf den Nachweis der Fälligkeit kann hierbei nach Ansicht der Kammer so verstanden werden, dass der Notar auch von der Prüfung enthoben sein soll, ob die Grundschuld zu dem fraglichen Zeitpunkt überhaupt fällig sein kann, was hier - was das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat - am Beurkundungstag aus materiellen Gründen nicht der Fall gewesen sein könnte. Das Amtsgericht ist somit als Vollstreckungsgericht an die mit der Klausel bescheinigte Vollstreckbarkeit des Titels gebunden. Sollte die Vollstreckung entgegen den materiellen Vereinbarungen erfolgen, so wäre es Sache des Schuldners, solche Einwände im Wege der Klage (§§ 767, 768 ZPO) vorzubringen."

    Das LG Stade verpasst hier dem Notar eine Augenbinde, damit er die dem Anspruch auf die Stirn geschriebene Nichtfälligkeit ignorieren kann. Aus meiner Sicht ist es ein starkes Stück, evident Unrichtiges zu attestieren. Auch folgendem Satz des LG Stade kann ich nichts Richtiges abgewinnen: "Anhaltspunkte dafür, dass es seine [des Gesetzgebers] Absicht war, den Schutz des Grundstückseigentümers so weit auszudehnen, dass bereits die Erteilung der Vollstreckungsklausel nur unter erschwerten Bedingungen zulässig sein soll, ergeben sich aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht." Heißt es nicht sonst immer, dass das formelle Recht dem materiellen Recht folgt?

    Ich fürchte freilich, dass es nichts nutzt, dass das LG Stade die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Warum sollte sie der Schuldner - wer sonst? - einlegen, wo er doch zu einem späteren Zeitpunkt die Zwangsversteigerung viel wirkungsvoller durch eine Vollstreckungsabwehrklage in die Länge ziehen kann?

  • Dem verantungsvollen Notar ist keine Augenbinde verpasst, im Gegenteil sollte der "Nachweisverzicht" für ihn ein Merkmal sein, das für ihn besondere Belehrungen bei der Beurkundung erfordert.

  • Dem verantungsvollen Notar ist keine Augenbinde verpasst, im Gegenteil sollte der "Nachweisverzicht" für ihn ein Merkmal sein, das für ihn besondere Belehrungen bei der Beurkundung erfordert.


    Das LG Stade formuliert euphemistisch, der Notar sei der Prüfung enthoben.
    Angesichts der Augenscheinlichkeit der Nichtfälligkeit bleibe ich dabei, dass dem Notar eine Augenbinde verpasst werden muss, anderenfalls ich ihm Gewissenlosigkeit nachzusagen versucht bin.

    In memoriam eigener Notartermine habe ich zum Verhältnis zwischen Belehrungspflichten und Belehrungswirklichkeit meine eigene Meinung.

  • Da bisher auch noch keine ober(st)gerichtliche Entscheidung dazu ergangen ist, bleibt es im Ergebnis einem aber noch immer selbst überlassen, welcher der zahlreichen LG Entscheidungen er sich anschließen möchte.

  • BGH, Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 84/16 - LG Memmingen / AG Memmingen: "Die Zwangsversteigerung aus einer vollstreckbaren Sicherungsgrundschuld wegen der dinglichen Zinsen setzt in Rechtsanalogie zu § 1234, § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB die Kündigung des Kapitals der Grundschuld oder die Androhung der Zwangsversteigerung und das Verstreichen einer Wartefrist von sechs Monaten voraus."

    In der zitierten Entscheidung hat der BGH (Rn. 31) auch ausgeführt, dass das Erfordernis einer Kündigung und das Verstreichen der Wartefrist nicht abdingbar ist.

    Ändert sich jetzt etwas für unsere Verfahren? Würde jemand einstellen?

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