Schuldner wird "herumgeschubst"

  • Folgender Sachverhalt:

    Ehefrau des Insolvenzschuldners hat eigene Renteneinkünfte in Höhe von 300,- EUR. Treuhänder legt in der WVP Abtretungserklärung gem. § 287 beim Rententräger des Schuldners offen und informiert ihn gleichzeitig darüber, dass die Ehefrau wg. eigener Einkünfte nicht zu berücksichtigen ist. Der Rententräger handelt entsprechend und führt pfändbaren Anteil unter Nichtberücksichtigung der Ehefrau ab.

    Der Treuhänder hat keinen gerichtlichen Beschluss zur Herausrechnung der Unterhaltspflicht erwirkt.

    Der Rententräger verweist den schwerbehinderten Schuldner an den Treuhänder, der Treuhänder ans Gericht, das Gericht auf das Gesetz.
    Erst nach etlichen zeitintensiven Telefonaten unserer Beratungsstelle mit den Beteiligten kann der Rententräger zum ernsthaften Überprüfen seines Handelns bewogen werden (Ausgang noch unklar). Der Schuldner ist stinksauer, weil er "herumgereicht" wird, zumal sich der Treuhänder am Telefon verleugnen lässt.

    Ich bin stinksauer, dass ich mich gefühlte Ewigkeiten mit der Problematik beschäftigen muss, und frage mich, ob eigenmächtige Entscheidungen über Unterhaltspflichten bei Treuhändern und Drittschuldnern so zulässig, üblich, beschwerdefähig etc. pp. sind.

    Danke für Meinungen hierzu


  • Ich bin stinksauer, dass ich mich gefühlte Ewigkeiten mit der Problematik beschäftigen muss, und frage mich, ob eigenmächtige Entscheidungen über Unterhaltspflichten bei Treuhändern und Drittschuldnern so zulässig, üblich, beschwerdefähig etc. pp. sind.

    Danke für Meinungen hierzu



    Nicht zulässig, auch nicht üblich, aber im Zweifel hat das Insolvenzgericht zu entscheiden, §§ 292 Abs. 1 S. 3 i.V.m. 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 InsO.

    :eek: Unglaublich, was da draußen manchmal vorgeht. Das da das Gericht nicht eingeschritten ist.

  • @ Rainer

    Du hast zwar recht, dass es unzulässig ist aber dass es unüblich ist kann ich nicht bestätigen. Eher das Gegenteil ist überwiegend der Fall.

    Es ist haarstäubend was sich die TH alles erlauben und das noch teilweise mit Zustimmung des Gerichts.
    O-Ton eines Rechtspflegers: "Den Schuldnern wird es sowieso viel zu leicht gemacht...."

    Anfangs (vor dem 01.12.2001 - also vor Einfügung des § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO) hatte ich mich mal mit einer solchen Frage (ob und warum der TH dazu berechtigt ist) an das IG gewandt. Lapidare Auskuft des IG: "Wenden sich deswegen bitte an den TH, der sagt Ihnen, was Sie zu machen haben."

  • @ all:

    Manchmal ist dieses Vorgehen aber auch reine Notwehr der Treuhänder. Manch ein Rechtspfleger ist nämlich gar nicht begeistert, wenn er die schwere Bürde einer Entscheidung auf sich nehmen soll.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Also nimmt der TH dem Rechtspfleger nur die Arbeit ab und erwartet dafür noch Dankbarkeit?

    Du kennst doch den Spruch, dass Undank der Welten Lohn ist.

    Ich verstehe ich es nicht, dass der TH diese Entscheidung selbst trifft. Warum soll keinen Antrag bei dem IG stellen und das entscheidet dann nach Schuldneranhöhrung und Abwägung.

    Eigentlich verstehe ich Dich nicht, wenn Du von Notwehrsituation sprichst.

  • @ Gegs
    Im Gegensatz zum Treuhänder und Rechtspfleger ist der gewöhnliche Verbrauchersinsolvenz-Schuldner rechtsunkundig und wird meist im Verfahren nicht anwaltlich vertreten. Da ist m.E. die Grenze zwischen "Notwehr" des Treuhänders gegenüber einem ggf. schwer zu überzeugenden Rechtspfleger und "Nutzen" der Schwäche des Schuldners bedenklich dünn...

    Nicht zulässig, auch nicht üblich, aber im Zweifel hat das Insolvenzgericht zu entscheiden, §§ 292 Abs. 1 S. 3 i.V.m. 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 InsO.



    Leitet sich hieraus der Recht des Schuldners auf einen klarstellenden Beschluss des Gerichts ab? Wurde nämlich vom Gericht zurückgewiesen...

  • @ Olaf K + Hego:

    Ich wehre mich etwas gegen die hier durchscheinende Meinung, dass sämtliche Treuhänder ständig zu Ungunsten des Schuldners gegen das Gesetz verstoßen. Glaubt ihr nicht, dass in den meisten Fällen mit oder ohne Beschluss das Ergebnis nicht das Gleiche wäre.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."


  • Leitet sich hieraus der Recht des Schuldners auf einen klarstellenden Beschluss des Gerichts ab? Wurde nämlich vom Gericht zurückgewiesen...



    Ja. Der Fehler liegt eigentlich beim Drittschuldner (entschuldige hego), denn der dürfte nur den pfändbaren Betrag abführen, den die Tabelle mit einer Unterhaltspflicht ausweist. Sollte er mehr abführen, dann darf er das erst dann, wenn das Gericht einen entsprechenden Beschluss nach § 850c Abs. 4 ZPO erlässt.

    Eigentlich stünden die zuviel abgeführten Beträge m. E. dem Schuldner zu, aber das ist dann wieder ein anderes Thema.

  • @ Olaf K + Hego:

    Ich wehre mich etwas gegen die hier durchscheinende Meinung, dass sämtliche Treuhänder ständig zu Ungunsten des Schuldners gegen das Gesetz verstoßen. Glaubt ihr nicht, dass in den meisten Fällen mit oder ohne Beschluss das Ergebnis nicht das Gleiche wäre.



    Niemand hat hier irgend jemand unterstellt zuungunsten irgendwem entscheiden zu wollen. Aber dass sie sich in der Mehrzahl mit diesen "Entscheidungen" nicht an das Gesetz halten muss man wohl nicht extra bemerken. Und um nichts anderes ging es von meiner Seite. Sollte da etwas anders rüber gekommen sein, war das nicht meine Absicht und bedauere das Missverständnis....;)


  • Leitet sich hieraus der Recht des Schuldners auf einen klarstellenden Beschluss des Gerichts ab? Wurde nämlich vom Gericht zurückgewiesen...



    Ja. Der Fehler liegt eigentlich beim Drittschuldner (entschuldige hego), denn der dürfte nur den pfändbaren Betrag abführen, den die Tabelle mit einer Unterhaltspflicht ausweist. Sollte er mehr abführen, dann darf er das erst dann, wenn das Gericht einen entsprechenden Beschluss nach § 850c Abs. 4 ZPO erlässt.

    Eigentlich stünden die zuviel abgeführten Beträge m. E. dem Schuldner zu, aber das ist dann wieder ein anderes Thema.



    Du brauchst Dich nicht für das zu entschuldigen was ich genau so sehe. Aber das ist doch der Bonus den die TH haben. Ob die RA als Gläubigervertreter auftreten oder als TH/IV. Sie machen das nach meiner Erfahrung überwiegend gleich :eek: und wie, das wissen wir aus Erfahrung :daumenrun

  • Aber dass sie sich in der Mehrzahl mit diesen "Entscheidungen" nicht an das Gesetz halten muss man wohl nicht extra bemerken



    Vielleicht ist dies Dein Eindruck. Ich nehme für mich in Kauf, stets nach bestem Wissen und Gewissen und vor allem gesetzestreu zu handeln. Dabei können Fehler vorkommen, aber in der Mehrzahl :gruebel:.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Aber dass sie sich in der Mehrzahl mit diesen "Entscheidungen" nicht an das Gesetz halten muss man wohl nicht extra bemerken



    Vielleicht ist dies Dein Eindruck. Ich nehme für mich in Kauf, stets nach bestem Wissen und Gewissen und vor allem gesetzestreu zu handeln. Dabei können Fehler vorkommen, aber in der Mehrzahl :gruebel:.



    1. Vermutlich habe ich mit Dir als TH/IV nichts zu tun :gruebel:

    2. habe ich von meinen Erfahrungen mit sehr vielen TH/IV berichtet :daumenrun und

    3. habe ich nicht behauptet oder behaupten wollen, dass Du zu der von mir benannten Mehrheit gehörst....:cool:

  • @ Hego:

    Ich fühle mich nicht persönlich angegriffen :pff:, denke aber, dass ich genügend IV/TH kenne, die das gleiche Selbstverständnis für sich in Anspruch nehmen. Ich weiß nicht, wie viele TH/IV Du kennst, sicherlich bleiben die schwarzen Schafe im Gedächtnis. Aber das ist nun doch wieder eine andere Geschichte ...

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • @ Hego:

    Ich fühle mich nicht persönlich angegriffen :pff:, denke aber, dass ich genügend IV/TH kenne, die das gleiche Selbstverständnis für sich in Anspruch nehmen. Ich weiß nicht, wie viele TH/IV Du kennst, sicherlich bleiben die schwarzen Schafe im Gedächtnis. Aber das ist nun doch wieder eine andere Geschichte ...



    Bei mir würden die anderen sicher besser im Gedächtnis bleiben, das wären weniger ;)

    Wenn ich mal viel Zeit habe, dann mache ich mal eine Stilblütensammlung davon...


  • Ich bin stinksauer, dass ich mich gefühlte Ewigkeiten mit der Problematik beschäftigen muss, und frage mich, ob eigenmächtige Entscheidungen über Unterhaltspflichten bei Treuhändern und Drittschuldnern so zulässig, üblich, beschwerdefähig etc. pp. sind.

    Danke für Meinungen hierzu



    Nachdem "meine" persönlichen IVs/THs durch BGH-Entscheidung und in Seminaren darauf verwiesen wurden, dass sie nicht Kraft ihrer Wassersuppe derartige Entscheidungen treffen dürfen, hat sich das Problem erledigt. War langjährige Praxis in meinem Büro. Ich fand´s schlimm, konnte jedoch nichts daran ändern und bin zum Glück auch nicht Insolvenzsachbearbeiter.

  • @ Olaf K + Hego:

    Ich wehre mich etwas gegen die hier durchscheinende Meinung, dass sämtliche Treuhänder ständig zu Ungunsten des Schuldners gegen das Gesetz verstoßen. Glaubt ihr nicht, dass in den meisten Fällen mit oder ohne Beschluss das Ergebnis nicht das Gleiche wäre.



    Zur Klarstellung: Das ist nicht meine Meinung und die sollte auch nicht durchscheinen.

  • Ohne Gegs angreifen zu wollen, aber es gibt tatsächlich eine Vielzahl mir bekannter Treuhänder, die das so handhaben, wie Olaf schildert. Vorgestern kam eine Schlunder zu mir, dem hat sein TH auf die Frage, wie hoch sein pfändbares Einkommen denn nun sei, geantwortet: "Das müssen Sie doch selbst wissen, ich bin doch nur ihr Treuhänder......" (O-Ton!)

    Und wenn man gerade einen solchen Fall wie den obigen nimmt, wo es in der Tat auf Messers Scheide steht, ob die UHP besteht oder nicht, ist der Schuldner in der Tat ohne anwaltlichen Berater machtlos. Und dieser wiederum bekommt keine Beiordnung bewilligt mit dem Argument "Die Fürsorgepflicht von Gericht und Treuhänder reichen aus...."

    Haha!:wechlach:

    Und wenn dann tatsächlich mal ein selbstloser Schuldnerberater in der Akte blättert, stehen einem die Haare zu Berge.

    Olaf, ich kann dir nur zustimmen! :daumenrau

  • Vorgestern kam eine Schlunder zu mir, dem hat sein TH auf die Frage, wie hoch sein pfändbares Einkommen denn nun sei, geantwortet: "Das müssen Sie doch selbst wissen, ich bin doch nur ihr Treuhänder......" (O-Ton!)



    Nach § 292 InsO ist es auch nicht die Aufgabe des Treuhänders, die pfändbaren Bezüge auszurechnen und zu überprüfen.


    OLG Celle, Beschl. v. 02.10.2007 - AZ: 16 U 29/07
    Den Treuhänder trifft keine Pflicht, zugunsten des Schuldners eingehende Zahlungen darauf zu überprüfen, ob die pfändbaren Beträge zutreffend berechnet sind.


  • dazu gibt es sogar ein gleichlautendes BGH-Urteil; hab´s grad nicht zur Hand. ABER: macht diese Rechtsprechung wirklich Sinn?? Der TH/IV ist doch für die Interessen der Gläubiger eingesetzt; WER, wenn nicht ER muss denn ein Auge drauf haben, dass das Pfändbare auch zur Masse gelangt.
    Hier häufen sich die Fälle, in denen das pfändbare Einkommen monatelang nicht geprüft wird, dem Schuldner selbst natürlich auch nicht mitgetilt wird Irgendwann wird drüber gestolpert, der Arbeitgeber angeschrieben und dem Schu für die Vergangen heiteine Riesenrechnung aufgemacht. Leider erfolgt dann auch gerne der fast erpresserische Hinweis auf Mitwirkungspflichten, Versagung der RSB und der Schu zahlt aus seinem eigentlich pfändungsfreien Einkommen plötzlich große Beträge "nach".
    :mad:

  • @ bin-ganz-frisch:

    Wie soll ich ohne eine Mitwirkung des Schuldners - insbesondere bei Löhnen - ausrechnen können, welcher pfändungsfreie Betrag sich ergibt? Insbesondere weil sich manche Arbeitgeber auf den Schuh stellen, dass mich die Lohnabrechnung nichts angeht.

    Wir schreiben zur Sicherheit mittlerweile jeden Arbeitgeber sofort nach Eröffnung an. Aber in der Regel stehen die Schuldner bettelnd vor mir, weil sie Angst haben, durch die Information ihres Arbeitgebers Nachteile zu erleiden.

    Und bitte welches Bild hast Du denn von den Schuldnern? Die werden doch über ihre Mitwirkungspflichten belehrt und haben normaler Weise ohne Aufforderung, mir veränderte Einkommensverhältnisse mitzuteilen. Und sich auf den Standpunkt stellen: "Ich habe doch gar nicht gewußt, dass ich pfändbares Einkommen abführen muss" geht aus meiner Sicht schon gar nicht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!