Verzicht nach Rückschlagsperre

  • Hallo,
    kann mir jemand helfen?
    Habe eine Forderungspfändung für den Gläubiger gegen drei DS erwirkt ( Zustellungen am 08.02.2006, 26.01.2006 und am 22.02.2006)

    Am 06.04.2006 hat S Eigenantrag für Verbraucherinsolvenz gestellt und am 30.05.2006 ist eröffnet worden. Leider greift 88, 312 Inso.

    Schuldner- RA möchte jetzt Verzicht auf sämtliche Rechte aus Pfändungen.
    Laut 88 , 312 wird Pfändung unwirksam.

    Meine Fragen:

    Ist Verzicht überhaupt noch notwendig?
    Kann er auch erklärt werden mit Ergänzung, dass bei Fehlschlagen von Verbraucherinsolvenz Pfändungen wieder aufleben oder sind neue Pfändungen notwendig?

    ( Prinzipiell tendiere ich ja dazu dass Verzichtserklärung nicht notwendig und neue Pfändungen bei Fehlschlagen der Verbraucherinso notwendig sind. Aber ist das richtig?)

    Vielen Dank im Voraus.

    Gruss Cata

  • Wenn § 88 InsO einschlägig ist, ist aufgrund der gesetzlichen Unwirksamkeitsfolge eigentlich kein Verzicht mehr denkbar. Ein solcher Verzicht könnte sich nach der höchst umstrittenen Rechtsprechung des BGH zur Rückschlagsperre bei Zwangshypotheken (Rpfleger 2006, 253) allenfalls darauf erstrecken, dass auf das Wiederaufleben der Pfändungspfandrechte im Fall der Beendigung des Verfahrens oder der Freigabe durch den Verwalter verzichtet wird. Zu einem solchen Verzicht besteht seitens des Pfändungsgläubigers allerdings kein Anlass.

    Der BGH hat sich -wie üblich- natürlich nicht dazu geäußert, ob die vom ihm für Zwangshypotheken befürworteten Rechtsfolgen auch für Pfändungspfandrechte an beweglichen Sachen oder Forderungen gelten (konsequent wäre es!). Und gerade dies scheint mir hier die entscheidende Frage zu sein.

  • Juris kann man nur zustimmen.

    Interessieren würde mich allerdings, warum der Schuldneranwalt einen Verzicht auf die Pfändung herbeiführen will. Eigentlich müsste das doch den IV / TH stark betreffen.
    Ich gehe mal davon aus, das die DS nicht falsch leisten wollen und daher natürlich klärend der Verzicht wünschenswert wäre. Aber auch gerade im Hinblick auf die BGH Rechtsprechung möchte ich eine "Unwirksamkeit der Unwirksamkeit" der Pfändung nicht ausschliessen.

  • Hallo Iuris, hallo Harry,
    vielen Dank für Eure schnelle Antwort.

    Harry hat natürlich Recht. Es handelt sich um den Treuhänder. ( Ist zwar nicht das gleiche wie Schuldneranwalt, aber in diesem Fall von meinem Standpunkt gesehen, doch auf der Seite des Schuldners stehend, da er gegen meinen Mandanten arbeitet :oops: , war juristisch natürlich keine klare Ausdrucksweise ).

    Also nochmals vielen Dank.

    Liebe Grüsse
    Cata

  • Kleiner Nachtrag noch:
    Nach meiner Erinnerung an die (zumindest) h.M. ist das mit der Rückschlagsperre bei Pfändung zweiteilig zu sehen:

    1. Die Pfändung wird als durch Vollstreckung erlangte Sicherheit nach § 88 InsO mit Insolvenzeröffnung erst mal absolut unwirksam.

    2. Damit fällt aber nicht automatisch die öffentlich-rechtliche Verstrickung weg. Die kann nur das VollstrG durch Aufhebung beseitigen.

    Vor diesem Hintergrund beantrage ich als IV/TH in solchen Fällen vorsorglich immer die Aufhebung des Pfänders, was auch funktioniert (und funktionieren muss).

    Anspruch auf einen (alternativen / gleichzeitigen ?) Verzicht des Pfändungsgläubigers hat der IV / TH sicherlich nicht, und mir wäre die Aufhebung durch das VollstrG ehrlich gesagt auch lieber als ein Verzicht: Aus dem Stegreif wüsste ich nicht mal, ob der Verzicht die Verstrickung ohne weiteres beseitigt.

  • chick:

    Aber ob das alles nach der in #2 zitierten Entscheidung des BGH überhaupt noch gilt? Danach sollen ja nach § 88 InsO unwirksam gewordene Vollstreckungsmaßnahmen nach Beendigung des InsO-Verfahrens bzw. nach Freigabe des betreffenden Gegenstandes durch den Verwalter "von selbst" wieder wirksam werden. Wieso sollte das Vollstreckungsgericht demzufolge im Lichte dieser Rechtsprechung aufheben?

  • @iuris:
    Es würde m.E. ein bisschen zu weit gehen, das aus der BGH-Entscheidung zu machen. Im BGH-Fall gab meiner Erinnerung nach der IV das Grundstück frei, es stand noch die ZwaSiHyp im GB und auf Geltendmachung der Löschung durch den (wieder verfügungsbefugten) Schuldner war die Frage: Was is jetz?

    Ohne bzw. vor Freigabe/Verfahrensende stellt sich zwar die gleiche Frage, aber bei ganz anderer Rechtslage: An der materiellen Wirkung von § 88 InsO - "mit Insolvenzeröffnung unwirksam" - wird wohl keiner rütteln wollen/können. Wenn aber Pfänder, etc. materiell nun mal weg sind, dann kann ich mir dogmatisch nicht vorstellen, wie ein Anspruch auf Perpetuierung der Verstrickungswirkung seriös begründbar sein soll. Der BGH hätte in dem Fall ja wohl auch sicher anders entschieden, wenn der IV die Löschung geltend gemacht hätte.

    Ich habe RiBGH Kayer über die Entscheidung referieren gehört, eine so weitreichende Wirkung wollte der BGH aber nach meinem Eindruck von seinen Ausführungen nicht. Vor allem angesichts der Kritik an der Entscheidung erscheint mir eine Ausweitung unwahrscheinlich.

  • Das scheint mir der springende Punkt zu sein: Die Entscheidung des BGH ist einfach falsch! Aber wenn man sie für bare Münze nimmt, dann kann man Immobiliarvollstreckungsmaßnahmen (Zwangshypothek) und andere Vollstreckungsmaßnahmen wohl kaum unterschiedlich behandeln. Es erscheint mir schon ungewöhnlich genug, dass sich der BGH genötigt sieht, seine eigene Entscheidung zu erläutern. Das hätte man sich vorher überlegen sollen.

  • Zitat von juris2112

    Es erscheint mir schon ungewöhnlich genug, dass sich der BGH genötigt sieht, seine eigene Entscheidung zu erläutern. Das hätte man sich vorher überlegen sollen.



    Da muss ich jetzt unseren (ansonsten bislang recht) guten IX. Senat ein bisschen in Schutz nehmen: Das war keine Erläuterung im Sinne einer Rechtfertigung. Die BGH-Richter referieren ständig auf den einschlägigen Tagungen unter der Standardüberschrift "Neueste Entwicklungen der Rechtsprechung" ihre letzten Entscheidungen und erzählen dabei, was sie sich so gedacht haben.

  • Zitat von juris2112

    Und was haben sie sich im konkreten Fall so gedacht?


    Jedenfalls konnte ich nicht raushören, dass sie über die Folgen allzu intensiv nachgedacht hätten.



  • Was hat es denn mit der ö.-r. Verstrickung auf sich, bleibt die auch bestehen, wenn die Pfändungen nach § 114 Abs. 3 InsO unwirksam werden?

    Es gibt Prof`s, die sind der Meinung, dass auch diese Pfändungen aufgehoben werden müssen, weil die Verstrickung noch besteht.

  • Zitat von Hego

    Was hat es denn mit der ö.-r. Verstrickung auf sich, bleibt die auch bestehen, wenn die Pfändungen nach § 114 Abs. 3 InsO unwirksam werden?

    Es gibt Prof`s, die sind der Meinung, dass auch diese Pfändungen aufgehoben werden müssen, weil die Verstrickung noch besteht.



    Das mit dem § 114 II ist eine äußerst interessante Frage! Ich muss gestehen, dass ich als IV/TH immer nur den Arbeitgeber informiere und den pfändbaren Teil ab InsEröffnung einziehe und mir über das Schicksal des PfÜB keine weitere Gedanken mache. Mit letzterem scheine ich aber zumindest nicht ganz allein zu sein: Soweit nach kurzer Durchsicht ersichtlich, äußern sich Heidelberger Kommentar, Uhlenbruck, MüKo, Braun und Kübler/Prüttung dazu auch nicht. Lass mich mal "laut" nachdenken:

    Angesichts des Verweises auf § 89 II 2 (den § 88 nicht hat!) könnte man auf den Gedanken kommen, dass der PfÜB bestehen bleiben kann/muss, soweit eben § 89 II 2-Forderungen betroffen sind. Das würde dann allerdings für die von mir abgelehnte nur schwebende Unwirksamkeit der Pfändung - entsprechend der BGH-Entscheidung zur ZwaSiHyp - sprechen und z.B. dazu führen, dass bei Einstellung des InsVerf. oder Versagung der RSB der alte PfÜB wieder zum Tragen kommt.

    Eine unterschiedliche Behandlung der Unwirksamkeit nach § 114 III und nach § 88 erscheint mir in diesem Zusammenhang übrigens kaum begründbar. Zwar hat § 88 nicht den Verweis auf § 89 II 2, er erfasst aber nach dem Wortlaut nur das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen, so dass auch hier die § 89 II 2-Forderungen ausgenommen wären.

    Noch mal aus der anderen Richtung gedacht: Wenn man die schwebende Unwirksamkeit der ZwaSiHyp laut BGH in der von iuris befürchteten Weise durchzieht, dann könnte ich als IV die materiell (schwebend) unwirksame Sicherheit nicht löschen lassen (weil sie ja dadurch zu schweben aufhören und auf den Boden knallen würde). Das würde mir allerdings eine Verwertung des Grundstücks durch Verkauf versauen (soll die ZwaSiHyp nach BGH auch gegenüber einem Grundstückskäufer aufleben?). Dann würde allerdings der Sinn und Zweck von § 88 konterkariert, weil sich die Sicherheit ja doch zu Lasten der Gläubigergesamtheit auswirken würde.

    Schlussfolgerung:
    1. § 88 macht nur Sinn, wenn es sich um eine absolute Unwirksamkeit handelt und der IV die Löschung/Beseitigung der Verstrickung herbeiführen kann (ist ja auch bisherige h.M.).
    2. Die BGH-Entscheidung kann nicht über den konkreten Sonderfall (Freigabe vor Löschung) hinaus ausgedehnt werden.
    3. § 88 und § 114 III können nicht unterschiedlich zu behandelt sein. D.h. ich kann auch den von § 114 III erfassten PfÜB aufheben lassen - Ausnahme nur bei Forderungen i.S.v. § 89 II 2; diese Ausnahme müsste dann allerdings auch für § 88 gelten. Falls so etwas geht, müsste m.E. der Aufhebungsbeschluss letzterenfalls (sinngemäß) lauten: "PfÜB wird aufgehoben, soweit nicht Vollstreckung in den privilegiert pfändbaren Teil des Einkommens betroffen ist."

  • Zitat von chick:

    Wenn man die schwebende Unwirksamkeit der ZwaSiHyp laut BGH in der von iuris befürchteten Weise durchzieht, dann könnte ich als IV die materiell (schwebend) unwirksame Sicherheit nicht löschen lassen (weil sie ja dadurch zu schweben aufhören und auf den Boden knallen würde). 

    Das ist genau einer (von mehreren) Gesichtspunkten, die der BGH offensichtlich nicht in seiner Überlegungen einbezogen hat. Denn wenn eine nach § 88 InsO "absolut schwebend unwirksame" Zwangsvollstreckungsmaßnahme (Zwangshypothek, Pfändung usw.) mit Beendigung des Verfahrens oder mit Freigabe des Verwalters materiell wieder aufleben kann, verbietet sich selbstverständlich jede Löschung der Zwangshypothek und jede Aufhebung der Pfändung. Dies käme vielmehr nur noch im Zuge der Verwertung des Vollstreckungsgegenstandes durch den Verwalter in Betracht, also Löschung der Zwangshypothek Zug um Zug mit der Eintragung der Auflassung zugunsten des Erwerbers und Aufhebung der Pfändung Zug um Zug mit Verwertung des Pfändungsgegenstandes.

    So etwas passiert (dem BGH) halt, wenn man seine Überlegungen nicht zu Ende denkt.

  • Die Pfd. wird unwirksam, nur mit dem einen Unterschied, dass die Pfd. nach § 88 bereits mit der Eröffnung und die älteren nach § 114 III erst mit Ablauf des Monats oder nächsten Monats unwirksam wird.

    Nur der Drittschuldner weiß nicht wann der Antrag gestellt wurde und nur über den Hinweis durch Gericht oder TH halte ich das für bedenklich. In der Praxis (bei Lohnpfändung) wird das kaum eine Rolle spielen, weil der TH in der Regel nicht weiß, wann die PfÜB`s zugestellt worden sind und ob überhaupt aufgrund eines Beschlusses, der nach § 88 unwirksam wäre, gezahlt worden ist. Das lässt sich dann immer erst durch Rückfragen klären und dann ist der Monat der Eröffnung eh schon in der Regel vorbei und es spielt keine Rolle mehr für den AG weil er die Pfändung dann schon nach § 114 III als unwirksam betrachtet. Es ist dann Sache des TH die Beträge von dem Gl. zurückzufordern.

    Nur, was bringt denn die Verstrickung überhaut noch für Wirkungen, wenn der PfÜB nach § 114 III unwirksam ist?

    Kann man das dann so ähnlich sehen wie die Schulden, die nach der RSB "nicht" nicht mehr bestehen, sondern lediglich uneintreibbar sind?

  • Zitat von Hego

    Nur der Drittschuldner weiß nicht wann der Antrag gestellt wurde und nur über den Hinweis durch Gericht oder TH halte ich das für bedenklich.



    Nur zur Sicherheit: Maßgeblicher Zeitpunkt ist sowohl bei § 88 als auch bei § 114 die Insolvenzeröffnung (gem. Beschluss), nicht die -antragstellung.

    Zitat von Hego

    Nur, was bringt denn die Verstrickung überhaut noch für Wirkungen, wenn der PfÜB nach § 114 III unwirksam ist?



    Ich glaube, es geht nicht darum, ob bzw. was sie noch bringt. Dass sie nicht automatisch wegfällt, ist schlicht eine Folge ihres Wesens bzw. ihrer eigenständigen Rechtswirkung (öffentlich-rechtlicher Natur - ich fand ÖR schon immer verdächtig :D ). Letztlich wird uns hier also das Problem ausschließlich von der Dogmatik beschert, nicht von praktischen Überlegungen.

    Zitat von Hego

    Kann man das dann so ähnlich sehen wie die Schulden, die nach der RSB "nicht" nicht mehr bestehen, sondern lediglich uneintreibbar sind?



    Also die "naturalobligatorische Verstrickung"? Klingt nett, würde ich aber nicht ganz mittragen, weil die Verstrickung allein keine Schuld begründet. Da müsste man aber jetzt etwas tiefer in dogmatische Überlegungen über "Schuld-Haftung-Durchsetzung-etc." einsteigen. Das würde hier wahrscheinlich zu weit führen (und wahrscheinlich auch meinen Horizont übersteigen :oops: )

  • @chick

    Vielen Dank. Klar mit dem Eröffnungsbeschluss. Aber es geht dann evtl. um Beträge, die wegen der Einstellung nach § 21 II noch beim AG sind. Da gibt es dann Kollegen von Ihnen, die meinen, sie brauchen dem ArbG nur mitzuteilen wann der Antrag gestellt wurde und berufen sich auf § 88 i.V.m. 312 und auf die sich daraus ergebende Rückschlagsperre.

    Deswegen hatte ich in einem anderen Beitrag auch geschrieben, dass die Pfd. meiner Meinung nach aufgehoben werden muss, weil sie sonst erst mit der Eröffnung (für den ArbG erkennbar) unwirksam wird.

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