Ausschlagungsfrist und Wiedereinsetzung

  • Hallo.

    Ich habe folgenden Fall :

    Der nur gebrochen deutsch sprechende Ehemann schlägt für sich und (infolge Todes der Ehefrau = Erblasserin) als (nunmehr) Alleininhaber der elterlichen Sorge für das mdj. Kind aus. Auf das sich aus § 1643 BGB ergebende Erfordernis und die Pflicht zur unmittelbaren Einreichung der Genehmigung wurde bei der Ausschlagung hingewiesen; der Antrag auf Genehmigung wurde mit der Ausschlagung beurkundet.

    Die Genehmigung wurde ca. 1 Woche später erteilt, was dem Nachlassgericht auf Anfrage nach 1 Mon. mitgeteilt wurde, worauf hin der Ehemann nochmals zur Einreichung aufgefordert wurde.

    Die Genehmigung wurde nicht eingereicht. Darauf hin habe ich dem Ehemann mitgeteilt, dass infolge Nicheinreichung der Genehmigung das Kind Erbe geworden sein dürfte. Ferner habe ich auf die gängigen Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung hingewiesen.

    Nunmehr beantragt der Kindesvater "Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" mit der Begründung, er dachte, er hätte alles notwendige getan und das mit der Pflicht zur Einreichung der Genehmigung weder beim Beurkundungsvorgang noch auf mein o.g. Erinnerungsschreiben hin richtig verstanden...

    Ist das Schreiben als formunwirksame Anfechtung anzusehen oder gibt es hier ein Verfahren zur Wiedereinsetzung ? Die Ausschlagungsfrist ist doch weder verkürzbar noch verlängerbar... ?

    Mein Palandt und mein MÜKO-BGB helfen mir auch nicht wirklich weiter.

    Bin ratlos :confused:

    P.S.: Die Erblasserin und deren Ehemann sind polnische Staatsangehörige... Gilt da überhaupt das Erfordernis nach § 1643 BGB ?

  • Das habe ich bei der Ausschlagung nicht erfragt und auch das Familiengericht hat das scheinbar nicht problematiert (es ergeben sich diesbezüglich keine genauen Anhaltspunkte aus den Akten).

    Da beide Elternteile polnische Staatsanhörige sind : ist dann deren (in Deutschland geborene) Tochter nicht (automatisch) auch polnische Staatsangehörige ?!

  • Ich denke, das Problem des Falles liegt zunächst woanders.

    Die Erblasserin war polnische Staatsangehörige und wird daher nach Art.25 Abs.1 EGBGB nach polnischem Recht beerbt. Dies entspricht auch der Rechtslage nach dem polnischen IPR-Gesetz vom 12.11.1965, in Kraft getreten am 1.7.1966 (Art. 34: Ein Erbschaftssachen ist das Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes maßgebend).

    Damit beurteilen sich auch Zulässigkeit, Form und Frist der Ausschlagung nach polnischem Recht (völlig unstreitig, vgl. Palandt/Heldrich, Art.25 EGBGB RdNr.10 m.w.N.).

    Es muss daher zunächst geprüft werden, ob die Ausschlagung nach polnischem Recht (unabhängig vom Genehmigungserfordernis) wirksam ist und ob eine internationale Zuständigkeit zur Beurkundung und Entgegennahme der Ausschlagungserklärung bestand. Hierzu empfehle ich, bei Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Länderteil Polen, nachzulesen.

    Zur familiengerichtlichen Genehmigung der Erbausschlagung ist zu sagen, dass sich das eingangs geschilderte Problem wahrscheinlich nicht dadurch erledigt, dass nach polnischem Recht evtl. keine Genehmigung zu einer Erbausschlagung für einen Minderjährigen erforderlich ist, weil für die Erforderlichkeit der Genehmigung von der Anwendung deutschen Rechts auszugehen ist (Art.21 EGBGB, verdrängt nach Art.3 Abs.2 EGBGB durch das MSA und dieses wiederum verdrängt durch Art. 60 lit. a) i.V.m. Art.1 Abs.1 b, 2 e der am 1.3.2005 in Kraft getretenen Zuständigkeits-EG-VO 2201/2003 -früher Nr. 1347/2000-, welche nach Art.8 Abs.1 auch für Staatsangehörige aus Drittstaaten gilt, weil es ausschließlich auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ankommt; eine evtl. Restzuständigkeit richtet sich dann wieder nach dem MSA, Palandt/Heldrich, Art.21 EGBGB RdNr.7 a.E.; die vormundschafts- bzw. familiengerichtliche Genehmigung ist nach hM eine Schutzmaßnahme i.S. des Art.1 MSA, Palandt/Heldrich Anh. zu Art.24 EGBGB, Art.1 MSA RdNr.14 m.w.N.).

    Meines Erachtens wäre die Genehmigungsproblematik vermieden worden, wenn das FamG auch dem NachlG eine Ausfertigung der Genehmigung zugeleitet hätte (was in jedem Fall erfolgen sollte). Dann hätte das NachlG nämlich die Möglichkeit gehabt, noch vor erfolgendem Fristablauf auf die (dann rechtzeitige) Mitteilung der Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter hinzuwirken.

    Wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes die Belehrungen des NachlG aus sprachlichen Gründen tatsächlich nicht verstanden haben sollte, ließe sich die Problematik evtl. dadurch lösen, indem man annimmt, die Ausschlagungsfrist für das Kind habe erst später (mit der "rechtlichen Erkenntnis" des gesetzlichen Vertreters) begonnen. Mittlerweile ist die Genehmigung ja wohl hoffentlich vom gesetzlichen Vertreter mitgeteilt worden.

    Aber: So wie ich den Fall sehe, wurde ein Erbscheinsantrag im vorliegenden Verfahren nicht gestellt. Also kann die Wirksamkeit der Ausschlagung des Kindes im Nachlassverfahren wohl zunächst offen bleiben. Dies gilt aber natürlich nicht für Beurteilung der Frage, ob die erklärten Erbausschlagungen nach polnischem Recht (unabhängig vom Genehmigungserfordernis) überhaupt wirksam sind. Vielleicht hat man ja Glück und die Ausschlagungsfrist ist nach polnischem Recht viel länger.

  • Nach Firsching/Graf int. Erbrecht beträgt die Frist zur Erklärung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft nach polnischem Recht 6 Monate. Das löst mein Problem auf wundersame Weise.

    :yes:

    :2danke @ all.

    Der Kindesvater hätte mittlerweile auch die 6 Wochenfrist ab Kenntnis vom Erfordernis versäumt.

    Hätte es nun bei einem "deutschen" Fall eine Wiedereinsetzung gegeben oder hätte man das irgendwie über eine zweifelhafte Anfechtung lösen müssen ?

  • Die Ausschlagungsfrist ist eine Ausschlussfrist. Sie ist daher entweder eingehalten oder nicht. Eine "Fristverlängerung" oder "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" scheidet somit aus. Bei deutschem Erbstatut käme somit nur in Betracht, dass die Ausschlagungsfrist entweder aufgrund der geschilderten sprachlichen Probleme erst später begonnen hat (fraglich) oder dass die Anfechtung der durch das Verstreichen der Ausschlagungsfrist erfolgten Erbannahme ins Auge gefasst wird. Ob ein Anfechtungsgrund besteht, wenn man die Ausschlagungsfrist "aus Dummheit" verstreichen lässt, ist aber natürlich ebenfalls mehr als fraglich.

  • Nach polnischem Recht wäre der Fall wie folgt zu beurteilen:


    Die Frist beträgt nach Art. 1015 I poln. ZGB 6 Monate. Im Fall eines minderjährigen Erben ist der Zeitpunkt der Kentniesnahme des gesetzlichen Vertreters maßgeblich (E. Skowronska, Komentarz do Kodeksu Cywilnego. Ksiega Czwarta Spadki, Rn. 4 zu Art. 1015, Warschau 1995).



    Die Abgabe der Ausschlagungserklärung nach der Fristablauf ist irrelevant, da zum Zeitpunkt der Fristablauf die Rechtsfolge des Art. 1015 II poln. ZGB bereits eingetreten ist. Im Fall eines minderjährigen Erben bedeutet dies die Gesamtrechtsnachfolge mit Beschränkung der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf die Höhe der Aktiva des Nachlasses (beschränkte Haftung aus dem gesamten Vermögen des minderjährigen Erben- pro viribus hereditatis). Die Höhe der Aktiva, und somit auch die Haftungsbeschränkung, ergibt sich in Polen aus dem auf Anordnung des Nachlassgerichts errichteten Nachlassinventar. Die Einzelheiten der Errichtung sind prozessrechtlich geregelt.


    Die Anordnung muss bei der Erbfolge mit
    pro-viribus-hereditatis-Haftungsbeschränkung in der Regel von Amts Wegen erfolgen. Bei der Fiktion der Annahme des Art. 1015 II poln. ZGB ergeht die Anordnung über die Inventarerrichtung jedoch nur auf Antrag: poln. OGH (7 Richter Besetzung) vom 20.05.1968, III CZP 78/67, OSN Nr 12/1968, Pos. 206; E. Skowronska-Bocian, Prawo spadkowe, Warschau 2003, S. 143.
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