EXG-Zuschuß pfändbar ?

  • Hallo,

    wir haben nun nach langer Zeit mal wieder einen Schuldner der sich selbststänidg gemacht hat. Alles kein Problem, alle Einnahmen direkt aufs Massekonto. Doch nun erhält der Schuldner Existenzgründungszuschuß von der Agentur für Arbeit und meint, da es Sozialleistungen sind und daher der Zuschuß unter § 36 InsO fällt. Hmmm... wie seht Ihr das ?

  • ich mag "Insolvenzflüchtlinge" nicht und bin deswegen überhaupt kein Inso-profi. Daher meine erste Frage: alle Einnahmen? er darf doch auch noch was haben und sich Milch kaufen - oder bekommt er seine "Ration" vom Inso-Verwalter eingeteilt?

    Grundsätzlich würde ich sagen: zusammenrechnen. Existenzgründerzuschuß für sein Butterbrot und Verdienst an mich und meine Kollegen ;)

  • Hallo und guten Morgen,

    in Anbetracht das beim Arbeitnehmer § 850c ZPO anzuwenden ist, gilt beim Selbstständigen § 100 InsO. D.h. das alles zur Masse zu ziehen ist und die Gläubigerversammlung oder erstmal der IV den Unterhalt aus der Masse festlegen und gewähren. Jedoch bezieht sich hier der Schuldner auf § 36 InsO im Zusammenhang auf § 55 SGB I. Ferner weist er nach, das sein (zusammenwohnender) Lebenspartner von Ihm Unterhalt verlange, da er seit Juni keinerlei Leistungen von irgendwo bekommt. Das macht die Sache nochmals schwerer. Und die Kommentare sind sich nicht ganz einig. Insbesondere er nicht gegen Unterhalt aus der Masse hat. ABER er auf die Auszahlung des Existenzgründungszuschusses auf sein Konto, quasi als Vorschuß zum Überleben, beansprucht.

  • Eingetragener Lebenspartner? Weil sonst gibt es da ja wohl keine Unterhaltspflicht, ohne Unterhaltspflicht keine Berücksichtigung. Gab es denn schon eine Gläubigerversammlung oder steht die bald an? Wegen einer möglichen Entscheidung.

    Grundsätzlich versuche ich mich auch bei Selbstständigen an den Pfändungsgrenzen zu orientieren. Wenn der EXG da drunter liegt, dann könnte dieser an den Schuldner direkt bezahlt werden, bis zur Höhe der Pfändungsgrenze dann weitere Unterstützung aus der Masse. Auch wenn der Schuldner nicht-Massezugehörigkeit des EXG geltend machen will, es stellt für ihn Einkünfte dar. Dann wird dieser halt nicht zur Masse gezogen, aber mehr als nach der Pfändungstabelle gibt es nicht.

  • Zitat von Harry

    Eingetragener Lebenspartner? Weil sonst gibt es da ja wohl keine Unterhaltspflicht, ohne Unterhaltspflicht keine Berücksichtigung. Gab es denn schon eine Gläubigerversammlung oder steht die bald an? Wegen einer möglichen Entscheidung.



    Das verstehe ich jetzt nicht, "mein" früherer Verwalter hat dem Schuldner seine Rationen immer ohne Entscheidung der Gläubigerversammlung zugeteilt. Orientiert haben wir uns immer an einem Arbeitnehmer. Hälst Du die Unterhaltsgewährung durch die Gläubigerversammlung für zwingend erforderlich, oder dient diese nur der Absicherung des Verwalters, wenn es um Fragen - wie die vorliegenden - geht.

  • @Gerit

    Also ich denke, der Wortlaut von § 100 läßt insoweit keinen großen Spielraum: "Bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung kann der Insolvenzverwalter ..." Der Beschluss über etwaigen Unterhalt ist Pflichttagesordnungspunkt im Berichtstermin (HK-Eickmann, 4. Aufl., § 100 Rz. 3). Meines Erachtens ist damit für eine Unterhaltsgewährung durch den Verwalter nach dem Berichtstermin kein Raum mehr. Denn wenn die Gläubigerversammlung keine Entscheidung zum Unterhalt trifft, impliziert dies die Entscheidung, keinen Unterhalt zu gewähren (m.E. ähnliche Situation wie bei § 103 II 2, 3: Übe ich mein Wahlrecht nicht aus, steht das der Erfüllungsablehnung gleich).

  • :zustimm: chick.

    Es stellt sich ja schon die Frage, ob eine Entscheidung des Gerichts überhaupt notwendig wird, sollte zBsp die GlVersammlung direkt anstehen. Oder wenn diese bereits entschieden hat.

  • Was aber, wenn Berichtstermin bereits stattgefunden hat?
    Gibt es für den Schuldner nach § 765 a ZPo über § 36 InsO die Möglichkeit eine Entscheidung herbeizuführen?
    Ich habe einen Schuldner, der nun gekündigt wurde (ist wohl selten bei der Arbeit erschienen) und -da er vom Amt kein Geld erhält- beantragt, ihm die vom IV vereinnahmte Lebensversicherung zur Sicherung seines Lebensunterhalts auszuzahlen.

  • Zitat von Charlotte

    Ich habe einen Schuldner, der nun gekündigt wurde (ist wohl selten bei der Arbeit erschienen) und -da er vom Amt kein Geld erhält- beantragt, ihm die vom IV vereinnahmte Lebensversicherung zur Sicherung seines Lebensunterhalts auszuzahlen.

    ich weiß, dass ich mich jetzt ganz arg zurücknehmen muß :oops:

    Wenn er nicht zur Arbeit erscheint und ihm deswegen gekündigt wird, ist doch sebstverständlich, dass er kein Geld mehr vom Amt erhält, wieso dann von woanders?

    ich werde mich ganz schnell ins Inso-Recht einlesen, damit ich solchen (tschuldigung) Ungerechtigkeiten gleich entgegenwirken kann (wenn irgendwie möglich) - ich hab mich wohl zulange davor gedrückt, fit auf dem Gebiet zu sein.:gruebel:

  • @Bine1 : Ich denke auch, dass der Schuldner keinen Anspruch auf das Geld hat. Ich frage mich derzeit aber eher nach welchem § der Antrag gestellt wurde, damit ich diesen ordnungsgemäß verbescheiden kann.
    Wie gesagt, Berichtstermin hat schließlich schon stattgefunden und bis auf § 765 a ZPo fällt mir keine Vorschrift ein. Dieser ist aber in § 36 InsO nicht ausdrücklich erwähnt.

  • mein unwissendes argument dazu: wenn es keine Grundlage gibt, gibt es keinen Antrag :gruebel::confused: Und somit bekommt er nix, ist doch gerecht - oder?;)

  • Hallo!

    Ich bin nicht "chick's" Meinung, dass eine Nichtentscheidung der Gläubigerversammlung automatisch bedeutet, dass dem Schuldner kein Unterhaltsvorschuss aus der Masse zu gewähren ist. Was ist denn, wenn keiner in der Gläubigerversammlung erscheint? Dann ist sie nicht beschlussfähig und kann weder für noch gegen etwas stimmen. Vielmehr sollte, wenn sich die Notwendigkeit der Unterhaltszahlung aus der Masse erst nach der ersten Gläubigerversammlung ergibt, eine weitere GlVers. einberufen werden, mit ausschließlichem Tagesordnungspunkt: Beschlussfassung gemäß § 100 InsO. So würde ich es machen.

  • Zitat von anett

    Vielmehr sollte, wenn sich die Notwendigkeit der Unterhaltszahlung aus der Masse erst nach der ersten Gläubigerversammlung ergibt, eine weitere GlVers. einberufen werden, mit ausschließlichem Tagesordnungspunkt: Beschlussfassung gemäß § 100 InsO. So würde ich es machen.



    Völlig einverstanden! Ich lasse in einem solchen Fall als IV dann auch eine Versammlung einberufen (wobei im Vorfeld geklärt sein sollte, dass auch ein Gläubiger kommt und bewilligt). Was machst Du aber, wenn keiner der nach § 75 Berechtigten einen Antrag stellt?

    Nochmal zum Unterhalt nach dem BT, wenn kein Gläubiger da war: Ich würde als Anwalt jeden Gläubiger vertreten, der einen IV in Haftung nimmt, wenn dieser ohne Beschluss der Gläubigerversammlung nach dem BT noch Unterhalt gewährt. Und was würden wohl meine Rechtspfleger sagen, wenn ich in einem Stundungsverfahren das bisschen Masse, das vielleicht für die Verfahrenskosten reinkommt, für den Unterhalt verbrate?

    Erfreulicherweise :ironie: stellt sich in den meisten Verfahren die Frage nach dem Unterhalt ja ohnehin nicht, weil gar keine Masse da ist.

  • Nach BT ohne anwesende Gläubiger zahlt der IV hier auch nur Beträge aus der Masse, wenn der Schuldner selbständig ist und Gelder eingenommen werden.

    Besteht denn aber in anderen Fällen nicht die Möglichkeit, dass der Schuldner nach § 765 a ZPO Gelder aus der Masse zur Sicherung seines Lebensunterhaltes freibekommen kann?

  • Hallo Reiner,

    meiner Meinung nach hat Dein Schuldner Recht.
    Es handelt sich um eine soziale Geldleistung nach SGB III (den § habe ich jetzt nicht Erinnerung), für die §§ 54 Abs. 4 SGB I i.V. mit § 850 c ZPO gilt und die gem. § 36 Abs. 1 InsO nicht in die Masse fällt.
    Da der Zuschuss ziemlich niedrig ist (auf jeden Fall unterhalb der Pfändungsfreigrenze für eine Person) ist er in voller Höhe vom Drittschuldner wie unpfändbares Arbeitseinkommen (in Deinem Fall dann wohl vom Verwalter weitergeleitet als durchlaufender Posten) an den Schuldner auszuzahlen - das Problem mit dem Lebenspartner stellt sich bei der geringen Höhe des Zuschusses gar nicht.
    § 100 InsO käme nur für eine darüber hinausgehende Unterhaltsgewährung in Betracht, falls der Schuldner weitere Einnahmen erwirtschaftet und der Zuschuss zur Lebensführung nicht ausreicht, so auch (für Arbeitseinkommen) das HRP, 6. Aufl. Rn. 893 und laut Fußnotenverweis Keller in Gottwald/ Riedle, Praxishandbuch, Teil 6/6.8.5. Eine gerichtliche Entscheidung sollte nicht notwendig sein.

  • Zitat von Charlotte

    Besteht denn aber in anderen Fällen nicht die Möglichkeit, dass der Schuldner nach § 765 a ZPO Gelder aus der Masse zur Sicherung seines Lebensunterhaltes freibekommen kann?



    Ich denke nicht. § 36 InsO listet ja verschiedene §§ zum Pfändungsschutz auf, die im Verfahren anwendbar sein sollen. § 765a ZPO ist nicht dabei.

  • [Zitat von chick]...Völlig einverstanden! Ich lasse in einem solchen Fall als IV dann auch eine Versammlung einberufen (wobei im Vorfeld geklärt sein sollte, dass auch ein Gläubiger kommt und bewilligt). Was machst Du aber, wenn keiner der nach § 75 Berechtigten einen Antrag stellt?

    - Ich denke, der Schuldner wird sich schon kümmern und mit dem Verwalter sprechen (müssen), wenn er Geld aus der Masse haben will. Der Verwalter wäre ja dann antragsberechtigt. Wenn nicht, gibt's nichts. Das ist ja überall so. ;)

  • Hallo! :cool:

    Das Thema ist sehr interesant und sehr umstritten! Wie Du den Fall schilderst, handelt es um einen Selbstständigen, welcher Insolvenz beantragt hat! Eröffnet wurde warscheinlich noch mit Stundung! Er stellt seinen Betrieb ein und macht sich selbststänig, während des Verfahrens. Ich halte den Ansatz nicht für richtig, dass alle Einahmen über ein Masskonto laufen. So muss jede zweite Ausgabe durch das Gericht genehmigt werden. Der Verwalter kann Massegegenstände freigeben. Auch den Betrieb eines Selbstständigen! Dies ist zwar umstritten aber praktikabel! Der Schuldner erzielt Einnahmen und tätigt Ausgaben (was ein Gewerbebetrieb so mitsich bringt). Diese teilt er monatlich dem Verwalter mit. Dieser prüft, ob Beträge vorhanden sind, welche über dem pfändbaren Betrag nach § 850c ZPO liegen und zur Masse gezogen werden könnten!
    Für diese Freigabe benötigt der Verwalter keine Zustimmung der Gläubigerversammlung. Man kann dem Schuldner nicht seiner Existenzgrundlage berauben. Dies ist auch vom Gesetzgeber nicht gewollt. Eine Prüfung kann jederzeit durch Rechnungslegung erfolgen, wenn man will.
    Übrigens könnte der Verwalter auf die Idee kommen, für diese Abwicklung des Geschäftsbetriebes über ein Massekonto (Betriebs-fort-führung) einen Zuschlag auf seine Vergütung zu verlangen! Dies habe ich in meiner Praxis schon erlebt, unzwar in einem Stundungsverfahren! Bei uns laufen solche Dinge größtenteils über die Freigabe durch den Verwalter! Im Zweifel haftet er dafür! Übrigens sieht diese Möglichkeit der neue Gesetzentwurf, welcher vielleicht irgendwann in Kraft treten wird, vor. Aber ansonsten ein sehr intersantes Thema! Ob der EXG-Zuschuss pfändbar ist oder nicht, könnte im Zweifel auch ein LG entscheiden. Die freuen sich über solche Beschwerden.
    Ansonsten sind zweckgebundene Leistungen eigentlich unpfändbar?!

    Mfg
    sledge

  • Wenn der Insolvenzverwalter die selbtständige wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners aus der Masse freigibt, dann kann er nach der Freigabe keine Beträge aus der Tätigkeit zur Masse ziehen. Eine Massezugehörigkeit ist dann nicht mehr gegeben, auch nicht für einen pfändbaren Gewinn. Der Schuldner arbeitet auf eigene Kosten und eigenes Risiko.

  • Zitat von sledge

    Übrigens könnte der Verwalter auf die Idee kommen, für diese Abwicklung des Geschäftsbetriebes über ein Massekonto (Betriebs-fort-führung) einen Zuschlag auf seine Vergütung zu verlangen! Dies habe ich in meiner Praxis schon erlebt, unzwar in einem Stundungsverfahren! Bei uns laufen solche Dinge größtenteils über die Freigabe durch den Verwalter! Im Zweifel haftet er dafür!



    Sehr subjektiv geprägte kurze Stellungnahme, weil das so klingt, als ob der einen Zuschlag fordernde Verwalter hier was unmoralisches tut:

    Wenn ich einem Selbständigen jeden Monat hinterherlaufen muss, um die Informationen zu bekommen, die das FA von mir will, obwohl ich gar keinen Einfluss darauf nehmen kann, was der Schuldner alles macht, oder sei es nur, dass ich die monatlich vom Schuldner eingereichten Unterlagen durchsehen und auf mein Haftungsrisiko den unpfändbaren Teil freigeben muss - was etwas mehr Aufwand verursacht, als das Einziehen des pfändbaren Einkommens eines Arbeitnehmers - dann liegt m.E. der Gedanke an einen Zuschlag nicht ganz fern, oder liege ich da falsch?

    OK, grundsätzlich erhält der IV nach der InsVV eine Erfolgs-Vergütung. Wenn ihm der Gesetzgeber aber nun mal Verfahren aufdrückt, in dem er insoweit gar keinen Erfolg haben kann, dann könnte m.E. in die Vergütungsbemessung durchaus Aufwand und Haftungsrisiko einfliessen.

    Alternative: Ich lasse - gemäß der BGH-Idee im Psychologinnen-Fall - jeden Monat den Rechtspfleger entscheiden, was jetzt unpfändbar ist. Da das ja offenbar keinen nennenswerten Aufwand zu verursachen scheint, wird er sich sicher nicht beklagen.

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