Lebensversicherung - Freistellungserklärung ?

  • Ich brauche in ziemlich kurzfristig Eure Hilfe:

    Ich hatte für unsere Mandantschaft eine Lebensversicherung gepfändet. Im Zuge dessen wurde diese zwischenzeitlich auch gekündigt.

    Da die Schuldnerin sonst nichts hat, war ich natürlich froh, dass das geklappt hat.

    Jetzt aber teilt uns die Versicherung mit, dass sie keine Zahlung an uns leisten wird, weil wir den Original-Versicherungsschein nicht vorlegen können. Den hat natürlich die Versicherungsnehmerin = Schuldnerin.

    Die Versicherung würde lediglich dann zahlen, wenn wir als Gläubigervertreter eine sog. Freistellungserklärung unterschreiben. Diese beinhaltet, dass wir für den Fall, dass Dritte den Original Versicherungsschein bei uns vorlegen, wir den Rückkaufswert an die Versicherung wieder auszahlen müssen.

    Das kann doch nicht wahr sein ?!

    Muss ich jetzt noch die Herausgabe des Original Versicherungsscheines verlangen ?

    Viele Grüße und vielen Dank

    Tippse

  • Die Versicherung reflektiert wahrscheinlich auf den Fall, dass die Schuldnerin die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag vor dem Wirksamwerden der Pfändung abgetreten haben könnte und dem Zessionar im Zuge der Abtretung den Versicherungsschein übergeben hat. Diese Bedenken sind grundsätzlich begründet, weil die Abtretung einer Forderung dem Schuldner nicht zwingend angezeigt werden muss. Eine anderweitige Pfändung kann dagegen nicht vorliegen, weil die Versicherung von ihr Kenntnis hätte.

    Aber vielleicht gibt es noch einen Ausweg, ohne gegen die Schuldnerin auf Herausgabe des Versicherungsscheins vorgehen zu müssen: Falls die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag durch Vereinbarung mit der Versicherung ausgeschlossen ist (§ 399 Alt.2 BGB), wäre eine dennoch erfolgte Abtretung unwirksam. Damit könnte sich die von der Versicherung befürchtete Gefahr überhaupt nicht mehr verwirklichen.

    Anderenfalls bleibt nur die Unterzeichnung der Freistellungserklärung oder die Erlangung des Versicherungsscheins von der Schuldnerin (§ 836 Abs.3 ZPO). Letzteres kann man aber natürlich auch in Angriff nehmen, nachdem man die Versicherung gegen Freistellungserklärung einkassiert hat.

    Beim Inhaberversicherungsschein handelt es sich um ein sog. hinkendes Inhaberpapier, bei welcher das Eigentum am Papier dem Gläubigerrecht aus der Forderung folgt (§ 808 BGB), und zwar dann, wenn der Gläubiger im Versicherungsschein benannt ist und des weiteren bestimmt ist, dass die Versicherung berechtigt ist, an jeden Inhaber des Versicherungsscheins zu leisten. Wenn dies der Fall ist (was die Versicherung anhand der Unterlagen leicht feststellen kann), ist der Inhaber jedoch nicht berechtigt, die Leistung zu verlangen (§ 808 Abs.1 S.2 BGB). Das kann er aus den genannten Gründen vielmehr nur, wenn er auch Gläubiger der Forderung ist. Hierfür kommt nur der bereits erörterte Fall der Abtretung in Betracht.

  • Zitat von juris2112

    Aber vielleicht gibt es noch einen Ausweg, ohne gegen die Schuldnerin auf Herausgabe des Versicherungsscheins vorgehen zu müssen: Falls die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag durch Vereinbarung mit der Versicherung ausgeschlossen ist (§ 399 Alt.2 BGB), wäre eine dennoch erfolgte Abtretung unwirksam. Damit könnte sich die von der Versicherung befürchtete Gefahr überhaupt nicht mehr verwirklichen.



    Aber dann geht doch auch keine Zwangsvollstreckung. Und dann wäre das Problem doch gar nicht existent (oder mache ich da jetzt einen Denkfehler ?) :confused:

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Zitat von juris2112

    Die rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Unübertragbarkeit des Anspruchs schließt dessen Pfändung nach § 851 Abs.2 ZPO nicht aus (BGH NJW 1988, 1210; BGH NJW 1990, 109).



    :oops: Sorry für den Einwurf. Ein Blick in die Bibel der Vollstreckung erleichtert das Leben...

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  • Zitat von juris2112

    Mosser:

    Wenn ich ehrlich bin:

    Ich hatte zuerst auch nicht daran gedacht. :D



    Zumal es doch ganz logisch ist. Sonst könnte ja jeder einfach die Vollstreckbarkeit durch Vertrag ausschliessen. :behaemmer Das wäre ja mal ein Ding...

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Zitat von juris2112

    Die Versicherung reflektiert wahrscheinlich auf den Fall, dass die Schuldnerin die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag vor dem Wirksamwerden der Pfändung abgetreten haben könnte und dem Zessionar im Zuge der Abtretung den Versicherungsschein übergeben hat. Diese Bedenken sind grundsätzlich begründet, weil die Abtretung einer Forderung dem Schuldner nicht zwingend angezeigt werden muss. Eine anderweitige Pfändung kann dagegen nicht vorliegen, weil die Versicherung von ihr Kenntnis hätte.



    Leider finde ich gerade unseren VVG-Kommentar nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Abtretungsanzeige an die Versicherung bei der Abtretung der Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für die Abtretung ist - d.h. keine Abtretungsanzeige, keine wirksame Abtretung. Daher sind die von juris vermuteten Bedenken der Versicherung m.E. unberechtigt, denn wenn es eine andere wirksame Abtretung gäbe, wüsste die Versicherung davon, bzw. wenn sie nichts weiss, gibt es keine anderweitige wirksame Abtretung.

    Dass die Versicherungen trotzdem immer erst mal rumzicken und sich sträuben, entspricht auch meiner Erfahrung.

  • § 399 BGB ist auch anwendbar, wenn die Beteiligten die Abtretung der Forderung nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich von weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen (z.B. von einer Zustimmung oder Abtretungsanzeige) abhängig gemacht haben und diese nicht eingehalten worden sind (vgl. Palandt/Grüneberg § 399 RdNr.8 m.w.N.). Wenn dies -wie chick vermutet- der Fall ist, entbehrt das Verlangen der Versicherung nach einer Freistellungserklärung jeder rechtlichen Grundlage.

  • Hallo,
    hier mal kurz was aus meiner Praxis,
    in meinen Pfübentwurf schreibe ich immer noch rein:

    "Es wird angeordnet, dass seitens des Schuldners alle Versicherungsscheine sowie die letzten Prämienquittungen an den Gläubiger zu Händen des Gerichtsvollziehers als Sequester herauszugeben sind."

    Dann wird der Schuldner freundlich angeschrieben, dass die LV gepfändet ist und er doch den Originalversicherungsschein aushändigen soll. Gemeinerweise schreibe ich auch rein, dass wir sonst einen Wegnahmeauftrag stellen, der bis zur gewaltsamen Öffnung der Wohungstür führen kann.

    Wenn der Schuldner den Versicherungsschein dann nicht freiwillig rausrückt, muss leider der zuständige GVZ mit der Wegnahme beauftragt werden. Grundlage ist die Anordnung im Pfüb.
    Hat der Schuldner den Versicherungsschein verbummelt, muss er dies schriftlich bestätigen.

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