Erbverzicht und Erbscheinsverfahren

  • Am gleichen Tage werden, in getrennten Urkunde, ein
    Verzichtsvertrag nach § 2346 BGB und ein Grundstücks-
    übertragungsvertrag geschlossen. Der Erblasser wird in beiden Verträgen jeweils durch denselben Bevollmächtigten vertreten. Der Verzichtsvertrag selbst enthält keinen Bezug auf den Grundstücksvertrag, jener dagegen eine Bezugnahme auf den Verzichtsvertrag, nämlich die, dass die Übertragung als Gegenleistung für den heutigen Verzicht erfolge. Der Verzicht ist wegen § 2347 BGB unwirksam. Zwei Jahre später wird der Fehler bemerkt und der Verzichtsvertrag inhaltsgleich wiederholt, wiederrum ohne jeden Bezug auf den früheren Grundstücksübertragungsvertrag.

    Kann das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren von der Wirksamkeit des späteren=wiederholten Verzichts als abstraktes Verfügungsgeschäft ausgehen?

  • Papenmeier: Der erste Verzicht ist unwirksam, weil der Erblasser durch einen Bevollmächtigten vertreten war. Der Erblasser muss aber wegen § 2347 Abs. 2 BGB den Verzichtsvertrag persönlich abschließen.

    Horst Walter:

    Sollte beim zweiten Verzichtsvertrag der Erblasser persönlich gehandelt haben, wäre er grundsätzlich wirksam. Wenn es sich hierbei lediglich um das reine Verfügungsgeschäft handelt, wäre der Erbverzicht wirksam, soweit U.u. in dem Übertragungsvertrag das Verpflichtungsgeschäft liegt (die Form wäre hierfür auch gewahrt). Beurkundungstechnisch hätte man die Sache sicherlich besser gestalten können.

    Sollte allerdings kein oder ein unwirksames schuldrechtliches Grundgeschäft vorliegen, sind wir grundsätzlich bei § 812 Abs. 1 BGB, da wohl davon auszugehen ist, dass dann auch der Verzichtsvertrag unwirksam ist. Die gegenseitig erbrachten Leistungen wären zurückzugewähren.

    Bleibt der Verzichtsvertrag allerdings trotzdem wirksam, kann der Erblasser seine Leistung aufgrund des unwirksamen Grundgeschäftes zurückfordern. Der Verzichtende hat aber ein Problem. U.u. kann er den Wegfall der Geschäftsgrundlage geltend machen um wieder sein gesetzliche Erbenstellung zu erhalten.

    Das Nachlassgericht hat von Amts wegen die Wirksamkeit des Verzichtsvertrag zu prüfen. Daher muss auch das Stehen und Fallen des Verzichtsvertrages mit dem schuldrechtlichen Grundgeschäft geprüft werden.

  • Danke für den Beitrag von Justus.
    Den Beteiligten, denen wohl kaum die Formnichtigkeit des ersten Verzichtsvertrags bewußt war (das war es ja nicht einmal dem Notar!!), mussten sich beim zweiten Verzichtsvertrag doch die Frage gestellt haben: Warum dieses? Dann hätte der Verzichtende z.B. doch die Mitwirkung am zweiten Verzicht versagen, auf sein gesetzliches Erbrecht bestehen und das Grundstück wieder zurückübertragen können. Gerade das hat der Verzichtende aber nicht getan. Es muss davon ausgegangen werden, dass der zweite Verzicht bei voller Kenntnis der Sach-und Rechtslage geschlossen wurde. Das kann aber nichts anderes bedeuten als dass die Beteiligten den Grundstücksvertrag auch als Kausalgeschäft des zweiten Verzichts angesehen haben. Im übrigen ist der zweite Verzicht auch als eine Bestätigung i.S. § 141 Abs.2 BGB anzusehen.

  • Das Erfordernis der persönlichen Mitwirkung des Erblassers nach § 2347 Abs.2 S.1 BGB ist keine Formfrage (siehe § 2348 BGB). M.E. braucht sich das Nachlassgericht um den schuldrechtlichen Aspekt nicht kümmern. Der Erbverzicht muss im Zeitpunkt der Entscheidung nur wirksam sein und das ist er. Er wäre es als abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft auch ganz ohne Kausalgeschäft. Kommt der Erbverzicht nach der Entscheidung zu Fall, müsste der erteilte Erbschein eben wieder eingezogen werden.

  • Das Erfordernis der persönlichen Mitwirkung des Erblassers nach § 2347 Abs.2 S.1 BGB ist keine Formfrage (siehe § 2348 BGB).



    Diesen Einwand verstehe ich nicht, da das Problem beim ersten Verzichtsvertrag doch war, dass der Erblasser nicht persönlich gehandelt hat.

    I.Ü. hat das Nachlassgericht bei der Erbscheinserteilung zu prüfen, ob der reine Verzichtsvertrag als Verfügungsgeschäft wirksam ist. Diese Wirksamkeit könnte allerdings vom Bestehen des Grundgeschäftes abhängig sein. Von daher ist auch die Wirksamkeit dieses Verpflichtungsgeschäftes zu prüfen.

    Den Schlussfolgerungen von Horst Walter stimme ich zu.

  • Horst Walter sprach in #4 von der "Formnichtigkeit" des ersten Erbverzichts - deshalb mein Hinweis. Bezüglich des Kausalgeschäfts bin ich anderer Ansicht. Seine Unwirksamkeit hätte nur bei einem rechtsgeschäftlichen Bedingungszusammenhang einen Einfluss auf die Wirksamkeit des Erbverzichts. Diese Bedingung müsste wegen des Beurkundungserfordernisses aber ausdrücklich in der Erbverzichtsurkunde enthalten sein.

  • Ich sehe hier eher die "umgekehrte" Gefahr, daß das Kausalgeschäft durch die Unwirksamkeit des ersten Erbverzichts beeinflußt wird. Die Leistung in Form der Grundstücksübertragung wurde erbracht, nicht aber die Gegenleistung in Form des Erbverzichts. Durch den zweiten wirksamen Erbverzicht wurde dann die nach dem Kausalgeschäft geschuldete Gegenleistung nachträglich erbracht. Am Erbverzicht wirkte der Verzichtende mit. Er war also mit der nachträglichen Erfüllung der Verpflichtung des Erblassers einverstanden. Ich kann deshalb überhaupt keinen Anhaltspunkt für eine Unwirksamkeit des zweiten Erbverzichts erkennen, zumal das Kausalgeschäft auch ordnungsgemäß beurkundet war.

  • So sehe ich es ja auch. Und wenn ich Horst Walter richtig verstanden habe, geht er auch von der Wirksamkeit des Verzichtes und des Kausalgeschäftes aus.

  • Man kann noch einen Schritt weiter gehen und den Fall dahin abwandeln, daß als Gegenleistung für den Erbverzicht eine Geldsumme bezahlt wurde und das entsprechende Kausalgeschäft entgegen der entsprechend anwendbaren Formvorschrift des § 2348 BGB nicht beurkundet war. Durch den zweiten Erbverzicht wäre diese Formnichtigkeit des Kausalgeschäfts analog § 311 b Abs. 1 S. 2 BGB durch den formgerecht erklärten Erbverzicht geheilt worden. Vgl. Palandt-Edenhofer § 2346 Rn. 6. Auch in diesem Fall wäre also mit Erbverzicht und Kausalgeschäft alles in Ordnung.

  • Richtig, der Formmangel des Grundgeschäftes kann geheilt werden.

    Grundsätzlich ist es aber doch so, dass die Nichtigkeitsgründe des Grundgeschäftes wohl auch meistens den Verzichtsvertrag erfassen werden und umgekehrt. Und weiter ist wohl auch davon auszugehen, dass das Grundgeschäft und der Verzichtsvertrag miteinander verknüpft sind (gegenseitiges bedingen). Wobei diese Verknüpfung sich nicht automatisch ergibt, sondern ausdrücklich geregelt werden sollte oder sich durch Auslegung ermitteln lassen muss. Von daher wäre im vorliegenden Fall der Verzichtsvertrag unwirksam, wenn das Verpflichtungsvertrag unwirksam wäre, da eine Verknüpfung gewollt war.

    Würde Verzichtsvertrag und Grundgeschäft in einer Urkunde beurkundet, hätte man den § 139 BGB und hätte meistens keine Probleme mit der Ermittlung der Verknüpfung (einheitliches Rechtsgeschäft).

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