Ermessensentscheidung bei § 850 c Abs.4 ZPO

  • Hallo miteinander!
    Da ich erst seit November in der ZV-Abt. bin und direkt Vertretung mache, habe ich noch einige Fragen.

    Habe mich mal mit § 850 c Abs.4 ZPO beschäftigt und hier auch die diversen Beiträge durchleuchtet. Nur eines verstehe ich nicht:

    Gegenstand der o.g. Entscheidung ist doch der zusätzliche pfändbare Betrag, der für den Gläubiger dabei herumkommt, wenn Ehefrau, Kind (wer auch immer) nicht mehr als Unterhaltsberechtigter zu berücksichtigen ist, sprich, die Differenz aus den verschiedenen Unterhaltsstufen (von 2 auf 1 UB, von 3 auf 2 UB etc.) Bsp.: Sch verdient 995,00 Euro netto und eine Ehefrau, dann kann der Gl sich statt 0,- mtl. nunmehr satte 3,40 Euro in die Tasche stecken.

    Meiner Meinung nach muss ich doch schauen, wie viel Unterhalt der Unterhaltsberechtigte angemessenerweise benötigt (egal ob aus Sozialhilfe oder Grundfreibetrag errechnet) und ziehe davon dann das eigene Einkommen ab.
    Ein eventuell verbleibender Rest wird dann mit dem o.g. Differenzbetrag verrechnet.
    Bsp: 351,00 Euro + 20% + hälftige Miete = 650,- (fiktiver Wert)
    Eigenes Einkommen: 400,00 Euro
    Ich schaue dann, wie viel Bedarf (des UB) noch überbleibt trotz Einkommen und schaue, ob der errechnete Differenzbetrag (nach der Tabelle) voll oder nur zum Teil aufgebraucht wird.
    Hier also 250,00 Euro. Die 3,40 Euro würden also dem Sch verbleiben müssen, da dieser weiterhin Unterhalt zahlen muss.

    Eine % Ausrechnung macht m.E. keinen Sinn.
    Vl. kann der UB seinen Unterhalt zu 61,54% decken, d.h. doch noch lange nicht, dass 38,66% des Differenzbetrages (aus der Tabelle) dann zwangsläufig (nach dem Motto: es sind dann doch 100%) auch den errechneten Unterhaltsbedarf erfüllt.

    Versteht einer mein Problem? Hab ich evtl. nur einen Knoten im Hirn?

  • Nein, Du bist einer der Rechtspfleger, die das Problem erkannt haben.

    Eine prozentuale Berücksichtigung ist wirklich Quatsch. Wenn Du den Bedarf des Ehegatten ermittelst und davon das zur Verfügung stehende Einkommen abziehst, hast Du noch einen verbleibenden Bedarf des Ehegatten und den musst Du dem Schuldner zusätzlich belassen.

    Würdest Du das über Prozente machen, dann stellst Du einen Bedarf fest und ziehst das zur Verfügung stehende Einkommen ab. Das ergibt den Fehlbetrag des Ehegatten. Gibst Du ihm jetzt 38,66 % des Differenzbetrages (also von 3,40 €), dann fragt Dich der Schuldner mit recht, wie die Rechnung funktionieren soll.

    Wenn der Rechtspfleger allerdings das Einkommen des Schuldners und des Ehegatten nicht kennt kann er die Rechnung allerdings nicht machen.

    Ob es in einem solchen Fall sinnvoll ist das prozentual festzusetzen und dem Schuldner nahezulegen die Höhe der Einkommen nachzuweisen, bleibt wohl jedem selbst überlassen.

  • Aufgrund des in #1 dargestellten Problems der prozentualen Darstellung fasse ich meine Beschlüsse nach § 850c Abs. 4 ZPO wie folgt :

    A. Zwischenverfügung auf Antrag:

    Zu Ihrem Antrag auf Nichtberücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person nach § 850c Abs. 4 ZPO werden Sie gebeten, 7,- € Zustellungsauslagen (1x für die Anhörung der Schuldnerpartei, 1x für die Zustellung des Beschlusses) einzuzahlen.

    Nach ständiger hiesiger Rechtsprechung sind zur Frage des Umfangs der Nichtberücksichtigung einer Unterhaltsberechtigten Person im Rahmen der Billigkeitsprüfung (unabhängig von weiteren berücksichtigungsfähigen Kriterien im Einzelfall) grundsätzlich die sozialhilferechtlichen Maßstäbe nach SGB-II bzw. SGB XII als Mindestmaß eines angemessenen Lebensbedarfs anzuwenden.

    Der sozialhilferechtliche Bedarf der unterhaltsberechtigten Person, deren Nichtberücksichtigung beantragt wurde, berechnet sich wie folgt :

    - Grundbedarf eines erwachsenen, in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehegatten: 316,- €
    - Hälftige Kaltmiete im Umfang des § 8 WohngeldG bei 2-Personenhaushalt : 212,50 €
    - Pauschbetrag für Nebenkosten : 25% des vorg. Betrags : 53,13 €
    - Zuschlag für Erwerbstätigkeit der unterh.ber. Person nach § 30 SGB-II : €
    ----------------------------------------------
    Der gesamte Eigenbedarf der unterhaltsberechtigten Person beträgt somit : €.

    Durch die eigenen Einkünfte i.H.v. € werden ca. % dieses Bedarfs gedeckt, so dass nach billigem Ermessen auf Antrag der Gläubigerpartei nach § 850 Abs. 4 ZPO auszusprechen ist, dass die unterhaltsberechtigte Person insoweit unberücksichtigt zu bleiben ist.

    Der restliche sozialhilferechtliche Bedarf d. Unterhaltsberechtigten, der aus dem Unterhaltsanspruch der Schuldnerpartei gegenüber zu realisieren ist, beträgt €.

    Zum Antrag ist daher beabsichtigt, nach billigem Ermessen als unterhaltsberechtigte Person lediglich insoweit unberücksichtigt zu lassen, als dass dem Schuldner

    - neben dem sich aus der vollständigen Nichtberücksichtigung der unterhaltsberechtigten Person unter Verweis auf die Tabelle zu § 850c ZPO ergebendem unpfändbaren Betrag

    - ein weiterer Betrag i.H.v. € zur Deckung der Unterhaltspflicht gegenüber der vorgenannten unterhaltsberechtigten Person

    als unpfändbar zu verbleiben hat, maximal jedoch der Betrag, der sich aus der vollständigen Berücksichtigung der vorgenannten unterhaltsberechtigten Person aus der Tabelle zu § 850c ZPO ergibt.

    Eine vollständige Nichtberücksichtigung, wie beantragt, kommt aus den vorgenannten Gründen nicht in Betracht.

    Sie werden gebeten, Ihren Antrag entsprechend zu überprüfen und gegebenenfalls abzuändern.

    Ansonsten ist beabsichtigt, bei unveränderter Aktenlage nach Anhörung der Schuldnerpartei unter Zurückweisung Ihres weitergehenden Antrags wie vorstehend zu entscheiden.

    B. Beschluss :

    Gemäß § 850c Abs. 4 ZPO ergeht folgende Anordnung :

    Bei der Berechnung des pfändbaren Betrags aus der Tabelle zu § 850c ZPO ist die Ehefrau des Schuldners, die nach schlüssigen Angaben der Gläubigerin über eigene Einkünfte i.H.v. ca. 650,- € monatlich verfügt, nur insoweit zu berücksichtigen, als dass dem unpfändbaren Betrag, der sich ohne Berücksichtigung der Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person unter Anwendung der Tabelle zu § 850c ZPO ergibt, ein Betrag i.H.v. 120,- € monatlich hinzuzurechnen ist.

    Der sich hieraus ergebende unpfändbare Gesamtbetrag darf den Betrag nicht übersteigen, der sich in Anwendung der Tabelle zu § 850c ZPO bei voller Berücksichtigung der Ehefrau des Schuldners als unterhaltsberechtigte Person als unpfändbarer Betrag ergeben würde.

    Gründe :
    Die sich aus Anwendung des SGB II ergebende Selbstbehalt der Ehefrau des Schuldners ergebende Summe beträgt nach überschlägiger Berechnung (in Anwendung der sich aus § 8 Wohngeldgesetz ergebenden Höchstbeträge an berücksichtigungsfähiger Miete) 720,- €.

    Dieser Betrag wird i.H.v. 650,- € durch die eigenen Einkünfte gedeckt. Somit verbleibt ein berücksichtigungsfähiger Unterhaltsanspruch i.H.v. 120,- €.

    Im Übrigen war die Ehefrau nach § 850c Abs. 4 ZPO auf Gläubigerantrag nach billigem Ermessen unberücksichtigt zu lassen.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Habe zu der Problematik ein anderes Problem. Bei § 850 c IV ZPO soll volljähriges Kind, noch im Haushalt der Eltern lebend beim Schuldner unberücksichtigt bleiben. Ehefrau hat Einkommen von ca. 600,- € und Kindergeld wird gezaht und das Kind hat Ausbildungsvergütung von ca. 600, €. Wie rechne ich da den Bedarf für das Kind.

  • Das Einkommen der Ehefrau dürfte keine Rolle spielen, da sie (berücksichtigt man ihren Eigenbedarf nach der D`dorfer Tabelle) nicht unterhaltpflichtig sein dürfte.

    Das Einkommen des Kindes dürfte sehr wohl eine Rolle spielen, aber das Kindergeld nicht, weil das in der Tabelle bereits berücksichtigt ist (dazu gibt es glaube ich eine BGH-Entscheidung).

    Von dem Einkommen des Kindes wären aber die Ausbildungsbedingten Aufwendungen abzuziehen. Dann den Sozialhilfesatz des Kindes ermitteln und wenn der höher ist als das restliche Einkommen des Kindes, dann den Differenzbetrag für das Kind als zusätzlich unpfändbar berücksichtigen.

  • @ the bishop:

    Habe derzeit auch zwei so nette Fälle nach § 850 c Abs. 4 ZPO mit Einkommen der Ehefrauen um ca. 400 Euro.
    Habe deinen Beitrag deshalb sehr interessiert gelesen und dazu noch eine Frage:
    Wieso berücksichtigst du einen Zuschlag nach § 30 SGB II? Die Sachbearbeiterin vom Job Center, bei der ich mich nach den aktuellen Beträgen für Wohnraum etc. erkundigt habe, hat gemeint, diesen Zuschlag dürfe ich nicht machen.

    Berücksichtigt Ihr zusätzlich auch einen Zuschlag für "angemessenen" Lebensbedarf von 30 bis 50 % entsprechend der BGH-Entscheidung vom 05.04.05 (VII ZB 28/05) (NJW-RR 2005, 1239)?

  • Bei Arbeitstätigkeit des nicht zu berücksichtigenden Ehegatten ist sowohl nach SGB II als auch nach SGB XII ein angemessener Betrag für die im Zusammenhang mit der Tätigkeit stehenden Unkosten zuzubilligen.

    Wenn du dir die Gründe der von dir angegebenen BGH-Entscheidung durchliest, wirst du feststellen, dass es sich bei dem Zuschlag dort auch um einen Solchen infolge Arbeitstätigkeit handelte.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Hallo!

    In der BGH-Entscheidung heißt es: "In derartigen Fällen kommt in Betracht, bei der Berechnung des Freibetrags des Unterhaltsberechtigten die nach den sozialrechtlichen Regelungen die Existenzsicherung gewährleistenden Sätze heranzuziehen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Regelungen über die Pfändungsfreigrenzen dem Schuldner und seinen Unterhaltsberechtigten nicht nur das Existenzminimum sichern wollen, sondern eine deutlich darüber liegende Teilhabe am Arbeitseinkommen erhalten bleiben muss. Bei einer Orientierung an den sozialrechtlichen Regelungen wird daher im Rahmen der Ermessensausübung ein Zuschlag in tatrichterlicher Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen sein. Regelmäßig wird es nicht zu beanstanden sein, wenn das Vollstreckungsgericht diesen Zuschlag in einer Größenordnung von 30-50% annimmt."

    Hieraus kann ich allerdings keinen Zuschlag infolge der Arbeitstätigkeit ableiten. Woraus leitest Du diesen ab?

    Vielmehr habe ich die Textstelle so verstanden, dass dem Schuldner nebst Familie eben mehr vom Arbeitseinkommen verbleiben soll als das bloße Existenzminimum.

    Deshalb meine Überlegung, ob ich einen Zuschlag nach SGB und aufgrund der BGH-Entscheidung gewähren muss (Der Unterhaltsanspruch der unterhaltsberechtigten Person gegen den Schuldner wird dann allerdings so hoch, dass wohl de facto doch eine Berücksichtigung dieser Person erfolgt.). :gruebel::gruebel:


  • Vielmehr habe ich die Textstelle so verstanden, dass dem Schuldner nebst Familie eben mehr vom Arbeitseinkommen verbleiben soll als das bloße Existenzminimum.


    Als angemessen im Hinblick auf den Zuschlag halte ich den Mindestbetrag aus der Tabelle zu § 850c. Warum soll die Ehefrau schlechter gestellt werden, nur weil ihr Ehemann ne Pfändung laufen hat? :gruebel:

  • Hallo!


    Hieraus kann ich allerdings keinen Zuschlag infolge der Arbeitstätigkeit ableiten. Woraus leitest Du diesen ab?


    Zitat von BGH-Entscheidung


    ...

    Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Regelungen über
    die Pfändungsfreigrenzen dem Schuldner und seinen Unterhaltsberechtigten
    nicht nur das Existenzminimum sichern wollen, sondern eine deutlich darüber


    liegende Teilhabe am Arbeitseinkommen erhalten bleiben muß



    Daraus schließe ich, dass der BGH im vorliegenden Fall der Ehefrau einen Zuschlag aufgrund ihrer eigenen Arbeitstätigkeit zugebilligt hat (siehe Sachverhaltsdarstellung der oben verlinkten Entscheidung).

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • In meinem Pfüb wird sogleich die Herausrechnung des Ehemannes der Schuldnerin beantragt, da dieser Selbständiger ist und über eigenes Einkommen verfügt. Als Belege werden jedoch nur die Auszüge aus dem Handelsregister und des Gewerberegisters vorgelegt. Allein der Umstand, dass jemand selbständig ist, bedeutet ja noch nicht, dass er auch wirklich Einkommen erwirtschaftet. Ohne konkreten Einkommensnachweis, müsste man den Antrag dann zurückweisen (bzw. auf Antragsrücknahme hinwirken), oder?

  • Das ist richtig, nur frage ich mich, wie er das in diesem Fall machen kann.

    Ich glaube, dass der Ehegatte aufgrund seiner Selbstständigketi über ausreichende eigene Einkünfte verfügt...:gruebel:

  • Dann muss er (der Gläubiger) die Schuldnerin eben vorher die eidesstattliche Versicherung abnehmen lassen und dort ggf. die ergänzende Frage nach den Unterhaltsleistungen bzw. dem Einkommen des Ehegatten stellen.

    Bei uns wird diese Angabe aus dem Vermögensverzeichnis häufig zur Begründung eines Antrages nach § 850 c IV ZPO vorgelegt.

  • EV wurde noch nicht abgegeben. Ich werde den Gläubiger mal telefonisch aufklären, um Antragsrücknahme bitte. Dann kann erstmal der Pfüb raus. Dann soll er Schuldnerin EV abgeben lassen, erfährt so das Einkommen des Mannes und kann dann nachträglich den Antrag stellen. Ist glaube ich der beste Weg.

  • Dann muss er (der Gläubiger) die Schuldnerin eben vorher die eidesstattliche Versicherung abnehmen lassen und dort ggf. die ergänzende Frage nach den Unterhaltsleistungen bzw. dem Einkommen des Ehegatten stellen.

    Bei uns wird diese Angabe aus dem Vermögensverzeichnis häufig zur Begründung eines Antrages nach § 850 c IV ZPO vorgelegt.



    dafür gibt es ja dort das Feld "Einkünfte des Ehegatten"

  • Ich fand die Berechnung von bishop so toll und nehme die jetzt eigentlich als meine Berechnungsgrundlage.

    Bei mir hat jetzt der Gl. nen Pfüb zugleich mit § 850 IV ZPO Antrag gestellt und in der Anhöhrungsphase der obigen Berechnung widersprochen.

    Er trägt dazu (wie immer) die BGH Entscheidung aus 2005 vor.
    Eine Mietaufstellung 50/50 sei nicht zu machen, da die gegenseitige Unterhaltspflicht nach den jeweilige Einkünften richtet. Die Ehefrau hätte sich anhand ihres Einkommens an 16% der Miete zu beteiligen.

    Wie gehe ich denn nun praktisch vor, wenn ich den Pfüb erlassen will, aber nicht die BGH Variante unterstütze, sondern die von Bishop? Es muss ja eine Rechtsmittelfähigkeit geben.

    Also a) Erlass Pfüb mit Berechnung und b) Zurückweisungsbeschluss wegen der weiteren Berechnung mit Abhängigkeit der RK?

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!