Hausverkauf sinnvoll?

  • Hallo liebe Kollegen,
    wie würdet Ihr folgenden Fall beurteilen?
    Meine Betreute 84 Jahre alt, völlig dement und im Altersheim lebend ist Alleineigentümerin eines sanierungsbedürftigen Hauses (ehemalige Gaststätte mit Saal, Kegelbahn und Fremdenzimmervermietung). Das Gebäude steht seit ca. 7 Jahren leer. Nun möchte der Nachbar gern das Grundstück erwerben, das Gebäude abreißen und einen Supermarkt errichten. Erteilung der Baugenehmigung dazu bereits mündlich genehmigt. Knackpunkt der Sache ist, der Kaufinteressent ist nicht bereit, den im Verkehrswertgutachten von 2003 ermittelten Verkehrswert zu bezahlen, sondern bietet 1/3 weniger.
    Die Betreute ist sehr vermögend und auf Lebenszeit abgesichert. Sie hat es also nicht nötig zu verkaufen. Leider bietet sich dem Vormundschaftsgericht bei dem vorliegenden Kaufangebot nicht viel Handlungsspielraum, so dass die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eigentlich aufgrund des niedrigen Kaufangebotes nicht erteilt werden kann. Ein Gespräch mit dem eventuell mal einzusetzenden Verfahrenspfleger führte zum selben Ergebnis der Genehmigungsversagung.

    Einerseits, wäre es für den Ort, wo sich das Haus befindet, wünschenswert dass sich an diesem Schandfleck endlich was tut, andererseits hat es die Betreute finanziell nicht nötig zu einem geringen Preis zu verkaufen.
    Nun ist es irgendwie ein Spiel auf Zeit. Lebt die Betreute noch ewig, wäre es vielleicht nicht uninteressant endlich zu verkaufen, da der Verkehrswert wohl nicht mehr steigen wird und innerhalb der letzen Jahre kein anderer Interessent gewonnen werden konnte.

    Andererseits, wenn die Betreute bald versterben sollte, sind Betreuerin und Vormundschaftsgericht außen vor und der Kaufpreis ist mit den Erben neu zu verhandeln.
    Bedenklich an der ganzen Sache finde ich, dass wenn die Betreute erst in 10 Jahren versterben sollte und der Verkehrswert dann wirklich rapide gesunken ist, die Erben vielleicht den Vorwurf erheben könnten, dass Vormundschaftsgericht hat seinerzeit dem Verkauf nicht zugestimmt und nunmehr infolge Zeitablaufs sei die Immobilie nichts mehr wert.

    Andererseits, könnte man ein aktuelles Gutachten anfertigen lassen und neu verhandeln. Bloß warum sollte man das tun, wenn die Betreute nicht verkaufen muß und das Gutachten nur gefertigt werden würde, weil der Nachbar das Grundstück gern günstig hätte?
    Dies käme meines Erachtens einer Beschönigung des angebotenen Kaufpreises gleich.

    Momentan bin ich dazu geneigt, nichts weiter zu veranlassen, sondern alles so zu belassen wie es ist, sollen sich die Erben damit auseinandersetzen.

    Was meint ihr denn?

  • Wenn der Nachbar das Grundstück kaufen möchte und einen Supermarkt errichten (oder errichten lassen) möchte, hat er eigentlich ein Sonderinteresse, das ihn dazu veranlassen sollte, mindestens den geschätzten Verkehrswert als Kaufpreis zu bezahlen. Solange er hierzu nicht bereit ist, hätte ich keine Skrupel, dem Verkauf zu den vom Nachbar genannten Konditionen nicht zuzustimmen.

    Es gibt aber auch noch eine andere Lösung. Ich würde mir zunächst einmal die Nachlassakten nach dem (wahrscheinlich) vorverstorbenen Ehemann der Betreuten anfordern und nachsehen, ob die Betreute ihre Erbfolge bereits durch eine bindende Schlusserbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament geregelt hat. Des weiteren würde ich mich beim örtlichen Nachlassgericht (Verwahrungsgericht) erkundigen, ob die Betreute dort selbst eine Verfügung von Todes wegen hinterlegt hat.

    Ergeben diese Ermittlungen, dass aller Voraussicht nach gesetzliche Erbfolge eintreten wird, würde ich die gesetzlichen Erben der Betreuten ermitteln und sie zu dem avisierten Verkauf anhören (zusätzlich wären natürlich evtl. testamentarischen Erben anzuhören). Sofern sich dann alle gesetzlichen und/oder testamentarischen Erbprätendenten mit der Veräußerung zu einem bestimmten Kaufpreis einverstanden erklären, hätte ich mit der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des Verkaufs nach Maßgabe der Kaufpreisvorstellungen des Nachbars kein Problem. Ich würde aber in jedem Falle versuchen, im Hinblick auf den Kaufpreis (über den Betreuer und den Verfahrenspfleger) noch zu pokern.

  • Die von juris2112 vorgeschlagene Einbindung potentiell betroffener Kreise ist natürlich ein möglicher Weg. Einer meiner Kollegen bestellt - im Einvernehmen mit den anderen - möglichst einen der Erben als Verfahrenspfleger und kann somit sicher sein, dass dieser erst nach interner Kriegsratabhaltung sein Votum abgeben wird.

    Andererseits stellt die Veräußerung von Grundbesitz einer Betreuten, die ihre Kosten aus der Portokasse begleichen kann, die ultima ratio dar. Es gibt im aktuellen Fall keinen Veräußerungsdruck. Anjas Grundgedanke, eine weitere Verschlechterung sehenden Auges in Kauf zu nehmen bzw. eine solche zu verhindern, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. Auch bei Krösus ist wirtschaftliches Denken angesagt.
    Deswegen sollte der Grundsatz "Konkurrenz belebt das Geschäft" angewendet werden.

    Der Betreuer bekäme von mir den ehrenvollen Auftrag, ernsthaft - ggfs. über Makler - andere Gebote einzuholen. Wo ein Aldi, da ist auch ein Lidl.


    Auch dürfte ein aktuelles Gutachten angebracht sein. Ein Gutachten aus 2003 erscheint mir antiquiert. Sollte dieses neue Gutachten den 1/3-Rabatt wegen des Leerstandes und evtl. dadurch oder durch Vandalismus eingetretener Schäden rechtfertigen, sind einige Bauchschmerzen beseitigt. Es kann aber immer noch gepokert werden. Niemand ist gezwungen, zum oder unter Verkehrswert (vgl. Legaldefinition des BauGesB) zu kontrahieren.

    Die Interessen der Gemeinde interessieren nicht die Bohne. Betreuer, Verfahrenspfleger und Gericht haben auf die Interessen der Betreuten zu achten, auf sonst gar nichts.

  • Zitat

    Einerseits, wäre es für den Ort, wo sich das Haus befindet, wünschenswert dass sich an diesem Schandfleck endlich was tut

    Bedenklich an der ganzen Sache finde ich, dass wenn die Betreute erst in 10 Jahren versterben sollte und der Verkehrswert dann wirklich rapide gesunken ist, die Erben vielleicht den Vorwurf erheben könnten, dass Vormundschaftsgericht hat seinerzeit dem Verkauf nicht zugestimmt und nunmehr infolge Zeitablaufs sei die Immobilie nichts mehr wert.

    Das Vormundschaftsgericht hat weder die Interessen von Erben noch die des Orts oder der dort lebenden Bürger zu berücksichtigen. Schon deshalb sollte man mögliche Erben nicht einbeziehen. Außerdem könnten noch nicht bekannte Testamente vorhanden sein oder sich die gesetzlichen Erben ändern.

    Wenn der Interessent wirklich konkret einen Supermarkt plant, kann man außerdem durchaus damit rechnen, dass er sein Angebot noch nachbessern wird. Schließlich gibt es entsprechende Grundstücke nicht wie Sand am Meer und wahrscheinlich schon vorhandene konkrete Planungen wird er nicht gern über den Haufen werfen.

    Man sollte allerdings auch berücksichtigen, dass Gutachten nicht unbedingt den tatsächlichen Wert angeben. Es gab schon Vergleiche von Gutachten, bei denen die Gutachter um mehr als 50 % voneinander abwichen. Davon einmal abgesehen bin ich nie um 30% oder mehr nach unten von einem vorhandenen Gutachtenwert abgewichen. Ein neueres Gutachten wäre sinnvoll, denn in drei Jahren ändert sich viel an der (ungenutzten) Bausubstanz und der Marktlage.

  • Tja die Frage ist eben, ob ich mich vom Kaufinteressent bedrängen lassen soll oder eben nicht. Ich könnte die ganze Sache natürlich auch aussitzen.
    Da die Betreute keinen Veräußerungsdruck hat, stellt sich für mich die Frage, welches Interesse daran besteht, ein Nachtragsgutachten zu fertigen, wobei der Verkehrswert vermutlich geringer ausfallen wird. Kann man denn allein vom Wirtschaftlichkeitsfaktor ausgehen? Angenommen ich würde ein Nachtragsgutachten anfertigen lassen, abzüglich der von §21BGB genannten 30 % (meines Erachtens zu hoch angesetzt, wir sind doch nicht im ZVG ;) ), so würde sich der Verkehrswert unter dem aktuellen Kaufangebot befinden. Meines Erachtens eine Sache der Schönrechnerei. :mad:

    Die von Juris vorgeschlagene Variante wurde bereits in Betracht gezogen. Testamentarische Erben sind nicht vorhanden. Es erben nach gesetzlicher Erbfolge der Sohn und die 3 Kinder der bereits vorverstorbenen Tochter. Eine Anfrage seitens der Betreuerin bei den voraussichtlichen Erben ergab, dass nur der Sohn mit einem Verkauf zu den gegebenen Konditionen einverstanden wäre.

    Ich stehe aber eher auf dem Standpunkt von §21BGB. Die gesetzlichen Erben sind nicht abschließend bekannt, die Erbfolge kann sich ändern. Außerdem können noch bisher unbekannte Testamente auftauchen, die die Erbfolge regeln. Außerdem stehe ich eher auf dem Standpunkt, dass Erben erst ein Mitspracherecht haben, wenn der Erbfall eintritt, vorher nicht.

    Die Pläne mit dem Supermarkt bestehen schon seit 6 Jahren. Auch ist der Käufer seit 6 Jahren dabei die Betreuerin "zu bearbeiten" um das Objekt kostengünstig zu erwerben. Das mit dem Konkurenzunternehmen ist sicherlich keine schlechte Idee, jedoch ist das Grundstück für einen Supermarkt zu klein. Daher will ja hier auch der Nachbar ran, denn dann würde die Gesamtfläche für so ein Projekt in etwa reichen.

    Heute gab es eine Treffen mit der Betreuerin, dem Kaufinteressenten, dem Amtsleiter der Verwaltungsgemeinschaft, einem vom Bauplanungsamt und meiner Wenigkeit und jeder hat seinen Standpunkt erläutert. Ein Entgegenkommen seitens dem Käufer war nicht ersichtlich. Aber so richtig wie es weitergehen soll weiß er auch nicht. Nun bin ich gespannt, ob er sein Angebot doch noch erhöht, damit die Sache zum Abschluss kommt oder ob er eben nun auf den Tag "X" wartet um sich mit den Erben auseinander zu setzen.

  • Also wenn der seit sechs Jahren baggert, um an das Grundstück zu kommen, dann zeugt das doch von einem gewissen Interesse :teufel:
    Ich würde nach derzeitigem Stand der Dinge nicht genehmigen und den Käufer kommen lassen.
    Will der Nachbar eigentlich selber bauen, oder das Gesamtgrundstück an einen Supermarkt weiter verhökern? Wenn er an einen Investor weiter verkaufen will könnte man ja evtl. noch über eine Beteiligung an diesem Verkaufsgewinn zusätzlich zum Kaufpreis nachdenken - nur so als Variante ins Unreine gedacht.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • zweifelsohne haben die erben kein recht darauf, in die verhandlungen einbezogen zu werden. trotzdem halte ich es aber gerade in solchen fällen für sinnvoll, sie möglichst mit "ins boot" zu holen, um späteren ärger zu vermeiden.

    genauso selbstverständlich ist es, dass man die späteren erben zum jetztigen zeitpunkt nicht mit absoluter sicherheit ermitteln kann. allerdings kann man mit gewisser wahrscheinlichkeit feststellen, wer wohl mal erben wird. hierzu würde ich die von juris vorgeschlagene vorgehensweise anwenden.

    da das hier offensichtlich schon passiert ist und die erben nur teilweise mit einer veräußerung einverstnden sind würde ich hier erhöhte vorsicht walten lassen und mit einer genhmigung der veräußerung sehr zurückhaltend sein.

    ich würde hier -wie bereits teilweise vorgeschlagen- folgendermaßen vorgehen:

    neues gutachten erholen. dem kaufinteressenten mitteilen, dass der neu ermittelte verkehrswert maßgeblich und zu bezahlen ist. die potentiellen erben nochmals anhören, ob sie einem verkauf zum neuen verkehrswert zustimmen (am besten persönlich, andernfalls schriftlich). einen der erben, der gegen die veräußerung ist zum verfahrenspfleger machen. positiven vorbescheid erlassen (falls der käufer dann überhaupt noch will) und warten, ob beschwerde eingelegt wird. falls nein kann VG ergehen, falls ja sollen sich die beim LG gedanken machen.

    so bist du ziemlich auf der sicheren seite, weil man dir eigentlich aus keiner richtung was anlasten kann.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!