Verjährungsbeginn Ordnungshaft

  • Guten Abend, allerseits!

    Ich habe hier gegen einen im Zivilprozeß nicht erschienenen Zeugen Ordnungshaft zu vollstrecken. Der Beschluß aus Dez. 2006 lautete: 400 EURO ersatzweise 4 Tage Ordnungshaft. Ich weiß, daß gem. Art. 9 II EGStGB Vollstreckungsverjährung nach 2 Jahren eintritt. Diese Vorschrift spricht ja von der Vollstreckbarkeit.

    Ich bin jetzt (Feb. 2009) davon ausgegangen, daß die Sache verjährt ist und ich die Akte nach Kostenbehandlung einfach weglegen kann.

    Eine Kollegin aber hat den Einwand gebracht, daß die Verjährungsfrist für die Ordnungshaft erst beginnt, wenn das Ordnungsgeld nicht beitreibbar ist, weil die Haft erst dann vollstreckt werden kann und nicht vorher. Ein Pfandabstandsprotokoll des GV liegt mir vor, es datiert von Jan. 2008. Dann könnte man ja sagen, daß erst dann die Verjährung für die Haft beginnt. Ist das so?

    Jetzt sagt mir bitte, daß meine Kollegin da falschliegt. :oops:

  • Art. 9 EGStGB
    Verjährung von Ordnungsmitteln

    (1) Die Verjährung schließt die Festsetzung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft aus. Die Verjährungsfrist beträgt, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, zwei Jahre. Die Verjährung beginnt, sobald die Handlung beendet ist. Die Verjährung ruht, solange nach dem Gesetz das Verfahren zur Festsetzung des Ordnungsgeldes nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann.

    (2) Die Verjährung schließt auch die Vollstreckung des Ordnungsgeldes und der Ordnungshaft aus. Die Verjährungsfrist beträgt zwei Jahre. Die Verjährung beginnt, sobald das Ordnungsmittel vollstreckbar ist. Die Verjährung ruht, solange

    1.nach dem Gesetz die Vollstreckung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann,
    2.die Vollstreckung ausgesetzt ist oder
    3.eine Zahlungserleichterung bewilligt ist.


    LS
    Der Lauf der in Art. 9 I EGStGB geregelten Verfolgungsverjährung endet jedenfalls im Anwendungsbereich des § 890 ZPO mit der Festsetzung eines Ordnungsmittels, auch soweit diese nicht rechtskräftig ist. Die Verjährung kann im weiteren Verlauf des Vollstreckungs- bzw. Rechtsmittelverfahrens nicht mehr eintreten.

    BGH, Beschl. v. 05.11.2004 – IXa ZB 18/04

    BGHZ 161, 60 = WM 2005, 286 = NJW 2005, 509 = GRUR 2005, 269 = BGHReport 2005, 610 = JZ 2005, 527 = MDR 2005, 655 = WRP 2005, 356 = Vollstreckung effektiv 2005, 82 = ProzRB 2005, 148 = juris (KORE 310082005)

    Aus den Gründen:
    [Rn. 9] 3. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann der vorliegende Vollstreckungsantrag nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, es sei Verfolgungsverjährung gemäß Art. 9 I EGStGB eingetreten.

    [Rn. 10] a) Für die Ordnungsmittel des § 890 ZPO gilt die Regelung des Art. 9 EGStGB (vgl. BayObLG WuM 1995, 443 f.; OLG Düsseldorf, WRP 2002, 464, 465; OLG Hamm, MDR 1978, 765; OLG Nürnberg, NJW-RR 1999, 723, 725; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. A. § 890 Rn. 15; Zöller/Stöber, ZPO, 24. A. § 890 Rn. 24; Ott, NJW 1977, 286 ff.; Pastor, WRP 1975, 403 ff.). Hinsichtlich der hier allein in Frage stehenden Verfolgungsverjährung (zum Sprachgebrauch vgl. Pastor aaO), also der Verjährung des Anspruchs des Gläubigers, aufgrund des Vollstreckungstitels einen Vollstreckungsantrag nach § 890 ZPO zu stellen, bestimmt Absatz 1 der Vorschrift, dass die in der Regel zweijährige Verjährungsfrist beginnt, sobald die Handlung beendet ist, und dass die Verjährung die Festsetzung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft ausschließt. Ein Ruhen der Verjährung ist nur für den Fall vorgesehen, dass nach dem Gesetz das Verfahren zur Festsetzung des Ordnungsgeldes nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Eine § 78b III StGB und § 32 II OWiG entsprechende Regelung dahin, dass die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt abläuft, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist eine Entscheidung im ersten Rechtszug ergangen ist, enthält Art. 9 EGStGB nicht.

    [Rn. 11] b) Gleichwohl kann, jedenfalls im Anwendungsbereich des § 890 ZPO, die Verfolgungsverjährung nicht (mehr) eintreten, wenn das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht auf den Antrag des Gläubigers ein Ordnungsmittel bereits festgesetzt hat. Diese Annahme erfordert weder eine § 78b III StGB und § 32 II OWiG entsprechende zusätzliche Regelung noch muss dafür diesen Vorschriften ein allgemeiner, auf Art. 9 EGStGB zu übertragender Rechtsgedanke entnommen werden (dafür BFH, Beschl. v. 26.05.1995 – X B 335/94 = BFH/NV 1995, 1004, 1005 hinsichtlich eines gegen einen Zeugen nach § 380 ZPO festgesetzten Ordnungsgeldes). Sie ergibt sich vielmehr schon aus dem Wortlaut des Art. 9 I EGStGB, soweit dort bestimmt ist, dass die Verjährung die Festsetzung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft ausschließt. Wird ein Ordnungsmittel festgesetzt, endet der Lauf der Verfolgungsverjährung, ohne dass der rechtskräftige Abschluss des Festsetzungsverfahrens eine Rolle spielt. Von der ersten Festsetzung eines Ordnungsmittels an kommt nur noch die Vollstreckungsverjährung (Art. 9 II EGStGB) in Betracht.

    [Rn. 12] (1) Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass auch nach dem Wortlaut des § 78 I 1 StGB und dem des § 31 I 1 OWiG die Verjährung die nach diesen Gesetzen möglichen Ahndungen und Maßnahmen ausschließt und gleichwohl die Anordnung der Ablaufhemmung in § 78b III StGB und § 32 II OWiG für erforderlich gehalten worden ist, um einen Missbrauch der dem Schutz des Angeklagten dienenden Vorschriften der Strafprozessordnung mit dem Ziel einer Verfahrensverschleppung bis zum Verjährungseintritt zu verhindern (vgl. die Ausführungen zu dem § 78b III StGB zugrunde liegenden § 129 Abs. 2 des Entwurfs eines Strafgesetzbuches vom 4. Oktober 1962 - E 1962 - BT-Drs. IV/650 S. 259; auch BGHSt 32, 209).

    [Rn. 13] Im Strafrecht beginnt die Vollstreckungsverjährung erst mit der Rechtskraft der Entscheidung (§ 79 VI) StGB). Die Vollstreckung unmittelbar anschließend an eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung im ersten Rechtszug kommt dort nicht in Betracht. In dem Zeitraum bis zum Eintritt der Rechtskraft könnte ohne die Wirkung der Ablaufhemmung des § 78b III StGB (bzw. des § 32 II OWiG) die Verfolgungsverjährung eintreten. Nur aufgrund des Zusammenspiels der genannten Vorschriften gibt es keinen verjährungsfreien Zwischenraum und schließen sich Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung dort in der Regel aus (zu abweichenden Fallgestaltungen vgl. LK/Jähnke, 11. A. vor § 78 Rn. 2 und § 78 Rn. 9 ff).

    [Rn. 14] Ein Ordnungsmittelbeschluss nach § 890 ZPO ist dagegen bereits mit seinem Wirksamwerden bzw. der Zustellung vollstreckbar (§ 794 Abs. 1 Nr. 3, §§ 793, 570 ZPO). Dabei ist unerheblich, ob § 570 I ZPO n.F., wonach die Beschwerde aufschiebende Wirkung hat, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat, auf das Verfahren nach den §§ 888, 890 ZPO anwendbar ist (zum Streitstand vgl. OLG Köln, NJW-RR 2003, 716 f.; Zöller/Gummer, ZPO, 24. A. § 570 Rn. 2). Auch die Möglichkeit einer Aussetzung der Entscheidung durch das Ausgangs- oder das Beschwerdegericht (§ 570 II + III ZPO) ändert nichts daran, dass ein Ordnungsmittelbeschluss grundsätzlich sogleich vollstreckbar ist. 

    [Rn. 15] Es kann dahinstehen, ob Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung sich allgemein ausschließen (so OLG Nürnberg, NJW-RR 1999, 723, 725). Jedenfalls ergibt sich hier aus der gesetzlichen Regelung, dass die Verfolgungsverjährung nicht mehr eintreten kann, wenn ein Ordnungsmittel durch einen grundsätzlich vollstreckbaren Ordnungsmittelbeschluss bereits festgesetzt und damit die Vollstreckungsverjährung in Lauf gesetzt ist.

    [Rn. 16] (2) Das vom Gesetzgeber mit der Verjährung von Ordnungsmitteln verfolgte Ziel steht dieser Auslegung nicht entgegen.

    [Rn. 17] Ausweislich der Gesetzesmaterialien hat Art. 9 EGStGB im geltenden Recht kein Vorbild (vgl. Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 11. Mai 1973, BT-Drs. 7/550, Begründung zu Art. 8, S. 204). Die Einführung der Verjährung beruht danach auf der Überlegung, dass es aus rechtsstaatlichen Gründen geboten erscheine, auch bei Rechtsnachteilen außerhalb des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts eine Verjährung vorzusehen, welche die Festsetzung des Rechtsnachteils und dessen Vollstreckung ausschließe. 


  • Danke für die Informationen. Ich habe diesen Beschluß auch bei meiner juris-Recherche gefunden. Allerdings ergibt sich daraus nicht der eigentliche Knackpunkt meiner Frage:

    Beginnt die Vollstreckungsverjährungsfrist für die Haft erst dann, wenn diese aufgrund Nichtbeitreibbarkeit des Geldes überhaupt erst vollstreckt werden kann, oder schon mit der Vollstreckbarkeit des Geldes?

    Vielen Dank

    Der_UdG

  • M.E. liegt deine Kollegin falsch. Die Verjährungsfrist beträgt 2 Jahre, innerhalb dieser Zeit sollte das O-Geld oder (ersatzweise) die O-Haft vollstreckt werden. Ich habe noch nie gehört, dass die Verjährungsfrist für die Haft erst beginnt, wenn das Geld nicht gezahlt wird, dass würde ja schließlich bedeuten, dass die Verjährungsfrist bis zu 4 Jahren betragen kann. Das ergibt sich m.E. nicht aus dem Gesetz....

  • Ordnungsgeld und Ordnungshaft verjähren immer einheitlich.



    Eben.
    Also ich finde den Art. 9 II EGStGB insoweit recht deutlich. :cool:

  • Ich hänge mich mal mit meinem Fall an.
    Hier wurde Ende Juli 2006 Ordnungsgeld verhängt.
    Vollstreckung eingeleitet, zur Abwendung der Ordnungshaft wurde Ratenzahlung angeboten & sodann vereinbart (Feb 2007).
    Die Ratenzahlungen gingen (stockend) ein. Die Kollegin erinnerte im April 2008 letztmalig. Heute bekomme ich die Akte vorgelegt und es sind keine weiteren Raten in den ganzen letzten 2 Jahren eingezahlt worden!
    Ich überlege jetzt, ob ich noch weiter vollstrecken kann. Mich ärgert der Verfahrensablauf schon sehr, weil das Ordnungsgeld recht hoch war.
    Durch die Ratenzahlungsbewilligung ist ja die Verjährung gehemmt worden. Aber gilt dies auch, wenn 2 Jahre lang nichts geschehen ist?:confused:

  • Abgesehen davon, dass bei einer Ratenzahlungsbewilligung 2 Jahre (!) nicht nachgehakt wird:
    Ist die Zahlungserleichterung denn widerrufen worden bzw. förmlich bewilligt worden (vgl. Art. 9 II Nr. 3 EGStGB)?

  • Es gibt keinen Widerruf über die Zahlungserleichterung.
    Diese wurde jedoch auch nicht förmlich bewilligt, sondern ergibt sich aus einem Telefonvermerk (Telefonat mit dem O-schuldner) sowie aus einem Anschreiben an die JVA, dass im Hinblick auf die Ratenzahlungsvereinbarung das Aufnahmeersuchen gegenstandslos sei.

  • Immerhin scheint ja zweifelsfrei eine Zahlungserleichterung zu bestehen, die auch bis heute gilt. Daher meine ich, dass die Verjährung weiterhin unterbrochen ist, denn der Unterbrechungszeitraum ist der Länge nach ja nicht beschränkt. Eine Aufhebung der bewilligten Ratenzahlung ist nicht erkennbar, also gelten die Bedingungen des Art. 9 II Nr. 3 weiterhin. Allerdings ist die Form der Bewilligung schlecht nachvollziehbar und alles andere als empfehlenswert.

    Wenn man diese Ansicht vertritt, dann wäre die Rz.-bewilligung zu widerrufen und dann bis zur Verjährung weiterzuvollstrecken. Allerdings hatte ich so einen Fall über eine derartige Untätigkeitsstrecke auch noch nicht.

  • Da schließe ich mich 13 an.

    Empfehlenswert ist es, in den Ratenzahlungsbewilligungen eine Verfallklausel mit aufzunehmen (in etwa: "Die Ratenzahlungsvereinbarung entfällt, wenn ein Teilbetrag nicht rechtzeitig gezahlt wird. Die Restforderung ist dann sofort zur Zahlung fällig."). Damit ist die Ratenzahlung im Falle der Nichtzahlung bzw. der verspäteten Zahlung widerrufen, die Vollstreckungsverjährung ruht nicht mehr.

  • In den Fällen, in denen ich mal eine Zahlungserleichterung gewähre, wird diese Verfallklausel grundsätzlich mit aufgenommen. Und am Telefon (mit anschließendem Aktenvermerk) wird eine solche Gewährung schon gleich gar nicht ausgesprochen.

  • Habe gerade mit dem zuständigen Richter gesprochen. Er meint auch dass Vollstreckung derzeit wegen Zahlungserleichterung ruht.
    Es wird jetzt der GVZ losgeschickt und die Vollstreckung geht weiter.

  • Anderer Fall: 3 x Ordnungsgeld mit je einer Zahlungsaufforderung (das Hobby des Schuldners schein der Umzug zu sein). Es erfolgte keine Zahlungserinnerung, es wurde gleich ein Vollstreckungsversuch vorgenommen. Ergebnis: Der Sch. hat bereits die e.V. abgegeben. Da ist natürlich nichts zu holen. Es widerstrebt mir ein wenig, jetzt gleich die Haft zu vollstrecken.

  • Und weshalb? Worauf willst Du denn noch warten? Der zieht höchstens wieder um und Du läufst dauernd hinterher.

  • Ich bin in meiner Akte gerade über folgendes Problem gestolpert:

    2008 wurde ein Ordnungsgeld (§ 890 ZPO) verhängt. Hiergegen wurde Beschwerde eingelegt. Über diese Beschwerde wurde im Oktober 2010 entschieden. Im September 2011 wurde eine weiteres Ordnungsgeld verhängt. Dieses wurde mir zur Vollstreckung vorgelegt. Bei Durchsicht der Akte habe ich dann festgestellt, dass ja auch noch das erste Ordnungsgeld verhängt wurde. Die Akte wurde deswegen aber nie vorgelegt. Daher meine Frage, ob das Ordnungsgeld von 2008/2010 überhaupt noch vollstreckt werden kann oder ob die Vollstreckungsverjährung nach § 9 II EGStGB eingetreten ist.

  • Die Vollstreckungsverjährung beginnt, wenn das Ordnungsgeld/Ordnungshaft vollstreckbar ist, Art. 9 Abs. 2 EGStGB. Vollstreckbar ist das Ordnungsmittel grds. ab Erlass der Entscheidung. Allerdings hat die Beschwerde gegen den Beschluss zum Ordnungsmittel aufschiebende Wirkung, analog § 570 ZPO (hat der BGH jetzt gerade entschieden). Demzufolge kann die Vollstreckbarkeit erst eintreten, wenn über die Beschwerde abschließend entschieden wurde, also im Oktober 2010. Die Verjährung läuft mangels Regelungen entsprechend BGB von Oktober 2010 bis Oktober 2012. Die Vollstreckung ist also noch möglich.

    Die BGH-E ist vom 17.08.2011, I ZB 20/11 (nach juris).

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!