Betriebsfortführung, notwendige Dauer?

  • Wie lange wird eine Betriebsfortführung als notwendig angesehen?

    Folgender Fall liegt meiner Frage zugrunde:

    Vor ca. 3 Jahren wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Arztes eröffnet. Seit gut zwei Jahren ist alles bis auf die Praxis, in der der Betrieb am Leben gehalten wird und angeblich wieder floriert, verwertet.

    Dieser Zustand soll noch bis zum Ablauf der Abtretungsphase (=Eintritt in den Ruhestand) dauern.

    So schön die Fortführung unter dem Schutz des Insolvenzverfahrens für den Schuldner auch sein mag, halte ich dieses Verfahrensweise mit den Zielen eines Insolvenzverfahrens, wonach das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt werden soll, nicht so ganz im Einklang.

    Insbesondere weil ich mit Vergütungsaufschlägen für die Betriebsfortführung rechne.

    Da es bei mir wiederholt vorkommt, das Betriebe nur deshalb fortgeführt werden, um Insolvenzmasse zu generieren, würde ich gerne mal die Stimmen des Forum hören.

  • Wenn die GV beschlossen hat, dass die Geschäfte fortgeführt werden sollen, §157 InsO, wirst Du da nichts machen können. Sollte sich durch die BV Zuschläge ergeben, so ist dies dann auch durch die G. hinzunehmen.

    Allerdings ist gerade auch bei der Fortführung von Arztpraxen die Gefahr von hohen Zuschlägen gerade nicht besonders groß:

    In der Regel ist nichts großartig zu verwerten, jedenfalls nichts, was zu einer großen Insolvenzmasse führt.

    Interessant sind nun die Überschüsse aus der BV, die erheblich sein können, insbesondere deshalb, weil die Altverbindlichkeiten nicht mehr bedient werden müssen.

    Beispiel : 25.000,00 EUR Verwertungserlöse;
    130.000,00 EUR Überschuss;

    Für die BV geltend gemacht wird ein Zuschlag von 200%. Unter der Maßgabe der Entscheidung des BGH, IX ZB 120/07 ist eine Vergleichsrechnung durchzuführen:

    a. Insolvenzmasse 25 TEUR, Regelsatz 10 TEUR, Vergütung 30 TEUR (Zuschlag 200%)
    b. Insolvenzmasse 155 TEUR, Regelsatz 23,6 TEUR Vergütung 30 TEUR ( korresp. Zuschlag 27 %)

    es bleibt sich also gleich. Für den Verwalter ist es deshalb mehr eine Belastung als eine Geldquelle.


    In den Fällen, wo kein großartiger Überschuss erwirtschaftet wird, sieht der korresp. Zuschlag größer aus, aber dass haben die Gläubiger verursacht.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich habe nicht den Eindruck, dass Verwalter wegen des Vergütungszuschlages den Betrieb aufrechterhalten wollen. Wenn ich mir die Schlussrechnung solcher Verfahren ansehe, weiß ich auch warum.
    Ich würde davon ausgehen, dass es vernünftige Gründe für die lange Fortführung gibt.

  • Vielen Dank für Eure aufklärenden Hilfestellungen.:):D:)

    Wahrscheinlich habe ich es immer zu eng gesehen, weil mein Blick nur in Richtung Vergütung ging.
    Sorry Gegs und LFdC;)

  • @SAR
    kein Problem, lieber hier die Probleme ansprechen und vielleicht sogar lösen, als dicke Verfügungen schreiben und sich das zum Löffel machen in der Gerichtsakte dokumentieren.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich hab auch so ein Verfahren, in dem die Zahnarztpraxis die vollen 6 Jahre weitergeführt wurde. Alles beschlossen von der GV.
    Sicherlich ist ein Grund, dassdadurch die Vergütung steigt.
    Bei mir ist die WHP abgelaufen, ich hab sogar schon RSB erteilt, Schlussunterlagen liegen jetzt erst vor. 7 Umzugskartons und ca. 100 Leitzordner.

  • Das liegt erstmal... kann ja nicht so eilen, wenn er 6 Jaher den Betrieb fortführt...
    Aber da sieht man mal, dass nicht alles sinnig ist, was ne GV beschließt. ich denke nicht, dass die sich im Klaren darüber waren, was für eine Vergütung hinterher dabei rauskommt.
    Der Schuldner hat sich dumm und dusselig gearbeitet in dem Glauben, die Gläubiger zu befriedigen und wer kriegt das Geld? Der Verwalter.

  • Der Schuldner hat sich dumm und dusselig gearbeitet in dem Glauben, die Gläubiger zu befriedigen und wer kriegt das Geld? Der Verwalter.



    Über die hier geäußerte moralische Empörung kann man aus Verwaltersicht durchaus geteilter Meinung sein.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Der Schuldner hat sich dumm und dusselig gearbeitet in dem Glauben, die Gläubiger zu befriedigen und wer kriegt das Geld? Der Verwalter.



    Über die hier geäußerte moralische Empörung kann man aus Verwaltersicht durchaus geteilter Meinung sein.



    :D Das ist mir klar!
    Ich meine ja auch nur, dass der Schuldner und die GV vorher sicher nicht wussten, dass so viel Geld dann an den Verwalter fließen würde.

  • Der Schuldner hat sich dumm und dusselig gearbeitet in dem Glauben, die Gläubiger zu befriedigen und wer kriegt das Geld? Der Verwalter.



    Über die hier geäußerte moralische Empörung kann man aus Verwaltersicht durchaus geteilter Meinung sein.



    :D Das ist mir klar!
    Ich meine ja auch nur, dass der Schuldner und die GV vorher sicher nicht wussten, dass so viel Geld dann an den Verwalter fließen würde.



    Die berühmte Empörung des Schuldners: "Wenn ich mir ihre Vergütung anschaue, werde ich im nächsten Leben auch Insolvenzverwalter." Immerhin gibt es das Institut der Eigenverwaltung :D.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."



  • Die berühmte Empörung des Schuldners: "Wenn ich mir ihre Vergütung anschaue, werde ich im nächsten Leben auch Insolvenzverwalter." Immerhin gibt es das Institut der Eigenverwaltung :D.



    Zur Ehrenrettung der IV, ohne gleich auf der "Filosofischen Schleimspur":D auszurutschen:

    Schlussterminsbestimmung in einem seit fast 10 Jahren laufenden Unternehmerinsolvenzverfahrens ist bestimmt.
    Da tauchten gestern zwei ehemalige GF auf, erhielten Akteneinsicht und ließen sich anschließend über die Vergütung des IV, des Schlussprüfers, die Gerichtskosten und ansonsten einiger kleiner Ungereimheiten, die nicht immer auszuschließen sind, aus.

    Da konnte ich mir leider die unbeantwortet gebliebene Frage, ob es vielleicht gar nicht erst zum Verfahren gekommen wäre, wenn sie früher so akribisch die Zahlen und Ausgaben geprüft hatten, nicht verkneifen.

  • Da konnte ich mir leider die unbeantwortet gebliebene Frage, ob es vielleicht gar nicht erst zum Verfahren gekommen wäre, wenn sie früher so akribisch die Zahlen und Ausgaben geprüft hatten, nicht verkneifen.



    Wie kannst Du nur? ;)



    Die Äußerung hätte ich mir aber gut überlegt. Es gibt ja auch viele Firmenpleiten wo gewissenhaft gewirtschaftet wurde und dann ein größerer Forderungsausfall eingetreten ist. Da hat man doch als Gewerbetreibender keinen Einfluss drauf.

  • Es gibt ja auch viele Firmenpleiten wo gewissenhaft gewirtschaftet wurde und dann ein größerer Forderungsausfall eingetreten ist. Da hat man doch als Gewerbetreibender keinen Einfluss drauf.



    Zwar ist die verbrecherische Insolvenz selten, aber oft liegt es schon daran, dass der Geschäftsführer/ Inhaber auf negative Entwicklungen nicht oder viel zu spät reagiert hat. Der eine große Forderungsausfall, der zur Insolvenz führt, ist selten und beruht auch meist auf der Tatsache, dass sich das Unternehmen mit bestimmten Aufträgen überhoben hat.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

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