Urteilsanmerkungen/Kommentare

  • 1. Der Treuhänder (Verwalter) ist weder verpflichtet noch berechtigt, für einen abhängig beschäftigten Insolvenzschuldner die Lohn- oder Einkommensteuer abzugeben.

    2. Deshalb kann das Insolvenzgericht den Schuldner auch nicht auffordern, die zur Erstellung der Steuererklärung benötigten Dokumente an den Treuhänder (Verwalter) auszuhändigen.

    3. Bei abhängig beschäftigten Insolvenzschuldnern ist allein der Insolvenzschuldner zur Abgabe der Steuererklärung berechtigt und verpflichtet. (Leitsätze des Gerichts)

    AG Bochum, Beschluss vom 09.09.2013 - 88 IK 913/11, BeckRS 2013, 16651

    Wie gerne würde man dies allen Finanzämtern ins Stammbuch schreiben, wenn da nicht § 155 InsO und die Entscheidung des BGH, IX ZB 197/07 vom 18.12.2008 (nicht 29.05.2008) gäbe.

    .

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

    2 Mal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (2. Oktober 2013 um 09:04)

  • Ich fand die Entscheidung auch erst merkwürdig, aber nach dem Durchlesen doch nachvollziehbar. Bochum geht davon aus, dass sich die Verpflichtung des TH zur Abgabe der Steuererklärung nur auf massebefangene Gegenstände bezieht. Da es sich im vorliegenden Fall aber um nicht massebefangenes Einkommen handelt geht Bochum davon aus, dass der TH hier nicht verpflichtet ist, die Steuererklärung abzugeben.

  • Ich fand die Entscheidung auch erst merkwürdig, aber nach dem Durchlesen doch nachvollziehbar. Bochum geht davon aus, dass sich die Verpflichtung des TH zur Abgabe der Steuererklärung nur auf massebefangene Gegenstände bezieht. Da es sich im vorliegenden Fall aber um nicht massebefangenes Einkommen handelt geht Bochum davon aus, dass der TH hier nicht verpflichtet ist, die Steuererklärung abzugeben.

    Aber warum sollte es sich da denn um nicht massebefangenes Einkommen handeln??? Nach dem Aktenzeichen ist das wahrscheinlich in 2011 eröffnet worden. Also mindestens ein Teil von 2011 fällt in den Zeitraum des Insolvenzverfahrens. Aus dem Beschluss konnte ich nicht erkennen, wann das Verfahren aufgehoben wurde. Und das hätte doch zumindest da irgendwo stehen müssen. Also ich glaube - ehrlich gesagt - da hat sich jemand gewaltig vergallopiert...

    ---------------------------------------------
    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Habe es jetzt gelesen und finde es obergrottig.

    "Der Rechtsgrund für die Entgegennahme des pfändbaren Teils der Bezüge durch den Treuhänder (Verwalter) sind deshalb die zivilrechtlichen Vorschriften über Abtretungserklärungen der § 398 BGB ff. Der Treuhänder (Verwalter) nimmt die pfändbaren Beträge als Zessionar entgegen und nicht deshalb, weil diese Beträge durch eine Verwertungshandlung zur Insolvenzmasse gehörenden."

    Und das im eröffneten Verfahren...

    Die Vermischung mit den Steuerrecht in der Gestalt, dass der Schuldner in Bezug auf die Zahlung von Einkommsteuer aufgrund seiner abhängigen Beschäftigung nicht binden kann, hat damit nix zutun. Als IV/TH interessieren wir uns doch sowieso nur für die Mehrung der Berechnungsmasse und nicht für § 55 InsO :teufel:.

    Aus der Entscheidung kann ich auch nicht ablesen, dass das Verfahren schon beendet ist, dann würde man man auch nicht immer über IV/TH sprechen.

    Internet sagt, dass Ende 2012 ein Treuhänderwechsel stattgefunden hat, von Beendigung finde ich nix.

    PS: Steuererstattungsansprüche sind massebefangen. Ich denke alleine schon an die viele Kapitalertragsteuer aus den Zinseinkünften, die der Verwalter aufgrund des umfangreichen Barvermögens hat abführen müssen

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • :confused:. Das ist doch aber für Ansprüche auf Einkommenssteuererstattung egal.

    Naja, kein Masse, keine Verfügungsbefugnis für den TH, keine Steuerklärung.

    LFdC: Das mit dem § 398 GBG halte ich für verzeihlich. :D

    Ich hänge mich mal an § 34 Abs. 3 AO auf:

    Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

    Die Verwaltung bezieht sich m. E. nicht auf unpfändbares Einkommen.

  • Hä? Das verstehe ich immer noch nicht: Der Schuldner bezieht beispielsweise monatlich 1.000,- € brutto und dann hat die Masse auch kein Ansopruch auf die Erstattungsbeträge aus der Einkommenssteuererklärung ??? Meinst Du das etwa so?

    ---------------------------------------------
    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Der Anspruch auf Steuerrückerstattung ergibt sich aus den Beträgen, die aus dem unpfändbarem Einkommen abgeführt werden. Folglich besteht die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung, da diese Beträge aus dem unpfändbarem Einkommen geleistet werden. Da diese aus dem unpfändbarem Einkommen geleistet werden, hat der TH hierfür keine Verfügungsbefugnis.

    Ist für mich eigentlich schon verständlich, was Bochum damit sagen will.

    M. E. müsste man aber dann den Steuererstattungsanspruch als eigenständigen Anspruch ansehen.

    Ich sagte nur, dass die Entscheidung für mich nachvollziehbar ist, für die Praxis aber eigentlich unbrauchbar. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass die TH in Bochum keinen Bock auf Abgabe der Steuererklärung haben.

    Die andere Frage wäre, was ist, wenn teilweise pfändbare Beträge abgeführt werden.

    :eek:

  • Also ehrlich gesagt, ich finde nicht verständlich, was die sagen wollen. Einkommenssteuererstattungsansprüche sind eigenständige Ansprüche.

    Sofern das AG Bochum wirklich dieser Theorie nachgeht, dürfte auch jede Lebensversicherung, jedes Auto etc. unpfändbar sein, wenn sie denn dann aus dem unpfändbaren Betrag bezahlt wurden.

    ---------------------------------------------
    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Das ist nicht ganz richtig, weil die abgeführten Steuern das pfändbare Einkommen vermindern und somit nur teilweise aus dem unpfändbaren Einkommen stammen (je nach u.P. die entsprechenden Zehntel).

    Aber von der Sache her hast Du natürlich Recht. Die Erstattung ergibt sich aus Ausgaben, die in der Regel aus dem unpfändbare Einkommen erbracht werden (z.B. Fahrkosten) und für die es auch eine Erhöhung nach § 850f Abs. 1 b ZPO geben könnte (s. AG Dortmund).

    Aber wenn man so argumentiert, dann sind auch die Rückzahlungen aus Nebenkosten aus dem unpfändbaren gezahlt und die dürften dann auch dem Schuldner gehören.

  • ...Aber wenn man so argumentiert, dann sind auch die Rückzahlungen aus Nebenkosten aus dem unpfändbaren gezahlt und die dürften dann auch dem Schuldner gehören.

    Dann kann man eigentlich das ganze Zwangsvollstreckungsrecht vergessen. Was ist mit der Lebensversicherung, die aus dem unpfändbaren Einkommen gezahlt wird? Und wenn man's genau nimmt, werden doch eigentlich alle Vermögensgegenstände aus dem unpfändbaren Einkommen erworben. So würde ich jedenfalls in Bochum argumentieren;)...

    ---------------------------------------------
    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • BGH, Beschluss vom 26. September 2013 - IX ZB 247/11

    Vermögen, das der Schuldner nach der Verfahrenseröffnung aus pfändungsfreiem Arbeitseinkommen angespart und auf ein Konto eines Kreditinstituts eingezahlt hat, unterliegt dem Insolvenzbeschlag.

    Meine Schuldner haben mir das bislang auch auf Ansage geglaubt, dafür brauchte ich keinen BGH. :cool:

  • aus VG Frankfurt/M., Beschl. v. 23. 8. 2013 - 7 K 4127/12.F:

    Im Übrigen hat das Gericht auch erhebliche Zweifel, ob im Falle des Insolvenzverwalters der A. tatsächlich die Voraussetzungen erfüllt wären, um eine notwendige Beiladung gemäß § 65 Abs. 2 VwGOauszusprechen. Die A. selbst ist durch das AG Frankfurt am Main von Amts wegen mit Wirkung zum 07.07.2005 aufgelöst worden (HRB XXX).Diese existiert somit rechtlich nicht mehr.

    hört, hört

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • aus VG Frankfurt/M., Beschl. v. 23. 8. 2013 - 7 K 4127/12.F:

    Im Übrigen hat das Gericht auch erhebliche Zweifel, ob im Falle des Insolvenzverwalters der A. tatsächlich die Voraussetzungen erfüllt wären, um eine notwendige Beiladung gemäß § 65 Abs. 2 VwGOauszusprechen. Die A. selbst ist durch das AG Frankfurt am Main von Amts wegen mit Wirkung zum 07.07.2005 aufgelöst worden (HRB XXX).Diese existiert somit rechtlich nicht mehr.

    hört, hört

    Verwaltungsrechtler halt!:D

  • BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - IX ZR 265/12

    Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Gemein-schaftsrechts gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrags über die Ar-beitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen vorgelegt:

    1. Ist Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160 S. 1) anwendbar, wenn die vom Insolvenzverwalter angegriffene Auszahlung eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gepfändeten Betrags erst nach der Verfahrenseröffnung erfolgt ist?

    2. Sofern die erste Frage zu bejahen ist: Bezieht sich die Einrede nach Art. 13 EuInsVO auch auf die Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausschlussfristen des Wirkungsstatuts (lex causae) der angegriffenen Rechtshandlung?

    3. Sofern die zweite Frage zu bejahen ist: Bestimmen sich auch die für die Geltendmachung des Anspruchs im Sinne von Art. 13 EuInsVO beachtlichen Formvorschriften nach der lex causae oder richten sich diese nach der lex fori concursus?

    Das ist ja fast schon Prosa in Reinkultur und eigentlich selbsterklärend. Danke, BGH. Die Antwort des EuGH könnte vielleicht lauten: "Häh?"

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Ob die das wohl auch zu solch nächtlicher Zeit verfasst haben wie andere hier im Forum ;)...

    ---------------------------------------------
    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ob die das wohl auch zu solch nächtlicher Zeit verfasst haben wie andere hier im Forum ;)...

    Mit 'nem doppelten Espresso oder drei geht's:cool:.

    Aber bei Deiner Uhrzeit doch nur mit drei Espresso's pro Stunde? Oder alternativ mit 'nem Baby mit 3-Monats-Koliken...

    ---------------------------------------------
    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!