Urteilsanmerkungen/Kommentare

  • Auch die Bezeichnung des Beklagten hätte man besser bei der alten Begrifflichkeit „Sozialamt" belassen und statt der neu- deutschen Bezeichnung „Kunden" trifft der Begriff „Antragsteller" den Kern der Sache besser, denn im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Kunde König, was im Aufgabenbereich des Beklagten wohl nur seltenst der Fall ist.


    Neeee, Bettler trifft es da wohl eher. :wechlach:

    Passt auch gut in unseren Deutsch-Fred. :daumenrau

  • Richtigerweise hätte S. eine Vorlage fürs BVerfG fertigen müssen, ob die entsprechende Variante des § 300 InsO n.F. mit Art. [Nr. einsetzen] GG vereinbar ist.

    Beispiel: Rentner, keine Unterhaltspflicht, € 1.040,00 Rente / Monat. Pfändbar ist nichts, so dass er durch die vollen sechs Jahre gehen muss. Nach § 4b InsO würde sich aber wohl eine Rate ergeben (wenn ich davon ausgehe, dass hier nur allgemeiner Parteifreibetrag und Wohnkosten anfallen, also Rate vermutlich um € 50 - 75 / Monat). Jetzt kriegt er die Rechnung dafür, dass er kein pfändbares Einkommen hatte, denn die Kosten sind dadurch € 714,00 höher geworden. Im eröffneten Verfahren geht Ratenfestsetzung aber wohl nicht, da § 4a InsO nur auf das Vermögen abstellt.

    Die Unterschiede sind gravierend:

    Bei Raten im eröffneten Verfahren wäre nach ca. 1 1/2 - 2 Jahren alles bezahlt, bei Raten nach RSB dauert alles 6 Jahre plus nochmal 3 - 4 Jahre Ratenzahlung.

    In der Variante 1) liegt auch keine Benachteiligung, da es für die Raten nicht auf das pfändbare Einkommen ankommt und derselbe Beispiel-Rentner auch sofort Raten zahlen müsste, würde er mit PKH/VKH einen Rechtsstreit führen.

    Wobei der Schuldner ja nicht gehindert ist, Raten zu zahlen. Er kann, muss aber nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass es deshalb schwer mit der Vorlage wird.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Verwaltungsgericht Giessen vom 24.02.2014, 4 K 2911/13:

    (...)
    Aus Sicht des Gerichts haben derartige Anglizismen oder andere Fremdworte weder in der deutschen Gerichtsbarkeit noch im deutschen Behördenaufbau einen Platz. Bei weiterem Fortschreiten derartiger sprachlicher Auswüchse erscheint infolge der verursachten Verwirrung die Funktionsfähigkeit des Verwaltungshandelns insgesamt gefährdet (vgl Die Heilige Schrift, 1. Mose 11, Verse 1, 7-9).

    Sehr schöne Entscheidung, zum Frustabbau und zur Zerstreuung...

    Das Zitat aus der Genesis lautet übrigens: "Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! So zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder."

    ... da war aber einer wohl grundsätzlich angepi, hatte jedoch gleichwohl Zeit und Muße zur Entscheidungsfindung - und begründung, bzw. es war ihm mal ein zwingendes Bedürfnis, ob nun kurz vor Pension oder zum Druckausgleich zwischendurch, egal, jedenfalls
    :cool: und :wechlach:

  • BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - IX ZR 95/14

    Werden Sozialversicherungsbeiträge mehrere Monate verspätet abgeführt, kann daraus auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners und einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden.

    Auch nach neuem Verjährungsrecht hemmt die Erhebung einer Klage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe die Klageforderung übersteigt, die Verjährung aller ausreichend bestimmten Teilansprüche.

    Ich habe die Entscheidung gerade gelesen und bin noch etwas sprachlos. Gerade die Rn. 20 bis 24 sprechen endlich eine - leider oft vermisste - klare Sprache: Nicht nur sechsmonatige, sondern auch Beitragrückstände von 2-3 Monaten können Zahlungseinstellung indizieren; ebenso der Vollstreckungsdruck außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums und Teilzahlungen von verschiedenen Konten. Zudem hat der BGH nochmal die Kenntniszurechnung des Hauptzollamtes präzisiert. Eine schöne Fortbildung und Zusammenfassung der in Frage kommenden Indizien.

    Es gibt viel zu tun, fechten wir's an. Danke, lieber IX. Zivilsenat!

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Nicht nur sechsmonatige, sondern auch Beitragrückstände von 2-3 Monaten können Zahlungseinstellung indizieren; ebenso der Vollstreckungsdruck außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums und Teilzahlungen von verschiedenen Konten. Zudem hat der BGH nochmal die Kenntniszurechnung des Hauptzollamtes präzisiert. Eine schöne Fortbildung und Zusammenfassung der in Frage kommenden Indizien.

    Es gibt viel zu tun, fechten wir's an. Danke, lieber IX. Zivilsenat!

    :dankescho für die Zusammenfassung der Argumente und die aufmunternden Worte :daumenrau.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - IX ZR 95/14

    Werden Sozialversicherungsbeiträge mehrere Monate verspätet abgeführt, kann daraus auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners und einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden.

    Auch nach neuem Verjährungsrecht hemmt die Erhebung einer Klage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe die Klageforderung übersteigt, die Verjährung aller ausreichend bestimmten Teilansprüche.

    Ich habe die Entscheidung gerade gelesen und bin noch etwas sprachlos. Gerade die Rn. 20 bis 24 sprechen endlich eine - leider oft vermisste - klare Sprache: Nicht nur sechsmonatige, sondern auch Beitragrückstände von 2-3 Monaten können Zahlungseinstellung indizieren; ebenso der Vollstreckungsdruck außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums und Teilzahlungen von verschiedenen Konten. Zudem hat der BGH nochmal die Kenntniszurechnung des Hauptzollamtes präzisiert. Eine schöne Fortbildung und Zusammenfassung der in Frage kommenden Indizien.

    Es gibt viel zu tun, fechten wir's an. Danke, lieber IX. Zivilsenat!

    Die Entscheidung ist in der Tat brutal und wird in den entsprechenden Kreisen auch mit wenig Begeisterung aufgenommen.

    Jedenfalls zeigt der IX. Senat, dass ihm politischer Druck relativ wumpe zu sein scheint.

  • Nr. 098/2015 vom 17.06.2015
    Außerordentliche Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsrückständen in der Verbraucherinsolvenz des Mieters Grenzen des Zurückbehaltungsrechts wegen Mängeln der Mietwohnung

    Urteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14
    Die Enthaftungserklärung bewirkt, dass das Mietverhältnis nicht mehr massebefangen ist, sondern in die Verfügungsbefugnis der Vertragsparteien zurückfällt, so dass eine Kündigung grundsätzlich möglich ist. Sinn und Zweck der in § 112 Nr. 1 InsO geregelten Kündigungssperre stehen dem nicht entgegen, denn die Norm dient dem Schutz der Insolvenzmasse und einer möglichen Fortführung des Schuldnerunternehmens und gerade nicht dem persönlichen Schutz des bei Insolvenzantragsstellung im Zahlungsverzug befindlichen Mieters/Schuldners vor dem Verlust der Wohnung. Auch § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO soll lediglich verhindern, dass der Mieter ein Verbraucherinsolvenzverfahren nur um den Preis des Verlusts der Wohnung durch die Kündigung seitens des Treuhänders einleiten kann. Der soziale Mieterschutz wird auch im Insolvenzfall dadurch gewährleistet, dass der Mieter die Kündigungsfolgen durch Zahlung der Mietrückstände gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB aus seinem pfändungsfreien Vermögen abwenden kann; auch ist eine Befriedigung der Mietschulden von dritter Seite, insbesondere öffentlicher Stellen trotz des laufenden Insolvenzverfahrens möglich.

    Das ist der Hammer und wird eine Menge Arbeit machen......

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen


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    Urteil vom 18. Juni 2015 - I ZR 14/14
    Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Wiedergabe von Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen im Allgemeinen keine - vergütungspflichtige - öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtsgesetzes darstellt.


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    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Auch die Bezeichnung des Beklagten hätte man besser bei der alten Begrifflichkeit „Sozialamt" belassen und statt der neu- deutschen Bezeichnung „Kunden" trifft der Begriff „Antragsteller" den Kern der Sache besser, denn im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Kunde König, was im Aufgabenbereich des Beklagten wohl nur seltenst der Fall ist.


    Neeee, Bettler trifft es da wohl eher. :wechlach:

    Passt auch gut in unseren Deutsch-Fred. :daumenrau

    Ganz genau so ist. Die Bittsteller bei dieser Behörde sind alles mögliche, aber eines sind sie ganz bestimmt nicht, nämlich Kunden. Es ist schon ein ziemlicher Hohn diese als Kunden zu bezeichnen.

  • Interessantes Urteil zur Frage, wie die Vergütung aus schwebenden Insolvenzmandaten bei Ausscheiden von Anwälten aus der Kanzlei zu verteilen ist:


    BGH, Beschluss vom 29.07.2014 - II ZR 360/12
    Vorinstanz: OLG Dresden, Urteil vom 29.11.2012 - 13 U 903/11

    Ob da bei den Ausscheidern Stephan S. und Oliver S. etwas Reue aufkam? Nicht wirklich neu dabei ist, dass auch Anwälte in ihren Sozietätsverträgen nicht auf alle Eventualitäten vorbereitet sind...

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Vor dem Porsche-Kauf kann eine längere Probefahrt nicht schaden, dann erspart man sich auch so eine peinliche Klageabweisung:

    Spürbarer Gangstufenwechsel kein Mangel bei sportlichem Fahrzeug

    Ein durch die Fahrzeugtechnik bedingtes, für den Fahrer spürbares Schalten und Bremsen stellt bei einem Porsche 981 Boxter S keinen Fahrzeugmangel dar, der zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Die vom Fahrer spürbaren Schaltvorgänge sind vom Hersteller und der Zielgruppe so gewollt und dem propagierten dynamisch-sportlichen Anspruch an seine Sportwagen geschuldet.

    OLG Hamm, Urt. v. 18.03.2014 − 28 U 162/13

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Keine Vereinbarung eines "qualifizierten Rangrücktritts" mehr erforderlich:

    § 19 Abs. 2 S. 2 InsO verlangt (nur), dass der "Nachrang im Insolvenzverfahren" vereinbart ist, um die betroffenen Forderungen bei der Ermittlung der Überschuldung unberücksichtigt zu lassen. Eine weitergehende Vereinbarung, die entsprechend der früheren BGH-Rechtsprechung als "qualifizierter Rangrücktritt" bezeichnet wurde und ausdrücklich die Nachrangigkeit auch für die Zeit vor Insolvenzeröffnung aussprechen musste, ist nach der ab dem 01.11.2008 geltenden Rechtslage nicht zu verlangen.

    AG Mönchengladbach, Beschl. v. 25.07.2014 - 45 IN 27/14


    ebenso: BGH vom 05.03.2015, IX 133/14. Allerdings nicht ganz kritiklos

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Keine Vereinbarung eines "qualifizierten Rangrücktritts" mehr erforderlich:

    § 19 Abs. 2 S. 2 InsO verlangt (nur), dass der "Nachrang im Insolvenzverfahren" vereinbart ist, um die betroffenen Forderungen bei der Ermittlung der Überschuldung unberücksichtigt zu lassen. Eine weitergehende Vereinbarung, die entsprechend der früheren BGH-Rechtsprechung als "qualifizierter Rangrücktritt" bezeichnet wurde und ausdrücklich die Nachrangigkeit auch für die Zeit vor Insolvenzeröffnung aussprechen musste, ist nach der ab dem 01.11.2008 geltenden Rechtslage nicht zu verlangen.

    AG Mönchengladbach, Beschl. v. 25.07.2014 - 45 IN 27/14


    ebenso: BGH vom 05.03.2015, IX 133/14. Allerdings nicht ganz kritiklos

    Wobei die BGH-Entscheidung noch einen "qualifizierten Rangrücktritt" aus Vor-MoMiG-Zeit zum Gegenstand hatte, so dass sich der BGH nicht zu einer am Wortlaut des neuen Rechts orientierten Rangrücktrittsvereinbarung verhalten musste (wie auch GvW in der verlinkten Kritik feststellt.).

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • 1.Der Richter kann das Verfahren auch nach Eröffnung desVerfahrens im Wege des Evokationsrechtes an sich ziehen.

    2.Haben keine Gläubiger Forderungen angemeldet, so kann dieRestschuldbefreiung sofort erteilt werden. Voraussetzung ist nicht, dass dieVerfahrenskosten beglichen sind (a.A. BGH ZInsO 2005, 597 = NZI 2005, 399 mitAnmerkung Ahrens).

    3.Diese zu den vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahrenentwickelte Rechtsprechung (AG Göttingen, Beschl. v. 27.5.2008 - 74 IK 282/07,ZVI 2008, 358 = Rpfleger 2008, 475) gilt auch für die Neufassung des § 300 Abs.1 InsO.

    AG Göttingen, Beschl. v. 29. 4. 2015 - 71 IK 99/14 NOM


    Scheint ja dann gefestigte Rechtsprechung zu werden. Schön finde ich den Kombi-Beschluss, wie im Tenor vermerkt:

    Der Schuldnerin wird gemäß § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO Restschuldbefreiung erteilt. Mit der Rechtskraft dieser Entscheidung endet das Amt des Insolvenzverwalters.


    Ist wohl § 500 InsO (§ 200 + § 300)

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1.Der Richter kann das Verfahren auch nach Eröffnung desVerfahrens im Wege des Evokationsrechtes an sich ziehen. 2.Haben keine Gläubiger Forderungen angemeldet, so kann dieRestschuldbefreiung sofort erteilt werden. Voraussetzung ist nicht, dass dieVerfahrenskosten beglichen sind (a.A. BGH ZInsO 2005, 597 = NZI 2005, 399 mitAnmerkung Ahrens). 3.Diese zu den vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahrenentwickelte Rechtsprechung (AG Göttingen, Beschl. v. 27.5.2008 - 74 IK 282/07,ZVI 2008, 358 = Rpfleger 2008, 475) gilt auch für die Neufassung des § 300 Abs.1 InsO. AG Göttingen, Beschl. v. 29. 4. 2015 - 71 IK 99/14 NOM

    Scheint ja dann gefestigte Rechtsprechung zu werden. Schön finde ich den Kombi-Beschluss, wie im Tenor vermerkt: Der Schuldnerin wird gemäß § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO Restschuldbefreiung erteilt. Mit der Rechtskraft dieser Entscheidung endet das Amt des Insolvenzverwalters. Ist wohl § 500 InsO (§ 200 + § 300)

    Ich glaub, das AG Göttingen kann ich hier noch so oft zitieren, das wird sich hier nicht durchsetzen. :D

  • BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - IX ZB 50/14
    Ist dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder das Zustellungswesen übertragen, können die ihm dadurch entstehenden personellen Mehrkosten durch die Erstattung eines Betrags von 1,80 € je Zustellung gedeckt sein.

    Diese Entscheidung ist ja unerträglich, allerdings darf man sich bei solchen Exzessen auch nicht wundern, wenn das dabei herauskommt.

    Die Begründung ist aber soetwas von daneben: Aufgebaut auf dem Artikel von Graeber aus dem Jahr 2007, der bei der Berechnung des Personalaufwandes so etwas die Personal- und Sachgemeinkosten einmal völlig ausgeblendet hat, hat sich das fortgeschrieben bis in die heutige Zeit. Lediglich im G/G wurde dann einmal in § 3 Rn. 297a hiervon abgerückt und einen Betrag von 4,00 EUR pro Zustellung als angemessen betrachtet (Sach- und Personalkosten), ohne weitere Begründung.

    Und dann Rn. 13 der BGH - Entscheidung:
    Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht letztlich mitberücksichtigt, dass nach den Feststellungen des Insolvenzgerichts die Treuhänder im dortigen Gerichtsbezirk für die Sach- und Personalkosten bei der Ausführung übertragener Zustellungen Beträge zwischen 1,00 € und 2,80 € verlangen.

    Zwar erlaubt dieser Umstand nicht unmittelbar den Schluss, dass der Betrag von 1,80 € je Zustellung die erforderlichen Personalkosten deckt. Denn was die Treuhänder verlangen, kann auch durch die von den Gerichten zugesprochenen Beträge beeinflusst sein. Es kommt jedoch hinzu, dass nach den getroffenen Feststellungen die Treuhänder einen Zuschlag von insgesamt - Sach- und Personalkoten - 2,70 € je Zustellung als auskömmlich bezeichneten.

    Unter diesen Umständen kann die festgestellte Marktüblichkeit als zusätzliches Indiz dafür gewertet werden, dass die personellen Mehrkosten im Bezirk des hier zuständigen Insolvenzgerichts mit einem Betrag von 1,80 € je Zustellung gedeckt werden können.
    Durch die Insolvenzgerichte wird doch quasi vorgegeben, was akzeptabel ist, folglich werden die betroffenen IV das als auskömmlich betrachten, was erzielbar ist. Das mag zwar "marktüblich" sein, aber nicht auskömmlich. Welches Verwalterbüro kann denn aus dem Stand mitteilen, was denn die Stunde einer mit der Zustellung betrauten Kraft kostet, wenn solche Arbeiten im eigenen Haus erledigt werden. Die einzigen Entscheidungen, bei denen einmal Zahlen auf den Tisch gekommen sind, waren die vom 15.01.2004, die dann dazu geführt haben, die Mindestvergütung zu kippen. Wenn man diese Zahlen zugrunde legt, wird man, auch bei einer effizienten Arbeitsweise, Graeber spricht von 5 Minuten pro Zustellung, nicht halten können. IX ZB 46/03 und IX ZB 96/03.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - IX ZB 50/14
    Ist dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder das Zustellungswesen übertragen, können die ihm dadurch entstehenden personellen Mehrkosten durch die Erstattung eines Betrags von 1,80 € je Zustellung gedeckt sein.

    Diese Entscheidung ist ja unerträglich, allerdings darf man sich bei solchen Exzessen auch nicht wundern, wenn das dabei herauskommt.


    In meinem AG-Bezirk hat sich letzten Sommer durchgesetzt zwei-achtzig-netto (mit Personal- und Sachkosten). Woher der plötzliche Sinneswandel von "eins-fuffzig sind mehr als ausreichend" zu 3,33 € brutto kam, weiß ich nicht, aber das scheint jetzt anerkannt zu sein.

    Zu den 1,80 € Personal dürften dann ja noch 0,62 € Porto, 0,10 € Briefumschlag und 0,05 € Papier oder so dazu kommen: Dann nähern wir uns 2,60 €. Oder hab ich jetzt ein Brett vorm Kopf? Wenn eins-achtzig die Personalkosten sind, müssen doch noch Sachkosten hinzu?

  • soisses, es geht um Personal- und Sachkosten.

    Wobei, wo ist IX ZB 209/10 (Die Bemessung des Zuschlags für die Übertragung des Zustellungs-wesens ist deshalb künftig so vorzunehmen, dass für jede aufgrund der Übertragung vorgenommene Zustellung der hierfür erforderliche Personal- und Sachaufwand, die gegebenenfalls zu schätzen sind, getrennt oder gemeinsam in einem Betrag bei der Vergütungsfestsetzung festzulegen sind.)?

    Jetzt orientieren wir uns also nach einem Marktwert, der uU aber nicht wie oben ermittelt wird, sondern nach Gefühl und Wellenschlag.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

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