Urteilsanmerkungen/Kommentare

  • In der Theorie ja. Aber spielen wir das doch mal in der Praxis durch:

    Die Angestellte erklärt im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung, sie habe von einem Einverständnis ihres Anwalts ausgehen dürfen. Auf Nachfrage erklärt sie weiter, dass sie davon ausgehen durfte, weil das schon häufiger so gelaufen sei und ihr Anwalt in vergleichbaren Fällen auf Nachfrage seine Zustimmung erteilt habe. Auf weitere Nachfrage nennt sie bestimmte Fälle (weil man ihr sonst nicht glaubt).
    Darauf wird der Anwalt gehört. Er steht nun vor der Wahl, entweder zuzugeben, dass die Darstellung seiner Angestellten richtig ist - und damit zugleich schwere anwaltliche Pflichtverletzungen einzuräumen, die zur Unwirksamkeit verschiedener bestimmender Schriftsätze und entsprechenden Haftungsansprüchen der Mandanten sowie anwaltsgerichtlichen Folgemaßnahmen gegen ihn gegen ihn führen werden. Oder er lügt und versucht dadurch beides zu vermeiden.

    Wie wird der Anwalt, der sich solcher illegaler Technken bedient hat und dessen innere Bindung an das Recht (Prozessrecht und Berufsrecht) man wohl deswegen ohnehin als "gelockert" bezeichnen muss, sich entscheiden?

    Natürlich kann die Angestellte gleichwohl straflos davon kommen, wenn man Belege dafür findet, dass der Anwalt entgegen seiner Darstellung doch zugestimmt hat. Wohl der Angestellten, die unter solchen Umständen rechtzeitig für sich Beweise sichert.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • In der Praxis tut man wg. einer möglichen Haftung gut daran, in geeigneter Weise zu dokumentieren, wie sich der Mandant hinsichtlich einer Berufung entscheidet. Wenn der Mandant die Berufung wünscht, ist es wohl im Interesse des Anwalts, wenn sich die Mitarbeiterin entsprechend kümmert. Die Refa kann sich auf die entsprechende Dokumentation berufen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Hier geht es aber nicht um "Refa/Reno außer Kontrolle", sondern ein offenbar seinerzeit beim Prozessbevollmächtigten angestellter Rechtsanwalt hat die ausgeschnittene Unterschrift aufgeklebt. :eek:

    Da deren Position nicht genau gepasst habe, habe er, Rechtsanwalt G., die Unterschrift ausgeschnitten, auf den Berufungsschriftsatz geklebt und an das Berufungsgericht gefaxt.

  • Formalien von (bestimmenden) Schriftsätzen sind als Teil der Grundlagen des Prozessrechts seit jeher Prüfungsstoff. Sogar in den einschlägigen Formularwerken, die in Examen zugelassen sind, werden die Unterschriften mitaufgeführt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 105/14
    Der unter anderem für das Marken- und Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass der Vertrieb einer in Goldfolie verpackten und mit einem roten Halsband versehenen Schokoladenfigur in Bärenform durch Lindt weder die Goldbären-Marken von Haribo verletzt noch eine unlautere Nachahmung ihrer Fruchtgummiprodukte darstellt.
    Die Klägerin produziert und vertreibt Fruchtgummiprodukte. Zu den von ihr hergestellten Erzeugnissen gehören sogenannte "Gummibärchen", die sie mit "GOLDBÄREN" bezeichnet. Sie ist Inhaberin der für Zuckerwaren eingetragenen Wortmarken "Goldbären", "Goldbär" und "Gold-Teddy". Die Beklagten vertreiben Schokoladenprodukte. Dazu zählen der "Lindt Goldhase" sowie seit dem Jahr 2011 eine ebenfalls in Goldfolie verpackte Schokoladenfigur in Form eines sitzenden Bären mit roter Halsschleife, die sie selbst als "Lindt Teddy" bezeichnen.
    Die Klägerin verlangt von den Beklagten Unterlassung des Vertriebs der in Goldfolie eingewickelten Schokoladenfiguren in Bärenform und macht Ansprüche auf Auskunft, Vernichtung und Schadensersatzfeststellung geltend. Sie ist der Auffassung, die angegriffenen Figuren verletzten ihre Marken und stellten eine unlautere Nachahmung ihrer Gummibärchen dar.
    In erster Instanz hatte die Klage Erfolg. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Revision gegen das Berufungsurteil im Wesentlichen zurückgewiesen.
    Ansprüche der Klägerin wegen Verletzung ihrer Markenrechte nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3 MarkenG* bestehen nicht. Zwar sind die Marken "Goldbär" und "Goldbären" der Klägerin in Deutschland bekannte Marken, und die sich gegenüberstehenden Waren der Parteien sind sehr ähnlich. Jedoch fehlt es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr oder einer gedanklichen Verknüpfung an einer Ähnlichkeit der Marken der Klägerin mit den angegriffenen Produktgestaltungen der Beklagten.
    Stehen sich - wie im Streitfall - eine Wortmarke und eine dreidimensionale Produktgestaltung gegenüber, so kann die Zeichenähnlichkeit nicht aus einer Ähnlichkeit im Klang oder im Bild der Zeichen, sondern ausschließlich aus einer Ähnlichkeit im Bedeutungsgehalt folgen. Zu vergleichen sind ausschließlich die Wortmarke und die beanstandete Produktform. In den Zeichenvergleich ist dagegen nicht die Form der Produkte hier der Gummibärchen der Klägerin einzubeziehen, für die die Wortmarke benutzt wird. Eine Ähnlichkeit im Sinngehalt setzt voraus, dass die Wortmarke aus Sicht der angesprochenen Verbraucher die naheliegende, ungezwungene und erschöpfende Bezeichnung der dreidimensionalen Gestaltung ist. Hierbei sind an die Annahme der Zeichenähnlichkeit grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, weil ansonsten die Gefahr bestünde, dass über eine Zeichenähnlichkeit im Sinngehalt einer Wortmarke mit einer dreidimensionalen Produktform eine weitgehende Monopolisierung von Warengestaltungen erfolgt, wie sie mit einer Bildmarke oder einer dreidimensionalen Warenformmarke, mit der eine bestimmte Produktform festgelegt sein muss, nicht zu erreichen ist. Nicht ausreichend ist, dass die Wortmarke nur eine unter mehreren naheliegenden Bezeichnungen der Produktform ist.
    Im Streitfall besteht keine Zeichenähnlichkeit im Bedeutungsgehalt. Für die Bezeichnung der Lindt-Produkte kommen nicht nur die Angaben "Goldbären" oder "Goldbär" in Betracht. Ebenso naheliegend sind andere Bezeichnungen wie etwa "Teddy", "Schokoladen-Bär" oder "Schokoladen-Teddy". Hinsichtlich einer weiteren Bildmarke der Klägerin, die eine stehende Bärenfigur zeigt, fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Zeichenähnlichkeit mit den in Goldfolie eingewickelten Schokoladenfiguren der Beklagten. Auf die Wortmarke "Gold-Teddy" kann sich die Klägerin nicht berufen, da die Geltendmachung dieser Marke eine wettbewerbswidrige Behinderung der Beklagten im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG** darstellt. Die Klägerin hat diese Marke erst nach Kenntnis von der Vertriebsabsicht der Beklagten in das Markenregister eintragen lassen.
    Wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin bestehen ebenfalls nicht. Es handelt sich bei den angegriffenen Produktformen nicht um Nachahmungen der Produkte der Klägerin im Sinne des § 4 Nr. 9 UWG**, weil eine ausreichende Ähnlichkeit zwischen den Gummibärchen der Klägerin und den Schokoladenfiguren der Beklagten nicht vorliegt.
    LG Köln Urteil vom 20. Dezember 2012 - 33 O 803/11
    OLG Köln Urteil vom 11. April 2014 - 6 U 230/12
    Karlsruhe, den 23. September 2015

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Da wurden bestimmt wieder (vgl. schon I ZR 57/08 - "Die Revision der Klägerinnen hat schon deshalb Erfolg, weil sich das Exemplar des [Schoko]-Hasen, der in dieser konkreten Form Gegenstand des zuletzt gestellten Unterlassungsantrags ist, nicht mehr bei den Akten befindet [...]") Süßigkeiten zur Akte gereicht. :wechlach:

  • BGH, Beschluss vom 10. September 2015 - III ZB 56/14

    a).....

    b) Den Verlust des Schriftstücks auf dem Postweg kann die Partei regelmäßig nicht anders glaubhaft machen als durch die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Aufgabe zur Post.

    oh, ha...


    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • weiß jemand, was aus der Sache IX ZR 272/13 geworden ist? Die Verhandlung war auf den 24.09.2015 terminiert.

    Es geht um das Verwertungsrecht verpfändeter Aktien analog § 166 InsO durch den Insolvenzverwalter, Vorinstanz OLG Hamburg vom 8.11.2013, 8 U 40/11, vergl. Editorial der ZInsO 2015, Seite 1521.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • LG Osnabrück vom 08.10.2015, 8 T 504/15, ohne Leitsatz:

    Das Insolvenzgericht hat die von dem Insolvenzverwalter geltend gemachten Zuschläge jeweils einzeln zu prüfen und zu berurteilen. Erst danach ist nach der Durchführung einer Gesamtschau eine angemessene Vergütung festzusetzen. Diese ist nachvollziehbar zu begründen.

    Anders AG Essen 160 IN 107/09....

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)


  • Mit dem einen Beschluss wird die NZB einer Beklagten zurückgewiesen, mit dem anderen Beschluss wird in Aussicht gestellt, die Revision des Klägers im Hinblick auf die andere Beklagte zurückzuweisen.

  • Amtsgericht Essen vom 23.02.2015, 165 IK 218/14, ohne Leitsatz:

    Haben in einem Insolvenzverfahren keine Gläubiger Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet, so ist das Durchlaufen der Wohlverhaltensphase eine Förmelei, da Gläubigeranträge auf Versagung der Restschuldbefreiung nicht gestellt werden können. Die Restschuldbefreiung ist dann sofort zu erteilen, § 300 I S. 2 Nr. 1 InsO.

    Dies gilt auch für die nach dem 01.07.2014 beantragt Verfahren,bei denen Kostenstundung gewährt worden ist [gegen den Wortlaut des § 300 I S. 2 InsO].

    :D Mutig. Und offenbar rechtskräftig?

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