Urteilsanmerkungen/Kommentare

  • Ich fand es ja schon immer ungerecht, dass in Fällen wie dem vom BGH entschiedenen die Kinder bei beiden Elternteilen voll als unterhaltsberechtigte Personen berücksichtigt wurden. Das jetzige Ergebnis gefällt mir allerdings auch überhaupt nicht. Wo will man denn da die Grenze ziehen, wie will man das genau ermitteln? Ich will so einen Antrag nicht haben. Und wie man an die

    Wie hättest du die Entscheidung denn gern gehabt? :gruebel:

    Gar nicht :D

    Ich dachte, du fandest es ungerecht, dass die Kiddie bei beiden voll berücksichtigt wurden? Dann isses doch jetzt fein? :confused:


    Ungerecht ist es ja auch, aber einfacher in der Vollstreckung. Und an dem BGH-Beschluss ist gar nichts fein. Die Umsetzung ist allenfalls in glasklaren Fällen einfach, also so fifty-fifty-Geschichten wie beim BGH. Aber ansonsten?

    Da ist dann dein billiges Ermessen gefragt. :D :strecker

  • Wie hättest du die Entscheidung denn gern gehabt? :gruebel:


    Gar nicht :D


    Zu spät, schon deshalb, weil ja auch schon die Entscheidung IX ZB 211/08 in der Welt ist....


    Da ging es aber um Bares, jetzt ist ja konkret über Naturalunterhalt entschieden.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • ....
    Ist mir doch egal was die machen, ich halte mich doch nur daran, was ich bis dato weiß und das ist der Gesetzestext und die Kommentierungen von Stöber. Aber wie bekannt ist, macht der BGH ja seine eigene Lesart der Gesetze.

    Ich habe nur Befürchtungen, dass dies dazu führt, dass das mit dem Einkommen einer weiteren unterhaltspflichtigen Person zu großzügig ausgelegt wird. Beispielsweise, wenn der Schuldner Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle in nicht geringem Umfang zahlt und das Kind bei dem anderen Elternteil lebt und von dem dann auch Naturalunterhalt erhält.

    Da gebe ich Dir Recht, das wird garantiert passieren. Ehefrau verdient 600,00 € und - schwupps - zählen die 4 gemeinsamen Kinder nur noch halb ;)...

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Dann kann er, mit Mehraufwand, die Hosen runterlassen....

    Klar, gegenüber dem Richter / Rechtspfleger. Aber doch nicht zur Einsicht des Insolvenzverwalters. Wir kriegen so auch Daten, die uns ja nun so rein gar nix angehen. Ich warte auf den Tag, an dem mir ein Schuldner sagt, dass er die Sachen dem Gericht gibt, aber nicht mir. Weil mich das nix angeht, was da alles so auf dem Lohnzettel draufsteht. Außer halt das berücksichtigungsfähige Netto (seine Spesen gehen mich ja auch nix an). Naja... es bleibt halt immer der Beigeschmack des "Machthabenden". Ich finde es erstaunlich, was die Schuldner so an Unterlagen rausrücken auf Zuruf. Auch ihre Hartz-IV-Bescheide mit sämtlichen Angaben zu Familienangehörigen und Mitbewohnern. Datenschutz sieht anders aus. ;)

    Die gehen Dich sehr wohl etwas an. Wenn der zwangsvollstreckende Gläubiger hierauf einen Anspruch hat, dann hat der TH es auch, § 292 I S.3 InsO iVm § 36 IV InsO.

    Das Gericht schickt doch bei einer entsprechenden Auseinandersetzung (vor dem Vollstreckungsgericht) die ganzen Unterlagen auch nicht an den vollstreckenden Einzelgläubiger. Der Gläubiger stellt Antrag, das Gericht hört an (lässt sich die Unterlagen vorlegen) und entscheidet nach Ermessen. Da hat der Gläubiger keinen Einblick in die Unterlagen des Schuldners und seiner Angehörigen. Richtig kann es nicht sein, dass wir dank "unserer" Bestellungsurkunden derartige Rechte haben sollen. Im Vermögensverzeichnis werden Angaben auch nur gemacht und eidesstattlich versichert, aber nicht die Einkommensnachweise der Angehörigen beigefügt. Wie gesagt, ich denke, wir nehmen uns hier zu viel raus. Wenn es die Sache auch erleichtert.


  • BGH, Urteil vom 26. März 2015 - IX ZR 302/13

    Bereicherungsansprüche wegen rechtsgrundloser Zahlungen auf das Vollrechtstreuhandkonto eines vorläufigen Insolvenzverwalters richten sich gegen den vorläufigen Verwalter persönlich und nicht gegen den Schuldner.

    Ein herrlicher Brei, da kann man im Zweifelsfall nur in die Fischkiste greifen.....

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

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    Ist mir doch egal was die machen, ich halte mich doch nur daran, was ich bis dato weiß und das ist der Gesetzestext und die Kommentierungen von Stöber. Aber wie bekannt ist, macht der BGH ja seine eigene Lesart der Gesetze.

    Ich habe nur Befürchtungen, dass dies dazu führt, dass das mit dem Einkommen einer weiteren unterhaltspflichtigen Person zu großzügig ausgelegt wird. Beispielsweise, wenn der Schuldner Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle in nicht geringem Umfang zahlt und das Kind bei dem anderen Elternteil lebt und von dem dann auch Naturalunterhalt erhält.

    Da gebe ich Dir Recht, das wird garantiert passieren. Ehefrau verdient 600,00 € und - schwupps - zählen die 4 gemeinsamen Kinder nur noch halb ;)...

    Ich denke auch an die Fälle, in denen der Schuldner Unterhalt nach der D`dorfer Tabelle (in voller Höhe) zahlt und das Kind lebt bei dem anderen Elternteil im Haushalt und erhält von diesem Naturalunterhalt. Und obwohl diese die Unterhaltspflicht nicht mindert, könnte die Entscheidung des BGH dazu führen, dass der Naturalunterhalt des anderen Elternteils eine teilweise Nichtberücksichtigung des Kindes begründen könnte. Wir wissen doch, dass die Fantasie einiger Gläubigervertreter grenzenlos ist, wenn es um solche Sachen geht.

    Der BGH hatte doch entschieden, dass es auf die Höhe des Unterhalts, der gezahlt wird, nicht ankommt. Und mit dieser neuen Entscheidung werden neue Wege eröffnet, die es erlauben, in gerade diesen Fällen, den Naturalunterhalt des anderen Elternteils anzurechnen und somit von einer "Entlastung" des Schuldners ausgehen zu können.

    Und gerade durch die neuen Vordrucke in der ZV, die nur eine betragsmäßige Berücksichtigung (keine Anwendung der Tabelle ;)) der teilweise nicht zu berücksichtigende unterhaltsberechtigten Person vorsehen, wurden doch dem Wortlaut des § 850c Abs. 4 ZPO gerecht.

    Jetzt macht der Gesetzgeber mal was richtig und da kommt der BGH daher und macht alles wieder kaputt :teufel:

    Aber vielleicht ist es ja so, wie Jamie vermutet hat, dass der BGH nur den Antrag des IV im Blickfeld hatte. Es wäre aber schön gewesen, wenn der BGH das klargestellt hätte.:(

  • Aber vielleicht ist es ja so, wie Jamie vermutet hat, dass der BGH nur den Antrag des IV im Blickfeld hatte. Es wäre aber schön gewesen, wenn der BGH das klargestellt hätte.:(

    Die Entscheidung kursiert auch schon in ReNo-Foren (-Gruppen), weil sie ja doch auch die allgemeine ZV betreffen. Keine Sorge, die Anträge werden kommen. Massenhaft.

  • Die Berichtigung der Verfahrenskosten gem. § 300 Abs. 1 S. 2 InsO n.F. kann auch durch eine Stundung gem. §§ 4a ff. InsO erfolgen, wenn kein Gläubiger eine Forderung angemeldet hat.

    AG Göttingen, Beschl. vom 29.4.2015 - 71 IK 99/14


    Wo gibt es denn die Begründung zu lesen ? Mich würde interessieren, ob das auch für Verfahren gelten soll, bei denen Gläubiger angemeldet haben, bzw. warum da gerade nicht.

    Ohne jetzt lospoltern zu wollen, ich will ja erst einmal lesen, im ursprünglichen Entwurf hieß es aber:
     
    Schließlich sieht der Entwurf in Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 eine vorzeitige Beendigung des Restschuldbefreiungsverahrens vor, wenn der Schuldner innerhalb von fünf Jahren zumindest seine Verfahrenskosten begleicht. Hierdurch soll dem Schuldner, der die Mindestbefriedigungsquote verfehlt, ein weiterer Anreiz gesetzt werden, das Verfahren durchzustehen und durch eigene Bemühungen zu einem vorzeitigen Ende zu bringen. Dieser Anreiz ist auch erheblich, weil der Schuldner nach den Vorschriften über das Stundungsverfahren noch vier Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung für die gestundeten Verfahrenskosten aufzukommen hat (§ 4b Absatz 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 115 Absatz 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung – ZPO). Es ist zu erwarten, dass die Regelung zu einer vorzeitigen Rückzahlung der gestundeten Verfahrenskosten führen und damit auch zu einer Entlastung der Länderhaushalte beitragen wird.


    Ohne da jetzt viel reininterpretieren zu wollen, sieht es für mich so aus, als ob man von Schuldner erwartet, dass tatsächlich etwas fließt, um in den Genuß der Verkürzung zu kommen. Es geht um Zahlung, also so mit richtigem Geld und einer Entlastung der Kassen.

    Aber wenigstens ist die Entscheidung die konsequente Fortsetzung zu den Altentscheidungen vor Einführung des neuen § 300 InsO.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Da ist sie ja schon. :eek:

    AG Göttingen jetzt auch nach neuem Recht offenbar für eine vorzeitige Erteilung ohne Berichtigung der Verfahrenskosten.

    Wohl hart gegen Gesetzestext und -begründung (?) :cool:

    Hatten wir ja an anderen Stellen auch schon diskutiert.

    Das Ergebnis gefällt mir natürlich, bin sehr gespannt auf die Volltext-Begründung.

  • Die Entscheidung stammt aus dem Jurion Newsletter von heute, wo auch der Sachverhalt zusammengefasst, die Begründung und eine Anmerkung abgedruckt sind.

    Werde morgen noch mal nachsehen, ob etwas davon evtl. nicht urheberrechtlich geschützt sein könnte wegen redaktioneller Aufarbeitung und hier eingestellt werden kann. In Jurion habe ich die Entscheidung eben auch noch nicht gefunden.

    Die Entscheidung bezieht sich ausschließlich auf den Fall, dass keine Anmeldungen vorliegen und die "WVP" deshalb genau genommen überflüssig ist (wie schon nach der BGH-Entscheidung zum alten Recht) und die Kosten auch über die 4jährige Nachhaftung noch beigetrieben werden könnten. War auch (wieder) eine Richterentscheidung ...

  • Die Entscheidung stammt aus dem Jurion Newsletter von heute, wo auch der Sachverhalt zusammengefasst, die Begründung und eine Anmerkung abgedruckt sind.

    Werde morgen noch mal nachsehen, ob etwas davon evtl. nicht urheberrechtlich geschützt sein könnte wegen redaktioneller Aufarbeitung und hier eingestellt werden kann. In Jurion habe ich die Entscheidung eben auch noch nicht gefunden.

    Die Entscheidung bezieht sich ausschließlich auf den Fall, dass keine Anmeldungen vorliegen und die "WVP" deshalb genau genommen überflüssig ist (wie schon nach der BGH-Entscheidung zum alten Recht) und die Kosten auch über die 4jährige Nachhaftung noch beigetrieben werden könnten. War auch (wieder) eine Richterentscheidung ...

    Find ich grundsätzlich gut, stell' mir heuer aber die Begründung schwieriger vor, bin gespannt.
    (heute auch noch schnell zwei Verfahren mit Vorzeitiger platt gemacht, aber altes Recht.) :D

  • Naja, wird wohl demnächst in der Insbüro stehen. Mitgeteilt von Richter S.

    Der Richter S. ist doch auch Autor in der ZinsO, oder verwechsle ich da was? Der hatte das m. E. so schon zum 01.07.2014 kommentiert, der wusste letztes Jahr schon, dass er so entscheiden würde - wenn ich ihn jetzt nicht verwechsle. :gruebel:

  • BGH, Beschluss vom 30. April 2015 - IX ZR 196/13

    Die Insolvenzanfechtung der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens binnen eines Jahres vor Stellung eines Insolvenzantrags setzt keine Krise der Gesellschaft voraus. Entsprechendes gilt für die Rückgewähr eines durch den Gesellschafter abgesicherten Kredits.

    Kommt jemand zufällig kurzfristig an die Berufungsentscheidung (OLG München, 5 U 611/13) heran oder weiß, wer an dem Rechtsstreit beteiligt war? Bitte pn.

  • Kommt jemand zufällig kurzfristig an die Berufungsentscheidung (OLG München, 5 U 611/13) heran

    Frag mal AndreasH.


    Ich bin seit Montag nicht mehr im Senat, sondern wurde zu einem der Landgerichte "darunter" "umgebettet" (was man eben so über Beamte und ähnliche Mitglieder des öffentlichen Dienstes sagt ;)). Ich bleibe aber im Anfechtungsrecht tätig.

    Die Entscheidung müsste demnächst online verfügbar sein, denn noch am Tag der Veröffentlichung der NZB-Entscheidung des BGH lag eine entsprechende Anfrage von Beck oder juris in der Post.

    Die Sache selbst war meiner Erinnerung nach unspektakulär. Meiner Erinnerung nach hat ein Direktgesellschafter "seiner" GmbH ein Darlehen gewährt, ferner hat er eine Bürgschaft für ein weiteres Darlehen abgegeben. Strittig war, dazu wurde Beweis nicht erhoben, ob zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung die GmbH schon in der Krise oder noch gesund war. Dann brachte der Gesellschafter seine Gesellschaftsanteile in eine andere Gesellschaft (ich glaube eine GmbH) ein und war nun nicht mehr Direktgesellschafter. Strittig war, ob diese GmbH ihm zuzurechnen war. Er war zwar Mehrheitsgesellschafter, es existierte aber eine Stimmrechtsvereinbarung, die nach seiner Behauptung eine Zurechnung ausschließen sollte. Natürlich, nur deswegen kam es zum Rechtsstreit, ging die Ausgangs-GmbH binnen Jahresfrist pleite.

    Beide Darlehen wurden dazwischen mindestens teilweise aus Gesellschaftsmitteln getilgt, ferner kam es zu einer Auszahlung an den Gesellschafter ohne Betreffangabe.

    Der Insolvenzverwalter focht die Darlehenstilgungen gemäß § 135 InsO, die Zahlung ohne Betreff ergänzend gemäß § 134 InsO, an. Rechtlicher Schwerpunkt des Rechtsstreits war die Frage, ob § 135 InsO als strikte Fristenregelung greift oder ob er teleologisch, der beklagte Gesellschafter behauptete verfassungskonform analog § 136 InsO, zu reduzieren sei, da ja behauptet keine Krise vorgelegen habe. Der Senat hat gemäß entsprechender Vorentscheidungen des BGH § 135 InsO als strikte Fristenlösung gesehen und entsprechend geurteilt, dies hat der BGH nun bestätigt. Namen der Beteiligten kann (darf) ich leider auch nicht per PN nennen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Die Berichtigung der Verfahrenskosten gem. § 300 Abs. 1 S. 2 InsO n.F. kann auch durch eine Stundung gem. §§ 4a ff. InsO erfolgen, wenn kein Gläubiger eine Forderung angemeldet hat.

    AG Göttingen, Beschl. vom 29.4.2015 - 71 IK 99/14

    Laut Sachverhalt handelt es sich um ein Nullmasseverfahren und es lagen keine Forderungsanmeldungen vor.

    Hier, nur auszugsweise, die Gründe, war gestern leider verhindert:


    Der Richter hat das Verfahren zur Entscheidung über die sofortige Erteilung der Restschuldbefreiung an sich gezogen. Forderungen sind nicht angemeldet worden. Sonstige Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO existieren nicht. Die Schuldnerin hat zwar nicht die Kosten des Verfahrens berichtigt, jedoch ist dies unschädlich, da ihr Stundung bewilligt worden ist. Auch der erforderliche Antrag der Schuldnerin liegt vor. Der Schuldnerin ist somit vorzeitig gemäß § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO Restschuldbefreiung zu erteilen. ...

    Unschädlich ist es, dass die Kosten des Verfahrens von der Schuldnerin nicht beglichen sind. Zwar fordert § 300 Abs. 1 S. 2 InsO, dass der Schuldner die Kosten des Verfahrens berichtigt hat. Dazu genügt es aber, dass die Kosten des Verfahrens dem Schuldner gestundet worden sind gemäß § 4 a InsO. Bereits vor der Einfügung des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte war anerkannt, dass die Vorschrift des § 299 InsO über die vorzeitige Beendigung eines Restschuldbefreiungsverfahrens analog angewandt werden konnte u. a., wenn kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet hatte (BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZInsO 2005, 597 = NZI 2005, 399 mit Anm. Ahrens = ZVI 2005, 3223 = Rpfleger 2005, 471). Der BGH forderte allerdings zusätzlich, dass sämtliche Verbindlichkeiten getilgt und keine Kosten mehr offen waren. Im vom BGH entschiedenen Fall war dem Schuldner allerdings keine Stundung bewilligt worden. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt von dem Regelfall in der Praxis, der auch im vorliegenden Fall einschlägig ist.

    Im Beschluss vom 8.11.2007 (IX ZB 115/04) bestätigte der BGH seine Rechtsprechung. Im dortigen Fall waren dem Schuldner die Kosten gestundet worden. Der BGH hob die ablehnenden Entscheidungen der Vorinstanzen auf zur Feststellung der Frage, ob noch Kosten oder sonstige Masseverbindlichkeiten offen sind. Auf die Frage, ob bei Deckung oder Fehlen von Masseverbindlichkeiten allein offene Verfahrenskosten eine sofortige Erteilung der Restschuldbefreiung hindern, ist der Senat in dem in der Begründung knapp 20 Zeilen umfassenden Beschluss nicht ausdrücklich eingegangen. Schließlich hat der BGH im Beschluss vom 19. 9. 2011 (IX B 219/10, NZI 2011, 947 mit Anm. Grote) einen Anspruch auf vorzeitige Restschuldbefreiung zuerkannt, wenn die Ansprüche der Gläubiger durch Teilzahlung und Teilerlass erloschen und die Verfahrenskosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten getilgt sind. Anders als im vorliegenden Fall waren Forderungen angemeldet und Insolvenzgläubiger vorhanden.

    Im Anschluss an den Beschluss des BGH vom 17.3.2005 ist in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten worden, dass auch bei offenen Verfahrens-/Massekosten die Restschuldbefreiung sogleich erteilt werden sollte (Erdmann, ZInsO 2007, 873; Henning, ZInsO 2007, 1253, 1258; Pape, ZInsO 2007, 1289, 1305). Das erkennende Gericht hat sich dieser Auffassung im Beschluss vom 27 5. 2008 (74 IK 282/07, ZVI 2008, 3588 = Rpfleger 2008, 475) angeschlossen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass mangels Forderungsanmeldung keine zur Stellung eines Versagungsanträge berechtigten Gläubiger vorhanden sind und nicht eine sinnentleerte, unnütze verfahrenskostenverursachende Wohlverhaltensperiode durchgeführt werden solle. Die Interessen der Landeskasse würden nicht nachhaltig berührt, da ein möglicher Vermögenserwerb noch über einen Zeitraum von vier Jahren im Rahmen der Nachhaftungsphase des § 4 b Abs. 1 InsO als Haftungsmasse zur Verfügung stehe.

    Diese Ausführungen gelten im Ergebnis auch fort in ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren, in denen § 300 Abs. 1 S. 2 InsO ausdrücklich fordert, dass der Schuldner die Kosten des Verfahrens berichtigt hat. Die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsantrags und zur Stärkung der Gläubigerrechte führt unter Hinweis auf die oben zitierte Rechtsprechung des BGH folgendes aus: „Eine vorzeitige Restschuldbefreiung kann jedoch nur auf Antrag des Schuldners erteilt werden, soweit der Schuldner belegt, dass die Verfahrenskosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten getilgt sind.“ (BT-Drucks. 17/11268 S. 30). Auf die Frage, was im Falle einer Kostenstundung gilt, geht die Begründung nicht ein. Auch in der Kommentarliteratur zur Neufassung des § 300 InsO wird fast einhellig davon ausgegangen, dass der Schuldner die Verfahrenskosten berichtigt haben muss (AGR-Weinland § 300 n.F. Rz.4; FK-InsO/Ahrens § 299 Rz. 30 und § 300 Rz. 9; HambK-Streck § 300 Rz. 5,6; HK-InsO/Waltenberger § 299 a. F. Rz. 3 und § 300 n. F. Rz. 11,14; MK-InsO/Stephan § 299 Rz. 17 und § 300 neu Rz. 23; Ahrens, das neue Privatinsolvenzrecht Rz. 1012 ff; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape 17/167). Eine andere Auffassung vertritt nur Kohte (FK-InsO, § 4b Rz. 9; ebenso zur alten Rechtslage HK-InsO/Landfermann 6. Aufl. 2011, § 299 Rz. 6 und HWF-Schmerbach § 299 Rz. 10) mit der Begründung, die bisherige Judikatur des BGH habe sich mit der Frage der Stundung/nachfolgenden Ratenzahlung nach § 4 b InsO noch nicht befasst.

    Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Bereits der BGH hat im Beschluss vom 17.3.2005 folgendes ausgeführt: „Ein förmliches Restschuldbefreiungsverfahren unter Einschluss einer Wohlverhaltensphase, während der über Jahre hinweg vom Treuhänder die Abtretungsbeträge des Schuldners für nicht vorhandene Insolvenzgläubiger gesammelt werden müssten, um sie dann am Ende dieser Phase an den Schuldner zurückzugeben wäre sinnlos. Dem Schuldner wird in dieser Zeit ohne sachlichen Grund – nämlich Legitimation durch zu schützende Gläubigerinteressen – seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit außerhalb der Pfändungsfreigrenzen genommen.“ Diese Ausführungen des BGH zielen zwar ab auf den Fall, dass der Pfändung unterfallendes Einkommen vorhanden ist. Sie beanspruchen aber auch Geltung, wenn zwar pfändbares Einkommen vorhanden ist, dies aber nicht ausreicht, um die insbesondere im eröffneten Verfahren entstandenen Kosten zu decken. In diesem Fall würden zum Zwecke der Kostendeckung für jedes Jahr der Wohlverhaltensperiode ein Betrag von mindestens 119 € Info der Mindestvergütung anfallen, die zu der ursprünglichen Kostenschuld hinzuzurechnen ist. Dieses Ergebnis kann aber (teilweise) auch erreicht werden über die vierjährige Nachhaftungsphase gemäß § 4. b InsO. Berücksichtigt man die regelmäßig für sechs Jahre anfallende Mindestvergütung von jährlich 119 €, ergibt sich ein Gesamtbetrag von 714 €. Das wirtschaftliche Ergebnis zwischen beiden Vorgehensweisen dürfte sich nicht wesentlich unterscheiden. Soweit darauf hingewiesen wird, die vorzeitige Restschuldbefreiung erfahre ihre Legitimation nur dann, wenn alle Schuldner, zu denen auch der Staat gehöre, befriedigt sein (MK-InsO/Stephan § 299 Rz. 17), wird übersehen, dass der Ausgangspunkt einer vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung ein anderer ist. Insolvenzgläubiger sind nicht vorhanden. Eine Auszahlung von eingehenden Beträgen an diese gemäß § 292 InsO scheidet aus. Die Obliegenheiten des Schuldners gemäß §§ 295 ff. InsO stehen nur „auf dem Papier“, da Versagungsanträge nur Insolvenzgläubiger (die aber nicht vorhanden sind) stellen können. ...

  • Is ja doll, man stimmt seiner eigenen Meinung zu.

    ME werden da alte Begründungen herangezogen, um das Vorgehen bei der neuen Rechtslage zu rechtfertigen.

    Missglückt halte ich zudem den Versuch, eine vermeintliche Lücke zu suchen und dann diese sogar zu finden:

    "BT-Drucks 17/11268, Seite 30 hätte das Problem der Kostenstundung nicht erkannt. "

    Allerdings behandeln die dortigen Absätze ausschließlich Bemühungen, die der Schuldner unternehmen muss, um eine vorzeitige RSB zu erhalten.

    Interessant ist hier, dass man dem Schuldner einen Anreiz durch Verkürzung der WVP schaffen wolle (zu Abs. 1, S. 2, Nr. 3), wenn die Kosten des Verfahrens binnen fünf Jahren ausgeglichen sind.

    Noch ein wenig klarer hat man es in der Begründung zu Abs.1, S. 2, Nr. 1: "Eine vorzeitige Restschuldbefreiung kann jedoch nur auf Antrag des Schuldners erteilt werden, soweit der Schuldner belegt, dass die Verfahrenskosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten getilgt sind."

    Tilgung dürfte sicher so etwas wie Erfüllung sein. Aber Tilgung durch Stundung :gruebel:

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Mich überzeugt die Entscheidung auch noch nicht so recht. Schließlich wäre die "WVP" genauso sinnlos, wenn die Gläubiger in voller Höhe befriedigt werden können, vllt. weil nur Forderungsanmeldungen i.H.v. 50 € vorliegen. Und in solchen Fällen sollen laut gesetzgeberischen Willen die Kosten in voller Höhe gezahlt werden. Ich gehe deshalb eher davon aus, dass bestimmte Schuldner nicht besser gestellt werden sollten als andere und alle die Kosten für eine vorzeitige RSB zahlen müssen.

    Eine Regelungslücke besteht vielleicht eher dahingehend, ob bei fehlenden Anmeldungen noch ein TH zu bestellen ist ...

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