Urteilsanmerkungen/Kommentare

  • Eine Regelungslücke besteht vielleicht eher dahingehend, ob bei fehlenden Anmeldungen noch ein TH zu bestellen ist ...


    Da sehe ich keine Lücke. Vorzeitige RSB gibt es bei Tilgung, dann macht ein TH auch keinen Sinn. Fehlt es an der Tilgung, dann geht es in die WVP. Abzuheben wäre somit nicht auf die festgestellten Forderungen. Kann ja auch sein, dass Forderungsanmeldungen vorliegen, die es aber, aus Gründen wie auch immer, nicht bis ins Schlussverzeichnis geschafft haben.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Spinnt man AG Göttingen fort, müsste doch konsequenterweise auch allen Schuldnern, in deren Verfahren Insolvenzforderungen angemeldet wurden, vorzeitig nach fünf Jahren RSB erteilt werden, auch wenn die Kosten nicht berichtigt sind. Kostenstundung werden ja auch die haben.

    Dann hätte man aber die neue Regelung insoweit komplett ausgehebelt.

    Also mangels ausdrücklicher Regelung in der Vergangenheit finde ich ja, dass man das gut im Sinne des AG Göttingen machen konnte.

    Für die Neu-Verfahren finde ich das aber nicht mehr gangbar.

  • Da sehe ich keine Lücke. Vorzeitige RSB gibt es bei Tilgung, dann macht ein TH auch keinen Sinn. Fehlt es an der Tilgung, dann geht es in die WVP. Abzuheben wäre somit nicht auf die festgestellten Forderungen. Kann ja auch sein, dass Forderungsanmeldungen vorliegen, die es aber, aus Gründen wie auch immer, nicht bis ins Schlussverzeichnis geschafft haben.

    Welchen Sinn hat denn der TH in der WVP noch, wenn a) weder Anmeldungen noch b) sonstige Masseverbindlichkeiten vorliegen? Die Auskünfte zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners kann das IG wegen der Stundung auch selbst anfordern, ohne dass weitere Kosten für die Landeskasse produziert werden.*

    Irrsinn wäre es hingegen wie in Mossers altem Fall in einem anderen Thread, wenn keine Anmeldungen vorliegen und dem nachlässigen Schuldner dann nach Stundungsaufhebung noch die Versagung nach § 298 InsO droht und wir ihn in einem 2. Verfahren wieder haben und alle Kosten nochmals für die Landeskasse anfallen.

    Ich lese § 300 Abs. 1 Nr. 1 u. Nr. 3 InsO aber so, dass die WVP neben der Gläubigerbefriedigung ausdrücklich auch der Kostenbeitreibung (u. der Befriedigung d. sonstigen Masseverbindlichkeiten) bei allen Schuldnern dienen soll (ob' s nun sinnvoll ist oder auch nicht). Da passt eine Kostenberichtigung per Stundungsbewilligung einfach nicht, das sehe ich genauso wie zsesar.

    * obwohl, nachdem ich das nochmals durchdacht habe, vllt. kommen wir mit der Abtretungserklärung via TH doch eher an das Geld für die Verfahrenskosten als über mehr oder weniger freiwillige Zahlungen durch den Schuldner.

  • Genau, dass ist die Krux, wenn man Stundung=Tilgung definiert, dann gäbe es die RSB in allen Verfahren, bei denen die Kosten gestundet sind. Das wollte ich mit meinem Beitrag oben andeuten, da hatten wir aber die Entscheidung noch nicht.

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  • Ja, keiner hier kann sich Göttingen bisher anschließen. Es ist der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers, dass wir in Einzelfällen Kosten um ihrer selbst willen produzieren müssen.

    Ja, leider.
    Ist eigentlich nun recht eindeutig nach Text aber auch Willem des Gesetzgebers geregelt, dass sich jeder Geringverdiener zur Kostenberichtigung bemühen muss, wenn er eine Vorzeitige haben möchte, ob nun "bereits" nach fünf Jahren oder (im Ausnahmefall) gleich.

    Einziger Ansatzpunkt wäre nur noch die völlige Fehleinschätzung des Gesetzgebers hinsichtlich des "Anreizes" bei luschiger Ein-Jahres-Verkürzung.
    Entweder liegen die Voraussetzungen ohnehin vor oder es wird den Schuldnern weitestgehend egal bzw. schlicht nicht machbar sein (SGB XII).

    Der Gesetzgeber wollte es so, er bekommt es auch so.

    Und ehrlich: Es werden ja nicht so viele Fälle (ohne Gl.-Beteiligung) sein, wo man sich da wundert, was das jetzt noch alles eigentlich soll - Das ist dann halt so. Fällt ja anderweitig auch schwer, weitere "Entscheidungsgrenzen" zu ziehen in der Prognose.

    Ich denke, ich wende mal schlicht den nunmehr klaren Text an und würde etwaig anderweitiges Antragsbegehren damit auch schlicht und kurz zurückweisen.

    (bis auf weiteres ;)).

  • InsO § 55 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 3

    Wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens infolge einer Namensverwechslung irrtümlich eine Überweisung auf ein Konto des Schuldners erbracht, mindert sich der Bereicherungsanspruch in Höhe der durch die Zahlung zum Nachteil der Masse verursachten Kosten.

    InsO § 55 Abs. 1 Nr. 3, § 63 Abs. 1 Satz 2; InsVV § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1; GKG § 58 Abs. 1

    Der durch eine irrtümliche Überweisung erlangte Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen seine Bank erhöht die Berechnungsgrundlage für die Kosten des Insolvenzverfahrens.

    BGH, Urteil vom 5. März 2015, IX ZR 164/14

    Hierzu eine sehr lesenswerte Anmerkung mit Ausblick auf die praktische Umsetzung dieser Entscheidung in der aktuellen ZInsO 2015, Heft 23, Seiten 1093-1096. Titel: "Zum Umgang mit ungerechtfertigten Bereicherungen der Insolvenzmasse."

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Richtigerweise hätte S. eine Vorlage fürs BVerfG fertigen müssen, ob die entsprechende Variante des § 300 InsO n.F. mit Art. [Nr. einsetzen] GG vereinbar ist.

    Beispiel: Rentner, keine Unterhaltspflicht, € 1.040,00 Rente / Monat. Pfändbar ist nichts, so dass er durch die vollen sechs Jahre gehen muss. Nach § 4b InsO würde sich aber wohl eine Rate ergeben (wenn ich davon ausgehe, dass hier nur allgemeiner Parteifreibetrag und Wohnkosten anfallen, also Rate vermutlich um € 50 - 75 / Monat). Jetzt kriegt er die Rechnung dafür, dass er kein pfändbares Einkommen hatte, denn die Kosten sind dadurch € 714,00 höher geworden. Im eröffneten Verfahren geht Ratenfestsetzung aber wohl nicht, da § 4a InsO nur auf das Vermögen abstellt.

    Die Unterschiede sind gravierend:

    Bei Raten im eröffneten Verfahren wäre nach ca. 1 1/2 - 2 Jahren alles bezahlt, bei Raten nach RSB dauert alles 6 Jahre plus nochmal 3 - 4 Jahre Ratenzahlung.

    In der Variante 1) liegt auch keine Benachteiligung, da es für die Raten nicht auf das pfändbare Einkommen ankommt und derselbe Beispiel-Rentner auch sofort Raten zahlen müsste, würde er mit PKH/VKH einen Rechtsstreit führen.

  • Richtigerweise hätte S. eine Vorlage fürs BVerfG fertigen müssen, ob die entsprechende Variante des § 300 InsO n.F. mit Art. [Nr. einsetzen] GG vereinbar ist.

    Beispiel: Rentner, keine Unterhaltspflicht, € 1.040,00 Rente / Monat. Pfändbar ist nichts, so dass er durch die vollen sechs Jahre gehen muss. Nach § 4b InsO würde sich aber wohl eine Rate ergeben (wenn ich davon ausgehe, dass hier nur allgemeiner Parteifreibetrag und Wohnkosten anfallen, also Rate vermutlich um € 50 - 75 / Monat). Jetzt kriegt er die Rechnung dafür, dass er kein pfändbares Einkommen hatte, denn die Kosten sind dadurch € 714,00 höher geworden. Im eröffneten Verfahren geht Ratenfestsetzung aber wohl nicht, da § 4a InsO nur auf das Vermögen abstellt.

    Die Unterschiede sind gravierend:

    Bei Raten im eröffneten Verfahren wäre nach ca. 1 1/2 - 2 Jahren alles bezahlt, bei Raten nach RSB dauert alles 6 Jahre plus nochmal 3 - 4 Jahre Ratenzahlung.

    In der Variante 1) liegt auch keine Benachteiligung, da es für die Raten nicht auf das pfändbare Einkommen ankommt und derselbe Beispiel-Rentner auch sofort Raten zahlen müsste, würde er mit PKH/VKH einen Rechtsstreit führen.


    Der Rentner wäre menschlich gut beraten, die 50-75 € Raten nicht zu zahlen, sondern sich bei 1.040 € seines wohlverdienten Lebensabends zu erfreuen, aus der "üppigen" vollen Rente.
    Bei Raten-Nicht-Zahlung wird bei entspr. Kostensollstellung wg. § 850c ZPO ohnehin kein pfändungsrechtlicher Zugriff der Landeskasse möglich sein.

    Aber das ist eher ein - in gewissen Fällen schon immer "auftretendes" - Problem der allgemeinen PKH-Vorschriften, nicht so sehr jetzt des neuen § 300 InsO.

  • Der Rentner wäre menschlich gut beraten, die 50-75 € Raten nicht zu zahlen, sondern sich bei 1.040 € seines wohlverdienten Lebensabends zu erfreuen, aus der "üppigen" vollen Rente.
    Bei Raten-Nicht-Zahlung wird bei entspr. Kostensollstellung wg. § 850c ZPO ohnehin kein pfändungsrechtlicher Zugriff der Landeskasse möglich sein.

    Aber das ist eher ein - in gewissen Fällen schon immer "auftretendes" - Problem der allgemeinen PKH-Vorschriften, nicht so sehr jetzt des neuen § 300 InsO.

    Du meinst, er soll das geduldig aussitzen? So hab ich das noch nie gesehen, aber eigentlich hast du recht: Was nützt die Ratenfestsetzung, wenn der Rentner nicht zahlt und zu vollstrecken nichts ist? :confused: Merkwürdige Regelung, oder?


  • Ist ja kein Jurist, geht logisch vor und kann rechnen Solche Leutz sind gefährlich.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Der Rentner wäre menschlich gut beraten, die 50-75 € Raten nicht zu zahlen, sondern sich bei 1.040 € seines wohlverdienten Lebensabends zu erfreuen, aus der "üppigen" vollen Rente.
    Bei Raten-Nicht-Zahlung wird bei entspr. Kostensollstellung wg. § 850c ZPO ohnehin kein pfändungsrechtlicher Zugriff der Landeskasse möglich sein.

    Aber das ist eher ein - in gewissen Fällen schon immer "auftretendes" - Problem der allgemeinen PKH-Vorschriften, nicht so sehr jetzt des neuen § 300 InsO.

    Du meinst, er soll das geduldig aussitzen? So hab ich das noch nie gesehen, aber eigentlich hast du recht: Was nützt die Ratenfestsetzung, wenn der Rentner nicht zahlt und zu vollstrecken nichts ist? :confused: Merkwürdige Regelung, oder?


    Jepp !

    Die schicken einmal einen Vollziehungsbeamten vorbei,
    "ach, guten Tag, aha so so, Altersrente in unpfändbarer Höhe ..."
    > und die Kosten werden niedergeschlagen.
    Das war's, ist ja auch gut so; eh schon ein Gang des VB zu viel, aber man weiß ja halt vorher nicht, was da bei den Soz.-Niveau-Rentnern noch so alles kissenvernäht an Bargeld aufzuschütteln ist ...

    ;)

  • Da sagst Du was! :respekt

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)


  • Ich habe das wohl im meinem Leichtsinn unterschätzt: Der Artikel, am Freitag in der ZInsO, ist heute schon im G/G zitiert..und gleichzeitig hat der große Meister zwei Absätze, er hatte es vorher in der Printausgabe genau anderster rum, rausgeworfen und neu gefasst.

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    Einmal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (8. Juni 2015 um 09:04)

  • Verwaltungsgericht Giessen vom 24.02.2014, 4 K 2911/13:

    Einmal unabhängig von der gesamten, nett zu lesenden Entscheidung, diese sehr schöne Passage:

    Dies gilt ungeachtet dessen, dass im Bereich der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung in letzter Zeit vermehrt Anglizismen und andere Fremdworte Einzug gefunden haben, denn einer ordentlichen hoheitlichen deutschen Verwaltung ist auch eine deutsche Begrifflichkeit immanent. So gibt es in Hessen derzeit das „HCC— Hessisches Competence Center", „Hessen Mobil", „Hessisches Immobilienmanagement" und auch bundesweit den Begriff „Agentur für Arbeit", was aber noch nicht belegt, dass hiermit auch tatsächliche deutsche Verwaltungsbehörden gemeint sind; denn diese Bezeichnungen können auch unschwer mit aussagekräftigen, althergebrachten und einprägsamen Wörtern der deutschen Sprache belegt werden, etwa mit „Hessische Buchungsstelle", „Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen", „Hessische Liegenschaftsverwaltung" oder schlicht „Arbeitsamt", wie es früher auch üblich und – besser- verständlich war.

    Einer alten Verwaltungsstruktur einen Fremdnamen zu geben modernisiert weder die Verwaltung noch gibt es andere Notwendigkeiten zur Verwendung fremdsprachlicher Begrifflichkeiten. Auch in der Gerichtsbarkeit findet vermehrt der Ausdruck „E-justice" Verwendung, was ebenfalls auf ein fehlendes oder aber zumindest fehlerhaftes deutsches Sprachbewusstsein schließen lässt, denn justice bezeichnet gerade den altbewährten Begriff Gerichtsbarkeit. Dankenswerter Weise darf das Gericht noch als Verwaltungsgericht entscheiden und muss sich —noch- nicht „administrative court" nennen und auch der HessVGH muss noch nicht als „hessian administrative court of appeal" Recht sprechen. Aus Sicht des Gerichts haben derartige Anglizismen oder andere Fremdworte weder in der deutschen Gerichtsbarkeit noch im deutschen Behördenaufbau einen Platz. Bei weiterem Fortschreiten derartiger sprachlicher Auswüchse erscheint infolge der verursachten Verwirrung die Funktionsfähigkeit des Verwaltungshandelns insgesamt gefährdet (vgl Die Heilige Schrift, 1. Mose 11, Verse 1, 7-9).

    Auch die Bezeichnung des Beklagten hätte man besser bei der alten Begrifflichkeit „Sozialamt" belassen und statt der neu- deutschen Bezeichnung „Kunden" trifft der Begriff „Antragsteller" den Kern der Sache besser, denn im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Kunde König, was im Aufgabenbereich des Beklagten wohl nur seltenst der Fall ist. Ungeachtet dieser Zweifel ist aber der Beklagte zur Überzeugung des Gerichts richtiger Beklagter und materiell passivlegitimiert, denn er geriert sich zumindest als Behörde bzw. Bundeseinrichtung mit der Folge, dass ihn auch der Anspruch aus dem IFG trifft

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Verwaltungsgericht Giessen vom 24.02.2014, 4 K 2911/13:

    (...)
    Aus Sicht des Gerichts haben derartige Anglizismen oder andere Fremdworte weder in der deutschen Gerichtsbarkeit noch im deutschen Behördenaufbau einen Platz. Bei weiterem Fortschreiten derartiger sprachlicher Auswüchse erscheint infolge der verursachten Verwirrung die Funktionsfähigkeit des Verwaltungshandelns insgesamt gefährdet (vgl Die Heilige Schrift, 1. Mose 11, Verse 1, 7-9).

    Sehr schöne Entscheidung, zum Frustabbau und zur Zerstreuung...

    Das Zitat aus der Genesis lautet übrigens: "Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! So zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder."

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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