Urteilsanmerkungen/Kommentare

  • BGH, Urteil vom 7. April 2011 - IX ZR 118/10

    Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen ist als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle anfechtbar (Bestätigung von BGHZ 183, 86; ständige Rechtsprechung).



    Da hat der BGH mal wieder ein LG abgebügelt, weil die Rechtsgeschichte schreiben wollten, und dies auf vier Seiten.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1.

    Die Auskunftspflicht des Schuldners nach § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO, auf die sich das Verwendungsverbot des Satzes 3 ausschließlich bezieht, umfasst nicht die Pflicht zur Vorlage von Unterlagen; diese trifft den Insolvenzschuldner vielmehr nur im Rahmen der allgemeinen Mitwirkungspflicht nach § 97 Abs. 2 InsO. Auf diese Mitwirkungspflicht aber erstreckt sich das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO nach Entstehungsgeschichte, Wortlaut, systematischer Stellung und Schutzzweck der Vorschrift nicht.




    2.

    Kein Verwertungsverbot gem. § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO für Informationen, die der Gemeinschuldner dem Gutachter im Insolvenzverfahren gegeben hat.

    OLG Jena, Beschl. v. 12. 8. 2010 - 1 Ss 45/10

  • Die Veräußererkündigung wegen Rationalisierungen aufgrund eines Sanierungskonzepts der Erwerberin ist nach § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam; hierfür spricht, dass der Schutzzweck des § 613a BGB darin liegt, die Erwerberin daran zu hindern, bei der Übernahme der Belegschaft eine Auslese zu treffen und sich insbesondere von den besonders schutzbedürftigen älteren, schwerbehinderten, unkündbaren oder sonst sozial schwächeren Arbeitnehmern zu trennen.

    Macht der Arbeitnehmer im Rahmen einer insolvenzbedingten Kündigung aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste die grobe Fehlerhaftigkeit der Soziauswahl geltend (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO), haben sich seine Darlegungen nicht nur auf die Wertung der Sozialdaten, sondern auch auf die Festlegung des Auswahlkreises und damit auf die zu vergleichenden Arbeitnehmer zu beziehen.

    Grobe Fehlerhaftigkeit bedeutet, dass ganz tragende Gesichtspunkte nicht in die Bewertung einbezogen worden sind und die Bewertung damit evident unzulänglich ist und jede Ausgewogenheit vermissen lässt und deshalb schon gesetzwidrig ist; an einer hinreichenden Ausgewogenheit fehlt es, wenn eine nachvollziehbare Differenzierung nicht vorgenommen wird (wie etwa Nichtbeachtung eines Auswahlkriteriums, willkürliche Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises oder unsystematische Altersgruppenbildung).

    Eine Differenzierung zwischen angelernten Arbeitnehmern und Facharbeitern, die aufgrund ihrer fundierten Ausbildung regelmäßig gründlichere und vielseitigere Kenntnisse besitzen und damit auch vielseitiger einsetzbar sind, ist nicht als grob fehlerhaft i.S.d. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO anzusehen; gerade bei einem betriebsbedingt erforderlichen Personalabbau verdichten sich naturgemäß die Arbeitsanforderungen der übrigen Arbeitnehmer, sodass die ausgebildeten Arbeitnehmer, die ansonsten vornehmlich mit den qualifizierten Arbeiten betraut sind, auch die einfacheren Arbeiten mit übernehmen müssen und auf diese Weise "Leerlaufzeiten" vermieden werden.

    LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23. 11. 2010 - 5 Sa 247/10

  • Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners führt gemäß § 240 ZPO zur Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens. Dies gilt auch, wenn eine rechtskräftige Kostengrundentscheidung zu Gunsten des Schuldners vorliegt und lediglich über die Höhe der zur erstattenden Kosten zu entscheiden ist. In diesem Fall kommt das Kostenfestsetzungsverfahren einem "Aktivprozess" des Schuldners gleich. Der Insolvenzverwalter muss insoweit ebenfalls die Möglichkeit haben, sich zunächst einen Überblick über das Verfahren zu schaffen und dessen Aufnahme zu prüfen.

    LG Detmold, Beschl. v. 31. 1. 2011 - 3 T 30/11

  • Eine aus einem beratenden Betriebswirt und einem Dipl.-Ökonom bestehende Partnerschaftsgesellschaft, die Insolvenzverwaltung betreibt, erzielt auch dann Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wenn sie fachlich vorgebildete Mitarbeiter einsetzt, sofern ihre Gesellschafter als Insolvenzverwalter selbst leitend und eigenverantwortlich tätig bleiben.

    BFH, Urt. v. 26. 1. 2011 - VIII R 3/10

  • Auch ein Urlaubsanspruch, der wegen langandauernder Erkrankung im laufenden Urlaubsjahr und im darauf folgenden Übertragungszeitraum nicht genommen werden kann und deshalb (entsprechend der neuen Rechtsprechung) nicht verfällt, muss, sobald der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig ist und der Urlaubsanspruch deshalb erfüllt werden kann, in dem dann laufenden Urlaubsjahr oder bis zum darauf folgenden Übertragungszeitraum genommen und gewährt werden; anderenfalls liegt mit der Nichtberücksichtigung der gesetzlichen oder tariflichen Verfallregelungen ein Verstoß gegen das (im deutschen Urlaubsrecht und im Gemeinschaftsrecht geltende) Verbot der Hortung von Urlaubsansprüchen vor.

    Soweit sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch umwandelt, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn die Arbeitgeberin den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt, liegt Verzug nach § 286 Abs. 1 BGB nicht vor, wenn der Arbeitnehmer weder im Urlaubsjahr (2008) noch bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums (30.4.2009) den Anspruch auf Erteilung des Urlaubs in verzugsbegründender Weise geltend gemacht (angemahnt) hat.

    LAG Köln, Urt. v. 5. 11. 2010 - 4 Sa 744/10

  • BGH, Beschluss vom 7. April 2011 - IX ZB 40/10



    Sieht der Treuhänder im Fall eines abhängig beschäftigten Schuldners von der gesetzlich gebotenen Offenlegung der Abtretungsanzeige gegenüber dessen Arbeitgeber ab, hat er die vom Schuldner abzuführenden Beträge eigenverantwortlich zu berechnen und monatlich einzuziehen.

    BGH, Beschluss vom 7. April 2011 - IX ZB 40/10



    Hält die Treuhänder vielleicht endlich mal ab, die Abtretungserklärung nicht anzuzeigen.

  • BGH, Urteil vom 7. April 2011 - IX ZR 118/10



    Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen ist als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle anfechtbar (Bestätigung von BGHZ 183, 86; ständige Rechtsprechung).



    Da hat der BGH mal wieder ein LG abgebügelt, weil die Rechtsgeschichte schreiben wollten, und dies auf vier Seiten.




    Der BGH hat sich jetzt auf das LG Düsseldorf in § 28e SGB IV-Sachen richtig eingeschossen: IX ZR 137/10

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)


  • Das Verbot, für Tabakerzeugnisse in der Presse zu werben, gilt auch für Anzeigen, in denen sich ein Zigarettenhersteller unter Bezugnahme auf seine Produkte als verantwortungsbewusstes Unternehmen darstellt, ohne direkt für den Absatz seiner Produkte zu werben.

    BGH, Urteil vom 18. November 2010 - I ZR 137/09

    MaW und frei nach Dieter Nuhr: einfach mal die Fresse halten.....

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Urteil vom 4. November 2010 - I ZR 139/09



    Das in § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VTabakG enthaltene Verbot, in der Werbung für Tabakerzeugnisse Angaben zu verwenden, die darauf hindeuten, dass die Ta-bakerzeugnisse natürlich oder naturrein seien, setzt nicht voraus, dass die Angaben für den angesprochenen Verkehr eine konkrete Irreführungsgefahr begründen. Es handelt sich vielmehr um ein abstraktes Verbot, das den Werbenden nicht an einer sachlichen Information über die einzelnen Eigenschaften seines Produkts und der zu seiner Herstellung verwendeten Ausgangsstoffe hindert.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Scheinbewerbungen, vorzugsweise bei Unternehmen, die gar keine Arbeitskräfte suchen und die lediglich der formalen Befriedigung der Sozialbehörde und dem weiteren Bezug von Sozialleistungen dienen, sind keine ernsthaften Bemühungen um eine angemessene Erwerbstätigkeit.

    AG Gera, Beschl. v. 9. 3. 2011 - 8 IK 564/10

    Hatte gehört, dass hiergegen(natürlich!) sof.Beschwerde eingelegt wurde und die sache an das LG ging. Weiß jemand was Neueres ?

  • vom LG ist mir nichts bekannt.

    Bekannt ist aber Richter D. für seine sehr plakative Ausdrucksweise und den Zimmerschmuck, der sich, wenigstens wohl früher, in seinem Dienstzimmer befunden hat.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht bleibt auch dann erhalten, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt.

    BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 - IX ZR 222/08 -



    soviel zum fresh start.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Scheinbewerbungen, vorzugsweise bei Unternehmen, die gar keine Arbeitskräfte suchen und die lediglich der formalen Befriedigung der Sozialbehörde und dem weiteren Bezug von Sozialleistungen dienen, sind keine ernsthaften Bemühungen um eine angemessene Erwerbstätigkeit.

    AG Gera, Beschl. v. 9. 3. 2011 - 8 IK 564/10

    Hatte gehört, dass hiergegen(natürlich!) sof.Beschwerde eingelegt wurde und die sache an das LG ging. Weiß jemand was Neueres ?



    Bekam gerade die Auskunft aus Gera, dass die Beschwerde vom LG zuzrückgewiesen worden ist und der Beschluss des AG rechtskräftig geworden ist.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!