Freigabe von Grundbesitz aus der Masse

  • Hi,
    der Vw hat ein belastetes Grundstück aus der Masse freigegeben. Nun wurden die Grundpfandrechte auf dem Grundstück gelöscht und das Grundstück ist lastenfrei. Kann das Grundstück nunmehr wieder zur Masse gezogen werden???

    Im Komentar steht nur, dass freigegeben Gegenstände nicht wieder zur Masse gezogen werden können.

    Kann man eventuell damit argumentieren, dass dies ein lastenfreier Neuerwerb durch den Schuldner ist???

    Wäre für Hilfe dankbar.
    :gruebel: :gruebel: :gruebel:

  • Freigegeben ist weg, die Massezugehörigkeit endet und der Schuldner erlangt die Verwaltungs- und Verfügungbefugnis wieder. Wieder zur Masse ziehen ist nicht, dafür fällt mir keine Begründung ein.

    Da die Freigabe aber einer Erklärung gegenüber dem Schuldner bedarf und es sich um eine WE handelt (ist nicht nur reine prozessuale Erklärung) stellt sich die Frage nach Anfechtung dieser. Das wäre aber Sache vom IV / TH.

    Ansonsten stellt sich die Frage nach einem Schaden für die Masse, irgendwas ist ja wohl schief gelaufen, bei der wirtschaftlichen Bewertung. Soltle hierbei Täuschung im Spiel sein, siehe oben. Sollte der IV / TH schlampig gearbeitet haben, dann ist das ein Fall für den Sonderverwalter § 92 InsO.

    Noch mal, ich sehe keine Möglichkeit, das Grundstück auf einfachen insolvenzrechtlichen Wege wieder zur Masse zu ziehen.

  • Die Freigabeerklärung ist aus Gründen der Rechtssicherheit unwiderruflich und bedingungsfeindlich.
    Allerdings soll eine Anfechtung der Erklärung nach §§ 119 ff. BGB grundsätzlich möglich sein (HambK, § 35 Rn. 77).

  • Bei der Testamentsvollstreckung ergibt sich die gleiche Problemlage, wenn der TV einen Nachlassgegenstand irrtümlich nach § 2217 BGB freigibt und die TV daher an dem betreffenden Nachlassgegenstand materiell erlischt. In diesem Fall ist anerkannt, dass der TV vom Erben nach § 812 BGB die Wiederherstellung seines Verwaltungsrechts verlangen kann, wenn er irrtümlich angenommen hat, dass er den freigegebenen Nachlassgegenstand nicht mehr zur Erfüllung seiner Aufgaben benötige (BGHZ 24, 106, 110 = NJW 1957, 1026; AG Starnberg FamRZ 1999, 743; MünchKomm/Zimmermann § 2217 RdNr.9 m.w.N.).

    Ob diese Grundsätze auf die (irrtümliche) Freigabe durch den Insolvenzverwalter entsprechend anzuwenden sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Falls nein, bliebe nur noch die Anfechtung der Erklärung. Für beide Fälle müsste sich aber Näheres aus der einschlägigen insolvenzrechtlichen Literatur ergeben.

  • Zitat von Harry

    Freigegeben ist weg, die Massezugehörigkeit endet und der Schuldner erlangt die Verwaltungs- und Verfügungbefugnis wieder. Wieder zur Masse ziehen ist nicht, dafür fällt mir keine Begründung ein.



    :zustimm:

  • Wow, Beifall für Juris, den Bezug zu TV hätte ich auf die schnelle nicht hergestellt. Ist aber eine durchaus vergleichbare und anwendbare Konstellation.

    :laola

  • Also in die insolvenzrechtliche Literatur scheint der TV-Vergleich noch nicht vorgedrungen zu sein:

    Zunächst mal ist zu unterscheiden zwischen der echten und der unechten Freigabe. Letztere ist - verkürzt gesagt - ein deal mit dem Schuldner, wonach als "Gegenleistung" für die Freigabe etwas in die Masse kommt (das kann ein Erlös(anteil) im Fall des Verkaufs sein oder die (ggf. bedingte) Pflicht zur Rückübertragung in die Masse sein).

    Eine echte Freigabe ist unwiderruflich (MüKo-Lwowski, § 35 InsO Rz. 100 m.w.N.). Die Anfechtbarkeit ist strittig. Jedenfalls ist der Irrtum über die Werthaltigkeit unbeachtlich (a.a.O.). Teilweise wird die Anfechtbarkeit nach § 119 BGB ganz verneint (Kübler/Prütting/Holzer, InsO, § 35 Rz. 28 m.w.N.; a.A.: MüKo-Lwowski a.a.O.). Bejaht wird sie allerdings durchwegs nach § 123 BGB.

    Zur "Rückgängigmachung" der Freigabe schreibt Lwowski (a.a.O. Rz. 101 m.w.N.) explizit, dass dies nur bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung mit dem Schuldner - also bei unechter Freigabe - möglich sei, allerdings die Gefahr berge, dass die Freigabe als "echte" eben nicht anerkannt werde (insbesondere von Bedeutung bei Störerhaftung für Altlasten-Grundstück).

    Nur vorsorglich: Ein freigegebener Gegenstand stellt keinen Neuerwerb i.S.v. 35 InsO dar (vgl. z.B. Lwowski a.a.O. Rz. 115 m.w.N.).

  • Hier haben wir ein schönes Beispiel dafür, dass die zivilrechtliche und die insolvenzrechtliche Literatur ein gleichgelagertes Problem unterschiedlich löst, obwohl hierfür keine plausiblen Gründe ersichtlich sind.

    Wenn der TV nach § 2217 BGB freigibt, weil er irrtümlich glaubt, den betreffenden Nachlassgegenstand für seine Verwaltung nicht mehr zu benötigen, dann ist klar, dass die materiellrechtlichen Freigabevoraussetzungen des § 2217 BGB nicht vorgelegen haben. Gleichwohl ist die Freigabe zunächst wirksam, kann aber unter den genannten Voraussetzungen wieder "rückgängig" gemacht werden. Auf welchem Wege diese Rückgängigmachung erfolgt, hängt davon ab, wie man die Freigabe des TV rechtlich einordnet. Betrachtet man sie als gemischten Realakt, ist der Kondiktionsanspruch des TV auch ohne Anfechtung gegeben, während der Weg zur Kondiktion bei der zutreffenden Qualifikation der Freigabe als einseitige rechtsgeschäftliche Verzichtserklärung des TV erst durch die Anfechtung nach § 119 BGB eröffnet wird, die aber natürlich incidenter im "Rückgabeverlangen" enthalten ist (Bengel/Reimann/Klumpp, Handbuch der TV, 3. Aufl., Kap. 6 RdNrn.189-191; Staudinger/Reimann § 2217 RdNr.20). Welcher Auffassung man folgt, ist im Ergebnis bedeutungslos, weil die "Rückgängigmachung" der Freigabe in beiden Fällen erst in Erfüllung des Kondiktionsanspruchs und damit lediglich mit ex-nunc-Wirkung eintreten kann.

    Es stellt sich nunmehr die Frage, ob die Rechtslage bei der TV auf die geschilderte insolvenzrechtliche Problematik übertragen werden kann. Hierfür spricht m.E. einiges: Sowohl bei der TV als auch bei der Insolvenz ist dem Betroffenen die Verfügungsbefugnis entzogen. Sowohl bei der TV als auch bei der Insolvenz führt die Freigabe dazu, dass der Betroffene die Verfügungsbefugnis wieder erlangt. Sowohl bei der TV als auch bei der Insolvenz stellt die Freigabe eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Betroffenen dar. Der einzige Unterschied besteht somit darin, dass der TV seine Rechtsstellung vom Erblasser und der Insolvenzverwalter sein Amt von der Bestellung durch das Insolvenzgericht ableitet. Ob es dieser verfügungsrechtlich irrelevante Unterschied rechtfertigt, beide Fallgestaltungen im Hinblick auf die "Rückgängigmachung" einer Freigabe unterschiedlich zu behandeln, wage ich zu bezweifeln.

    Ohne dass ich die zitierte insolvenzrechtliche Literatur nachgelesen habe, erscheint mir keineswegs plausibel, weshalb die Freigabe des Insolvenzverwalters nach § 123 BGB, aber nicht nach § 119 BGB anfechtbar sein soll. Eine Erklärung ist entweder grundsätzlich anfechtbar oder nicht. Ist sie aber anfechtbar, muss sie nach allen in Betracht kommenden Tatbeständen anfechtbar sein, sofern das Gesetz die Anfechtbarkeit nicht explizit ausschließt. Bejaht man die Anfechtbarkeit nach § 119 BGB, so ist die Problematik der Rückführung zur Insolvenzmasse und in die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters (wie bei der TV) im Wege der Kondiktion und mit ex-nunc-Wirkung zu lösen (vgl. oben).

    Es dürfte an der Zeit sein, dass die Kommentatoren des Insolvenzrechts ihre bisherigen Auffassungen nochmals grundlegend überdenken.

  • Ich befinde mich momentan wieder in der kommentarlosen Welt, aber wenn ich mich recht erinnere, tauchen in der Insolvenzliteratur diverse Bezugnahmen auf RG-Urteile auf. Wenn seitdem keiner mehr ernsthaft über die Frage nachgedacht hat und die Insolvenzrechtler die Entwicklung beim TV verschlafen haben, würde das die unterschiedlichen Ansichten erklären.

    Ich stimme juris zu, dass eine Gleichbehandlung der beiden Fälle dogmatisch näher liegt als das Gegenteil. Die Frage ist dann allerdings, ob der aktuelle Meinungsstand beim TV wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Aus insolvenzrechtlicher Sicht fallen mir auf Anhieb mal zwei bedenkenswerte Aspekte ein (wenn auch keine wirklich dogmatischen), die beide mit Rechtssicherheit zu tun haben:

    1. Bei einem Irrtum des Verwalters über die Werthaltigkeit eines freigegebenen Gegenstands erscheint mir eine Verwalterhaftung naheliegender als die Anerkennung eines solchen Irrtums als Anfechtungsgrund.

    2. Es kann nicht sein (ich weiss schon: das ist die Einleitung eines
    unjuristischen Arguments), dass der Verwalter freigeben und zurückholen kann, wie er gerade lustig ist. Der Verfahrenszweck - bestmögliche Gläubigerbefriedigung - rechtfertigt es m.E. nicht, zu Lasten des Schuldners und des Rechtsverkehrs ein cherry-picking für die Gläubiger zu veranstalten.

    Im Ergebnis halte ich folgendes für richtig (jetzt wieder dogmatisch): Wenn die Freigabe eine Willenserklärung ist (und das ist sie zweifellos), dann sollten auch einheitlich die Möglichkeiten eröffnet sein, die auch sonst zur Beseitigung einer Willenserklärung bestehen, d.h. insbesondere Anfechtung sowohl nach § 119 als auch nach § 123 BGB. Die Freigabe-WE darüber hinaus aber besonders zu behandeln und letztlich den Verwalter in seinem Haftungsrisiko zu privilegieren, erscheint mir nicht angezeigt.

  • Ich bin wirklich zuerst nicht auf den engen Zusammenhang TV / IV gekommen, daher mein Danke Schön an Juris. In den Kommentaren die ich schnell durchgeschaut habe war diese Nähe nicht dargestellt, sie leigt aber eigentlich auf der Hand.
    Jüngere Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit der Freigabe habe ich nicht gefunden, eine Entscheidung aus KO Zeiten von 1957. Sollte damit der Ausschluss der Anfechtung wegen Irrtums als gefestigt angesehen werden? Ich weiss nicht. Vielleicht tut sich im Ausgangsfall ja noch was.

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