Fristbeginn der Anfechtung bei Rechtsirrtum

  • Schon wieder ich mit einer Anfängerfrage.....habe schon im Forum geguckt, aber nicht wirklich was zu diesem Fall gefunden, obwohl es ja viel zu Ausschlagung etc. gibt. Falls es was geben sollte, bin ich auch mit einem Hinweis darauf glücklich.

    Heute war die Schwester eines Erblassers bei mir und wollte mir erklären, dass sie keine Erbin werden möchte. Kenntnis vom Anfall des Erbschaft an sie, hat sie seit dem 24.01.2009 bzw. seit dem 30.01.2009. Am 24.01.2009 hat sie das Schreiben vom Nachlassgericht erhalten, in dem auch beschrieben wurde, wie eine Ausschlagung läuft etc. Leider hat sie dieses erst am 30.01.2009 aufgemacht, dann den Inhalt nicht verstanden...und sich erst in der letzten Woche an einen Bekannten gewandt, der ihr den Inhalt erklärt hat. Mit dem war sie heute hier. Nach meinem "empfinden" hat sie das Schreiben wirklich nicht verstanden. :( (Eine Betreuungsverfahren läuft aber nicht.)

    Die Ausschlagungsfrist ist nun abgelaufen. Würde also nur noch die Anfechtung der Annahme aufgrund Rechtsirrtums bleiben. Kommt es denn bei der Kenntnisserlangung der Ausschlagungsmöglichkeit auf die wirkliche Kenntnisnahme an, oder hätte sie sich eher darum kümmern müssen, dass sie den Inhalt des Schreibens versteht, so dass auch die Anfechtungsfrist am 24.01.2009 begonnen ist zu laufen?

    Ich habe nun sicherheitshalber die Ausschlagung hilfsweise die Anfechtung aufgenommen und den Sachverhalt erläutert.

    Ein Erbschein wurde bisher nicht beantragt. Es läuft jedoch eine Nachlasspflegschaft. Diese wäre nun ggf. aufzuheben, bzw. die Schwester wäre ggf. als in Betracht kommende Erbin bei Genehmigungen zu hören.

  • Ich hätte ihr die Ausschlagung wohl nicht aufgenommen. Spätester Fristbeginn ist der 30.01., hätte tätig werden können, zb beim nachlassgericht anrufen. Fristende wäre also letzten Freitag gewesen. Seit letzer Woche wußte sie durch ihren Bekannten dass sie tätig werden muss und dass eine Frist am Laufen ist und diese Frist bald endet, hätte wieder tätig werden können, zB einen Termin vereinbaren. All das hat sie nicht getan. Der Vortrag etwas nicht verstanden zu haben schein mir eher eine Schutzbehauptung, tats. hat es sie eher nicht interessiert, und damit zumindest billigend den Fristablauf spätestens seit letzter Woche in Kauf genommen. Ich hätte gesagt, pech gehabt, evtl. Nachlassinsolvenz.

  • Es kommt auf die subjektive Kenntnisnahme an. Im Palandt zu § 1944 BGB steht u.a., dass der ERbe so Kenntnis haben muss, um in der Lage zu sein, in die Überlegung zu Annahme o. Ausschlagung einzutreten und dass es auf den Zugang eines Kenntnis vermittelnden Schr. nicht zwingend ankommt.

    Demnach hast du alles richtig gemacht. Ich hätte vorsichtshalber auch die Anfechtung mit aufgenommen.

    M.E. ist die Ausschl. wirksam.

    Für den Optimisten ist das Leben kein Problem, sondern bereits die Lösung.
    Marcel Pagnol

  • Ich nehme ja sonst immer die Anfechtung mit jeder noch so haarsträubenden Begründung auf. Aber in dem Fall hätte ich es wohl nicht gemacht. Sie hat das Schreiben definitiv bekommen. Und wenn irgendwo was mit einer Frist von 6 Wochen steht hätte sie tätig werden müssen, z. B. Anruf bei Nachlassgericht. Genaueres hätte man ihr ja dann am Telefon erklären können.

    M.E. kein Anfechtungsgrund -> Ausschlagung unwirksam

  • auf den Zugang eines Kenntnis vermittelnden Schr. nicht zwingend ankommt.



    Das mag ja sein, aber bewußt habe ich den Fristbeginn nicht auf den Zugang des Schreibens sondern auf das Aufmachen und Lesen gesetzt.

    Wenn Palandt an anderer Stelle von Kindern soviel Eigendenkleistung erwarten lässt, dass auch ohne Zugang einer Mitteilung des Nachlassgerichts bei gesetzlicher Erbfolge die Ausschlagungsfrist beginnen kann, dann kann die Schwester die vom Amt benarchrichtigt wurde doch wohl nicht als dümmer betrachtet werden.

    花より団子

    Einmal editiert, zuletzt von Tyrael (18. März 2009 um 11:49)

  • Oh man...ich schätz das werd ich mir nochmal gut durch den Kopf gehen lassen müssen. :gruebel: Auf den Zugang alleine kann es wohl nicht ankommen. Es ist jeodoch schon ein Unding, wenn jemand ein Schreiben vom Gericht bekommt, in dem eine Frist beschrieben ist und derjenige dieses Schreiben dann nicht oder nur halbherzig liest. Als erwachsener Mensch sollte man schon etwas verantwortungsbewusster sein. In einem anderen Fall, hat hier mal jmd. die Erbschaft nur schriftlich ausgeschlagen, obwohl er von uns auf die Form hingewiesen wurde. In dem Fall habe ich seine "Ausrede", er habe das Schreiben nicht richtig gelesen, nicht gelten lassen. Aber ich glaube die Frau von der letzten Woche, war mit der ganzen Sache wirklich überfordert und hat Kenntnis wirklich erst vor ein paar Wochen erlangt. Aber ich schätze einen Unterschied kann ich da nicht machen, da sie ja auch jede Möglichkeit hatte sich anderweitg zu helfen.

    Das Beispiel mit den Minderjährigen trifft aber nach Meinung nicht ganz zu, da es dort ja auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ankommt.

    Und ich schätze eine Ausschlagung würde ich immer aufnehmen. Außer ich bin mir wirklich sicher, dass die Frist abgelaufen ist und der Ausschlagende sich "abwimmeln" lässt. Ich weise ja ausdrücklich daraufhin, dass ich die Wirksamkeit der Erklärung nicht überprüfe. Bei solchen Fällen wie in der letzten Woche auch noch ausdrücklicher. ;)

  • An der erforderlichen positiven Kenntnis iSd § 1944 Abs. 2 S. 1 BGB fehlt es, wenn dem Erben die Nachricht zwar zugegangen ist, er diese aber nicht gelesen hat (BayObLGZ 1968, 68; MüKo-Leipold § 1944 Rn. 8).



    Wozu sollte man auch gerichtliche Schreiben durchlesen... vom Begreifen mal ganz abgesehen...

    "Ich habe Ihr Schreiben zwar bekommen, aber nicht durchgelesen."

    :indiefres

    Die perfekte Ausrede... dann bräuchte das Nachlassgericht mangels Beginns der Ausschlagungsfrist infolge Unkenntnis des Erbanfalls ja nicht einmal eine Anfechtung aufzunehmen... :gruebel:

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Möchte mich mit einem ähnlichen Fall dranhängen:

    Der (geschäftsfähige) Erbe hat das vollständige Schreiben des Nachlassgerichts einschließlich aller Belehrungen bekommen und es innerhalb der Ausschlagungsfrist einfach zurückgeschickt, ohne irgendwelche Angaben darauf zu machen. Nach Ablauf der 6-Wochen-Frist kommt er nun und möchte die Annahme anfechten. Begründung: Er habe gemeint, mit der Rücksendung der Benachrichtigung hätte er wirksam ausgeschlagen.

    Ich tendiere dazu, die Anfechtung abzulehnen bzw. keinen Irrtum anzuerkennen, weil der Erbe ja hätte Bescheid wissen müssen, wenn er das Schreiben vernünftig durchgelesen hätte. Was meint ihr?

    Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas (Ovid, röm. Dichter, 43 v.Chr. - 17 n.Chr.)

  • Sehe ich auch so.
    In unseren Schreiben (Judica/TSJ) wird wirklich alles kleinstgenau erklärt. Also wo, wie und was man machen kann. Wenn man sich daran nicht hält - Pech. Wenn er wirklich was nicht verstanden hat, dann hätte man anrufen können.

  • Was heißt hier Anfechtung ablehnen? Die Anfechtung ist zu beurkunden und über die Wirksamkeit wird (jetzt) gar nicht entschieden. Alles andere führt zur Amtshaftung.

    sehe ich genauso und habe ich auch so gemacht. Ich habe in der Beurkundung darauf hingewiesen, dass auf die Beurkundung bestanden wird, Zweifel bezüglich der Wirksamkeit seitens des Nachlassgerichts vorliegen, die Wirksamkeit aber erst in einem ES-Verfahren überprüft wird.

  • Besten Dank für die Beiträge. Das mit der Amtshaftung leuchtet ein. Aber ist es wirklich sinnvoll, wenn ich die Anfechtung der Ausschlagung mit einem Hinweis auf evtl. Unwirksamkeit beurkunde und hinterher den Betroffenen dann doch als Erben in den Erbschein schreibe?

    Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas (Ovid, röm. Dichter, 43 v.Chr. - 17 n.Chr.)

  • Ich weise auf bestehende Zweifel zur Wirksamkeit hin, ebenso auf die Kosten der Ausschlagung, die unabhängig von der Wirksamkeit der Erklärung entstehen und wenn dann trotzdem die Aufnahme der Erklärung gewünscht wird, mache ich das.

    Wenn dann alle möglichen Erben ausgeschlagen/angefochten haben und Gläubiger nach den Erben fragen, erhalten Sie die Auskunft, dass alle ausgeschlagen/angefochten haben, (in zweifelhaften Fällen auch mit dem Hinweis, dass die Wirksamkeit dieser Erklärungen bei Entgegennahme grundsätzlich nicht geprüft wird). Habe noch keinen Fall erlebt, dass ein Gläubiger daraufhin Akteneinsicht beantragt hat, um die Sache zu überprüfen. Somit kann auch die verfristete Erklärung für den Erklärenden noch positive Auswirkungen haben.

    Funktioniert natürlich nur, wenn nicht aufgrund besonderen Regelungsbedarfs (z.B. Grundbesitz) ein Erbe festgestellt/ein Erbschein erteilt werden muss (das würde ich dem Ausschlagenden aber auch erklären).

  • Habe auch einen Fall der dazu passt.

    EL ist am 11.12.15 verstorben. H

    Am 15.01. wurde hier die Auskunftgeberin (hier Mutter) angeschrieben dass zwar keine Erbenermittlungspflicht besteht aber hier dennoch beabsichtigt wird zu ermitteln (Grundbesitz vorhanden).Gleichzeitig wurde ein Fragebogen mitgeschickt bezüglich der verwandtschaftlichen Verhältnisse, welcher am 25.01. ausgefüllt von der Frau wieder zurückkam. Hierbei fiel auf, dass eben nur einer von zwei Fragebögen versandt wurde (der zweite ist der allgemeinere bezüglich ob Testament da ist und ob Erbschein benötigt wird etc.) Das wurde nachgeholt ,der zweite Fragebogen kam dann am 02.02. hier an. Darauf war nicht angegeben ob ein ES benötigt wird.

    Also habe ich die Dame nochmal angeschrieben mit Datum vom 04.02. dass bei Grundbesitz grundsätzlich ein ES benötigt wird zur Berichtigung etc. Daraufhin hat die Frau beschlossen Sie möchte die Erbschaft ausschlagen. Sie begründet das damit dass Sie erst mit dem Schreiben vom 04.02.2016 erfahren dass Sie aktiv handeln muss wenn Sie die Erbschaft nicht annehmen will. Sie wusste vom Anfall und Grund der Berufung zwar schon seit dem Todestag aber hat die Fristversäumnis angefochten weil Sie dachte Sie wird erst Erbin wenn wir vom Nachlassgericht handeln.

    Die Ausschlagung mitsamt Anfechtung wurde am 02.03.2016 vorgenommen. Die Erbschaft ist nicht überschuldet Sie will diese aus persönlichen Gründen nicht annehmen.
    Nunmehr haben die Söhne und Brüder des EL einen Erbscheinsantrag zu je 1/2 gestellt, da die Mutter des EL ja ausgeschlagen hat.

    Jetzt weiß ich auch nicht Recht. Kenntnis eigentlich am Todestag also 11.12.
    Anfechtung aufgrund Unkenntnis eines aktiven Handelns ok, aber eigentlich spätestens ab 15.01 positive Kenntnis, dass Handlungsbedarf besteht da in diesem Schreiben ausdrücklich steht"[...]" darf ich Sie bitten die beiliegenden allgemeinen Hinweise in Nachlasssachen insbesondere auch zur Annahme und Ausschlagung der Erbschaft zur Kenntnis zu nehmen. [...]"

    Damit hätte Sie ab da 6 Wochen Zeit gehabt die Annahme der Erbschaft aufgrund Fristversäumung anzufechten aber das wäre dann verfristet mit dem 02.03.

    Wie seht ihr das?

    Und wie handhabt man die Prüfung praktisch? Höre ich die Ausschlagende hierzu nochmal an? Wieweit muss ich meine Prüfungen aktenkundig machen wenn ich jetzt z.b. der Meinung wäre die Ausschlagung bzw. Anfechtung der Annahme wäre in Ordnung?

    Danke!

  • Ist doch einfach: Wenn Du ihr glaubst, dann kannst Du den Erbschein erteilen, die Ausschlagende wird da natürlich nicht mehr angehört.

    Glaubst Du ihr nicht, dann hast Du ein Problem und musst den Beteiligten den richterlichen Hinweis geben, dass Du von unwirksamer Anfechtung/Ausschlagung ausgehst und Gelegenheit zur Änderung des Erbscheinsantrags geben. Wird nicht geändert, musst Du den Antrag zurückweisen und dagegen gibt's das bekannte Rechtsmittel.

    Ich denke, viele würden es glauben:D

  • Achje das kommt davon wenn man schon im Feierabend- Modus ist.
    Also nein ich meinte die Brüder des Erblassers die Söhne der Frau die Ausgeschlagen haben. Der Vater ist bereits vorverstorben.

    Wenn ich ihr glaube einfach den ES erteilen? Ohne groß was Aktenkundig zu machen? Gut beschweren würde sich in dem Fall dann natürlich keiner

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