Reisekosten für Termin im AG-Bezirk

  • Hallo,
    folgende Frage beschäftigt uns:

    RAin aus X vertritt Mandanten aus X. Das zuständige AG ist in Y, 13 km entfernt von X. Nun beantragt die RAin Reisekosten für die Wahrnehmung der Termine in Y. Darf sie das?

    Hier geht das Argument um, dass Reisekosten für die Terminswahrnehmung im eigenen AG-Bezirk nicht erstattungsfähig sind, weil grundsätzlich die Reisekosten für Reisen zum AG im eigenen AG-Bezirk nicht erstattungsfähig seien.

    Es wurde eine Entscheidung gefunden in Hamburg - dort soll das nicht gehen (es gibt dort 8 AGs). In HH bekommt man nicht mal Reisekosten, wenn man innerhalb Hamburgs in einem anderen Gerichtsbezirk einen Termin wahrnimmt.

    Nun handelt es sich im Fall aber um einen Flächenstaat (Niedersachsen) - vielleicht ist da anders?

    Kann jemand helfen?

    Danke

    PS: Ggf. hat jemand eine Entscheidung?

  • HH ist ein Stadtstaat, so daß man bei Fahrten zu den HH Gerichten die Gemeindegrenze nicht überschreitet. In Niedersachsen ist es bei der Fahrt von X nach Y zulässig, Reisekosten anzusetzen, da eben die Grenzen der eigenen Gemeinde überschritten werden müssen. Nur wenn Partei und Gericht in X sitzen, gibt es auch in Nds. keine Reisekosten.

    Dazu passend:

    LG Berlin, Beschl. v. 06.02.2008 – 82 T 287/07

    AGS 2008, 515 = RVGreport 2008, 268 = juris (KORE 563272008)

    Aus den Gründen:
    [Rn. 10] Der Hinweis der Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss, dem Beklagten seien Fahrtkosten gar nicht entstanden, weil nach Vorbem. 7 II VV RVG eine Geschäftsreise nur dann vorliege, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, ist unzutreffend. Diese Regelung betrifft nur die Auslagen des RA (§ 1 I 1 RVG) und hat ihre Rechtfertigung darin, dass Fahrten innerhalb der Gemeindegrenzen durch die Gebühren des RA abgegolten werden. Eine entsprechende Ausgangslage besteht für Fahrten von Privatpersonen nicht. Im Übrigen enthält die für Parteireisekosten entsprechend geltende Regelung des § 5 I JVEG keine der Vorbem. 7 II VV RVG entsprechende Beschränkung.

  • Das ist genau der Punkt: Laut sämtlichen Kommentaren ist Vorraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten, dass der Rechtsanwalt bei der Fahrt zum Gericht seine Gemeinde verlassen muss.
    (neben der weiteren Vorraussetzungen des § 91 ZPO)

  • Bis 2007 stand noch folgender Satz in § 91 II:Der obsiegenden Partei sind die Mehrkosten nicht zu erstatten, die dadurch entstehen, dass der bei dem Prozessgericht zugelassene RA seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozessgericht oder eine auswärtige Abteilung dieses Gerichts befinden.

    Nach der allgemeingültigen Rechtssprechung des BGH, wonach die Hinzuziehung eines Anwaltes am Sitz der Partei in der Regel notwendig ist und bezüglich der Mehrkosten zur Erstattung führt, wollte man evt. die im Bezirk ansässigen Anwälte nicht weiter benachteiligen und hat diesen Satz fallengelassen. Hängt außerdem noch mit der Neuregelung der Zulassung/Postulationsfähigkeit zusammen.
    Deshalb sind auch die Reisekosten erstattungsfähig, zumindest wenn die Hinzuziehung notwendig war, ob im Bezirk oder außerhalb ist egal. Natürlich muss es eine Dienstreise im Sinne von VV 7005 sein.

  • Nur zur Ergänzung: siehe Vorbem. 7 Abs. 2 RVG
    "Eine Geschäftsreise liegt vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet."

  • Nur zur Ergänzung: siehe Vorbem. 7 Abs. 2 RVG
    "Eine Geschäftsreise liegt vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet."


    Siehe dazu schon die Begründung in # 2.

  • Danke für Eure Antworten. Aber dann ist da noch eine Frage:

    Wenn nun das Amtsgerichts innerhalb des Bezirkes 13 km entfernt wäre, fallen keine Reisekosten an. Im vorliegenden Fall sind es diese 13 km, weil die Kanzlei, platt gesagt, "auf dem Lande" ist und das AG auch nur ein recht kleines ist.
    Könnte der Beklagte, der hier erstatten muss, nicht Einwendungen geltend machen, dass das ja nur an den kleinen Gemeindegrenzen liegt und er dafür "nichts kann".
    Diese Idee wurde hier noch in den Raum geworfen.

    Danke nochmal und schonmal :)

  • Irgend woran muss man die Erstattungskriterien ja fest machen. Nach den genannten Vorschriften ist das die Gemeindegrenze. Größe und Beschaffenheit der Gemeinde sind unbeachtlich. Der Kläger kann ja auch nix dafür, dass die Gemeinden so klein sind. Ist die Gemeindegrenze überschritten - und sei es um 2 km - dann ist es möglich Reisekosten anzusetzen. Paradebeispiele sind zusammengewachsene Städte: F-OF oder auch Langen-Bremerhaven.

  • F-OF

    Vor langen, langen Jahren (in meiner Kostenfestsetzungsfrühzeit) wurden diese Reisekosten allen Ernstes gerne abgesetzt - weil der Übergang ja so fließend sei, dass da von verschiedenen Gemeinden quasi keine Rede sein könne.

    Inzwischen nicht mehr. Vermutlich hat sich mal ein Frankfurter schwerstens drüber aufgeregt, mit den Offenbachern in einen Topf geworfen zu werden... :D

    Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers. (Oscar Wilde)

  • F-OF



    Vor langen, langen Jahren (in meiner Kostenfestsetzungsfrühzeit) wurden diese Reisekosten allen Ernstes gerne abgesetzt - weil der Übergang ja so fließend sei, dass da von verschiedenen Gemeinden quasi keine Rede sein könne.

    Inzwischen nicht mehr. Vermutlich hat sich mal ein Frankfurter schwerstens drüber aufgeregt, mit den Offenbachern in einen Topf geworfen zu werden... :D


    Der Zwist ist mir auch mal zu Ohren gekommen. Das Argument ist jedoch reif für die Tonne, denn Gemeindegrenzen kann man wohl oder übel nicht wegdiskutieren.
    Und zum Verhältnis Frankfurt-Offenbach sage ich lieber nix, da Ausländer... :D

  • Ob das so verfassungsgemäß ist von wegen Gleichheitssatz und Willkürverbot. Bei ganz niedrigen Streitwerten und mehreren Terminen können die Fahrtkosten und Parkgebühren die Gebühren übersteigen. Dann kann wohl nicht mehr davon gesprochen werden, dass die Kosten mit den Gebühren mit abgegolten sind. Die Anmerkung 7 I VV RVG sagt ja auch nicht, dass die Kosten nicht erstattungsfähig sind. Es wird vielmehr auf das Geschäftsbesorgungs-/Auftragsrecht verwiesen, wonach sie erstattungsfähig wären. Dann kommt Anm. 7 II und Ziffer 7003 VV RVG und stellt eine Sonderregelung auf. Allenfalls im Umkehrschluss daraus kann das Ergebnis nach hM erzielt werden. Allerdings müssten bei diese Vorgehensweise auch die Grundrechte beachtet werden. Oder welcher vernünftige Grund spricht für die Gemeindegrenze? Die gefahrenen Kilometer sind z.B. genauso leicht feststellbar.

  • Das hat bestimmt irgendeine historische Bewandnis. Für die Gemeindegrenze als Kriterium ist m.E. kein nachvollziehbarer Grund (mehr) ersichtlich.

    Ich verweise auf Beispiele wie Berlin und Hamburg (große Stadt, mehrere AG's, trotzdem reisetechnisch unerheblich) bzw. Köln und München (große Stadt, ein AG, aber auch unerheblich).

  • LG Berlin, Beschl. v. 06.02.2008 – 82 T 287/07

    AGS 2008, 515 = RVGreport 2008, 268 = juris (KORE 563272008)

    Aus den Gründen:
    [Rn. 10] Der Hinweis der Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss, dem Beklagten seien Fahrtkosten gar nicht entstanden, weil nach Vorbem. 7 II VV RVG eine Geschäftsreise nur dann vorliege, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, ist unzutreffend. Diese Regelung betrifft nur die Auslagen des RA (§ 1 I 1 RVG) und hat ihre Rechtfertigung darin, dass Fahrten innerhalb der Gemeindegrenzen durch die Gebühren des RA abgegolten werden. Eine entsprechende Ausgangslage besteht für Fahrten von Privatpersonen nicht. Im Übrigen enthält die für Parteireisekosten entsprechend geltende Regelung des § 5 I JVEG keine der Vorbem. 7 II VV RVG entsprechende Beschränkung.


    :eek: Verstehe ich das richtig, daß es bei der Abrechnung nach dem JVEG und einer "Reise" gar nicht auf das Überschreiten der politischen Gemeindegrenze geht? Steht dazu in der Kommentierung (Zöller etc.) nicht genau etwas Gegenteiliges? Ich bin verwirrt, weil erst in einem aktuellen Fall dem Mandanten Reisekosten zum Termin hier in Berlin abgesprochen wurden.

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I


  • :eek: Verstehe ich das richtig, daß es bei der Abrechnung nach dem JVEG und einer "Reise" gar nicht auf das Überschreiten der politischen Gemeindegrenze geht? Steht dazu in der Kommentierung (Zöller etc.) nicht genau etwas Gegenteiliges? Ich bin verwirrt, weil erst in einem aktuellen Fall dem Mandanten Reisekosten zum Termin hier in Berlin abgesprochen wurden.



    War, glaube ich zumindest, noch nie anders. Und kloppt endlich mal den Zöller in die Tonne!

  • Und kloppt endlich mal den Zöller in die Tonne!



    Ich schmeiß mich wech - und "ihn" dann auch... :wechlach: :wechlach:

  • Und kloppt endlich mal den Zöller in die Tonne!



    Ich schmeiß mich wech - und "ihn" dann auch... :wechlach: :wechlach:


    Und den Baumbach dann hinterher, oder was? Beide beziehen sich auf die Entscheidungen des OLG Stuttgart (und Zöller noch auf die des OLG Düsseldorf). Scheint zumindest nicht auf dem "Mist" der Kommentatoren gewachsen zu sein.

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    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • In den Baumbach schaue ich nur noch im Zusammenhang mit IZPR, im übrigen KV*.

    Der Zöller in seinen von Stöber kommentierten Teilen ist - gelinde gesagt - auch nicht das Gelbe vom Ei. Das habe ich andernorts schon näher ausgeführt.


    ____
    * kannste vergessen

  • Frage ich mal anders: Gibt es gegenteilige Rechtsprechung, welche die wohl aus hiesiger Sicht falschen Entscheidungen des OLG Düsseldorf und vor allem des OLG Stuttgart (das in seiner Entscheidung für die Partei eine Analogie zu Vorb. 7 II RVG zog) aufgegriffen hat?

    Der Musielak schweigt sich im übrigen zu diesem Thema aus. Also brauch ich den wohl erstmal nicht in die Tonne kloppen.

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    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Für die Gemeindegrenze als Kriterium ist m.E. kein nachvollziehbarer Grund (mehr) ersichtlich.

    Ich habe das gerade mal im Kommentar (Bischof, 2. Aufl.) nachzulesen versucht. Da wird ja erstaunlich locker drüber hinweggeschrieben, sinngemäß nach dem Prinzip "is' halt so", und selbst wenn der RA zu Fuß zum wenige hundert Meter entfernten Gericht in der Nachbargemeinde gehen kann, ist das halt eine Geschäftsreise, aber die wer-weiß-wie-lange Fahrt in der eigenen Gemeinde halt nicht.

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