Widerspruch § 900 (4)

  • Wer nimmt meinen Fuß vom Schlauch?

    Ein Schuldner hat im Termin der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung widersprochen, und zwar mit der Begründung, dass ihm der Titel (Vollstreckungsbescheid) nicht zugestellt worden sei. Unter der angegebenen ANschrift habe niemals er sondern seine Tochter gewohnt.

    Endlich mal ein wirklicher Grund, die Abgabe der eV zu verweigern, aber wie überprüfe ich das? Laut vorliegendem Titel wurde der Vollstreckungsbescheid dem Schuldner am ... zugestellt. Muss ich mir jetzt die Akte des Mahngerichts beiziehen um die Wirksamtkeit der Zustellung zu überprüfen?

    Hat jemand Literatur-Tipps zum Thema Widerspruch, die über die dürftige Kommentierung im Zöller bzw. Baumbach hinausgeht? Das wäre schön!

  • Der Zustellungsvermerk ist eine öffentliche Urkunde gem. §§ 418, 415 ZPO. Somit ist von der Richtigkeit des Inhaltes auszugehen, der Schuldner kann den Gegenbeweis führen. Ohne bestimmten Beweisantrag ist die Mahnakte nicht beizuziehen und es hat eine Entscheidung nach der Beweislast zu ergehen.

  • Dieser Einwand ist hier unbeachtlich, da er sich gegen den Bestand des Titels richtet.

    Richtigerweise hat der Schuldner hier Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) zu erheben, mit der Möglichkeit parallel (oder vorab) einen Antrag nach § 769 ZPO zu stellen und so die e.V. (erstmal) noch abzubiegen.

    Wenn´s besonders eilig ist kann natürlich auch das Zwangsvollstreckungsgericht in Person des Rechtspflegers gem. § 769 Abs. 2 ZPO einstweilen einstellen. Ob der Antrag dahingehend auslegbar ist, muss man im Einzelfall selbst entscheiden.
    Nicht vergessen, die Frist zur Klageerhebung zu setzen.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Die Zustellung ist eine eigene Vollstreckungsvoraussetzung, § 750 I ZPO. Aufgrund fehlender Zustellung darf nicht vollstreckt werden, gleichwohl hat der Titel bestand.

    Falls der Titel noch nicht zugestellt ist, läuft die Rechtsbehelfsfrist noch nicht. Somit muss der Schuldner gegen den Titel Einspruch erheben.

  • Der Titel ist zugestellt, das ist auf dem VB vermerkt. Daran ist das Zwangsvollstreckungsgericht gebunden. Daher liegen die formalen Voraussetzungen gem. § 750 Abs. 1 ZPO vor.

    Egal was der Schuldner hier für Märchen erzählt, warum der rechtskräftige Titel zu unrecht und rechtswidrig erlassen worden sei, der Bestand des Titels wird im Vollstreckungverfahren nicht in Frage gestellt, das ist unbeachtlich. Es findet eine formale Prüfung der Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen statt (s.o.).
    Das Verfahren, das der Schuldner einschlagen muss, wurde von mir bereits benannt (§§ 769, 767 ZPO). Ansonsten einfach mal nen Blick in die Kommentierung werfen.

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    (Heinz Becker)

  • Zitat von Tommy

    Der Titel ist zugestellt, das ist auf dem VB vermerkt. Daran ist das Zwangsvollstreckungsgericht gebunden. Daher liegen die formalen Voraussetzungen gem. § 750 Abs. 1 ZPO vor.


    Ok, da gehe ich konform.

    Zitat von Tommy

    Egal was der Schuldner hier für Märchen erzählt, warum der rechtskräftige Titel zu unrecht und rechtswidrig erlassen worden sei


    Das behauptet der Schuldner aber nicht, sondern vielmehr,

    Zitat von Pia

    dass ihm der Titel (Vollstreckungsbescheid) nicht zugestellt worden sei

    Zitat von Tommy

    Es findet eine formale Prüfung der Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen statt


    Genau, und damit dies möglich ist, gilt die Beweiskraft des Zustellungsvermerkes gem. §§ 418, 415 ZPO.



  • Ob tatsächlich falsch zugestellt wurde oder nicht, ist nicht durch dass Zwangsvollstreckungsgericht und nicht im Verfahren nach § 900 Abs. 4 ZPO zu überprüfen, sofern der formal richtige Zustellungsvermerk am Titel angebracht ist.

    Und daher ist der Einwand unbeachtlich.
    D.h. weiter, wenn keine Anträge nach § 769, 767 ZPO kommen (und damit eine einstweilige Einstellung) wird weiter vollstreckt.

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    (Heinz Becker)

  • Beim Zustellvermerk auf dem VB handelt es sich um einen Anscheinsbeweis.

    Der Gegenbeweis ist jedoch zulässig.
    Der Widerspruch ist nicht ohne weiteres zurückzuweisen, da es sich beim Einwand um den beachtlichen Vortrag des Nichtvorliegens einer Zwvo-Voraussetzung handelt.

    Im Widerspruchsverfahren ist der Schuldner insoweit beweispflichtig.

    Er ist daher unter Fristsetzung aufzufordern, eine Bescheinigung des EMA darüber aufzufordern, unter welcher Anschrift er per Datum der VB-Zustellung gemeldet war und ob es weitere Meldeanschriften per diesem Datum gab.

    Parallel würde ich dem Gläubiger den Widerspruch zur Stellungnahme übersenden und ihm bei zu erwartendem Zurückweisungsantrag aufgeben, durch EMA-Bescheinigung per Zustellungsdatum nachzuweisen, dass der Schuldner unter der Zustellungsanschrift gemeldet war.

    Der Anscheinsbeweis spricht aber für die wirksame Zustellung und wenn der Schuldner den Anscheinsbeweis nicht fristgeercht erschüttert, ist der Widerspruch zurückzuweisen.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • In der Tat! Sachen gibt´s.[Blockierte Grafik: http://www.kiki-net.de/smilies/schilder/unglaublich.gif]

    Ich halte diese Auffassung aber trotzdem für daneben liegend. [Blockierte Grafik: http://www.schildersmilies.de/schilder/protestier.gif]

    Es fehlt nur noch, dass man auch noch den Zusteller als Zeugen laden muss. Weiter gesponnen dürfte der Gläubiger dann den Gegenbeweis führen dürfen, dass der Zustellungsmangel ggf. geheilt wurde, als der Schuldner am 2. Advent seine Tochter besuchte und beim Christstollendippen etwas Kaffee auf den falsch zugestellten VB tropfte.[Blockierte Grafik: http://www.schildersmilies.de/schilder/niwi.gif]

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  • Es freut mich, dass nicht nur hier sondern auch woanders Uneinigkeit über die Handhabung eines solchen Widerspruchs herrscht ...

    Finde die Entscheidung des OLG Köln gar nicht schlecht und werde mich daran halten.

    Danke!

  • pia:
    Erstaunlich aber wahr!

    Trotzdem würde ich bei dieser Verfahrensweise dann gerne wissen, wo die Grenzen der "Beweisaufnahme" durch das Zwangsvollstreckungsgericht gesetzt werden sollen.

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    (Heinz Becker)

  • @erzett
    die Wohnlage spricht eindeutig dagegen ...

    Die Grenze der Beweisaufnahme habe ich mir mit der Anforderung einer Einwohnermeldeamtsbestätigung für den zustellungszeitraum gesetzt. Das muß reichen. Von dem Gläubiger diese Vorlage zu verlangen, so wie das OLG Köln das wohl gerne hätte, finde ich allerdings etwas übertrieben.

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